Die Kamele. -- Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
ein Schlauch aus steifem Sohlenleder mit verkorkbarer Oeffnung. Der Sitz wird mit einem lang- zottigen, gewöhnlich brennend roth oder blau gefärbten Schaffell bedeckt, der Teppich und das Kopf- kissen eingeschnürt neben den Sattel gehängt. So hat man alle Bedürfnisse der Reise bei sich und kann nun nach eigenem Gutdünken so schnell reiten, als man will. Wenn die Karavane langsamen Schrittes ihren einförmigen Weg verfolgt, ruht man da, wo man einen Anfall feindlicher Beduinen- stämme nicht zu befürchten hat, noch behaglich im Lager, oder eilt mit seinem Hedjahn den Last- kamelen voraus, um während der Hitze des Mittags unter luftigem Zelte verweilen zu können. Der Reisezug kommt gegen Mittag bei den Lagernden an, zieht langsam an ihnen vorüber und verschwindet dem Auge wieder. Der Reiter hat noch gute Zeit, er läßt ihn meilenweit vorangehen und steigt erst nach langer Rast wieder in den Sattel, weil er sicher ist, auch mit einem nur mittelmäßigen Läufer, zugleich mit der Karavane im Nachtlager einzutreffen. So legt man ohne große Ermüdung bedeu- tende Reisestrecken zurück, während man, wenn man mit den, das Gepäck tragenden Kamelen dahin- zieht, immer wie an allen Gliedern zerschlagen im Nachtlager ankommt.
Zum Beladen der Lastkamele dient ein höchst einfaches, gepolstertes Holzgestell, die "Rauie", über welche die beiden Laststücke einer Ladung gehangen werden. Dieser Sattel wird nun durch den Druck und das Gleichgewicht der beiden Frachtstücke in seiner Lage auf dem Rückenhöcker des Thieres erhalten, und daher kommt es, daß das Lastkamel so leicht seine Bürde abwerfen kann. Blos in eini- gen Gegenden hat man den Sattel verbessert, indem man ihm Gurte zum Anschnüren beigibt und ihn seitlich mit starken, aus Baststricken geflochtenen Netzen behängt, in welche die Frachtstücke ein- gewickelt werden. Bei dem gewöhnlichen Holzsattel muß jedes Laststück besonders vorgerichtet wer- den. Man umschnürt es und bildet aus den Stricken zwei Schlingen, welche dann in einander gesteckt und vermittelst eines durchgeschobenen Pflockes festgehalten werden. Soviel als mög- lich wählt man sich gleich schwere Laststücke aus, legt sie in einer gewissen Entfernung auf den Boden hin, führt das Kamel zur Stelle, läßt es sich zwischen beiden Laststücken niederlegen, hält es während des Beladens am Boden fest, hebt die Stücken empor, vereinigt ihre Haltschlingen und läßt das Kamel aufstehen.
Gänzlich unwahr ist die Behauptung, welche man noch heute wiederholt, daß Kamele, denen man mehr aufbürdet, als sie zu tragen vermochten, liegen bleiben, auch wenn man ihnen ihre Last wieder abgenommen hat und über die Gemeinheit des Menschen entrüstet, den Tod erwarten. Ein übermäßig geladenes Kamel springt nicht auf, weil es nicht kann; erleichtert man aber seine Last, so erhebt es sich ohne weiteres oder wenigstens, wenn man es durch einige Hiebe anspornt, wieder auf seine Füße. Anders ist es, wenn ein Kamel bei längerer Wüstenreise unter seiner Last zusammenbricht; dann ist es aber nicht Störrigkeit, sondern vollkommene Entkräftung, an der es für immer liegen bleibt. Das Kamel hat einen sehr sichern und ruhigen Gang und stürzt auf ebenen, trockenen Wegen niemals, so lange es bei Kräften ist; unterliegt es aber den Beschwerden einer Reise und stürzt es zusammen, dann ist es so angegriffen, daß es keinen Schritt mehr thun kann. Und weil man nun in der Wüste ihm Nichts zu bieten vermag, was ihm wieder neue Kräfte verleihen könnte, weil dort die Nahrung und das Getränk fehlen, bleibt es für immer liegen.
