büscheln, möglichst verdeckt vor den Blicken, so daß selbst ein erfahrener Jäger Mühe hat, es aufzu- finden. Seine Nahrung soll ein Gemisch verschiedener Pflanzenstosse und Kerbthiere sein. Genaueres ist bis jetzt noch nicht über seine Lebensweise bekannt geworden.
Die vierte Familie enthält eine Reihe merkwürdiger, sehr verschieden erscheinender Thiere, welche man Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kusus (Phalangista) genannt hat. Der erste Name dürfte angemessener sein, als die übrigen und die Benennung "Beutelbilche", welche Einige auf die ganze Familie angewendet wissen wollen, weil nur eine Sippe den Bilchen und Hörn- chen ähnlich fieht, wir auch in der Familie noch andere Erinnerungen an höher- oder tieferstehende Ordnungen wiederfinden. Die Kletterbeutelthiere sind im Ganzen kleine Thierchen, da die wenigen Arten, welche zwei Fuß Länge haben, eigentlich als Ausnahmen erscheinen. Jhre vorderen und hin- teren Gliedmaßen sind von gleicher Länge und auch ziemlich regelmäßig gebaut, weil die vorderen und hinteren fünf Zehen haben. An der Hinterpfote ist die innere Zehe vergrößert und zu einem nagel- losen und gegensetzbaren Daumen geworden; die zweite und dritte Zehe sind mit einander verbunden. Der Schwanz ist gewöhnlich ein Greifschwanz und als solcher oft sehr lang; bei einer Sippe fehlt er aber gänzlich. Der Kopf ist kurz und die Oberlippe, wie bei den Nagern, gespalten. Das Weib- chen hat zwei oder vier Zitzen in einer Tasche. Das Gebiß, auf welches die Vereinigung der ver- schiedenen Sippen begründet ist, zeigt oben sechs an Größe sehr verschiedene, unten dagegen blos zwei sehr große Schneidezähne; die Eckzähne sind stumpf oder fehlen sogar; die Lückzähne sind stummelhaft geworden, die Backzähne endlich, von denen sich drei bis vier in jeder Reihe finden, haben viereckige Kronen mit verschiedenen Jochen und Hörnern. Zwölf bis dreizehn Rückenwirbel tragen Rippen, sechs oder sieben sind rippenlos. Das Becken besteht aus zwei kurzen Wirbeln; die Zahl der Schwanzwirbel steigt bis dreißig. Der Magen ist einfach und drüsenreich und der Blinddarm ganz außerordentlich lang. Jm Gehirn fehlen alle oberflächlichen Windungen.
Die Kletterbeutelthiere bewohnen Australien und einige Jnseln Südasiens. Sie sind sämmtlich Baumthiere und finden sich deshalb auch nur in Wäldern; blos ausnahmsweise steigen einige zur Erde herab, die meisten verbringen ihr ganzes Leben in den Kronen der Bäume. Fast sämmtliche Arten sind Nachtthiere oder schlafen wenigstens den größten Theil des Tages und erwachen nur vom Hunger getrieben auf kurze Zeit. Beim Eintritt der Dunkelheit kommen sie aus ihren Verstecken hervor, um zu weiden; denn Früchte, Blätter und Knospen bilden ihre Hauptnahrung: selbst die Arten, welche dem Fuchse oder entfernt dem Bären ähneln, sind Pflanzenfresser, und wohl nur zu- fällig nehmen Einzelne auch Vögel, Eier und Kerbthiere mit weg. Dagegen fressen Andere blos die jungen Blätter und Triebe oder graben den Wurzeln im Boden nach. Sie, die letzteren, sollen sich unterirdische Baue anlegen und in denselben während der kalten Jahreszeit schlafen. Jn ihren Be- wegungen unterscheiden sich die Sippen wesentlich von einander. Die Einen sind langsam und äußerst vorsichtig und gehen mehr schleichend dahin, die Anderen zeichnen sich durch Lebendigkeit und Behen- digkeit aus. Alle können vortrefflich klettern und Einige auch weite Sprünge ausführen. Der Greif- schwanz und die Flughaut deuten schon von vornherein auf solche Fertigkeiten hin. Beim Gehen treten Alle mit der ganzen Sohle auf; beim Klettern suchen sie sich sämmtlich soviel als möglich zu ver- sichern. Die Mehrzahl lebt gesellig oder hält sich paarweise zusammen. Einige werfen gewöhnlich zwei bis vier Junge, andere ein einziges, welches von der Mutter zärtlich geliebt und gepflegt und lange Zeit auf dem Rücken oder den Schultern getragen wird. Alle Kletterbeutelthiere sind sanfte, harmlose, furchtsame Geschöpfe. Wenn sie verfolgt werden, hängen sich manche mittelst des Schwanzes an einen Ast und verharren lange Zeit regungslos in dieser Stellung, jedenfalls um sich dadurch zu verbergen. Hierin zeigt sich die einzige Spur von Verstand, welche sie im Freileben offenbaren. Jn der Gefangenschaft bekunden sie zwar zuweilen eine gewisse Anhänglichkeit an ihren Wärter; doch die
Die Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus.
