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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Gürtelthiere.
einen Durchmesser von neun Zoll bis zwei Fuß; gegen das blinde Ende zu wird der Gang immer
weiter und zuletzt kesselartig, so daß sich das Thier im Grunde bequem umdrehen kann. Die Rich-
tung des Ganges ist verschieden. Anfangs geht derselbe schief, meist unter einem Winkel von etwa
vierzig bis fünf und vierzig Grad in das Tiefe hinab; dann wendet er sich bald gerade, d. h. wage-
recht fort, bald biegt er sich nach dieser oder jener Seite hin. Jn solchen Höhlen bringen die Gürtel-
thiere die ganze Zeit zu, welche sie nicht zum Aufsuchen ihrer Beute verbrauchen. Jn den Wild-
nissen gehen sie bei Tage aus, wenn der Himmel bewölkt und ihnen das grelle Sonnenlicht nicht be-
schwerlich fällt; in bewohnten Gegenden verlassen sie die Baue nicht vor einbrechender Dämmerung,
streifen dann aber die ganze Nacht durch umher. Es ist ihnen vollkommen gleichgiltig, ob sie sich zu
ihrer Höhle zurückfinden oder nicht, denn sie graben sich, falls sie den Weg verfehlt haben sollten, ohne
weitere Umstände eine neue. Und hiermit verbinden sie zugleich einen doppelten Zweck. Azara
beobachtete zuerst (und die anderen der genannten Naturforscher bestätigen seine Beobachtungen in
jeder Hinsicht), daß die Gürtelthiere ihre Baue hauptsächlich unter Ameisen- oder Termitenhaufen
anlegen, weil sie hierdurch gleich in den Stand gesetzt werden, ihre hauptsächlichste Nahrung mit
größter Bequemlichkeit auch bei Tage einzusammeln. Sie unterwühlen nun solche große Haufen
und bringen es schließlich dahin, daß der Bau, für eine gewisse Zeit wenigstens, geradezu ausgenutzt
wird. Dann kann ihnen natürlich Nichts mehr an der alten Höhle liegen, und sie sind gewissermaßen
gezwungen, sich eine neue zu graben, um einen erschöpften Boden mit einem frischen zu vertauschen.
Nächst den Ameisen oder Termiten besteht die Nahrung der Gürtelthiere vorzüglich aus Käfern
und deren Larven, aus Raupen, Heuschrecken und Erdwürmern. Reugger bemerkte, daß ein
Tatu die Mistkäfer, welche sich in der Erde eingegraben, herausscharrte und die hervorkommenden
Regenwürmer begierig aufsuchte und verzehrte. Er berichtigt aber die Meinung von Azara,
welcher glaubte, daß kleine Vögel, nämlich Erdnister, Eidechsen, Kröten und Schlangen, vor den
Nachstellungen der Gürtelthiere nicht sicher seien, und glaubt auch, daß das Aas von ihnen blos
zu dem Zweck aufgesucht werde, um die dort sich findenden Kerbthiere aufzufressen. Ganz unzweifel-
haft steht es dagegen fest, daß die Gürtelthiere Pflanzennahrung zu sich nehmen; Reugger hat
solche in dem Magen der von ihm getödteten Thiere gefunden.

Höchst wahrscheinlich geht das Gürtelthier, solange es einen ergiebigen Bau unter einem Ter-
mitenhaufen bewohnt, mehrere Nächte gar nicht nach Nahrung aus, sondern verweilt Tage lang im
Baue, nimmt die von oben herabfallenden Ameisen gemächlich mit seiner Zunge auf und schluckt sie
hinab. Sobald aber die Weide im Hause anfängt knapp zu werden, unternimmt das Thier Streif-
züge. Da werden dann die Gärten und Pflanzungen besucht, um Raupen, Larven und Schnecken
aufzulesen; da wird einer oder der andere Ameisenhaufen unterwühlt, und zwei verschiedene, sich gerade
antreffende Gürtelthiere geben sich bei gelegener Zeit wohl auch ein Stelldichein und verweilen ein paar
Minuten mit einander. Auf solchen nächtlichen Streifereien findet auch, wie Reugger bei Monden-
schein beobachtete, die Paarung statt. Männchen und Weibchen begegnen sich zufällig, beschnuppern
sich ein paar Minuten lang, befriedigen ihren Geschlechtstrieb, und trollen weiter, so gleichgiltig, als
hätte es für das eine oder das andere kein zweites Gürtelthier in der Welt gegeben.