Bei Wüstenreisen wird ein Lastkamel mit höchstens drei Centnern beladen, auf kürzere Strecken hin wohl auch mit vier. Mehr bekommt es nicht aufgebürdet. Dem egyptischen Kamel dagegen wurden zuweilen so außerordentliche Lasten aufgelegt, daß es die Regierung für nöthig befand, ein Gesetz zu erlassen, welches die Belastung auf höchstens sieben arabische Centner oder fünf- hundertsiebzig wiener Pfund festsetzte. Während meiner Anwesenheit in Egypten erläuterte mein Freund und Gönner, Latief-Pascha, den Ernst dieses Gesetzes einem Fellah oder egyptischen Bauern in echt erzväterlicher und überzeugender Weise. Er war damals Statthalter der Provinz Siut in Oberegypten und hatte als solcher auch Jedermann Recht zu sprechen. Man traf ihn jeden Tag in dem schönen Regierungsgebäude, durch dessen Hof der Weg vom Strome zur Stadt führt,
Die Kamele. — Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
ein Schlauch aus ſteifem Sohlenleder mit verkorkbarer Oeffnung. Der Sitz wird mit einem lang- zottigen, gewöhnlich brennend roth oder blau gefärbten Schaffell bedeckt, der Teppich und das Kopf- kiſſen eingeſchnürt neben den Sattel gehängt. So hat man alle Bedürfniſſe der Reiſe bei ſich und kann nun nach eigenem Gutdünken ſo ſchnell reiten, als man will. Wenn die Karavane langſamen Schrittes ihren einförmigen Weg verfolgt, ruht man da, wo man einen Anfall feindlicher Beduinen- ſtämme nicht zu befürchten hat, noch behaglich im Lager, oder eilt mit ſeinem Hedjahn den Laſt- kamelen voraus, um während der Hitze des Mittags unter luftigem Zelte verweilen zu können. Der Reiſezug kommt gegen Mittag bei den Lagernden an, zieht langſam an ihnen vorüber und verſchwindet dem Auge wieder. Der Reiter hat noch gute Zeit, er läßt ihn meilenweit vorangehen und ſteigt erſt nach langer Raſt wieder in den Sattel, weil er ſicher iſt, auch mit einem nur mittelmäßigen Läufer, zugleich mit der Karavane im Nachtlager einzutreffen. So legt man ohne große Ermüdung bedeu- tende Reiſeſtrecken zurück, während man, wenn man mit den, das Gepäck tragenden Kamelen dahin- zieht, immer wie an allen Gliedern zerſchlagen im Nachtlager ankommt.
Zum Beladen der Laſtkamele dient ein höchſt einfaches, gepolſtertes Holzgeſtell, die „Rauïe‟, über welche die beiden Laſtſtücke einer Ladung gehangen werden. Dieſer Sattel wird nun durch den Druck und das Gleichgewicht der beiden Frachtſtücke in ſeiner Lage auf dem Rückenhöcker des Thieres erhalten, und daher kommt es, daß das Laſtkamel ſo leicht ſeine Bürde abwerfen kann. Blos in eini- gen Gegenden hat man den Sattel verbeſſert, indem man ihm Gurte zum Anſchnüren beigibt und ihn ſeitlich mit ſtarken, aus Baſtſtricken geflochtenen Netzen behängt, in welche die Frachtſtücke ein- gewickelt werden. Bei dem gewöhnlichen Holzſattel muß jedes Laſtſtück beſonders vorgerichtet wer- den. Man umſchnürt es und bildet aus den Stricken zwei Schlingen, welche dann in einander geſteckt und vermittelſt eines durchgeſchobenen Pflockes feſtgehalten werden. Soviel als mög- lich wählt man ſich gleich ſchwere Laſtſtücke aus, legt ſie in einer gewiſſen Entfernung auf den Boden hin, führt das Kamel zur Stelle, läßt es ſich zwiſchen beiden Laſtſtücken niederlegen, hält es während des Beladens am Boden feſt, hebt die Stücken empor, vereinigt ihre Haltſchlingen und läßt das Kamel aufſtehen.
