umhüllt, welche auf der Oberseite ziemlich glatt ist und vierzehn bis sechszehn fast schildähnliche Quer- wülste zeigt, während er auf der Unterseite mit zahlreichen, warzenartigen Rauhigkeiten besetzt ist. Die beiden Zitzen liegen auf der Brust. Die Farbe des Bandes wie der Haare ist schmuzig gelblich- weiß, auf der Unterseite des Körpers etwas heller. Die Augen sind schwarz. Die Länge des Kör- pers beträgt 4 Zoll 11 Linien, die des Schwanzes 1 Zoll 4 Linien, die Höhe am Widerrist 1 Zoll 11 Linien."
Ueber die Lebensweise des Schildwurfs fehlen bis heute noch alle genaueren Nachrichten. Jn den Werken über Thierkunde findet sich blos Folgendes: Das Thier lebt in sandigen Ebenen und gräbt sich, ganz wie unser europäischer Maulwurf, lange Gänge unter dem Boden, vermeidet es sorgsam, diesen Palast unter der Erde zu verlassen und kommt wahrscheinlich blos durch Zufall an die Ober- fläche herauf. Es soll im Stande sein, mit der größten Schnelligkeit den Boden zu durchwühlen oder, wie der Maulwurf, gerade zu durchlaufen. Auf der Oberfläche der Erde sind seine Bewe- gungen nur langsam und ungeschickt. Höchst wahrscheinlich jagt es nach Maulwurfsart Kerfen und Würmern nach, vielleicht nimmt es auch mit zarten Wurzeln vorlieb. Ueber die Fortpflanzung weiß man nur soviel, daß die Vermehrung eine geringe ist. Die Eingeborenen behaupten, das Weibchen trage seine Jungen versteckt unter der Gürteldecke.
Man sieht, wie dürftig diese Mittheilungen und wie viele von ihnen blose Vermuthungen sind. Um so angenehmer war es mir, von meinem Freunde Anton Göring noch Einiges zu erfahren. "Der Schildwurf," so berichtete er mir, "lebt nicht blos in der Provinz Mendoza, sondern auch in St. Louis, und nach den Versicherungen eines alten glaubwürdigen Landwirthes in weit größerer Anzahl, als in Mendoza, obwohl er hier bekannter ist, jedenfalls weil die Naturforscher öfter nach ihm gefragt haben. Die Spanier nennen ihn Pichi ciego, weil sie glauben, daß er ganz blind wäre; Einzelne aber geben ihm den Namen Juan calado (Haus mit Spitzenbesatz). Unter ersterem Namen kennt ihn jeder Mendozino."
"Das Thierchen bewohnt sandige, trockene, steinige Gegenden, hauptsächlich solche, welche mit dornigem Gestrüpp und Kaktus bewachsen sind. Den Tag über hält es sich stets im Jnnern der Erde versteckt; nachts aber erscheint es auch auf der Oberfläche, und namentlich bei Mondschein läuft es außen herum, am liebsten unter den Gebüschen. Nach allen sicheren Angaben verweilt das Thierchen niemals lange vor seinem Baue und entfernt sich auch immer nur auf wenige Schritte von der Mün- dung der Höhle. Die Fährte, welche es zurückläßt, ist so eigenthümlich, daß man unseren "Spitzen- haus" augenblicklich daran erkennen kann. Der Gang ist nämlich nur ein Fortschieben der Beine; das Thier vermag es nicht, die schwerbewaffneten Füße hoch genug zu erheben und schleift sie blos auf dem Boden dahin. So bilden sich dann zwei neben einander fortlaufende Streifen im Sande, welche sich noch besonders dadurch auszeichnen, daß sie immer in den manchfaltigst verschlungenen Win- dungen sich dahinziehen. Die Mündungen des Baues sind auch noch an Einem kenntlich. Der Schildwurf schleudert nämlich beim Herausgehen, wahrscheinlich mit den nach außen gedrehten Vor- derpfoten, wohl nach Art des Maulwurfes die Erde weg, welche ihn beim Herausgehen hindert. Diese fällt in zwei kleinen Häufchen zu beiden Seiten hin, so daß in der Mitte gewissermaßen ein Gang bleibt. Kein anderer Höhlenbauer Südamerikas verfährt in dieser Weise."