büſcheln, möglichſt verdeckt vor den Blicken, ſo daß ſelbſt ein erfahrener Jäger Mühe hat, es aufzu- finden. Seine Nahrung ſoll ein Gemiſch verſchiedener Pflanzenſtoſſe und Kerbthiere ſein. Genaueres iſt bis jetzt noch nicht über ſeine Lebensweiſe bekannt geworden.
Die vierte Familie enthält eine Reihe merkwürdiger, ſehr verſchieden erſcheinender Thiere, welche man Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus (Phalangista) genannt hat. Der erſte Name dürfte angemeſſener ſein, als die übrigen und die Benennung „Beutelbilche‟, welche Einige auf die ganze Familie angewendet wiſſen wollen, weil nur eine Sippe den Bilchen und Hörn- chen ähnlich fieht, wir auch in der Familie noch andere Erinnerungen an höher- oder tieferſtehende Ordnungen wiederfinden. Die Kletterbeutelthiere ſind im Ganzen kleine Thierchen, da die wenigen Arten, welche zwei Fuß Länge haben, eigentlich als Ausnahmen erſcheinen. Jhre vorderen und hin- teren Gliedmaßen ſind von gleicher Länge und auch ziemlich regelmäßig gebaut, weil die vorderen und hinteren fünf Zehen haben. An der Hinterpfote iſt die innere Zehe vergrößert und zu einem nagel- loſen und gegenſetzbaren Daumen geworden; die zweite und dritte Zehe ſind mit einander verbunden. Der Schwanz iſt gewöhnlich ein Greifſchwanz und als ſolcher oft ſehr lang; bei einer Sippe fehlt er aber gänzlich. Der Kopf iſt kurz und die Oberlippe, wie bei den Nagern, geſpalten. Das Weib- chen hat zwei oder vier Zitzen in einer Taſche. Das Gebiß, auf welches die Vereinigung der ver- ſchiedenen Sippen begründet iſt, zeigt oben ſechs an Größe ſehr verſchiedene, unten dagegen blos zwei ſehr große Schneidezähne; die Eckzähne ſind ſtumpf oder fehlen ſogar; die Lückzähne ſind ſtummelhaft geworden, die Backzähne endlich, von denen ſich drei bis vier in jeder Reihe finden, haben viereckige Kronen mit verſchiedenen Jochen und Hörnern. Zwölf bis dreizehn Rückenwirbel tragen Rippen, ſechs oder ſieben ſind rippenlos. Das Becken beſteht aus zwei kurzen Wirbeln; die Zahl der Schwanzwirbel ſteigt bis dreißig. Der Magen iſt einfach und drüſenreich und der Blinddarm ganz außerordentlich lang. Jm Gehirn fehlen alle oberflächlichen Windungen.
