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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Kamele. -- Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
aber von neuem wieder hervorgestoßen wird. Den eigenen Harn fängt das Thier oft mit seiner
Schwanzquaste auf und bespritzt sich oder andere damit. Die Drüsen am Halse sondern jetzt heftig
ab und verbreiten einen wahrhaft peinlichen Gestank. Bei der geringsten Gelegenheit entflieht das
Thier und stürzt wie toll in die Wüste hinaus. Kommt es nun endlich mit einem weiblichen Kamel
zurück, so ist es doch nicht im Stande, ohne Hilfe der Araber die Begattung ausznüben; es müht
sich lange Zeit vergeblich, springt wie verrückt auf das weibliche Kamel und wird um so wüthender,
je weniger es ausrichten kann. Die Araber vermitteln endlich die Sache, indem sie das weibliche
Kamel niederlegen und dem männlichen noch anderweitig behilflich sind.

Ein Männchen genügt für sechs bis acht Weibchen. Nach elf bis dreizehn Monaten wirft die
Kamelstute oder Nädje, wie die Araber sie nennen, ein einziges Junge. Das ist ein verhältniß-
mäßig sehr hübsches Geschöpf. Es ist allerdings von dem ersten Tag seines Lebens an eine kleine
Mißgestalt, aber hat, wie alle jungen Thiere, etwas Drolliges und Lustiges. Es wird mit offenen
Augen geboren und ist mit ziemlich langem, dichten, weichen, wolligen Haar bedeckt. Sobald es
trocken geworden ist, folgt es seiner Mutter, welche mit großer Liebe sich seiner annimmt. Der
Höcker ist sehr klein und die Schwielen sind kaum noch angedeutet. An Größe übertrifft es ein frisch
geworfenes Füllen bedeutend; es ist etwa dritthalb Fuß hoch, nach Verlauf einer Woche aber schon
über drei Fuß. Bei weiterem Wachsthum nimmt die Wolle sehr an Dichtigkeit und Länge zu, und
das junge Kamel hat dann eine wirklich auffallende Aehnlichkeit mit dem Alpaka, seinem amerika-
nischen Verwandten. Wenn zwei Stuten mit ihren Füllen zusammenkommen, spielen die jungen
Geschöpfe in recht liebenswürdiger Weise, und die Alten bemühen sich nach Kräften, diese Spiele zu
unterstützen, d. h. sie brummen den kleinen übermüthigen Kindern ihren Beifall zu und laufen ihnen
lustig nach, wohin sie sich auch wenden wollen. Ueber ein Jahr lang säugt das Kamel sein Junges, und
während dieser Zeit zeigt es einen mehr als gewöhnlichen Muth, indem es unter Umständen seinen
Sprößling nach Kräften vertheidigt; dabei verdient aber bemerkt zu werden, daß nur die eigene
Mutter sich um ihr Kind bekümmert, niemals ein anderes Kamel; denn dazu sind diese stumpfen
Geschöpfe viel zu gleichgiltig.

Mit Beginn des zweiten Jahres entwöhnen die Araber die Kamelfüllen, indem sie dieselben
von ihrer Mutter entfernen oder auch auf andere Weise am Saugen verhindern. Hier und da erreicht
man den erwünschten Zweck, indem man dem jungen Kamel einen an beiden Seiten zugespitzten
Pflock durch die Nasenscheidewand sticht. Der Pflock kitzelt oder verletzt die Kamelstute am Euter,
und sie schlägt dann selbst ihr Junges ab. Schon wenige Tage, nachdem eine Stute geworfen hat,
wird sie wieder zum Arbeiten benutzt; das Junge trabt ledig hinter der Mutter her. Auch die
entwöhnten jungen Kamele werden mit auf die Reise genommen, damit sie frühzeitig weite Wege er-
tragen lernen.

