derts herrührt, ganz entschieden, obgleich diese Beschreibung heute noch für uns mehr oder weniger die maßgebende ist.
Das kapische Erdferkel bewohnt blos Südafrika, verbreitet sich aber, namentlich auf der West- seite Südafrikas, ziemlich weit nach Norden hin, -- wie weit, ist nicht bekannt. Seine Lebensweise erinnert in jeder Hinsicht an die der Gürtelthiere. Wie diese lebt es nur im flachen Lande, in Wüsten, Ebenen und Steppen, wo die Ameisen und Termiten das große Wort führen. Es ist ein einsames Thier, jedoch geselliger, als die Gürtelthiere, denn man findet zuweilen ihrer mehrere beisammen. Jm Grunde lebt aber auch jedes einzelne Erdschwein für sich, bei Tage in großen, selbstgegrabenen Höhlen sich verbergend, die Nacht umherschweifend. Jn den Steppen Kordofahns, und zwar eben- sowohl in den mit dünnem Walde bestandenen Niederungen, als auch in den weiten, mit hohem Gras bewachsenen Ebenen, wo sich nur wenige Büsche finden, habe ich die Höhlen des mittelafrika- nischen Erdferkels (Orycteropus aethiopicus) oft genug gesehen und viel von seiner Lebensweise ver- nommen, ohne aber das Thier jemals zu Gesicht zu bekommen. Die Nomaden nennen es dort Abu- Delahf oder Vater, Besitzer der Nägel, und jagen ihm ebenfalls eifrig nach. Sie bestätigten genau die Nachrichten, welche wir über die am Kap wohnende Art erhalten haben. Erst mein Freund Heuglin war so glücklich, eines dieser Thiere lebendig zu erhalten und konnte auch über die Lebensweise genauere Nachrichten geben. Von ihm erfuhr ich ungefähr Folgendes: Das Erdschwein wohnt paar- weise zusammen, den Tag über schläft es in zusammengerollter Stellung in tiefen, selbstgegrabenen Erdlöchern, welche es gewöhnlich hinter sich zuscharrt. Gegen Abend begibt es sich ins Freie, um seiner Nahrung nachzugehen. Sein Lauf ist keineswegs besonders rasch, aber es führt während desselben ganz eigenthümliche, ziemlich weite Sprünge aus. Dabei berührt es mit der ganzen Sohle den Boden, trägt den Kopf senkrecht gegen die Erde gerichtet, den Rücken gekrümmt und schleppt den Schwanz mehr oder weniger auf dem Boden fort. Die Schnauzenspitze geht so dicht über den Boden hin, daß es mit dem Haarkranz, welcher seine Nasenlöcher umgibt, förmlich den Boden fegt. Die Ohren hat es weit auf den Nacken zurückgelegt. Von Zeit zu Zeit steht es stille, um zu horchen, ob kein Feind in der Nähe ist, dann geht es wieder weiter. Dabei wird augenscheinlich, daß Geruch und Gehör die ausgebildetsten Sinne sind; denn ebensosehr als es mit den Ohren arbeitet, ge- braucht es die Nase. Den Nasenkranz schnellt es durch eine rasche Bewegung der Nasenhaut beständig hin und her; und hier und dort richtet es prüfend die lange Schnauze empor, um schnoppernd seiner Beute nachzuspüren. So geht es fort, bis es die Spur einer Ameisenheerstraße findet. Diese wird verfolgt bis zum Bau der Ameisen, und dort beginnt nun die Jagd, ganz nach Art der Gürtel- thiere oder noch mehr der eigentlichen Ameisenfresser. Es