Gänzlich unwahr iſt die Behauptung, welche man noch heute wiederholt, daß Kamele, denen man mehr aufbürdet, als ſie zu tragen vermochten, liegen bleiben, auch wenn man ihnen ihre Laſt wieder abgenommen hat und über die Gemeinheit des Menſchen entrüſtet, den Tod erwarten. Ein übermäßig geladenes Kamel ſpringt nicht auf, weil es nicht kann; erleichtert man aber ſeine Laſt, ſo erhebt es ſich ohne weiteres oder wenigſtens, wenn man es durch einige Hiebe anſpornt, wieder auf ſeine Füße. Anders iſt es, wenn ein Kamel bei längerer Wüſtenreiſe unter ſeiner Laſt zuſammenbricht; dann iſt es aber nicht Störrigkeit, ſondern vollkommene Entkräftung, an der es für immer liegen bleibt. Das Kamel hat einen ſehr ſichern und ruhigen Gang und ſtürzt auf ebenen, trockenen Wegen niemals, ſo lange es bei Kräften iſt; unterliegt es aber den Beſchwerden einer Reiſe und ſtürzt es zuſammen, dann iſt es ſo angegriffen, daß es keinen Schritt mehr thun kann. Und weil man nun in der Wüſte ihm Nichts zu bieten vermag, was ihm wieder neue Kräfte verleihen könnte, weil dort die Nahrung und das Getränk fehlen, bleibt es für immer liegen.
Bei Wüſtenreiſen wird ein Laſtkamel mit höchſtens drei Centnern beladen, auf kürzere Strecken hin wohl auch mit vier. Mehr bekommt es nicht aufgebürdet. Dem egyptiſchen Kamel dagegen wurden zuweilen ſo außerordentliche Laſten aufgelegt, daß es die Regierung für nöthig befand, ein Geſetz zu erlaſſen, welches die Belaſtung auf höchſtens ſieben arabiſche Centner oder fünf- hundertſiebzig wiener Pfund feſtſetzte. Während meiner Anweſenheit in Egypten erläuterte mein Freund und Gönner, Latief-Paſcha, den Ernſt dieſes Geſetzes einem Fellah oder egyptiſchen Bauern in echt erzväterlicher und überzeugender Weiſe. Er war damals Statthalter der Provinz Siut in Oberegypten und hatte als ſolcher auch Jedermann Recht zu ſprechen. Man traf ihn jeden Tag in dem ſchönen Regierungsgebäude, durch deſſen Hof der Weg vom Strome zur Stadt führt,
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Die Kamele. — Das einhöckerige Kamel oder das Dromedar.
ein Schlauch aus ſteifem Sohlenleder mit verkorkbarer Oeffnung. Der Sitz wird mit einem lang-
zottigen, gewöhnlich brennend roth oder blau gefärbten Schaffell bedeckt, der Teppich und das Kopf-
kiſſen eingeſchnürt neben den Sattel gehängt. So hat man alle Bedürfniſſe der Reiſe bei ſich und
kann nun nach eigenem Gutdünken ſo ſchnell reiten, als man will. Wenn die Karavane langſamen
Schrittes ihren einförmigen Weg verfolgt, ruht man da, wo man einen Anfall feindlicher Beduinen-
ſtämme nicht zu befürchten hat, noch behaglich im Lager, oder eilt mit ſeinem Hedjahn den Laſt-
kamelen voraus, um während der Hitze des Mittags unter luftigem Zelte verweilen zu können. Der
Reiſezug kommt gegen Mittag bei den Lagernden an, zieht langſam an ihnen vorüber und verſchwindet
dem Auge wieder. Der Reiter hat noch gute Zeit, er läßt ihn meilenweit vorangehen und ſteigt erſt
nach langer Raſt wieder in den Sattel, weil er ſicher iſt, auch mit einem nur mittelmäßigen Läufer,
zugleich mit der Karavane im Nachtlager einzutreffen. So legt man ohne große Ermüdung bedeu-
tende Reiſeſtrecken zurück, während man, wenn man mit den, das Gepäck tragenden Kamelen dahin-
zieht, immer wie an allen Gliedern zerſchlagen im Nachtlager ankommt.