Ueber die Fortpflanzung weiß man gar Nichts. Man jagt das Thier nirgends regelmäßig, son- dern fängt es nur zufällig, vorzugsweise beim Auswerfen der Bewässerungsgräben, welche man da zieht, wo man Felder anlegen will. Einige Male ist es auch beim Fang der anderen Gürtelthiere mit gefunden worden. Jn der letzteren Zeit hat man der häufigen Nachfragen wegen sich etwas mehr Mühe gegeben, Pichi ciegos zu erlangen; doch muß Dies sehr schwer sein, da Göring, welcher sich sieben Monate dort aufhielt, trotz aller Anstrengungen und der lockendsten Versprechungen, nicht ein einziges lebend oder frisch getödtet erhalten konnte. Noch heutigen Tages ist der Pichi ciego ein Gegenstand der Bewunderung der Eingeborenen. Man läßt jeden Gefangenen solange leben, als er leben kann und bewahrt ihn dann als große Merkwürdigkeit auf, sogut es eben gehen will, wie es
Die Gürtelthiere. — Der Schildwurf.
umhüllt, welche auf der Oberſeite ziemlich glatt iſt und vierzehn bis ſechszehn faſt ſchildähnliche Quer- wülſte zeigt, während er auf der Unterſeite mit zahlreichen, warzenartigen Rauhigkeiten beſetzt iſt. Die beiden Zitzen liegen auf der Bruſt. Die Farbe des Bandes wie der Haare iſt ſchmuzig gelblich- weiß, auf der Unterſeite des Körpers etwas heller. Die Augen ſind ſchwarz. Die Länge des Kör- pers beträgt 4 Zoll 11 Linien, die des Schwanzes 1 Zoll 4 Linien, die Höhe am Widerriſt 1 Zoll 11 Linien.‟
Ueber die Lebensweiſe des Schildwurfs fehlen bis heute noch alle genaueren Nachrichten. Jn den Werken über Thierkunde findet ſich blos Folgendes: Das Thier lebt in ſandigen Ebenen und gräbt ſich, ganz wie unſer europäiſcher Maulwurf, lange Gänge unter dem Boden, vermeidet es ſorgſam, dieſen Palaſt unter der Erde zu verlaſſen und kommt wahrſcheinlich blos durch Zufall an die Ober- fläche herauf. Es ſoll im Stande ſein, mit der größten Schnelligkeit den Boden zu durchwühlen oder, wie der Maulwurf, gerade zu durchlaufen. Auf der Oberfläche der Erde ſind ſeine Bewe- gungen nur langſam und ungeſchickt. Höchſt wahrſcheinlich jagt es nach Maulwurfsart Kerfen und Würmern nach, vielleicht nimmt es auch mit zarten Wurzeln vorlieb. Ueber die Fortpflanzung weiß man nur ſoviel, daß die Vermehrung eine geringe iſt. Die Eingeborenen behaupten, das Weibchen trage ſeine Jungen verſteckt unter der Gürteldecke.