besitzt eine unglaubliche Fertigkeit im Gra- ben. Wenige Augenblicke genügen ihm vollkommen, um sich gänzlich in die Erde einzuwühlen, der Boden mag so hart sein, als er will. Beim Graben arbeitet es mit den starken Krallen der Vorder- füße den Boden auf und wirft ganze Klumpen mit gewaltiger Kraft nach hinten; mit den Hinterfüßen schleudert es dann die losgeworfene Erde soweit hinter sich, daß es in einen förmlichen Staubregen eingehüllt wird. Wenn es an einen Ameisen- oder Termitenbau kommt, beschnoppert es ihn zuerst sorgfältig von allen Seiten; dann geht das Graben los, und das Thier wühlt sich in die Erde, bis es auf das Hauptnest oder wenigstens einen Hauptgang der Ameisen geräth. Jn solche Hauptgänge, welche bei den Termitenhügeln meist einen Zoll im Durchmesser haben, steckt nun das Erdferkel seine lange, klebrige Zunge, läßt sie voll werden und zieht sie dann mit den Ameisen zurück, und Dies wiederholt es solange, bis es sich vollkommen gesättigt hat. Manchmal schlürft es auch geradezu mit den Lippen Hunderte von Ameisen auf ein Mal ein, und in dem eigentlichen Neste der Termiten, in welchem Millionen dieser Kerfe durch einander wimmeln, frißt es fast, wie ein Hund, mit jedem Bissen Hunderte zugleich verschlingend. So geht es von einem Bau zum anderen und richtet unter den Alles verwüstenden Termiten nun seinerseits die größte Verheerung an. Mit dem Grauen des Morgens zieht es sich in die Erde zurück, und da gilt es ihm nun ganz gleich, ob es seine Höhle findet, oder nicht, denn in wenig Minuten hat es sich so tief eingegraben, als es für
Die Ameiſenfreſſer. — Das kapiſche Erdferkel.
derts herrührt, ganz entſchieden, obgleich dieſe Beſchreibung heute noch für uns mehr oder weniger die maßgebende iſt.
Das kapiſche Erdferkel bewohnt blos Südafrika, verbreitet ſich aber, namentlich auf der Weſt- ſeite Südafrikas, ziemlich weit nach Norden hin, — wie weit, iſt nicht bekannt. Seine Lebensweiſe erinnert in jeder Hinſicht an die der Gürtelthiere. Wie dieſe lebt es nur im flachen Lande, in Wüſten, Ebenen und Steppen, wo die Ameiſen und Termiten das große Wort führen. Es iſt ein einſames Thier, jedoch geſelliger, als die Gürtelthiere, denn man findet zuweilen ihrer mehrere beiſammen. Jm Grunde lebt aber auch jedes einzelne Erdſchwein für ſich, bei Tage in großen, ſelbſtgegrabenen Höhlen ſich verbergend, die Nacht umherſchweifend. Jn den Steppen Kordofahns, und zwar eben- ſowohl in den mit dünnem Walde beſtandenen Niederungen, als auch in den weiten, mit hohem Gras bewachſenen Ebenen, wo ſich nur wenige Büſche finden, habe ich die Höhlen des mittelafrika- niſchen Erdferkels (Orycteropus aethiopicus) oft genug geſehen und viel von ſeiner Lebensweiſe ver- nommen, ohne aber das Thier jemals zu Geſicht zu bekommen. Die Nomaden nennen es dort Abu- Delahf oder Vater, Beſitzer der Nägel, und jagen ihm ebenfalls eifrig nach. Sie beſtätigten genau die Nachrichten, welche wir über die am Kap wohnende Art erhalten