Je nach der größeren oder geringeren Schönheit des Thieres, richtet man vom dritten Jahr an
das Kamel zum Reiten oder zum Lasttragen ab. Da, wo es viele gibt, beladet man unser Thier
erst mit Beginn des fünften Lebensjahres, während man es in kamelärmeren Gegenden bereits mit
Ablauf des dritten Jahres zur Arbeit zwingt. Die Reitkamele werden von den Knaben der Kamel-
besitzer abgerichtet, weil dieses Geschäft den Buben ein ganz besonderes Vergnügen macht. Die Ab-
richtung selbst ist sehr einfach. Das junge Kamel bekommt einen leichten Sattel aufgelegt und eine
Schlinge um die Schnauze geschnürt. Der junge Reiter setzt sich in den Sattel und treibt es zum
Trabe an; sobald es in Galopp verfällt, bändigt er es, legt es nieder und prügelt es; sobald es
Schritt gehen will, ermuntert er es durch Zurufen und durch Fuchteln mit der Peitsche, bis es sich
gewöhnt, wenn es den Reiter auf sich hat, im Trabe zu laufen. Mit Ende des vierten Jahres
wird es dann, so zu sagen, dem Verkehre übergeben und zu größeren Reisen benutzt. Ein gutes
Reitkamel muß seine Beine beim Traben weit aus einander setzen und sowenig als möglich stoßen.
Erfüllt es die letztere Anforderung, so pflegt der Araber wohl preisend zu sagen, daß man eine tür-

Die Kamele. — Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
aber von neuem wieder hervorgeſtoßen wird. Den eigenen Harn fängt das Thier oft mit ſeiner
Schwanzquaſte auf und beſpritzt ſich oder andere damit. Die Drüſen am Halſe ſondern jetzt heftig
ab und verbreiten einen wahrhaft peinlichen Geſtank. Bei der geringſten Gelegenheit entflieht das
Thier und ſtürzt wie toll in die Wüſte hinaus. Kommt es nun endlich mit einem weiblichen Kamel
zurück, ſo iſt es doch nicht im Stande, ohne Hilfe der Araber die Begattung ausznüben; es müht
ſich lange Zeit vergeblich, ſpringt wie verrückt auf das weibliche Kamel und wird um ſo wüthender,
je weniger es ausrichten kann. Die Araber vermitteln endlich die Sache, indem ſie das weibliche
Kamel niederlegen und dem männlichen noch anderweitig behilflich ſind.

Ein Männchen genügt für ſechs bis acht Weibchen. Nach elf bis dreizehn Monaten wirft die
Kamelſtute oder Nädje, wie die Araber ſie nennen, ein einziges Junge. Das iſt ein verhältniß-
mäßig ſehr hübſches Geſchöpf. Es iſt allerdings von dem erſten Tag ſeines Lebens an eine kleine
Mißgeſtalt, aber hat, wie alle jungen Thiere, etwas Drolliges und Luſtiges. Es wird mit offenen
Augen geboren und iſt mit ziemlich langem, dichten, weichen, wolligen Haar bedeckt. Sobald es
trocken geworden iſt, folgt es ſeiner Mutter, welche mit großer Liebe ſich ſeiner annimmt. Der
Höcker iſt ſehr klein und die Schwielen ſind kaum noch angedeutet. An Größe übertrifft es ein friſch
geworfenes Füllen bedeutend; es iſt etwa dritthalb Fuß hoch, nach Verlauf einer Woche aber ſchon
über drei Fuß. Bei weiterem Wachsthum nimmt die Wolle ſehr an Dichtigkeit und Länge zu, und
das junge Kamel hat dann eine wirklich auffallende Aehnlichkeit mit dem Alpaka, ſeinem amerika-
niſchen Verwandten. Wenn zwei Stuten mit ihren Füllen zuſammenkommen, ſpielen die jungen
Geſchöpfe in recht liebenswürdiger Weiſe, und die Alten bemühen ſich nach Kräften, dieſe Spiele zu
unterſtützen, d. h. ſie brummen den kleinen übermüthigen Kindern ihren Beifall zu und laufen ihnen
luſtig nach, wohin ſie ſich auch wenden wollen. Ueber ein Jahr lang ſäugt das Kamel ſein Junges, und
während dieſer Zeit zeigt es einen mehr als gewöhnlichen Muth, indem es unter Umſtänden ſeinen
Sprößling nach Kräften vertheidigt; dabei verdient aber bemerkt zu werden, daß nur die eigene
Mutter ſich um ihr Kind bekümmert, niemals ein anderes Kamel; denn dazu ſind dieſe ſtumpfen
Geſchöpfe viel zu gleichgiltig.