Man ſieht, wie dürftig dieſe Mittheilungen und wie viele von ihnen bloſe Vermuthungen ſind. Um ſo angenehmer war es mir, von meinem Freunde Anton Göring noch Einiges zu erfahren. „Der Schildwurf,‟ ſo berichtete er mir, „lebt nicht blos in der Provinz Mendoza, ſondern auch in St. Louis, und nach den Verſicherungen eines alten glaubwürdigen Landwirthes in weit größerer Anzahl, als in Mendoza, obwohl er hier bekannter iſt, jedenfalls weil die Naturforſcher öfter nach ihm gefragt haben. Die Spanier nennen ihn Pichi ciego, weil ſie glauben, daß er ganz blind wäre; Einzelne aber geben ihm den Namen Juan calado (Haus mit Spitzenbeſatz). Unter erſterem Namen kennt ihn jeder Mendozino.‟
„Das Thierchen bewohnt ſandige, trockene, ſteinige Gegenden, hauptſächlich ſolche, welche mit dornigem Geſtrüpp und Kaktus bewachſen ſind. Den Tag über hält es ſich ſtets im Jnnern der Erde verſteckt; nachts aber erſcheint es auch auf der Oberfläche, und namentlich bei Mondſchein läuft es außen herum, am liebſten unter den Gebüſchen. Nach allen ſicheren Angaben verweilt das Thierchen niemals lange vor ſeinem Baue und entfernt ſich auch immer nur auf wenige Schritte von der Mün- dung der Höhle. Die Fährte, welche es zurückläßt, iſt ſo eigenthümlich, daß man unſeren „Spitzen- haus‟ augenblicklich daran erkennen kann. Der Gang iſt nämlich nur ein Fortſchieben der Beine; das Thier vermag es nicht, die ſchwerbewaffneten Füße hoch genug zu erheben und ſchleift ſie blos auf dem Boden dahin. So bilden ſich dann zwei neben einander fortlaufende Streifen im Sande, welche ſich noch beſonders dadurch auszeichnen, daß ſie immer in den manchfaltigſt verſchlungenen Win- dungen ſich dahinziehen. Die Mündungen des Baues ſind auch noch an Einem kenntlich. Der Schildwurf ſchleudert nämlich beim Herausgehen, wahrſcheinlich mit den nach außen gedrehten Vor- derpfoten, wohl nach Art des Maulwurfes die Erde weg, welche ihn beim Herausgehen hindert. Dieſe fällt in zwei kleinen Häufchen zu beiden Seiten hin, ſo daß in der Mitte gewiſſermaßen ein Gang bleibt. Kein anderer Höhlenbauer Südamerikas verfährt in dieſer Weiſe.‟
Ueber die Fortpflanzung weiß man gar Nichts. Man jagt das Thier nirgends regelmäßig, ſon- dern fängt es nur zufällig, vorzugsweiſe beim Auswerfen der Bewäſſerungsgräben, welche man da zieht, wo man Felder anlegen will. Einige Male iſt es auch beim Fang der anderen Gürtelthiere mit gefunden worden. Jn der letzteren Zeit hat man der häufigen Nachfragen wegen ſich etwas mehr Mühe gegeben, Pichi ciegos zu erlangen; doch muß Dies ſehr ſchwer ſein, da Göring, welcher ſich ſieben Monate dort aufhielt, trotz aller Anſtrengungen und der lockendſten Verſprechungen, nicht ein einziges lebend oder friſch getödtet erhalten konnte. Noch heutigen Tages iſt der Pichi ciego ein Gegenſtand der Bewunderung der Eingeborenen. Man läßt jeden Gefangenen ſolange leben, als er leben kann und bewahrt ihn dann als große Merkwürdigkeit auf, ſogut es eben gehen will, wie es
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Die Gürtelthiere. — Der Schildwurf.
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wülſte zeigt, während er auf der Unterſeite mit zahlreichen, warzenartigen Rauhigkeiten beſetzt iſt.
Die beiden Zitzen liegen auf der Bruſt. Die Farbe des Bandes wie der Haare iſt ſchmuzig gelblich-
weiß, auf der Unterſeite des Körpers etwas heller. Die Augen ſind ſchwarz. Die Länge des Kör-
pers beträgt 4 Zoll 11 Linien, die des Schwanzes 1 Zoll 4 Linien, die Höhe am Widerriſt 1 Zoll
11 Linien.‟
Ueber die Lebensweiſe des Schildwurfs fehlen bis heute noch alle genaueren Nachrichten. Jn den
Werken über Thierkunde findet ſich blos Folgendes: Das Thier lebt in ſandigen Ebenen und gräbt
ſich, ganz wie unſer europäiſcher Maulwurf, lange Gänge unter dem Boden, vermeidet es ſorgſam,
dieſen Palaſt unter der Erde zu verlaſſen und kommt wahrſcheinlich blos durch Zufall an die Ober-
fläche herauf. Es ſoll im Stande ſein, mit der größten Schnelligkeit den Boden zu durchwühlen
oder, wie der Maulwurf, gerade zu durchlaufen. Auf der Oberfläche der Erde ſind ſeine Bewe-
gungen nur langſam und ungeſchickt. Höchſt wahrſcheinlich jagt es nach Maulwurfsart Kerfen und
Würmern nach, vielleicht nimmt es auch mit zarten Wurzeln vorlieb. Ueber die Fortpflanzung weiß
man nur ſoviel, daß die Vermehrung eine geringe iſt. Die Eingeborenen behaupten, das Weibchen
trage ſeine Jungen verſteckt unter der Gürteldecke.
