deren sich bewegend. Keine einzige Art versteht zu klettern oder zu schwimmen; die Erde ist ihr eigent- liches Element. Hier sind sie zu Hause, wie wenig andere Thiere. So langsam und träg sie scheinen, wenn sie gehen oder sich sonst bewegen, so schnell und behend sind sie, wenn es gilt, sich in die Erde zu graben. Aufgescheucht, erschreckt und verfolgt, wissen sie nichts Anderes zu thun, als sich so recht im eigentlichen Sinne des Worts der Erde anzuvertrauen. Und sie verstehen das Graben wirklich so meisterhaft, daß sie buchstäblich vor sichtlichen Augen sich versenken können. Jhre außer- ordentliche Wehrlosigkeit würde sie auch ihren Feinden schutzlos überliefern, wenn sie nicht diese Art der Flucht auszuführen verständen. Eine Art besitzt noch das Vermögen, sich in eine Kugel zusam- men zu rollen, wie unser Jgel; doch thut sie dies blos im alleräußersten Nothfall und beginnt wieder sobald als möglich sich in die Erde zu vergraben und zu verstecken.
Die Gürtelthiere sind durchaus harmlose, friedliche Geschöpfe von stumpfen Sinnen, und ohne jede Spur höherer geistiger Fähigkeiten. Der Geruch scheint unter allen Sinnen noch am meisten ent- wickelt zu sein, steht aber entschieden dem betreffenden Sinn anderer Gräber weit nach. Unsere Thiere sind durchaus nicht geeignet, mit den Menschen zu verkehren, und Jeder, welcher das Gürtel- thier gesehen hat, muß nach kurzer Beobachtung überzeugt sein, daß sich mit solchen gleichgiltigen, dummen und langweiligen Geschöpfen Nichts anfangen läßt. Entweder liegen sie stumpf auf ein und derselben Stelle, oder sie kratzen und scharren wie rasend, um sich bald eine Höhle in die Erde zu graben. Jhre Stimme besteht in knurrenden Lauten, ohne Klang und Ausdruck; sie lassen aber blos bei größter Erregung einen Ton vernehmen.
Auch die Gürtelthiere gehen ihrer gänzlichen Ausrottung entgegen. Jhre Vermehrung ist gering. Einige Arten werfen zwar bis neun Junge; allein das Wachsthum derselben geht so außerordentlich langsam vor sich, und die Thiere sind den vielen Feinden, welche sie haben, so wenig gewachsen, daß an ein Häufigerwerden der Arten nicht gedacht werden kann.
Die Familie zerfällt nach den Eigenthümlichkeiten des Gebisses und der Zahl der Zehen, der Beschaffenheit der Krallen und der Anzahl der Pauzergürtel in drei, oder nach Anderen in fünf Sippen. Wir brauchen auf diese genaue Eintheilung nicht einzugehen.
Die eigentlichen Gürtelthiere oder Armadille (Euphractus) haben sämmtlich mehr oder weniger dieselbe Gestalt. Der Rumpf ist gedrungen, die Beine sind niedrig; der Schwanz ist kugel- förmig und mittellang, gepanzert und steif; der Schildpanzer ist knöchern und vollständig mit dem Leibe verwachsen. Jn der Mitte verlaufen sechs oder mehr bewegliche Gürtel. Alle Füße sind fünf- zehig, die Krallen der Vorderfüße zusammen gedrückt, die äußeren schwach nach auswärts gedreht. Bei anderen Sippen ist entweder die Zahl der Binden verschieden oder aber das Gebiß zeigt Unter- schiede. Doch diese Eintheilung ist zu spitzfindig, weil hierdurch Thiere getrennt werden, zwischen denen in ihrer äußeren Gestalt, wie in ihrer inneren Bildung, in ihrer Lebensweise, wie in ihrer Fortpflanzungsart die größte Aehnlichkeit herrscht. Einige genauere Artbeschreibungen mögen übrigens die Unterschiede uns deutlich machen. Jn der Lebensweise ähneln sich alle Armadille oder eigentlichen Gürtelthiere sehr. Wir haben durch Azara, Reugger und Prinz von Wied (namentlich aber durch die beiden Ersteren) vortreffliche Lebensbeschreibungen der Gürtelthiere erhalten, und sind hierdurch bis auf Geringfügigkeiten sehr bekannt mit ihnen geworden. Jn der nachfolgenden Beschrei- bung werde ich mich hauptsächlich auf Reugger's und Azara's Angaben stützen.