Die Kletterbeutelthiere bewohnen Auſtralien und einige Jnſeln Südaſiens. Sie ſind ſämmtlich Baumthiere und finden ſich deshalb auch nur in Wäldern; blos ausnahmsweiſe ſteigen einige zur Erde herab, die meiſten verbringen ihr ganzes Leben in den Kronen der Bäume. Faſt ſämmtliche Arten ſind Nachtthiere oder ſchlafen wenigſtens den größten Theil des Tages und erwachen nur vom Hunger getrieben auf kurze Zeit. Beim Eintritt der Dunkelheit kommen ſie aus ihren Verſtecken hervor, um zu weiden; denn Früchte, Blätter und Knospen bilden ihre Hauptnahrung: ſelbſt die Arten, welche dem Fuchſe oder entfernt dem Bären ähneln, ſind Pflanzenfreſſer, und wohl nur zu- fällig nehmen Einzelne auch Vögel, Eier und Kerbthiere mit weg. Dagegen freſſen Andere blos die jungen Blätter und Triebe oder graben den Wurzeln im Boden nach. Sie, die letzteren, ſollen ſich unterirdiſche Baue anlegen und in denſelben während der kalten Jahreszeit ſchlafen. Jn ihren Be- wegungen unterſcheiden ſich die Sippen weſentlich von einander. Die Einen ſind langſam und äußerſt vorſichtig und gehen mehr ſchleichend dahin, die Anderen zeichnen ſich durch Lebendigkeit und Behen- digkeit aus. Alle können vortrefflich klettern und Einige auch weite Sprünge ausführen. Der Greif- ſchwanz und die Flughaut deuten ſchon von vornherein auf ſolche Fertigkeiten hin. Beim Gehen treten Alle mit der ganzen Sohle auf; beim Klettern ſuchen ſie ſich ſämmtlich ſoviel als möglich zu ver- ſichern. Die Mehrzahl lebt geſellig oder hält ſich paarweiſe zuſammen. Einige werfen gewöhnlich zwei bis vier Junge, andere ein einziges, welches von der Mutter zärtlich geliebt und gepflegt und lange Zeit auf dem Rücken oder den Schultern getragen wird. Alle Kletterbeutelthiere ſind ſanfte, harmloſe, furchtſame Geſchöpfe. Wenn ſie verfolgt werden, hängen ſich manche mittelſt des Schwanzes an einen Aſt und verharren lange Zeit regungslos in dieſer Stellung, jedenfalls um ſich dadurch zu verbergen. Hierin zeigt ſich die einzige Spur von Verſtand, welche ſie im Freileben offenbaren. Jn der Gefangenſchaft bekunden ſie zwar zuweilen eine gewiſſe Anhänglichkeit an ihren Wärter; doch die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0041"n="29"/><fwplace="top"type="header">Die Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus.</fw><lb/>
büſcheln, möglichſt verdeckt vor den Blicken, ſo daß ſelbſt ein erfahrener Jäger Mühe hat, es aufzu-<lb/>
finden. Seine Nahrung ſoll ein Gemiſch verſchiedener Pflanzenſtoſſe und Kerbthiere ſein. Genaueres<lb/>
iſt bis jetzt noch nicht über ſeine Lebensweiſe bekannt geworden.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#g">Die vierte Familie</hi> enthält eine Reihe merkwürdiger, ſehr verſchieden erſcheinender Thiere,<lb/>
welche man <hirendition="#g">Kletterbeutelthiere, Flugbeutler</hi> oder <hirendition="#g">Kuſus</hi> (<hirendition="#aq">Phalangista</hi>) genannt hat. Der<lb/>
erſte Name dürfte angemeſſener ſein, als die übrigen und die Benennung „<hirendition="#g">Beutelbilche</hi>‟, welche<lb/>
Einige auf die ganze Familie angewendet wiſſen wollen, weil nur eine Sippe den Bilchen und Hörn-<lb/>
chen ähnlich fieht, wir auch in der Familie noch andere Erinnerungen an höher- oder tieferſtehende<lb/>
Ordnungen wiederfinden. Die Kletterbeutelthiere ſind im Ganzen kleine Thierchen, da die wenigen<lb/>
Arten, welche zwei Fuß Länge haben, eigentlich als Ausnahmen erſcheinen. Jhre vorderen und hin-<lb/>
teren Gliedmaßen ſind von gleicher Länge und auch ziemlich regelmäßig gebaut, weil die vorderen und<lb/>
hinteren fünf Zehen haben. An der Hinterpfote iſt die innere Zehe vergrößert und zu einem nagel-<lb/>
loſen und gegenſetzbaren Daumen geworden; die zweite und dritte Zehe ſind mit einander verbunden.<lb/>
Der Schwanz iſt gewöhnlich ein Greifſchwanz und als ſolcher oft ſehr lang; bei einer Sippe fehlt er<lb/>
aber gänzlich. Der Kopf iſt kurz und die Oberlippe, wie bei den Nagern, geſpalten. Das Weib-<lb/>
chen hat zwei oder vier Zitzen in einer Taſche. Das Gebiß, auf welches die Vereinigung der ver-<lb/>ſchiedenen Sippen begründet iſt, zeigt oben ſechs an Größe ſehr verſchiedene, unten dagegen blos zwei<lb/>ſehr große Schneidezähne; die Eckzähne ſind ſtumpf oder fehlen ſogar; die Lückzähne ſind ſtummelhaft<lb/>