Man ſieht, wie dürftig dieſe Mittheilungen und wie viele von ihnen bloſe Vermuthungen ſind.
Um ſo angenehmer war es mir, von meinem Freunde Anton Göring noch Einiges zu erfahren.
„Der Schildwurf,‟ ſo berichtete er mir, „lebt nicht blos in der Provinz Mendoza, ſondern auch in
St. Louis, und nach den Verſicherungen eines alten glaubwürdigen Landwirthes in weit größerer
Anzahl, als in Mendoza, obwohl er hier bekannter iſt, jedenfalls weil die Naturforſcher öfter nach
ihm gefragt haben. Die Spanier nennen ihn Pichi ciego, weil ſie glauben, daß er ganz blind
wäre; Einzelne aber geben ihm den Namen Juan calado (Haus mit Spitzenbeſatz). Unter erſterem
Namen kennt ihn jeder Mendozino.‟
„Das Thierchen bewohnt ſandige, trockene, ſteinige Gegenden, hauptſächlich ſolche, welche mit
dornigem Geſtrüpp und Kaktus bewachſen ſind. Den Tag über hält es ſich ſtets im Jnnern der Erde
verſteckt; nachts aber erſcheint es auch auf der Oberfläche, und namentlich bei Mondſchein läuft es
außen herum, am liebſten unter den Gebüſchen. Nach allen ſicheren Angaben verweilt das Thierchen
niemals lange vor ſeinem Baue und entfernt ſich auch immer nur auf wenige Schritte von der Mün-
dung der Höhle. Die Fährte, welche es zurückläßt, iſt ſo eigenthümlich, daß man unſeren „Spitzen-
haus‟ augenblicklich daran erkennen kann. Der Gang iſt nämlich nur ein Fortſchieben der Beine;
das Thier vermag es nicht, die ſchwerbewaffneten Füße hoch genug zu erheben und ſchleift ſie blos
auf dem Boden dahin. So bilden ſich dann zwei neben einander fortlaufende Streifen im Sande,
welche ſich noch beſonders dadurch auszeichnen, daß ſie immer in den manchfaltigſt verſchlungenen Win-
dungen ſich dahinziehen. Die Mündungen des Baues ſind auch noch an Einem kenntlich. Der
Schildwurf ſchleudert nämlich beim Herausgehen, wahrſcheinlich mit den nach außen gedrehten Vor-
derpfoten, wohl nach Art des Maulwurfes die Erde weg, welche ihn beim Herausgehen hindert.
Dieſe fällt in zwei kleinen Häufchen zu beiden Seiten hin, ſo daß in der Mitte gewiſſermaßen ein
Gang bleibt. Kein anderer Höhlenbauer Südamerikas verfährt in dieſer Weiſe.‟
Ueber die Fortpflanzung weiß man gar Nichts. Man jagt das Thier nirgends regelmäßig, ſon-
dern fängt es nur zufällig, vorzugsweiſe beim Auswerfen der Bewäſſerungsgräben, welche man da
zieht, wo man Felder anlegen will. Einige Male iſt es auch beim Fang der anderen Gürtelthiere
mit gefunden worden. Jn der letzteren Zeit hat man der häufigen Nachfragen wegen ſich etwas
mehr Mühe gegeben, Pichi ciegos zu erlangen; doch muß Dies ſehr ſchwer ſein, da Göring, welcher
ſich ſieben Monate dort aufhielt, trotz aller Anſtrengungen und der lockendſten Verſprechungen, nicht
ein einziges lebend oder friſch getödtet erhalten konnte. Noch heutigen Tages iſt der Pichi ciego ein
Gegenſtand der Bewunderung der Eingeborenen. Man läßt jeden Gefangenen ſolange leben, als er
leben kann und bewahrt ihn dann als große Merkwürdigkeit auf, ſogut es eben gehen will, wie es
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/318>, abgerufen am 23.11.2024.
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