Alle Gürtelthiere führen in der guaranischen Sprache den Geschlechtsnamen Tatu; dieser ist deshalb auch von vielen Gelehrten in die europäischen Sprachen herüber genommen worden. Der Name Armadill ist spanischen Ursprungs und bedeutet eigentlich soviel als Gerüsteter oder Ge- panzerter. Man belegt mit dieser Benennung vorzugsweise das gemeine oder sechsbindige Gürtelthier, während man für die übrigen die guaranischen oder anderen Landesnamen beibehielt.
Alle Gürtelthiere leben nicht in einem bestimmten Gebiet, sondern ändern öfters ihr Lager. Dieses besteht in einer gangförmigen, vier bis sieben Fuß langen Höhle, welche von ihnen selbst gegraben wird. An der Mündung ist die Höhle kreisförmig und hat nach der Größe des Thieres
Die Gürtelthiere.
deren ſich bewegend. Keine einzige Art verſteht zu klettern oder zu ſchwimmen; die Erde iſt ihr eigent- liches Element. Hier ſind ſie zu Hauſe, wie wenig andere Thiere. So langſam und träg ſie ſcheinen, wenn ſie gehen oder ſich ſonſt bewegen, ſo ſchnell und behend ſind ſie, wenn es gilt, ſich in die Erde zu graben. Aufgeſcheucht, erſchreckt und verfolgt, wiſſen ſie nichts Anderes zu thun, als ſich ſo recht im eigentlichen Sinne des Worts der Erde anzuvertrauen. Und ſie verſtehen das Graben wirklich ſo meiſterhaft, daß ſie buchſtäblich vor ſichtlichen Augen ſich verſenken können. Jhre außer- ordentliche Wehrloſigkeit würde ſie auch ihren Feinden ſchutzlos überliefern, wenn ſie nicht dieſe Art der Flucht auszuführen verſtänden. Eine Art beſitzt noch das Vermögen, ſich in eine Kugel zuſam- men zu rollen, wie unſer Jgel; doch thut ſie dies blos im alleräußerſten Nothfall und beginnt wieder ſobald als möglich ſich in die Erde zu vergraben und zu verſtecken.
Die Gürtelthiere ſind durchaus harmloſe, friedliche Geſchöpfe von ſtumpfen Sinnen, und ohne jede Spur höherer geiſtiger Fähigkeiten. Der Geruch ſcheint unter allen Sinnen noch am meiſten ent- wickelt zu ſein, ſteht aber entſchieden dem betreffenden Sinn anderer Gräber weit nach. Unſere Thiere ſind durchaus nicht geeignet, mit den Menſchen zu verkehren, und Jeder, welcher das Gürtel- thier geſehen hat, muß nach kurzer Beobachtung überzeugt ſein, daß ſich mit ſolchen gleichgiltigen, dummen und langweiligen Geſchöpfen Nichts anfangen läßt. Entweder liegen ſie ſtumpf auf ein und derſelben Stelle, oder ſie kratzen und ſcharren wie raſend, um ſich bald eine Höhle in die Erde zu graben. Jhre Stimme beſteht in knurrenden Lauten, ohne Klang und Ausdruck; ſie laſſen aber blos bei größter Erregung einen Ton vernehmen.
Auch die Gürtelthiere gehen ihrer gänzlichen Ausrottung entgegen. Jhre Vermehrung iſt gering. Einige Arten werfen zwar bis neun Junge; allein das Wachsthum derſelben geht ſo außerordentlich langſam vor ſich, und die Thiere ſind den vielen Feinden, welche ſie haben, ſo wenig gewachſen, daß an ein Häufigerwerden der Arten nicht gedacht werden kann.
Die Familie zerfällt nach den Eigenthümlichkeiten des Gebiſſes und der Zahl der Zehen, der Beſchaffenheit der Krallen und der Anzahl der Pauzergürtel in drei, oder nach Anderen in fünf Sippen. Wir brauchen auf dieſe genaue Eintheilung nicht einzugehen.
