Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.Die Beuteldachse. erwähnt, daß das zarte Fell außerordentlich fest auf dem Fleische sitze und gewöhnlich blos inStücken abgestreift werden könne, -- ein Umstand, welcher dem sammelnden Forscher natürlich sehr hinderlich ist. Der Stutzbeutler (Choeropus ecaudatus oder castanotos) bildet eine zweite Sippe der Beutel- [Abbildung]
Der Stutzbeutler (Choeropus ecaudatus oder castanotos). obwohl bei Lichte betrachtet, diese Aehnlichkeitnur eine geträumte ist. Auch mit seinem Artnamen hat es eine eigenthümliche Bewandtniß. Der Ent- decker unseres Thierchens, Thomas Mitchell, zog den ersten und einzigen Stutzbeutler, welchen er erbeutete, lebend aus einem hohlen Baume heraus, in welchen sich derselbe geflüchtet hatte, und zwar nicht weniger zu seinem Erstaunen, als zur Ver- wunderung der Eingeborenen, welche erklärten, niemals ein solches Geschöpf gesehen zu haben. Am meisten fiel dem Naturforscher der Mangel des Schwanzes auf, und deshalb gab er ihm den Artnamen "Schwanzloser Schweinefuß". Später nach Europa gekommene Stutzbeutler be- saßen aber sämmtlich Schwänze, und zwar recht hübsche Schwänzchen von fünf Zoll Länge, und es zeigte sich also, daß der erste Mitbruder, wel- cher in die Hand der Forscher gekommen war, durch einen unglücklichen Zufall seines Schwanzes be- raubt worden war. Gray änderte deshalb den Namen um und naunte das Thierchen nach seiner Hauptfärbung "castanotos" oder kastanienfarbig. Doch ist es nun einmal in der Wissenschaft gebräuchlich, den erst gegebenen Namen so viel als möglich festzuhalten, und so heißt der betreffende Beutler noch heutzutage der schwanzlose Stutz- beutler oder schwanzlose Schweinefuß. Unser Thier erreicht etwa die Größe eines kleinen Kaninchens; seine Leibeslänge beträgt etwa So viel man bis jetzt erfahren hat, bewohnt der Stutzbeutler hauptsächlich Neusüdwales, und Die Beuteldachſe. erwähnt, daß das zarte Fell außerordentlich feſt auf dem Fleiſche ſitze und gewöhnlich blos inStücken abgeſtreift werden könne, — ein Umſtand, welcher dem ſammelnden Forſcher natürlich ſehr hinderlich iſt. Der Stutzbeutler (Choeropus ecaudatus oder castanotos) bildet eine zweite Sippe der Beutel- [Abbildung]
Der Stutzbeutler (Choeropus ecaudatus oder castanotos). obwohl bei Lichte betrachtet, dieſe Aehnlichkeitnur eine geträumte iſt. Auch mit ſeinem Artnamen hat es eine eigenthümliche Bewandtniß. Der Ent- decker unſeres Thierchens, Thomas Mitchell, zog den erſten und einzigen Stutzbeutler, welchen er erbeutete, lebend aus einem hohlen Baume heraus, in welchen ſich derſelbe geflüchtet hatte, und zwar nicht weniger zu ſeinem Erſtaunen, als zur Ver- wunderung der Eingeborenen, welche erklärten, niemals ein ſolches Geſchöpf geſehen zu haben. Am meiſten fiel dem Naturforſcher der Mangel des Schwanzes auf, und deshalb gab er ihm den Artnamen „Schwanzloſer Schweinefuß‟. Später nach Europa gekommene Stutzbeutler be- ſaßen aber ſämmtlich Schwänze, und zwar recht hübſche Schwänzchen von fünf Zoll Länge, und es zeigte ſich alſo, daß der erſte Mitbruder, wel- cher in die Hand der Forſcher gekommen war, durch einen unglücklichen Zufall ſeines Schwanzes be- raubt worden war. Gray änderte deshalb den Namen um und naunte das Thierchen nach ſeiner Hauptfärbung „castanotos‟ oder kaſtanienfarbig. Doch iſt es nun einmal in der Wiſſenſchaft gebräuchlich, den erſt gegebenen Namen ſo viel als möglich feſtzuhalten, und ſo heißt der betreffende Beutler noch heutzutage der ſchwanzloſe Stutz- beutler oder ſchwanzloſe Schweinefuß. Unſer Thier erreicht etwa die Größe eines kleinen Kaninchens; ſeine Leibeslänge beträgt etwa So viel man bis jetzt erfahren hat, bewohnt der Stutzbeutler hauptſächlich Neuſüdwales, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0040" n="28"/><fw place="top" type="header">Die Beuteldachſe.</fw><lb/> erwähnt, daß das zarte Fell außerordentlich feſt auf dem Fleiſche ſitze und gewöhnlich blos in<lb/> Stücken abgeſtreift werden könne, — ein Umſtand, welcher dem ſammelnden Forſcher natürlich ſehr<lb/> hinderlich iſt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Stutzbeutler</hi> (<hi rendition="#aq">Choeropus ecaudatus</hi> oder <hi rendition="#aq">castanotos</hi>) bildet eine zweite Sippe der Beutel-<lb/> dachſe. Er erinnert lebhaft an die kleinen <hi rendition="#g">Rohrrüßler,</hi> welche wir auf Seite 666 des erſten Bandes<lb/> kennen gelernt haben. Der ziemlich ſchlanke Leib ruht auf ſehr dünnen und hohen Beinen, deren Hin-<lb/> terpaar gegen das vordere bedeutend verlängert iſt. Die Schnauze iſt ſpitzig; die Ohren ſind ſehr<lb/> lang; der Schwanz iſt mittellang und dünn behaart. An den Vorderfüßen finden ſich blos zwei<lb/> kurze, gleich lange Zehen mit kurzen, aber ſtarken Nägeln; das Hinterpaar hat nur eine einzige große<lb/> Zehe, neben welcher die übrigen, ſehr verkümmerten liegen. Man hat dieſes merkwürdigen Fußbaues<lb/> wegen dem Thiere ſeinen griechiſchen Namen gegeben, welcher ſo viel als „ſchweinefüßig‟ bedeutet,<lb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Stutzbeutler</hi> (<hi rendition="#aq">Choeropus ecaudatus</hi> oder <hi rendition="#aq">castanotos</hi>).</hi></head></figure><lb/> obwohl bei Lichte betrachtet, dieſe Aehnlichkeit<lb/> nur eine geträumte iſt. Auch mit ſeinem Artnamen<lb/> hat es eine eigenthümliche Bewandtniß. 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Die Beuteldachſe.