Es läßt sich erwarten, daß die Streifereien der Gürtelthiere immer nur innerhalb eines kleinen
Kreises stattfinden können. Der gewöhnliche Gang aller Armadille ist ein sehr langsamer Schritt,
und die größte Beschleunigung, deren sie fähig sind, ein etwas schnellerer Wechsel der Beine, welcher
sie aber niemals so rasch fördert, daß sie ein Mensch nicht einholen könnte. Sätze zu machen, oder
sich schnell und gewandt herum zu drehen, sind ihnen Dinge der Unmöglichkeit. Ersteres verwehrt
die Schwerleibigkeit, das letztere der enge Anschluß des Panzers. So können sie denn, wenn sie
ihren Lauf auf das äußerste beschleunigen wollen, nur in gerader Richtung oder in einem sehr großen
Bogen dahintrollen, und sie würden ihren verschiedenen Feinden geradezu widerstandslos preisgegeben
sein, wenn sie nicht andere Kunststücke verständen. Was ihnen an Gewandtheit gebricht, wird durch
ihre große Muskelkraft ersetzt. Diese zeigt sich besonders in der Schnelligkeit, mit welcher sie sich in

Die Gürtelthiere.
einen Durchmeſſer von neun Zoll bis zwei Fuß; gegen das blinde Ende zu wird der Gang immer
weiter und zuletzt keſſelartig, ſo daß ſich das Thier im Grunde bequem umdrehen kann. Die Rich-
tung des Ganges iſt verſchieden. Anfangs geht derſelbe ſchief, meiſt unter einem Winkel von etwa
vierzig bis fünf und vierzig Grad in das Tiefe hinab; dann wendet er ſich bald gerade, d. h. wage-
recht fort, bald biegt er ſich nach dieſer oder jener Seite hin. Jn ſolchen Höhlen bringen die Gürtel-
thiere die ganze Zeit zu, welche ſie nicht zum Aufſuchen ihrer Beute verbrauchen. Jn den Wild-
niſſen gehen ſie bei Tage aus, wenn der Himmel bewölkt und ihnen das grelle Sonnenlicht nicht be-
ſchwerlich fällt; in bewohnten Gegenden verlaſſen ſie die Baue nicht vor einbrechender Dämmerung,
ſtreifen dann aber die ganze Nacht durch umher. Es iſt ihnen vollkommen gleichgiltig, ob ſie ſich zu
ihrer Höhle zurückfinden oder nicht, denn ſie graben ſich, falls ſie den Weg verfehlt haben ſollten, ohne
weitere Umſtände eine neue. Und hiermit verbinden ſie zugleich einen doppelten Zweck. Azara
beobachtete zuerſt (und die anderen der genannten Naturforſcher beſtätigen ſeine Beobachtungen in
jeder Hinſicht), daß die Gürtelthiere ihre Baue hauptſächlich unter Ameiſen- oder Termitenhaufen
anlegen, weil ſie hierdurch gleich in den Stand geſetzt werden, ihre hauptſächlichſte Nahrung mit
größter Bequemlichkeit auch bei Tage einzuſammeln. Sie unterwühlen nun ſolche große Haufen
und bringen es ſchließlich dahin, daß der Bau, für eine gewiſſe Zeit wenigſtens, geradezu ausgenutzt
wird. Dann kann ihnen natürlich Nichts mehr an der alten Höhle liegen, und ſie ſind gewiſſermaßen
gezwungen, ſich eine neue zu graben, um einen erſchöpften Boden mit einem friſchen zu vertauſchen.
Nächſt den Ameiſen oder Termiten beſteht die Nahrung der Gürtelthiere vorzüglich aus Käfern
und deren Larven, aus Raupen, Heuſchrecken und Erdwürmern. Reugger bemerkte, daß ein
Tatu die Miſtkäfer, welche ſich in der Erde eingegraben, herausſcharrte und die hervorkommenden
Regenwürmer begierig aufſuchte und verzehrte. Er berichtigt aber die Meinung von Azara,
welcher glaubte, daß kleine Vögel, nämlich Erdniſter, Eidechſen, Kröten und Schlangen, vor den
Nachſtellungen der Gürtelthiere nicht ſicher ſeien, und glaubt auch, daß das Aas von ihnen blos
zu dem Zweck aufgeſucht werde, um die dort ſich findenden Kerbthiere aufzufreſſen. Ganz unzweifel-
haft ſteht es dagegen feſt, daß die Gürtelthiere Pflanzennahrung zu ſich nehmen; Reugger hat
ſolche in dem Magen der von ihm getödteten Thiere gefunden.

