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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Faulthiere.

Der Uano bewohnt hauptsächlich Guyana und Surinam, der Ai dagegen die Ostküste Bra-
siliens bis nach Rio Janeiro hinab. Andere Arten leben im östlichen Brasilien und Peru, und eine
Art hauptsächlich im Nordwesten jenes großen Kaiserreichs.

Den Faulthieren, welche man mit Recht auffallende Thiere nennt, in Ländern, wo Alles glänzt
und flimmert, wo sich die Beweglichkeit mit der Anmuth, die Zierlichkeit der Gestalt mit der Farben-
schönheit, die Behendigkeit mit der Pracht der Bedeckung paart, gingen noch weit ungeheuerlichere
Geschöpfe voraus, die Rieseufaulthiere nämlich. Das waren zahnarme Thiere von gewaltigen
Körperverhältnissen und überaus plumpem Knochenbau, deren ungeheueres Leibesgewicht ein Baum-
leben geradezu verbot. Sie waren also entschieden Pflanzenfresser und als solche auf den Boden ge-
bunden. Jm Jahre 1789 fand der Marauis Loretto, der Statthalter von Buenos Ayres, drei
Stunden südwestlich von der Stadt gleichen Namens, in aufgeschwemmtem Land versteinerte Knochen

[Abbildung] Das dreizehige Faulthier oder Ai (Bradypus tridactylus).
von einem Thiere auf, welches unserm Elefanten an Größe vollkommen gleich kam; denn nach den
Knochen gemessen, mußte es im Leben vierzehn Fuß lang und acht Fuß hoch gewesen sein. Man
fand fast das ganze Geripp und konnte so mit ziemlicher Genauigkeit die Stellung des ausge-
storbenen Riesenthieres bestimmen. Es wurde auch trotz seines Untergangs von der Erde und nach
seiner Auferstehung noch getauft, nämlich Megatherium Cuvieri genannt. Die hinteren Gliedmaßen
zeichneten sich durch auffallende Plumpheit vor den vorderen, beweglichen aus. Der Hals bestand
aus sieben Wirbeln. An den Vorderfüßen fanden sich vier, an den Hinterfüßen blos drei Zehen
mit großen Krallennägeln. Die beweglichen Unterarmknochen und der starke Schultergürtel deuten
darauf hin, daß die Vorderfüße nicht zum Gehen benutzt werden konnten, und ebensowenig zum
Klettern, denn dazu erscheint der ganze Körper viel zu plump, gewaltig und schwer. Ebensowenig
konnten die Vorderhände zum Graben dienen, und so blieb Nichts übrig, als anzunehmen, daß das
Riesenthier sich auf seine Hinterbeine erhob, mit den Vorderfüßen die Zweige der Bäume nieder-

Die Faulthiere.

Der Uano bewohnt hauptſächlich Guyana und Surinam, der Ai dagegen die Oſtküſte Bra-
ſiliens bis nach Rio Janeiro hinab. Andere Arten leben im öſtlichen Braſilien und Peru, und eine
Art hauptſächlich im Nordweſten jenes großen Kaiſerreichs.

Den Faulthieren, welche man mit Recht auffallende Thiere nennt, in Ländern, wo Alles glänzt
und flimmert, wo ſich die Beweglichkeit mit der Anmuth, die Zierlichkeit der Geſtalt mit der Farben-
ſchönheit, die Behendigkeit mit der Pracht der Bedeckung paart, gingen noch weit ungeheuerlichere
Geſchöpfe voraus, die Rieſeufaulthiere nämlich. Das waren zahnarme Thiere von gewaltigen
Körperverhältniſſen und überaus plumpem Knochenbau, deren ungeheueres Leibesgewicht ein Baum-
leben geradezu verbot. Sie waren alſo entſchieden Pflanzenfreſſer und als ſolche auf den Boden ge-
bunden. Jm Jahre 1789 fand der Marauis Loretto, der Statthalter von Buenos Ayres, drei
Stunden ſüdweſtlich von der Stadt gleichen Namens, in aufgeſchwemmtem Land verſteinerte Knochen