haben. Erſt mein Freund Heuglin war ſo glücklich, eines dieſer Thiere lebendig zu erhalten und konnte auch über die Lebensweiſe genauere Nachrichten geben. Von ihm erfuhr ich ungefähr Folgendes: Das Erdſchwein wohnt paar- weiſe zuſammen, den Tag über ſchläft es in zuſammengerollter Stellung in tiefen, ſelbſtgegrabenen Erdlöchern, welche es gewöhnlich hinter ſich zuſcharrt. Gegen Abend begibt es ſich ins Freie, um ſeiner Nahrung nachzugehen. Sein Lauf iſt keineswegs beſonders raſch, aber es führt während deſſelben ganz eigenthümliche, ziemlich weite Sprünge aus. Dabei berührt es mit der ganzen Sohle den Boden, trägt den Kopf ſenkrecht gegen die Erde gerichtet, den Rücken gekrümmt und ſchleppt den Schwanz mehr oder weniger auf dem Boden fort. Die Schnauzenſpitze geht ſo dicht über den Boden hin, daß es mit dem Haarkranz, welcher ſeine Naſenlöcher umgibt, förmlich den Boden fegt. Die Ohren hat es weit auf den Nacken zurückgelegt. Von Zeit zu Zeit ſteht es ſtille, um zu horchen, ob kein Feind in der Nähe iſt, dann geht es wieder weiter. Dabei wird augenſcheinlich, daß Geruch und Gehör die ausgebildetſten Sinne ſind; denn ebenſoſehr als es mit den Ohren arbeitet, ge- braucht es die Naſe. Den Naſenkranz ſchnellt es durch eine raſche Bewegung der Naſenhaut beſtändig hin und her; und hier und dort richtet es prüfend die lange Schnauze empor, um ſchnoppernd ſeiner Beute nachzuſpüren. So geht es fort, bis es die Spur einer Ameiſenheerſtraße findet. Dieſe wird verfolgt bis zum Bau der Ameiſen, und dort beginnt nun die Jagd, ganz nach Art der Gürtel- thiere oder noch mehr der eigentlichen Ameiſenfreſſer. Es beſitzt eine unglaubliche Fertigkeit im Gra- ben. Wenige Augenblicke genügen ihm vollkommen, um ſich gänzlich in die Erde einzuwühlen, der Boden mag ſo hart ſein, als er will. Beim Graben arbeitet es mit den ſtarken Krallen der Vorder- füße den Boden auf und wirft ganze Klumpen mit gewaltiger Kraft nach hinten; mit den Hinterfüßen ſchleudert es dann die losgeworfene Erde ſoweit hinter ſich, daß es in einen förmlichen Staubregen eingehüllt wird. Wenn es an einen Ameiſen- oder Termitenbau kommt, beſchnoppert es ihn zuerſt ſorgfältig von allen Seiten; dann geht das Graben los, und das Thier wühlt ſich in die Erde, bis es auf das Hauptneſt oder wenigſtens einen Hauptgang der Ameiſen geräth. Jn ſolche Hauptgänge, welche bei den Termitenhügeln meiſt einen Zoll im Durchmeſſer haben, ſteckt nun das Erdferkel ſeine lange, klebrige Zunge, läßt ſie voll werden und zieht ſie dann mit den Ameiſen zurück, und Dies wiederholt es ſolange, bis es ſich vollkommen geſättigt hat. Manchmal ſchlürft es auch geradezu mit den Lippen Hunderte von Ameiſen auf ein Mal ein, und in dem eigentlichen Neſte der Termiten, in welchem Millionen dieſer Kerfe durch einander wimmeln, frißt es faſt, wie ein Hund, mit jedem Biſſen Hunderte zugleich verſchlingend. So geht es von einem Bau zum anderen und richtet unter den Alles verwüſtenden Termiten nun ſeinerſeits die größte Verheerung an. Mit dem Grauen des Morgens zieht es ſich in die Erde zurück, und da gilt es ihm nun ganz gleich, ob es ſeine Höhle findet, oder nicht, denn in wenig Minuten hat es ſich ſo tief eingegraben, als es für