Zum Beladen der Laſtkamele dient ein höchſt einfaches, gepolſtertes Holzgeſtell, die „Rauïe‟,
über welche die beiden Laſtſtücke einer Ladung gehangen werden. Dieſer Sattel wird nun durch den
Druck und das Gleichgewicht der beiden Frachtſtücke in ſeiner Lage auf dem Rückenhöcker des Thieres
erhalten, und daher kommt es, daß das Laſtkamel ſo leicht ſeine Bürde abwerfen kann. Blos in eini-
gen Gegenden hat man den Sattel verbeſſert, indem man ihm Gurte zum Anſchnüren beigibt und
ihn ſeitlich mit ſtarken, aus Baſtſtricken geflochtenen Netzen behängt, in welche die Frachtſtücke ein-
gewickelt werden. Bei dem gewöhnlichen Holzſattel muß jedes Laſtſtück beſonders vorgerichtet wer-
den. Man umſchnürt es und bildet aus den Stricken zwei Schlingen, welche dann in einander
geſteckt und vermittelſt eines durchgeſchobenen Pflockes feſtgehalten werden. Soviel als mög-
lich wählt man ſich gleich ſchwere Laſtſtücke aus, legt ſie in einer gewiſſen Entfernung auf den
Boden hin, führt das Kamel zur Stelle, läßt es ſich zwiſchen beiden Laſtſtücken niederlegen, hält es
während des Beladens am Boden feſt, hebt die Stücken empor, vereinigt ihre Haltſchlingen und
läßt das Kamel aufſtehen.
Gänzlich unwahr iſt die Behauptung, welche man noch heute wiederholt, daß Kamele, denen
man mehr aufbürdet, als ſie zu tragen vermochten, liegen bleiben, auch wenn man ihnen ihre Laſt
wieder abgenommen hat und über die Gemeinheit des Menſchen entrüſtet, den Tod erwarten. Ein
übermäßig geladenes Kamel ſpringt nicht auf, weil es nicht kann; erleichtert man aber ſeine Laſt, ſo
erhebt es ſich ohne weiteres oder wenigſtens, wenn man es durch einige Hiebe anſpornt, wieder auf ſeine
Füße. Anders iſt es, wenn ein Kamel bei längerer Wüſtenreiſe unter ſeiner Laſt zuſammenbricht; dann
iſt es aber nicht Störrigkeit, ſondern vollkommene Entkräftung, an der es für immer liegen bleibt.
Das Kamel hat einen ſehr ſichern und ruhigen Gang und ſtürzt auf ebenen, trockenen Wegen niemals,
ſo lange es bei Kräften iſt; unterliegt es aber den Beſchwerden einer Reiſe und ſtürzt es zuſammen,
dann iſt es ſo angegriffen, daß es keinen Schritt mehr thun kann. Und weil man nun in der Wüſte
ihm Nichts zu bieten vermag, was ihm wieder neue Kräfte verleihen könnte, weil dort die Nahrung
und das Getränk fehlen, bleibt es für immer liegen.
Bei Wüſtenreiſen wird ein Laſtkamel mit höchſtens drei Centnern beladen, auf kürzere Strecken
hin wohl auch mit vier. Mehr bekommt es nicht aufgebürdet. Dem egyptiſchen Kamel dagegen
wurden zuweilen ſo außerordentliche Laſten aufgelegt, daß es die Regierung für nöthig befand,
ein Geſetz zu erlaſſen, welches die Belaſtung auf höchſtens ſieben arabiſche Centner oder fünf-
hundertſiebzig wiener Pfund feſtſetzte. Während meiner Anweſenheit in Egypten erläuterte mein
Freund und Gönner, Latief-Paſcha, den Ernſt dieſes Geſetzes einem Fellah oder egyptiſchen
Bauern in echt erzväterlicher und überzeugender Weiſe. Er war damals Statthalter der Provinz
Siut in Oberegypten und hatte als ſolcher auch Jedermann Recht zu ſprechen. Man traf ihn jeden
Tag in dem ſchönen Regierungsgebäude, durch deſſen Hof der Weg vom Strome zur Stadt führt,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/420>, abgerufen am 23.11.2024.
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