Höchſt wahrſcheinlich geht das Gürtelthier, ſolange es einen ergiebigen Bau unter einem Ter-
mitenhaufen bewohnt, mehrere Nächte gar nicht nach Nahrung aus, ſondern verweilt Tage lang im
Baue, nimmt die von oben herabfallenden Ameiſen gemächlich mit ſeiner Zunge auf und ſchluckt ſie
hinab. Sobald aber die Weide im Hauſe anfängt knapp zu werden, unternimmt das Thier Streif-
züge. Da werden dann die Gärten und Pflanzungen beſucht, um Raupen, Larven und Schnecken
aufzuleſen; da wird einer oder der andere Ameiſenhaufen unterwühlt, und zwei verſchiedene, ſich gerade
antreffende Gürtelthiere geben ſich bei gelegener Zeit wohl auch ein Stelldichein und verweilen ein paar
Minuten mit einander. Auf ſolchen nächtlichen Streifereien findet auch, wie Reugger bei Monden-
ſchein beobachtete, die Paarung ſtatt. Männchen und Weibchen begegnen ſich zufällig, beſchnuppern
ſich ein paar Minuten lang, befriedigen ihren Geſchlechtstrieb, und trollen weiter, ſo gleichgiltig, als
hätte es für das eine oder das andere kein zweites Gürtelthier in der Welt gegeben.

Es läßt ſich erwarten, daß die Streifereien der Gürtelthiere immer nur innerhalb eines kleinen
Kreiſes ſtattfinden können. Der gewöhnliche Gang aller Armadille iſt ein ſehr langſamer Schritt,
und die größte Beſchleunigung, deren ſie fähig ſind, ein etwas ſchnellerer Wechſel der Beine, welcher
ſie aber niemals ſo raſch fördert, daß ſie ein Menſch nicht einholen könnte. Sätze zu machen, oder
ſich ſchnell und gewandt herum zu drehen, ſind ihnen Dinge der Unmöglichkeit. Erſteres verwehrt
die Schwerleibigkeit, das letztere der enge Anſchluß des Panzers. So können ſie denn, wenn ſie
ihren Lauf auf das äußerſte beſchleunigen wollen, nur in gerader Richtung oder in einem ſehr großen
Bogen dahintrollen, und ſie würden ihren verſchiedenen Feinden geradezu widerſtandslos preisgegeben
ſein, wenn ſie nicht andere Kunſtſtücke verſtänden. Was ihnen an Gewandtheit gebricht, wird durch
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[287/0307] Die Gürtelthiere. einen Durchmeſſer von neun Zoll bis zwei Fuß; gegen das blinde Ende zu wird der Gang immer weiter und zuletzt keſſelartig, ſo daß ſich das Thier im Grunde bequem umdrehen kann. Die Rich- tung des Ganges iſt verſchieden. Anfangs geht derſelbe ſchief, meiſt unter einem Winkel von etwa vierzig bis fünf und vierzig Grad in das Tiefe hinab; dann wendet er ſich bald gerade, d. h. wage- recht fort, bald biegt er ſich nach dieſer oder jener Seite hin. Jn ſolchen Höhlen bringen die Gürtel- thiere die ganze Zeit zu, welche ſie nicht zum Aufſuchen ihrer Beute verbrauchen. Jn den Wild- niſſen gehen ſie bei Tage aus, wenn der Himmel bewölkt und ihnen das grelle Sonnenlicht nicht be- ſchwerlich fällt; in bewohnten Gegenden verlaſſen ſie die Baue nicht vor einbrechender Dämmerung, ſtreifen dann aber die ganze Nacht durch umher. Es iſt ihnen vollkommen gleichgiltig, ob ſie ſich zu ihrer Höhle zurückfinden oder nicht, denn ſie graben ſich, falls ſie den Weg verfehlt haben ſollten, ohne weitere Umſtände eine neue. Und hiermit verbinden ſie zugleich einen doppelten Zweck. Azara beobachtete zuerſt (und die anderen der genannten Naturforſcher beſtätigen ſeine Beobachtungen in jeder Hinſicht), daß die Gürtelthiere ihre Baue hauptſächlich unter Ameiſen- oder Termitenhaufen anlegen, weil ſie hierdurch gleich in den Stand geſetzt werden, ihre