Mit Beginn des zweiten Jahres entwöhnen die Araber die Kamelfüllen, indem ſie dieſelben
von ihrer Mutter entfernen oder auch auf andere Weiſe am Saugen verhindern. Hier und da erreicht
man den erwünſchten Zweck, indem man dem jungen Kamel einen an beiden Seiten zugeſpitzten
Pflock durch die Naſenſcheidewand ſticht. Der Pflock kitzelt oder verletzt die Kamelſtute am Euter,
und ſie ſchlägt dann ſelbſt ihr Junges ab. Schon wenige Tage, nachdem eine Stute geworfen hat,
wird ſie wieder zum Arbeiten benutzt; das Junge trabt ledig hinter der Mutter her. Auch die
entwöhnten jungen Kamele werden mit auf die Reiſe genommen, damit ſie frühzeitig weite Wege er-
tragen lernen.

Je nach der größeren oder geringeren Schönheit des Thieres, richtet man vom dritten Jahr an
das Kamel zum Reiten oder zum Laſttragen ab. Da, wo es viele gibt, beladet man unſer Thier
erſt mit Beginn des fünften Lebensjahres, während man es in kamelärmeren Gegenden bereits mit
Ablauf des dritten Jahres zur Arbeit zwingt. Die Reitkamele werden von den Knaben der Kamel-
beſitzer abgerichtet, weil dieſes Geſchäft den Buben ein ganz beſonderes Vergnügen macht. Die Ab-
richtung ſelbſt iſt ſehr einfach. Das junge Kamel bekommt einen leichten Sattel aufgelegt und eine
Schlinge um die Schnauze geſchnürt. Der junge Reiter ſetzt ſich in den Sattel und treibt es zum
Trabe an; ſobald es in Galopp verfällt, bändigt er es, legt es nieder und prügelt es; ſobald es
Schritt gehen will, ermuntert er es durch Zurufen und durch Fuchteln mit der Peitſche, bis es ſich
gewöhnt, wenn es den Reiter auf ſich hat, im Trabe zu laufen. Mit Ende des vierten Jahres
wird es dann, ſo zu ſagen, dem Verkehre übergeben und zu größeren Reiſen benutzt. Ein gutes
Reitkamel muß ſeine Beine beim Traben weit aus einander ſetzen und ſowenig als möglich ſtoßen.
Erfüllt es die letztere Anforderung, ſo pflegt der Araber wohl preiſend zu ſagen, daß man eine tür-