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0322"n="302"/><fwplace="top"type="header">Die Ameiſenfreſſer. — Das kapiſche Erdferkel.</fw><lb/>
derts herrührt, ganz entſchieden, obgleich dieſe Beſchreibung heute noch für uns mehr oder weniger<lb/>
die maßgebende iſt.</p><lb/><p>Das kapiſche Erdferkel bewohnt blos Südafrika, verbreitet ſich aber, namentlich auf der Weſt-<lb/>ſeite Südafrikas, ziemlich weit nach Norden hin, — wie weit, iſt nicht bekannt. Seine Lebensweiſe<lb/>
erinnert in jeder Hinſicht an die der Gürtelthiere. Wie dieſe lebt es nur im flachen Lande, in Wüſten,<lb/>
Ebenen und Steppen, wo die Ameiſen und Termiten das große Wort führen. Es iſt ein einſames<lb/>
Thier, jedoch geſelliger, als die Gürtelthiere, denn man findet zuweilen ihrer mehrere beiſammen.<lb/>
Jm Grunde lebt aber auch jedes einzelne Erdſchwein für ſich, bei Tage in großen, ſelbſtgegrabenen<lb/>
Höhlen ſich verbergend, die Nacht umherſchweifend. Jn den Steppen Kordofahns, und zwar eben-<lb/>ſowohl in den mit dünnem Walde beſtandenen Niederungen, als auch in den weiten, mit hohem<lb/>
Gras bewachſenen Ebenen, wo ſich nur wenige Büſche finden, habe ich die Höhlen des mittelafrika-<lb/>
niſchen Erdferkels (<hirendition="#aq">Orycteropus aethiopicus</hi>) oft genug geſehen und viel von ſeiner Lebensweiſe ver-<lb/>
nommen, ohne aber das Thier jemals zu Geſicht zu bekommen. Die Nomaden nennen es dort Abu-<lb/>
Delahf oder Vater, Beſitzer der Nägel, und jagen ihm ebenfalls eifrig nach. Sie beſtätigten genau<lb/>
die Nachrichten, welche wir über die am Kap wohnende Art erhalten haben. Erſt mein Freund<lb/><hirendition="#g">Heuglin</hi> war ſo glücklich, eines dieſer Thiere lebendig zu erhalten und konnte auch über die Lebensweiſe<lb/>
genauere Nachrichten geben. Von ihm erfuhr ich ungefähr Folgendes: Das Erdſchwein wohnt paar-<lb/>
weiſe zuſammen, den Tag über ſchläft es in zuſammengerollter Stellung in tiefen, ſelbſtgegrabenen<lb/>
Erdlöchern, welche es gewöhnlich hinter ſich zuſcharrt. Gegen Abend begibt es ſich ins Freie, um<lb/>ſeiner Nahrung nachzugehen. Sein Lauf iſt keineswegs beſonders raſch, aber es führt während<lb/>
deſſelben ganz eigenthümliche, ziemlich weite Sprünge aus. Dabei berührt es mit der ganzen Sohle<lb/>
den Boden, trägt den Kopf ſenkrecht gegen die Erde gerichtet, den Rücken gekrümmt und ſchleppt den<lb/>
Schwanz mehr oder weniger auf dem Boden fort. Die Schnauzenſpitze geht ſo dicht über den Boden<lb/>
hin, daß es mit dem Haarkranz, welcher ſeine Naſenlöcher umgibt, förmlich den Boden fegt. Die<lb/>
Ohren hat es weit auf den Nacken zurückgelegt. Von Zeit zu Zeit ſteht es ſtille, um zu horchen, ob<lb/>
kein Feind in der Nähe iſt, dann geht es wieder weiter. Dabei wird augenſcheinlich, daß Geruch<lb/>