geworden, die Backzähne endlich, von denen ſich drei bis vier in jeder Reihe finden, haben viereckige<lb/>
Kronen mit verſchiedenen Jochen und Hörnern. Zwölf bis dreizehn Rückenwirbel tragen Rippen, ſechs<lb/>
oder ſieben ſind rippenlos. Das Becken beſteht aus zwei kurzen Wirbeln; die Zahl der Schwanzwirbel<lb/>ſteigt bis dreißig. Der Magen iſt einfach und drüſenreich und der Blinddarm ganz außerordentlich<lb/>
lang. Jm Gehirn fehlen alle oberflächlichen Windungen.</p><lb/><p>Die Kletterbeutelthiere bewohnen Auſtralien und einige Jnſeln Südaſiens. Sie ſind ſämmtlich<lb/>
Baumthiere und finden ſich deshalb auch nur in Wäldern; blos ausnahmsweiſe ſteigen einige zur<lb/>
Erde herab, die meiſten verbringen ihr ganzes Leben in den Kronen der Bäume. Faſt ſämmtliche<lb/>
Arten ſind Nachtthiere oder ſchlafen wenigſtens den größten Theil des Tages und erwachen nur vom<lb/>
Hunger getrieben auf kurze Zeit. Beim Eintritt der Dunkelheit kommen ſie aus ihren Verſtecken<lb/>
hervor, um zu weiden; denn Früchte, Blätter und Knospen bilden ihre Hauptnahrung: ſelbſt die<lb/>
Arten, welche dem Fuchſe oder entfernt dem Bären ähneln, ſind Pflanzenfreſſer, und wohl nur zu-<lb/>
fällig nehmen Einzelne auch Vögel, Eier und Kerbthiere mit weg. Dagegen freſſen Andere blos die<lb/>
jungen Blätter und Triebe oder graben den Wurzeln im Boden nach. Sie, die letzteren, ſollen ſich<lb/>
unterirdiſche Baue anlegen und in denſelben während der kalten Jahreszeit ſchlafen. Jn ihren Be-<lb/>
wegungen unterſcheiden ſich die Sippen weſentlich von einander. Die Einen ſind langſam und äußerſt<lb/>
vorſichtig und gehen mehr ſchleichend dahin, die Anderen zeichnen ſich durch Lebendigkeit und Behen-<lb/>
digkeit aus. Alle können vortrefflich klettern und Einige auch weite Sprünge ausführen. Der Greif-<lb/>ſchwanz und die Flughaut deuten ſchon von vornherein auf ſolche Fertigkeiten hin. Beim Gehen treten<lb/>
Alle mit der ganzen Sohle auf; beim Klettern ſuchen ſie ſich ſämmtlich ſoviel als möglich zu ver-<lb/>ſichern. Die Mehrzahl lebt geſellig oder hält ſich paarweiſe zuſammen. Einige werfen gewöhnlich<lb/>
zwei bis vier Junge, andere ein einziges, welches von der Mutter zärtlich geliebt und gepflegt und<lb/>
lange Zeit auf dem Rücken oder den Schultern getragen wird. Alle Kletterbeutelthiere ſind ſanfte,<lb/>
harmloſe, furchtſame Geſchöpfe. Wenn ſie verfolgt werden, hängen ſich manche mittelſt des Schwanzes<lb/>
an einen Aſt und verharren lange Zeit regungslos in dieſer Stellung, jedenfalls um ſich dadurch zu<lb/>
verbergen. Hierin zeigt ſich die einzige Spur von Verſtand, welche ſie im Freileben offenbaren. Jn<lb/>
der Gefangenſchaft bekunden ſie zwar zuweilen eine gewiſſe Anhänglichkeit an ihren Wärter; doch die<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[29/0041]
Die Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus.
büſcheln, möglichſt verdeckt vor den Blicken, ſo daß ſelbſt ein erfahrener Jäger Mühe hat, es aufzu-
finden. Seine Nahrung ſoll ein Gemiſch verſchiedener Pflanzenſtoſſe und Kerbthiere ſein. Genaueres
iſt bis jetzt noch nicht über ſeine Lebensweiſe bekannt geworden.
Die vierte Familie enthält eine Reihe merkwürdiger, ſehr verſchieden erſcheinender Thiere,
welche man Kletterbeutelthiere, Flugbeutler oder Kuſus (Phalangista) genannt hat. Der
erſte Name dürfte angemeſſener ſein, als die übrigen und die Benennung „Beutelbilche‟, welche
Einige auf die ganze Familie angewendet wiſſen wollen, weil nur eine Sippe den Bilchen und Hörn-
chen ähnlich fieht, wir auch in der Familie noch andere Erinnerungen an höher- oder tieferſtehende
Ordnungen wiederfinden. Die Kletterbeutelthiere ſind im Ganzen kleine Thierchen, da die wenigen
Arten, welche zwei Fuß Länge haben, eigentlich als Ausnahmen erſcheinen. Jhre vorderen und hin-
teren Gliedmaßen ſind von gleicher Länge und auch ziemlich regelmäßig gebaut, weil die vorderen und
hinteren fünf Zehen haben. An der Hinterpfote iſt die innere Zehe vergrößert und zu einem nagel-
loſen und gegenſetzbaren Daumen geworden; die zweite und dritte Zehe ſind mit einander verbunden.