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[394/0418] Die Kamele. — Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar. aber von neuem wieder hervorgeſtoßen wird. Den eigenen Harn fängt das Thier oft mit ſeiner Schwanzquaſte auf und beſpritzt ſich oder andere damit. Die Drüſen am Halſe ſondern jetzt heftig ab und verbreiten einen wahrhaft peinlichen Geſtank. Bei der geringſten Gelegenheit entflieht das Thier und ſtürzt wie toll in die Wüſte hinaus. Kommt es nun endlich mit einem weiblichen Kamel zurück, ſo iſt es doch nicht im Stande, ohne Hilfe der Araber die Begattung ausznüben; es müht ſich lange Zeit vergeblich, ſpringt wie verrückt auf das weibliche Kamel und wird um ſo wüthender, je weniger es ausrichten kann. Die Araber vermitteln endlich die Sache, indem ſie das weibliche Kamel niederlegen und dem männlichen noch anderweitig behilflich ſind. Ein Männchen genügt für ſechs bis acht Weibchen. Nach elf bis dreizehn Monaten wirft die Kamelſtute oder Nädje, wie die Araber ſie nennen, ein einziges Junge. Das iſt ein verhältniß- mäßig ſehr hübſches Geſchöpf. Es iſt allerdings von dem erſten Tag ſeines Lebens an eine kleine Mißgeſtalt, aber hat, wie alle jungen Thiere, etwas Drolliges und Luſtiges. Es wird mit offenen Augen geboren und iſt mit ziemlich langem, dichten, weichen, wolligen Haar bedeckt. Sobald es trocken geworden iſt, folgt es ſeiner Mutter, welche mit großer Liebe ſich ſeiner annimmt. Der Höcker iſt ſehr klein und die Schwielen ſind kaum noch angedeutet. An Größe übertrifft es ein friſch geworfenes Füllen bedeutend; es iſt etwa dritthalb Fuß hoch, nach Verlauf einer Woche aber ſchon über drei Fuß. Bei weiterem Wachsthum nimmt die Wolle ſehr an Dichtigkeit und Länge zu, und das junge Kamel hat dann eine wirklich auffallende Aehnlichkeit mit dem Alpaka, ſeinem amerika- niſchen Verwandten. Wenn zwei Stuten mit ihren Füllen zuſammenkommen, ſpielen die jungen Geſchöpfe in recht liebenswürdiger Weiſe, und die Alten bemühen ſich nach Kräften, dieſe Spiele zu unterſtützen, d. h. ſie brummen den kleinen übermüthigen Kindern ihren Beifall zu und laufen ihnen luſtig nach, wohin ſie ſich auch wenden wollen. Ueber ein Jahr lang ſäugt das Kamel ſein Junges, und während dieſer Zeit zeigt es einen mehr als gewöhnlichen Muth, indem es unter Umſtänden ſeinen Sprößling nach Kräften vertheidigt; dabei verdient aber bemerkt zu werden, daß nur die eigene Mutter ſich um ihr Kind bekümmert, niemals ein anderes Kamel; denn dazu ſind dieſe ſtumpfen Geſchöpfe viel zu gleichgiltig. Mit Beginn des zweiten Jahres entwöhnen die Araber die Kamelfüllen, indem ſie dieſelben von ihrer Mutter entfernen oder auch auf andere Weiſe am Saugen verhindern. Hier und da erreicht man den erwünſchten Zweck, indem man dem jungen Kamel einen an beiden Seiten zugeſpitzten Pflock durch die Naſenſcheidewand ſticht. Der Pflock kitzelt oder verletzt die Kamelſtute am Euter, und ſie ſchlägt dann ſelbſt ihr Junges ab. Schon wenige Tage, nachdem eine Stute geworfen hat, wird ſie wieder zum Arbeiten benutzt; das Junge trabt ledig hinter der Mutter her. Auch die entwöhnten jungen Kamele werden mit auf die Reiſe genommen, damit ſie frühzeitig weite Wege er- tragen lernen. Je nach der größeren oder geringeren Schönheit des Thieres, richtet man vom dritten Jahr an das Kamel zum Reiten oder zum Laſttragen ab. Da, wo es viele gibt, beladet man unſer Thier erſt mit Beginn des fünften Lebensjahres, während man es in kamelärmeren Gegenden bereits mit Ablauf des dritten Jahres zur Arbeit zwingt. Die Reitkamele werden von den Knaben der Kamel- beſitzer abgerichtet, weil dieſes Geſchäft den Buben ein ganz beſonderes Vergnügen macht. Die Ab- richtung ſelbſt iſt ſehr einfach. Das junge Kamel bekommt einen leichten Sattel aufgelegt und eine Schlinge um die Schnauze geſchnürt. Der junge Reiter ſetzt ſich in den Sattel und treibt es zum Trabe an; ſobald es in Galopp verfällt, bändigt er es, legt es nieder und prügelt es; ſobald es Schritt gehen will, ermuntert er es durch Zurufen und durch Fuchteln mit der Peitſche, bis es ſich gewöhnt, wenn es den Reiter auf ſich hat, im Trabe zu laufen. Mit Ende des vierten Jahres wird es dann, ſo zu ſagen, dem Verkehre übergeben und zu größeren Reiſen benutzt. Ein gutes Reitkamel muß ſeine Beine beim Traben weit aus einander ſetzen und ſowenig als möglich ſtoßen. Erfüllt es die letztere Anforderung, ſo pflegt der Araber wohl preiſend zu ſagen, daß man eine tür-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/418>, abgerufen am 23.11.2024.