erwähnt, daß das zarte Fell außerordentlich feſt auf dem Fleiſche ſitze und gewöhnlich blos in
Stücken abgeſtreift werden könne, — ein Umſtand, welcher dem ſammelnden Forſcher natürlich ſehr
hinderlich iſt.
Der Stutzbeutler (Choeropus ecaudatus oder castanotos) bildet eine zweite Sippe der Beutel-
dachſe. Er erinnert lebhaft an die kleinen Rohrrüßler, welche wir auf Seite 666 des erſten Bandes
kennen gelernt haben. Der ziemlich ſchlanke Leib ruht auf ſehr dünnen und hohen Beinen, deren Hin-
terpaar gegen das vordere bedeutend verlängert iſt. Die Schnauze iſt ſpitzig; die Ohren ſind ſehr
lang; der Schwanz iſt mittellang und dünn behaart. An den Vorderfüßen finden ſich blos zwei
kurze, gleich lange Zehen mit kurzen, aber ſtarken Nägeln; das Hinterpaar hat nur eine einzige große
Zehe, neben welcher die übrigen, ſehr verkümmerten liegen. Man hat dieſes merkwürdigen Fußbaues
wegen dem Thiere ſeinen griechiſchen Namen gegeben, welcher ſo viel als „ſchweinefüßig‟ bedeutet,
[Abbildung Der Stutzbeutler (Choeropus ecaudatus oder castanotos).]
obwohl bei Lichte betrachtet, dieſe Aehnlichkeit
nur eine geträumte iſt. Auch mit ſeinem Artnamen
hat es eine eigenthümliche Bewandtniß. Der Ent-
decker unſeres Thierchens, Thomas Mitchell, zog
den erſten und einzigen Stutzbeutler, welchen er
erbeutete, lebend aus einem hohlen Baume heraus,
in welchen ſich derſelbe geflüchtet hatte, und zwar
nicht weniger zu ſeinem Erſtaunen, als zur Ver-
wunderung der Eingeborenen, welche erklärten,
niemals ein ſolches Geſchöpf geſehen zu haben.
Am meiſten fiel dem Naturforſcher der Mangel
des Schwanzes auf, und deshalb gab er ihm
den Artnamen „Schwanzloſer Schweinefuß‟.
Später nach Europa gekommene Stutzbeutler be-
ſaßen aber ſämmtlich Schwänze, und zwar recht
hübſche Schwänzchen von fünf Zoll Länge, und
es zeigte ſich alſo, daß der erſte Mitbruder, wel-
cher in die Hand der Forſcher gekommen war, durch
einen unglücklichen Zufall ſeines Schwanzes be-
raubt worden war. Gray änderte deshalb den
Namen um und naunte das Thierchen nach ſeiner Hauptfärbung „castanotos‟ oder kaſtanienfarbig.
Doch iſt es nun einmal in der Wiſſenſchaft gebräuchlich, den erſt gegebenen Namen ſo viel als
möglich feſtzuhalten, und ſo heißt der betreffende Beutler noch heutzutage der ſchwanzloſe Stutz-
beutler oder ſchwanzloſe Schweinefuß.
Unſer Thier erreicht etwa die Größe eines kleinen Kaninchens; ſeine Leibeslänge beträgt etwa
11 Zoll und die des rattenähnlichen Schwanzes 5 Zoll. Der lange, lockere, weiche Pelz iſt auf
der Oberſeite braungrau, unten weiß oder gelblichweiß; die großen Ohren ſind mit roſtgelben,
gegen die Spitze hin mit ſchwarzen Haaren bedeckt, die Vorderpfoten ſind weißlich, die hinteren blaß-
roth; ihre große Zehe iſt ſchmuzigweiß. Der Schwanz iſt oben ſchwarz, an der Spitze und Unter-
ſeite aber bräunlichweiß.
So viel man bis jetzt erfahren hat, bewohnt der Stutzbeutler hauptſächlich Neuſüdwales, und
zwar die Ufer des Murray. Jene mit dürrem, ſchneidigen Graſe bewachſenen Ebenen bilden ſeine
Hauptaufenthaltsorte. Jm Allgemeinen lebt er ganz wie der Beuteldachs. Er baut ſich aber ein
ziemlich künſtliches Neſt aus trockenem Graſe und Blättern, unter dichten Sträuchern und Gras-
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