und Gehör die ausgebildetſten Sinne ſind; denn ebenſoſehr als es mit den Ohren arbeitet, ge-<lb/>
braucht es die Naſe. Den Naſenkranz ſchnellt es durch eine raſche Bewegung der Naſenhaut beſtändig<lb/>
hin und her; und hier und dort richtet es prüfend die lange Schnauze empor, um ſchnoppernd ſeiner<lb/>
Beute nachzuſpüren. So geht es fort, bis es die Spur einer Ameiſenheerſtraße findet. Dieſe wird<lb/>
verfolgt bis zum Bau der Ameiſen, und dort beginnt nun die Jagd, ganz nach Art der Gürtel-<lb/>
thiere oder noch mehr der eigentlichen Ameiſenfreſſer. Es beſitzt eine unglaubliche Fertigkeit im Gra-<lb/>
ben. Wenige Augenblicke genügen ihm vollkommen, um ſich gänzlich in die Erde einzuwühlen, der<lb/>
Boden mag ſo hart ſein, als er will. Beim Graben arbeitet es mit den ſtarken Krallen der Vorder-<lb/>
füße den Boden auf und wirft ganze Klumpen mit gewaltiger Kraft nach hinten; mit den Hinterfüßen<lb/>ſchleudert es dann die losgeworfene Erde ſoweit hinter ſich, daß es in einen förmlichen Staubregen<lb/>
eingehüllt wird. Wenn es an einen Ameiſen- oder Termitenbau kommt, beſchnoppert es ihn zuerſt<lb/>ſorgfältig von allen Seiten; dann geht das Graben los, und das Thier wühlt ſich in die Erde, bis<lb/>
es auf das Hauptneſt oder wenigſtens einen Hauptgang der Ameiſen geräth. Jn ſolche Hauptgänge,<lb/>
welche bei den Termitenhügeln meiſt einen Zoll im Durchmeſſer haben, ſteckt nun das Erdferkel<lb/>ſeine lange, klebrige Zunge, läßt ſie voll werden und zieht ſie dann mit den Ameiſen zurück, und<lb/>
Dies wiederholt es ſolange, bis es ſich vollkommen geſättigt hat. Manchmal ſchlürft es auch<lb/>
geradezu mit den Lippen Hunderte von Ameiſen auf ein Mal ein, und in dem eigentlichen Neſte der<lb/>
Termiten, in welchem Millionen dieſer Kerfe durch einander wimmeln, frißt es faſt, wie ein Hund,<lb/>
mit jedem Biſſen Hunderte zugleich verſchlingend. So geht es von einem Bau zum anderen und<lb/>
richtet unter den Alles verwüſtenden Termiten nun ſeinerſeits die größte Verheerung an. Mit dem<lb/>
Grauen des Morgens zieht es ſich in die Erde zurück, und da gilt es ihm nun ganz gleich, ob es<lb/>ſeine Höhle findet, oder nicht, denn in wenig Minuten hat es ſich ſo tief eingegraben, als es für<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[302/0322]
Die Ameiſenfreſſer. — Das kapiſche Erdferkel.
derts herrührt, ganz entſchieden, obgleich dieſe Beſchreibung heute noch für uns mehr oder weniger
die maßgebende iſt.
Das kapiſche Erdferkel bewohnt blos Südafrika, verbreitet ſich aber, namentlich auf der Weſt-
ſeite Südafrikas, ziemlich weit nach Norden hin, — wie weit, iſt nicht bekannt. Seine Lebensweiſe
erinnert in jeder Hinſicht an die der Gürtelthiere. Wie dieſe lebt es nur im flachen Lande, in Wüſten,
Ebenen und Steppen, wo die Ameiſen und Termiten das große Wort führen. Es iſt ein einſames
Thier, jedoch geſelliger, als die Gürtelthiere, denn man findet zuweilen ihrer mehrere beiſammen.