Die eigentlichen Gürtelthiere oder Armadille (Euphractus) haben ſämmtlich mehr oder weniger dieſelbe Geſtalt. Der Rumpf iſt gedrungen, die Beine ſind niedrig; der Schwanz iſt kugel- förmig und mittellang, gepanzert und ſteif; der Schildpanzer iſt knöchern und vollſtändig mit dem Leibe verwachſen. Jn der Mitte verlaufen ſechs oder mehr bewegliche Gürtel. Alle Füße ſind fünf- zehig, die Krallen der Vorderfüße zuſammen gedrückt, die äußeren ſchwach nach auswärts gedreht. Bei anderen Sippen iſt entweder die Zahl der Binden verſchieden oder aber das Gebiß zeigt Unter- ſchiede. Doch dieſe Eintheilung iſt zu ſpitzfindig, weil hierdurch Thiere getrennt werden, zwiſchen denen in ihrer äußeren Geſtalt, wie in ihrer inneren Bildung, in ihrer Lebensweiſe, wie in ihrer Fortpflanzungsart die größte Aehnlichkeit herrſcht. Einige genauere Artbeſchreibungen mögen übrigens die Unterſchiede uns deutlich machen. Jn der Lebensweiſe ähneln ſich alle Armadille oder eigentlichen Gürtelthiere ſehr. Wir haben durch Azara, Reugger und Prinz von Wied (namentlich aber durch die beiden Erſteren) vortreffliche Lebensbeſchreibungen der Gürtelthiere erhalten, und ſind hierdurch bis auf Geringfügigkeiten ſehr bekannt mit ihnen geworden. Jn der nachfolgenden Beſchrei- bung werde ich mich hauptſächlich auf Reugger’s und Azara’s Angaben ſtützen.
Alle Gürtelthiere führen in der guaraniſchen Sprache den Geſchlechtsnamen Tatu; dieſer iſt deshalb auch von vielen Gelehrten in die europäiſchen Sprachen herüber genommen worden. Der Name Armadill iſt ſpaniſchen Urſprungs und bedeutet eigentlich ſoviel als Gerüſteter oder Ge- panzerter. Man belegt mit dieſer Benennung vorzugsweiſe das gemeine oder ſechsbindige Gürtelthier, während man für die übrigen die guaraniſchen oder anderen Landesnamen beibehielt.
Alle Gürtelthiere leben nicht in einem beſtimmten Gebiet, ſondern ändern öfters ihr Lager. Dieſes beſteht in einer gangförmigen, vier bis ſieben Fuß langen Höhle, welche von ihnen ſelbſt gegraben wird. An der Mündung iſt die Höhle kreisförmig und hat nach der Größe des Thieres
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[286/0306]
Die Gürtelthiere.
deren ſich bewegend. Keine einzige Art verſteht zu klettern oder zu ſchwimmen; die Erde iſt ihr eigent-
liches Element. Hier ſind ſie zu Hauſe, wie wenig andere Thiere. So langſam und träg ſie
ſcheinen, wenn ſie gehen oder ſich ſonſt bewegen, ſo ſchnell und behend ſind ſie, wenn es gilt, ſich in
die Erde zu graben. Aufgeſcheucht, erſchreckt und verfolgt, wiſſen ſie nichts Anderes zu thun, als
ſich ſo recht im eigentlichen Sinne des Worts der Erde anzuvertrauen. Und ſie verſtehen das Graben
wirklich ſo meiſterhaft, daß ſie buchſtäblich vor ſichtlichen Augen ſich verſenken können. Jhre außer-
ordentliche Wehrloſigkeit würde ſie auch ihren Feinden ſchutzlos überliefern, wenn ſie nicht dieſe Art
der Flucht auszuführen verſtänden. Eine Art beſitzt noch das Vermögen, ſich in eine Kugel zuſam-
men zu rollen, wie unſer Jgel; doch thut ſie dies blos im alleräußerſten Nothfall und beginnt wieder
ſobald als möglich ſich in die Erde zu vergraben und zu verſtecken.
