kische Tasse Kaffee auf seinem Rücken trinken könne, ohne Etwas davon zu verschütten; dabei darf es nicht störrisch sein, kurz, es muß die drei angeführten Eigenschaften in vollem Maße besitzen.
Die Sattelung oder Zäumung des Kamels ist ganz eigenthümlich. Der Serdj oder Reitsattel ruht auf einem festen, sauber gearbeiteten Gestell und besteht aus einem muldenförmigen Sitz, welcher gerade auf den Rückenhöcker des Thieres gesetzt wird und sich ungefähr einen Fuß über denselben erhebt. Das Untergestellt ist mit vier Kissenpolstern belegt, welche zu beiden Seiten des Höckers auf- liegen, denn dieser selbst wird sowenig, als möglich bedrückt. Drei feste und breite Gurte, von denen zwei um den Bauch und ein dritter um den Vorderhals laufen (um das Nachhintenrutschen des Sattels zu verhüten), schnallen ihn fest. Vorn und hinten steigen zwei Knöpfe auf; an ihnen wer- den die nöthigen Reisegeräthschaften aufgehängt. Der Zaum besteht aus einem fein geflochtenen Lederstrick, welcher halfterartig um Kopf und Schnauze des Thieres geschlungen ist und beim An- ziehen das Maul zusammenschnürt; alle Reitkamele aber führen noch einen Beizügel, d. h. eine dünne Lederschnur, welche in dem einen durchbohrten Nasenloch befestigt wird. Ein Gebiß hat der Hedjin nicht; die beiden Zügel genügen auch vollkommen. Der Reiter trägt am besten weiche, lang- geschäftete Stiefeln ohne Sporen, enge Beinkleider, eine kurze Jacke mit weiten Aermeln, die Leib- binde, die rothe Mütze und das dichte Baumwollentuch der Beduinen, mit welchem er sich bei großer Hitze kapuzenartig den Kopf verhüllt. Einzelne werfen auch den weißen Burnus über. Um das Gelenk der rechten Hand hängt die unerläßliche Reitpeitsche, in Nord-Ost-Afrika ein zugerundetes, an der Spitze geöltes Stück aus der Haut des Nilpferdes. So ausgerüstet tritt der Hedjahn zu seinem Kamel, bringt das Thier mit unnachahmlichen Kehltönen und ruckweisem Anziehen des Zügels zum Niederlegen; ermahnt es durch denselben Kehlton, welcher dem Laut eines mit aller Kraft ausge- stoßenen "ch" ungefähr ähnlich klingt, zum Stilliegen, faßt den Zügel so kurz als möglich mit der linken, den vorderen Sattelknopf mit der rechten Hand, erhebt den Vorderfuß vorsichtig in den Sattel und schwingt sich mit möglichster Schnelligkeit nach oben, mit beiden Händen am vorderen Sattelknopf sich festhaltend. Es gehört eine sehr große Gewandtheit dazu, das Kamel in dieser, einem Hedjahn zukommenden Weise, zu besteigen. Der Hedjahn wartet es nämlich nicht ab, bis sich der Reiter in dem Sattel festgesetzt hat, sondern richtet sich, sobald er den geringsten Druck verspürt, in drei, ruck- weise, aber mit sehr großer Geschwindigkeit auf einander folgenden Absätzen empor. Ehe der Hed- jahn noch zum Sitzen kommt, erhebt sich das Kamel auf die Handgelenke der Vorderbeine, streckt sodann die langen Hinterbeine mit einem Male aus und springt schließlich vollends auf die Vorder- füße. Diese Bewegungen erfolgen so schnell auf einander und kommen dem Anfänger so unverhofft, daß er beim zweiten Ruck regelmäßig nach vorn aus dem Sattel und entweder auf den Hals des Kamels oder zur Erde stürzt. Jmmer geberdet sich das liebe Thier dabei, wie ich oben beschrieb, und erst nach ziemlicher Uebung kommt man dahin, allen seinen Unarten zu begegnen, allen Wir- kungen der Stöße beim Aufspringen durch Vor- und Zurückbeugen auszuweichen und seinen Platz im Sattel zu behaupten. Reisende Engländer pflegen sich zum Besteigen des Hedjahn kleiner Leitern zu bedienen oder hängen zu beiden Seiten des Sattels Körbe auf, in