[Abbildung] Das dreizehige Faulthier oder Ai (Bradypus tridactylus).
von einem Thiere auf, welches unſerm Elefanten an Größe vollkommen gleich kam; denn nach den
Knochen gemeſſen, mußte es im Leben vierzehn Fuß lang und acht Fuß hoch geweſen ſein. Man
fand faſt das ganze Geripp und konnte ſo mit ziemlicher Genauigkeit die Stellung des ausge-
ſtorbenen Rieſenthieres beſtimmen. Es wurde auch trotz ſeines Untergangs von der Erde und nach
ſeiner Auferſtehung noch getauft, nämlich Megatherium Cuvieri genannt. Die hinteren Gliedmaßen
zeichneten ſich durch auffallende Plumpheit vor den vorderen, beweglichen aus. Der Hals beſtand
aus ſieben Wirbeln. An den Vorderfüßen fanden ſich vier, an den Hinterfüßen blos drei Zehen
mit großen Krallennägeln. Die beweglichen Unterarmknochen und der ſtarke Schultergürtel deuten
darauf hin, daß die Vorderfüße nicht zum Gehen benutzt werden konnten, und ebenſowenig zum
Klettern, denn dazu erſcheint der ganze Körper viel zu plump, gewaltig und ſchwer. Ebenſowenig
konnten die Vorderhände zum Graben dienen, und ſo blieb Nichts übrig, als anzunehmen, daß das
Rieſenthier ſich auf ſeine Hinterbeine erhob, mit den Vorderfüßen die Zweige der Bäume nieder-

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[283/0303] Die Faulthiere. Der Uano bewohnt hauptſächlich Guyana und Surinam, der Ai dagegen die Oſtküſte Bra- ſiliens bis nach Rio Janeiro hinab. Andere Arten leben im öſtlichen Braſilien und Peru, und eine Art hauptſächlich im Nordweſten jenes großen Kaiſerreichs. Den Faulthieren, welche man mit Recht auffallende Thiere nennt, in Ländern, wo Alles glänzt und flimmert, wo ſich die Beweglichkeit mit der Anmuth, die Zierlichkeit der Geſtalt mit der Farben- ſchönheit, die Behendigkeit mit der Pracht der Bedeckung paart, gingen noch weit ungeheuerlichere Geſchöpfe voraus, die Rieſeufaulthiere nämlich. Das waren zahnarme Thiere von gewaltigen Körperverhältniſſen und überaus plumpem Knochenbau, deren ungeheueres Leibesgewicht ein Baum- leben geradezu verbot. Sie waren alſo entſchieden Pflanzenfreſſer und als ſolche auf den Boden ge- bunden. Jm Jahre 1789 fand der Marauis Loretto, der Statthalter von Buenos Ayres, drei Stunden ſüdweſtlich von der Stadt gleichen Namens, in aufgeſchwemmtem Land verſteinerte Knochen [Abbildung Das dreizehige Faulthier oder Ai (Bradypus tridactylus).] von einem Thiere auf, welches unſerm Elefanten an Größe vollkommen gleich kam; denn nach den Knochen gemeſſen, mußte es im Leben vierzehn Fuß lang und acht Fuß hoch geweſen ſein. Man fand faſt das ganze Geripp und konnte ſo mit ziemlicher Genauigkeit die Stellung des ausge- ſtorbenen Rieſenthieres beſtimmen. Es wurde auch trotz ſeines Untergangs von der Erde und nach ſeiner Auferſtehung noch getauft, nämlich Megatherium Cuvieri genannt. Die hinteren Gliedmaßen zeichneten ſich durch auffallende Plumpheit vor den vorderen, beweglichen aus. Der Hals beſtand aus ſieben Wirbeln. An den Vorderfüßen fanden ſich vier, an den Hinterfüßen blos drei Zehen mit großen Krallennägeln. Die beweglichen Unterarmknochen und der ſtarke Schultergürtel deuten darauf hin, daß die Vorderfüße nicht zum Gehen benutzt werden konnten, und ebenſowenig zum Klettern, denn dazu erſcheint der ganze Körper viel zu plump, gewaltig und ſchwer. Ebenſowenig konnten die Vorderhände zum Graben dienen, und ſo blieb Nichts übrig, als anzunehmen, daß das Rieſenthier ſich auf ſeine Hinterbeine erhob, mit den Vorderfüßen die Zweige der Bäume nieder-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/303>, abgerufen am 23.11.2024.