Die Gürtelthiere ſind durchaus harmloſe, friedliche Geſchöpfe von ſtumpfen Sinnen, und ohne
jede Spur höherer geiſtiger Fähigkeiten. Der Geruch ſcheint unter allen Sinnen noch am meiſten ent-
wickelt zu ſein, ſteht aber entſchieden dem betreffenden Sinn anderer Gräber weit nach. Unſere
Thiere ſind durchaus nicht geeignet, mit den Menſchen zu verkehren, und Jeder, welcher das Gürtel-
thier geſehen hat, muß nach kurzer Beobachtung überzeugt ſein, daß ſich mit ſolchen gleichgiltigen,
dummen und langweiligen Geſchöpfen Nichts anfangen läßt. Entweder liegen ſie ſtumpf auf ein
und derſelben Stelle, oder ſie kratzen und ſcharren wie raſend, um ſich bald eine Höhle in die Erde
zu graben. Jhre Stimme beſteht in knurrenden Lauten, ohne Klang und Ausdruck; ſie laſſen aber
blos bei größter Erregung einen Ton vernehmen.
Auch die Gürtelthiere gehen ihrer gänzlichen Ausrottung entgegen. Jhre Vermehrung iſt gering.
Einige Arten werfen zwar bis neun Junge; allein das Wachsthum derſelben geht ſo außerordentlich
langſam vor ſich, und die Thiere ſind den vielen Feinden, welche ſie haben, ſo wenig gewachſen, daß
an ein Häufigerwerden der Arten nicht gedacht werden kann.
Die Familie zerfällt nach den Eigenthümlichkeiten des Gebiſſes und der Zahl der Zehen, der
Beſchaffenheit der Krallen und der Anzahl der Pauzergürtel in drei, oder nach Anderen in fünf
Sippen. Wir brauchen auf dieſe genaue Eintheilung nicht einzugehen.
Die eigentlichen Gürtelthiere oder Armadille (Euphractus) haben ſämmtlich mehr oder
weniger dieſelbe Geſtalt. Der Rumpf iſt gedrungen, die Beine ſind niedrig; der Schwanz iſt kugel-
förmig und mittellang, gepanzert und ſteif; der Schildpanzer iſt knöchern und vollſtändig mit dem
Leibe verwachſen. Jn der Mitte verlaufen ſechs oder mehr bewegliche Gürtel. Alle Füße ſind fünf-
zehig, die Krallen der Vorderfüße zuſammen gedrückt, die äußeren ſchwach nach auswärts gedreht.
Bei anderen Sippen iſt entweder die Zahl der Binden verſchieden oder aber das Gebiß zeigt Unter-
ſchiede. Doch dieſe Eintheilung iſt zu ſpitzfindig, weil hierdurch Thiere getrennt werden, zwiſchen
denen in ihrer äußeren Geſtalt, wie in ihrer inneren Bildung, in ihrer Lebensweiſe, wie in ihrer
Fortpflanzungsart die größte Aehnlichkeit herrſcht. Einige genauere Artbeſchreibungen mögen übrigens
die Unterſchiede uns deutlich machen. Jn der Lebensweiſe ähneln ſich alle Armadille oder eigentlichen
Gürtelthiere ſehr. Wir haben durch Azara, Reugger und Prinz von Wied (namentlich
aber durch die beiden Erſteren) vortreffliche Lebensbeſchreibungen der Gürtelthiere erhalten, und ſind
hierdurch bis auf Geringfügigkeiten ſehr bekannt mit ihnen geworden. Jn der nachfolgenden Beſchrei-
bung werde ich mich hauptſächlich auf Reugger’s und Azara’s Angaben ſtützen.
Alle Gürtelthiere führen in der guaraniſchen Sprache den Geſchlechtsnamen Tatu; dieſer
iſt deshalb auch von vielen Gelehrten in die europäiſchen Sprachen herüber genommen worden. Der
Name Armadill iſt ſpaniſchen Urſprungs und bedeutet eigentlich ſoviel als Gerüſteter oder Ge-
panzerter. Man belegt mit dieſer Benennung vorzugsweiſe das gemeine oder ſechsbindige
Gürtelthier, während man für die übrigen die guaraniſchen oder anderen Landesnamen beibehielt.
Alle Gürtelthiere leben nicht in einem beſtimmten Gebiet, ſondern ändern öfters ihr Lager.
Dieſes beſteht in einer gangförmigen, vier bis ſieben Fuß langen Höhle, welche von ihnen ſelbſt
gegraben wird. An der Mündung iſt die Höhle kreisförmig und hat nach der Größe des Thieres
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/306>, abgerufen am 23.11.2024.
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