denen zwei Personen Platz nehmen; dann gewähren sie das ergötzlichste Schauspiel von der Welt: denn sie erinnern auf das lebhafteste an die gute, alte Zeit, in welcher die Kamelführer mit ihrer Affengesellschaft von Dorf zu Dorf zogen. Reisende Frauen werden in Sänften befördert, welche entweder von zwei Kamelen getragen oder zu beiden Seiten des Kamels befestigt werden. Letztere nennt man Tachterwahn. Es sind große nach oben laubenartig überdeckte enge vergitterte Körbe. Ein im Lande Eingewöhnter aber reitet den Hedjahn in der angegebenen Weise und genießt dadurch alle Annehmlichkeiten einer Kamelreise, ohne deren Unannehmlichkeiten empfinden zu müssen. Man gewöhnt sich gar bald an das Reiten auf einem dieser schnellfüßigen Thiere, obgleich man im Sattel hoch über dem Kamel, wie in einem Stuhle, sitzt, sich durch besondere Kunstgriffe im Gleichgewicht erhalten muß und nur mit den gekreuzten, über Nacken und Hals gelegten Füßen festhalten kann. Am Sattel hängen die Taschen mit Schießbedarf, die Waffen, Pistolenhalfter, ein Sack mit Datteln und die Simsemie,
Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
kiſche Taſſe Kaffee auf ſeinem Rücken trinken könne, ohne Etwas davon zu verſchütten; dabei darf es nicht ſtörriſch ſein, kurz, es muß die drei angeführten Eigenſchaften in vollem Maße beſitzen.
Die Sattelung oder Zäumung des Kamels iſt ganz eigenthümlich. Der Serdj oder Reitſattel ruht auf einem feſten, ſauber gearbeiteten Geſtell und beſteht aus einem muldenförmigen Sitz, welcher gerade auf den Rückenhöcker des Thieres geſetzt wird und ſich ungefähr einen Fuß über denſelben erhebt. Das Untergeſtellt iſt mit vier Kiſſenpolſtern belegt, welche zu beiden Seiten des Höckers auf- liegen, denn dieſer ſelbſt wird ſowenig, als möglich bedrückt. Drei feſte und breite Gurte, von denen zwei um den Bauch und ein dritter um den Vorderhals laufen (um das Nachhintenrutſchen des Sattels zu verhüten), ſchnallen ihn feſt. Vorn und hinten ſteigen zwei Knöpfe auf; an ihnen wer- den die nöthigen Reiſegeräthſchaften aufgehängt. Der Zaum beſteht aus einem fein geflochtenen Lederſtrick, welcher halfterartig um Kopf und Schnauze des Thieres geſchlungen iſt und beim An- ziehen das Maul zuſammenſchnürt; alle Reitkamele aber führen noch einen Beizügel, d. h. eine dünne Lederſchnur, welche in dem einen durchbohrten Naſenloch befeſtigt wird. Ein Gebiß hat der Hedjin nicht; die beiden Zügel genügen auch vollkommen. Der Reiter trägt am beſten weiche, lang- geſchäftete Stiefeln ohne Sporen, enge Beinkleider, eine kurze Jacke mit weiten Aermeln, die Leib- binde, die rothe Mütze und das dichte Baumwollentuch der Beduinen, mit welchem er ſich bei großer Hitze kapuzenartig den Kopf verhüllt. Einzelne werfen auch den weißen Burnus über. Um das Gelenk der rechten Hand hängt die unerläßliche Reitpeitſche, in Nord-Oſt-Afrika ein zugerundetes, an der Spitze geöltes Stück aus der Haut des Nilpferdes. So ausgerüſtet tritt der Hedjahn zu ſeinem Kamel, bringt das Thier mit unnachahmlichen Kehltönen und ruckweiſem Anziehen des Zügels zum Niederlegen; ermahnt es durch denſelben Kehlton, welcher dem Laut eines mit aller Kraft ausge- ſtoßenen „ch‟ ungefähr ähnlich klingt, zum Stilliegen, faßt den Zügel ſo kurz als möglich mit der linken, den vorderen Sattelknopf mit der rechten Hand, erhebt den Vorderfuß vorſichtig in den Sattel und ſchwingt ſich mit möglichſter Schnelligkeit nach oben, mit beiden Händen am vorderen Sattelknopf ſich feſthaltend. Es gehört eine ſehr große Gewandtheit dazu, das Kamel in dieſer, einem