hauptſächlichſte Nahrung mit größter Bequemlichkeit auch bei Tage einzuſammeln. Sie unterwühlen nun ſolche große Haufen und bringen es ſchließlich dahin, daß der Bau, für eine gewiſſe Zeit wenigſtens, geradezu ausgenutzt wird. Dann kann ihnen natürlich Nichts mehr an der alten Höhle liegen, und ſie ſind gewiſſermaßen gezwungen, ſich eine neue zu graben, um einen erſchöpften Boden mit einem friſchen zu vertauſchen. Nächſt den Ameiſen oder Termiten beſteht die Nahrung der Gürtelthiere vorzüglich aus Käfern und deren Larven, aus Raupen, Heuſchrecken und Erdwürmern. Reugger bemerkte, daß ein Tatu die Miſtkäfer, welche ſich in der Erde eingegraben, herausſcharrte und die hervorkommenden Regenwürmer begierig aufſuchte und verzehrte. Er berichtigt aber die Meinung von Azara, welcher glaubte, daß kleine Vögel, nämlich Erdniſter, Eidechſen, Kröten und Schlangen, vor den Nachſtellungen der Gürtelthiere nicht ſicher ſeien, und glaubt auch, daß das Aas von ihnen blos zu dem Zweck aufgeſucht werde, um die dort ſich findenden Kerbthiere aufzufreſſen. Ganz unzweifel- haft ſteht es dagegen feſt, daß die Gürtelthiere Pflanzennahrung zu ſich nehmen; Reugger hat ſolche in dem Magen der von ihm getödteten Thiere gefunden. Höchſt wahrſcheinlich geht das Gürtelthier, ſolange es einen ergiebigen Bau unter einem Ter- mitenhaufen bewohnt, mehrere Nächte gar nicht nach Nahrung aus, ſondern verweilt Tage lang im Baue, nimmt die von oben herabfallenden Ameiſen gemächlich mit ſeiner Zunge auf und ſchluckt ſie hinab. Sobald aber die Weide im Hauſe anfängt knapp zu werden, unternimmt das Thier Streif- züge. Da werden dann die Gärten und Pflanzungen beſucht, um Raupen, Larven und Schnecken aufzuleſen; da wird einer oder der andere Ameiſenhaufen unterwühlt, und zwei verſchiedene, ſich gerade antreffende Gürtelthiere geben ſich bei gelegener Zeit wohl auch ein Stelldichein und verweilen ein paar Minuten mit einander. Auf ſolchen nächtlichen Streifereien findet auch, wie Reugger bei Monden- ſchein beobachtete, die Paarung ſtatt. Männchen und Weibchen begegnen ſich zufällig, beſchnuppern ſich ein paar Minuten lang, befriedigen ihren Geſchlechtstrieb, und trollen weiter, ſo gleichgiltig, als hätte es für das eine oder das andere kein zweites Gürtelthier in der Welt gegeben. Es läßt ſich erwarten, daß die Streifereien der Gürtelthiere immer nur innerhalb eines kleinen Kreiſes ſtattfinden können. Der gewöhnliche Gang aller Armadille iſt ein ſehr langſamer Schritt, und die größte Beſchleunigung, deren ſie fähig ſind, ein etwas ſchnellerer Wechſel der Beine, welcher ſie aber niemals ſo raſch fördert, daß ſie ein Menſch nicht einholen könnte. Sätze zu machen, oder ſich ſchnell und gewandt herum zu drehen, ſind ihnen Dinge der Unmöglichkeit. Erſteres verwehrt die Schwerleibigkeit, das letztere der enge Anſchluß des Panzers. So können ſie denn, wenn ſie ihren Lauf auf das äußerſte beſchleunigen wollen, nur in gerader Richtung oder in einem ſehr großen Bogen dahintrollen, und ſie würden ihren verſchiedenen Feinden geradezu widerſtandslos preisgegeben ſein, wenn ſie nicht andere Kunſtſtücke verſtänden. Was ihnen an Gewandtheit gebricht, wird durch ihre große Muskelkraft erſetzt. Dieſe zeigt ſich beſonders in der Schnelligkeit, mit welcher ſie ſich in

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/307>, abgerufen am 23.11.2024.