Der Schwanz iſt gewöhnlich ein Greifſchwanz und als ſolcher oft ſehr lang; bei einer Sippe fehlt er
aber gänzlich. Der Kopf iſt kurz und die Oberlippe, wie bei den Nagern, geſpalten. Das Weib-
chen hat zwei oder vier Zitzen in einer Taſche. Das Gebiß, auf welches die Vereinigung der ver-
ſchiedenen Sippen begründet iſt, zeigt oben ſechs an Größe ſehr verſchiedene, unten dagegen blos zwei
ſehr große Schneidezähne; die Eckzähne ſind ſtumpf oder fehlen ſogar; die Lückzähne ſind ſtummelhaft
geworden, die Backzähne endlich, von denen ſich drei bis vier in jeder Reihe finden, haben viereckige
Kronen mit verſchiedenen Jochen und Hörnern. Zwölf bis dreizehn Rückenwirbel tragen Rippen, ſechs
oder ſieben ſind rippenlos. Das Becken beſteht aus zwei kurzen Wirbeln; die Zahl der Schwanzwirbel
ſteigt bis dreißig. Der Magen iſt einfach und drüſenreich und der Blinddarm ganz außerordentlich
lang. Jm Gehirn fehlen alle oberflächlichen Windungen.
Die Kletterbeutelthiere bewohnen Auſtralien und einige Jnſeln Südaſiens. Sie ſind ſämmtlich
Baumthiere und finden ſich deshalb auch nur in Wäldern; blos ausnahmsweiſe ſteigen einige zur
Erde herab, die meiſten verbringen ihr ganzes Leben in den Kronen der Bäume. Faſt ſämmtliche
Arten ſind Nachtthiere oder ſchlafen wenigſtens den größten Theil des Tages und erwachen nur vom
Hunger getrieben auf kurze Zeit. Beim Eintritt der Dunkelheit kommen ſie aus ihren Verſtecken
hervor, um zu weiden; denn Früchte, Blätter und Knospen bilden ihre Hauptnahrung: ſelbſt die
Arten, welche dem Fuchſe oder entfernt dem Bären ähneln, ſind Pflanzenfreſſer, und wohl nur zu-
fällig nehmen Einzelne auch Vögel, Eier und Kerbthiere mit weg. Dagegen freſſen Andere blos die
jungen Blätter und Triebe oder graben den Wurzeln im Boden nach. Sie, die letzteren, ſollen ſich
unterirdiſche Baue anlegen und in denſelben während der kalten Jahreszeit ſchlafen. Jn ihren Be-
wegungen unterſcheiden ſich die Sippen weſentlich von einander. Die Einen ſind langſam und äußerſt
vorſichtig und gehen mehr ſchleichend dahin, die Anderen zeichnen ſich durch Lebendigkeit und Behen-
digkeit aus. Alle können vortrefflich klettern und Einige auch weite Sprünge ausführen. Der Greif-
ſchwanz und die Flughaut deuten ſchon von vornherein auf ſolche Fertigkeiten hin. Beim Gehen treten
Alle mit der ganzen Sohle auf; beim Klettern ſuchen ſie ſich ſämmtlich ſoviel als möglich zu ver-
ſichern. Die Mehrzahl lebt geſellig oder hält ſich paarweiſe zuſammen. Einige werfen gewöhnlich
zwei bis vier Junge, andere ein einziges, welches von der Mutter zärtlich geliebt und gepflegt und
lange Zeit auf dem Rücken oder den Schultern getragen wird. Alle Kletterbeutelthiere ſind ſanfte,
harmloſe, furchtſame Geſchöpfe. Wenn ſie verfolgt werden, hängen ſich manche mittelſt des Schwanzes
an einen Aſt und verharren lange Zeit regungslos in dieſer Stellung, jedenfalls um ſich dadurch zu
verbergen. Hierin zeigt ſich die einzige Spur von Verſtand, welche ſie im Freileben offenbaren. Jn
der Gefangenſchaft bekunden ſie zwar zuweilen eine gewiſſe Anhänglichkeit an ihren Wärter; doch die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/41>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.