Hedjahn zukommenden Weiſe, zu beſteigen. Der Hedjahn wartet es nämlich nicht ab, bis ſich der Reiter in dem Sattel feſtgeſetzt hat, ſondern richtet ſich, ſobald er den geringſten Druck verſpürt, in drei, ruck- weiſe, aber mit ſehr großer Geſchwindigkeit auf einander folgenden Abſätzen empor. Ehe der Hed- jahn noch zum Sitzen kommt, erhebt ſich das Kamel auf die Handgelenke der Vorderbeine, ſtreckt ſodann die langen Hinterbeine mit einem Male aus und ſpringt ſchließlich vollends auf die Vorder- füße. Dieſe Bewegungen erfolgen ſo ſchnell auf einander und kommen dem Anfänger ſo unverhofft, daß er beim zweiten Ruck regelmäßig nach vorn aus dem Sattel und entweder auf den Hals des Kamels oder zur Erde ſtürzt. Jmmer geberdet ſich das liebe Thier dabei, wie ich oben beſchrieb, und erſt nach ziemlicher Uebung kommt man dahin, allen ſeinen Unarten zu begegnen, allen Wir- kungen der Stöße beim Aufſpringen durch Vor- und Zurückbeugen auszuweichen und ſeinen Platz im Sattel zu behaupten. Reiſende Engländer pflegen ſich zum Beſteigen des Hedjahn kleiner Leitern zu bedienen oder hängen zu beiden Seiten des Sattels Körbe auf, in denen zwei Perſonen Platz nehmen; dann gewähren ſie das ergötzlichſte Schauſpiel von der Welt: denn ſie erinnern auf das lebhafteſte an die gute, alte Zeit, in welcher die Kamelführer mit ihrer Affengeſellſchaft von Dorf zu Dorf zogen. Reiſende Frauen werden in Sänften befördert, welche entweder von zwei Kamelen getragen oder zu beiden Seiten des Kamels befeſtigt werden. Letztere nennt man Tachterwahn. Es ſind große nach oben laubenartig überdeckte enge vergitterte Körbe. Ein im Lande Eingewöhnter aber reitet den Hedjahn in der angegebenen Weiſe und genießt dadurch alle Annehmlichkeiten einer Kamelreiſe, ohne deren Unannehmlichkeiten empfinden zu müſſen. Man gewöhnt ſich gar bald an das Reiten auf einem dieſer ſchnellfüßigen Thiere, obgleich man im Sattel hoch über dem Kamel, wie in einem Stuhle, ſitzt, ſich durch beſondere Kunſtgriffe im Gleichgewicht erhalten muß und nur mit den gekreuzten, über Nacken und Hals gelegten Füßen feſthalten kann. Am Sattel hängen die Taſchen mit Schießbedarf, die Waffen, Piſtolenhalfter, ein Sack mit Datteln und die Simſemïe,
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[395/0419]
Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
kiſche Taſſe Kaffee auf ſeinem Rücken trinken könne, ohne Etwas davon zu verſchütten; dabei darf
es nicht ſtörriſch ſein, kurz, es muß die drei angeführten Eigenſchaften in vollem Maße beſitzen.
Die Sattelung oder Zäumung des Kamels iſt ganz eigenthümlich. Der Serdj oder Reitſattel
ruht auf einem feſten, ſauber gearbeiteten Geſtell und beſteht aus einem muldenförmigen Sitz, welcher
gerade auf den Rückenhöcker des Thieres geſetzt wird und ſich ungefähr einen Fuß über denſelben
erhebt. Das Untergeſtellt iſt mit vier Kiſſenpolſtern belegt, welche zu beiden Seiten des Höckers auf-
liegen, denn dieſer ſelbſt wird ſowenig, als möglich bedrückt. Drei feſte und breite Gurte, von
denen zwei um den Bauch und ein dritter um den Vorderhals laufen (um das Nachhintenrutſchen des
Sattels zu verhüten), ſchnallen ihn feſt. Vorn und hinten ſteigen zwei Knöpfe auf; an ihnen wer-
den die nöthigen Reiſegeräthſchaften aufgehängt. Der Zaum beſteht aus einem fein geflochtenen
Lederſtrick, welcher halfterartig um Kopf und Schnauze des Thieres geſchlungen iſt und beim An-
ziehen das Maul zuſammenſchnürt; alle Reitkamele aber führen noch einen Beizügel, d. h. eine
dünne Lederſchnur, welche in dem einen durchbohrten Naſenloch befeſtigt wird. Ein Gebiß hat der