Jm Grunde lebt aber auch jedes einzelne Erdſchwein für ſich, bei Tage in großen, ſelbſtgegrabenen
Höhlen ſich verbergend, die Nacht umherſchweifend. Jn den Steppen Kordofahns, und zwar eben-
ſowohl in den mit dünnem Walde beſtandenen Niederungen, als auch in den weiten, mit hohem
Gras bewachſenen Ebenen, wo ſich nur wenige Büſche finden, habe ich die Höhlen des mittelafrika-
niſchen Erdferkels (Orycteropus aethiopicus) oft genug geſehen und viel von ſeiner Lebensweiſe ver-
nommen, ohne aber das Thier jemals zu Geſicht zu bekommen. Die Nomaden nennen es dort Abu-
Delahf oder Vater, Beſitzer der Nägel, und jagen ihm ebenfalls eifrig nach. Sie beſtätigten genau
die Nachrichten, welche wir über die am Kap wohnende Art erhalten haben. Erſt mein Freund
Heuglin war ſo glücklich, eines dieſer Thiere lebendig zu erhalten und konnte auch über die Lebensweiſe
genauere Nachrichten geben. Von ihm erfuhr ich ungefähr Folgendes: Das Erdſchwein wohnt paar-
weiſe zuſammen, den Tag über ſchläft es in zuſammengerollter Stellung in tiefen, ſelbſtgegrabenen
Erdlöchern, welche es gewöhnlich hinter ſich zuſcharrt. Gegen Abend begibt es ſich ins Freie, um
ſeiner Nahrung nachzugehen. Sein Lauf iſt keineswegs beſonders raſch, aber es führt während
deſſelben ganz eigenthümliche, ziemlich weite Sprünge aus. Dabei berührt es mit der ganzen Sohle
den Boden, trägt den Kopf ſenkrecht gegen die Erde gerichtet, den Rücken gekrümmt und ſchleppt den
Schwanz mehr oder weniger auf dem Boden fort. Die Schnauzenſpitze geht ſo dicht über den Boden
hin, daß es mit dem Haarkranz, welcher ſeine Naſenlöcher umgibt, förmlich den Boden fegt. Die
Ohren hat es weit auf den Nacken zurückgelegt. Von Zeit zu Zeit ſteht es ſtille, um zu horchen, ob
kein Feind in der Nähe iſt, dann geht es wieder weiter. Dabei wird augenſcheinlich, daß Geruch
und Gehör die ausgebildetſten Sinne ſind; denn ebenſoſehr als es mit den Ohren arbeitet, ge-
braucht es die Naſe. Den Naſenkranz ſchnellt es durch eine raſche Bewegung der Naſenhaut beſtändig
hin und her; und hier und dort richtet es prüfend die lange Schnauze empor, um ſchnoppernd ſeiner
Beute nachzuſpüren. So geht es fort, bis es die Spur einer Ameiſenheerſtraße findet. Dieſe wird
verfolgt bis zum Bau der Ameiſen, und dort beginnt nun die Jagd, ganz nach Art der Gürtel-
thiere oder noch mehr der eigentlichen Ameiſenfreſſer. Es beſitzt eine unglaubliche Fertigkeit im Gra-
ben. Wenige Augenblicke genügen ihm vollkommen, um ſich gänzlich in die Erde einzuwühlen, der
Boden mag ſo hart ſein, als er will. Beim Graben arbeitet es mit den ſtarken Krallen der Vorder-
füße den Boden auf und wirft ganze Klumpen mit gewaltiger Kraft nach hinten; mit den Hinterfüßen
ſchleudert es dann die losgeworfene Erde ſoweit hinter ſich, daß es in einen förmlichen Staubregen
eingehüllt wird. Wenn es an einen Ameiſen- oder Termitenbau kommt, beſchnoppert es ihn zuerſt
ſorgfältig von allen Seiten; dann geht das Graben los, und das Thier wühlt ſich in die Erde, bis
es auf das Hauptneſt oder wenigſtens einen Hauptgang der Ameiſen geräth. Jn ſolche Hauptgänge,
welche bei den Termitenhügeln meiſt einen Zoll im Durchmeſſer haben, ſteckt nun das Erdferkel
ſeine lange, klebrige Zunge, läßt ſie voll werden und zieht ſie dann mit den Ameiſen zurück, und
Dies wiederholt es ſolange, bis es ſich vollkommen geſättigt hat. Manchmal ſchlürft es auch
geradezu mit den Lippen Hunderte von Ameiſen auf ein Mal ein, und in dem eigentlichen Neſte der
Termiten, in welchem Millionen dieſer Kerfe durch einander wimmeln, frißt es faſt, wie ein Hund,
mit jedem Biſſen Hunderte zugleich verſchlingend. So geht es von einem Bau zum anderen und
richtet unter den Alles verwüſtenden Termiten nun ſeinerſeits die größte Verheerung an. Mit dem
Grauen des Morgens zieht es ſich in die Erde zurück, und da gilt es ihm nun ganz gleich, ob es
ſeine Höhle findet, oder nicht, denn in wenig Minuten hat es ſich ſo tief eingegraben, als es für
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/322>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.