Hedjin nicht; die beiden Zügel genügen auch vollkommen. Der Reiter trägt am beſten weiche, lang-
geſchäftete Stiefeln ohne Sporen, enge Beinkleider, eine kurze Jacke mit weiten Aermeln, die Leib-
binde, die rothe Mütze und das dichte Baumwollentuch der Beduinen, mit welchem er ſich bei großer
Hitze kapuzenartig den Kopf verhüllt. Einzelne werfen auch den weißen Burnus über. Um das
Gelenk der rechten Hand hängt die unerläßliche Reitpeitſche, in Nord-Oſt-Afrika ein zugerundetes,
an der Spitze geöltes Stück aus der Haut des Nilpferdes. So ausgerüſtet tritt der Hedjahn zu ſeinem
Kamel, bringt das Thier mit unnachahmlichen Kehltönen und ruckweiſem Anziehen des Zügels zum
Niederlegen; ermahnt es durch denſelben Kehlton, welcher dem Laut eines mit aller Kraft ausge-
ſtoßenen „ch‟ ungefähr ähnlich klingt, zum Stilliegen, faßt den Zügel ſo kurz als möglich mit der
linken, den vorderen Sattelknopf mit der rechten Hand, erhebt den Vorderfuß vorſichtig in den Sattel
und ſchwingt ſich mit möglichſter Schnelligkeit nach oben, mit beiden Händen am vorderen Sattelknopf
ſich feſthaltend. Es gehört eine ſehr große Gewandtheit dazu, das Kamel in dieſer, einem Hedjahn
zukommenden Weiſe, zu beſteigen. Der Hedjahn wartet es nämlich nicht ab, bis ſich der Reiter in
dem Sattel feſtgeſetzt hat, ſondern richtet ſich, ſobald er den geringſten Druck verſpürt, in drei, ruck-
weiſe, aber mit ſehr großer Geſchwindigkeit auf einander folgenden Abſätzen empor. Ehe der Hed-
jahn noch zum Sitzen kommt, erhebt ſich das Kamel auf die Handgelenke der Vorderbeine, ſtreckt
ſodann die langen Hinterbeine mit einem Male aus und ſpringt ſchließlich vollends auf die Vorder-
füße. Dieſe Bewegungen erfolgen ſo ſchnell auf einander und kommen dem Anfänger ſo unverhofft,
daß er beim zweiten Ruck regelmäßig nach vorn aus dem Sattel und entweder auf den Hals des
Kamels oder zur Erde ſtürzt. Jmmer geberdet ſich das liebe Thier dabei, wie ich oben beſchrieb,
und erſt nach ziemlicher Uebung kommt man dahin, allen ſeinen Unarten zu begegnen, allen Wir-
kungen der Stöße beim Aufſpringen durch Vor- und Zurückbeugen auszuweichen und ſeinen Platz
im Sattel zu behaupten. Reiſende Engländer pflegen ſich zum Beſteigen des Hedjahn kleiner Leitern
zu bedienen oder hängen zu beiden Seiten des Sattels Körbe auf, in denen zwei Perſonen Platz
nehmen; dann gewähren ſie das ergötzlichſte Schauſpiel von der Welt: denn ſie erinnern auf das
lebhafteſte an die gute, alte Zeit, in welcher die Kamelführer mit ihrer Affengeſellſchaft von Dorf zu
Dorf zogen. Reiſende Frauen werden in Sänften befördert, welche entweder von zwei Kamelen
getragen oder zu beiden Seiten des Kamels befeſtigt werden. Letztere nennt man Tachterwahn. Es
ſind große nach oben laubenartig überdeckte enge vergitterte Körbe. Ein im Lande Eingewöhnter
aber reitet den Hedjahn in der angegebenen Weiſe und genießt dadurch alle Annehmlichkeiten einer
Kamelreiſe, ohne deren Unannehmlichkeiten empfinden zu müſſen. Man gewöhnt ſich gar bald an
das Reiten auf einem dieſer ſchnellfüßigen Thiere, obgleich man im Sattel hoch über dem Kamel,
wie in einem Stuhle, ſitzt, ſich durch beſondere Kunſtgriffe im Gleichgewicht erhalten muß und nur
mit den gekreuzten, über Nacken und Hals gelegten Füßen feſthalten kann. Am Sattel hängen die
Taſchen mit Schießbedarf, die Waffen, Piſtolenhalfter, ein Sack mit Datteln und die Simſemïe,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/419>, abgerufen am 23.11.2024.
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