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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Lamas.
ziemlich langer Zeit nämlich sind die Forscher darüber uneinig, ob sie die vier verschiedenen, zu
unserer Sippe gehörigen Thiere sämmtlich als besondere Arten ansehen sollen, oder nicht. Die
Einen erblicken in dem Guanaco die Stammart des Lama und des Paco und glauben vornehmlich
darin eine Unterstützung ihrer Meinung zu finden, daß Lama und Guanaco sich fruchtbar mit ein-
ander vermischen und fruchtbare Blendlinge erzeugen. Die Anderen halten sich mehr an das eigen-
thümliche Wesen der Thiere, und erachten die Verschiedenheiten, welche sich darin spiegeln, noch
für wichtiger, als die geringen Unterschiede in der Gestalt, jedenfalls für wichtig genug, um sie,
wie die Eingeborenen es immer gethan haben, als besondere Arten anzusehen. Da nun in
der Neuzeit einer der tüchtigsten Forscher, von Tschudi, die Ansicht der Eingeborenen theilt,
brauchen wir wohl ebenfalls keinen Anstand zu nehmen, die vier verschiedenen Thiere auch als vier
verschiedene Arten zu betrachten. Uebrigens wäre es auch vollkommen gleichgiltig, ob wir Dies
thäten, oder nicht; denn soviel ist sicher, daß jedes einzelne der betreffenden Thiere wichtig genug ist,
um eine ausführlichere Beschreibung zu rechtfertigen.

Der Guanaco und die Vicunda leben noch heutigen Tages wild; die anderen Arten unserer
Sippe sind schon seit undenklichen Zeiten zu Hausthieren geworden. Bereits die ersten Entdecker
Amerikas fanden das Lama und das Alpaca im gezähmten Zustande vor; die wunderbare und
märchenhafte Geschichte der Peruaner verlegt die Zähmung der Thiere in das früheste Zeitalter
menschlichen Daseins und bringt sie mit der irdischen Erscheinung ihrer Halbgötter in Verbindung.
Abergläubische Anschauungen der verschiedensten Art herrschten unter jenen Völkerschaften hinsicht-
lich der Verwendung des Lama beim Opferdienst; namentlich die Farbe der zum Weihopfer der
Götter bestimmten Thiere war, je nach den verschiedenen Festen, genau vorgeschrieben. Die zuerst
landenden Spanier fanden überall bedeutende Lamaherden im Besitz der Gebirgsbewohner, und be-
schrieben die Thiere, wenn auch etwas unklar, doch so ausführlich, daß man selbst die einzelnen
Formen ohne Mühe erkennen kann. Schon Xerez, welcher die Eroberung Perus durch Pizarro
beschrieb, erwähnt des Lamas als eines Lastthieres.

"Sechs Leguas von Caramalca," sagt er, "wohnten an einem mit Bäumen umwachsenen See
indianische Hirten mit Schafen von verschiedenen Arten, mit kleinen, wie die unsrigen, und mit so
großen, daß sie dieselben als Lastthiere zum Tragen ihrer Bedürfnisse brauchten."

Pedro de Cieza unterscheidet die vier Arten schon im Jahre 1541 sehr genau.

"Es gibt keinen Theil der Welt, wo man so sonderbare Schafe findet, wie in Peru, Chile
und einigen Provinzen des La Plata. Sie gehören zu den vortrefflichsten und nützlichsten Thieren,
welche Gott erschaffen hat, gleichsam aus besonderer Sorge für die daselbst wohnenden Leute, welche
ohne dieses Vieh nicht im Stande wären, ihr Leben zu fristen. Jn den Thälern der Ebene säen die
Eingeborenen Baumwolle und machen sich daraus ihre Kleider; im Hochgebirge und in vielen anderen
Gegenden wächst weder ein Baum, noch Baumwolle, so daß die Einwohner Nichts hätten, um sich zu
kleiden. Daher gab ihnen Gott eine solche Menge von diesem Vieh; aber die wüthenden Kriege der
Spanier haben es bereits sehr vermindert. Die Eingeborenen nennen die Schafe Lama, die Wid-
der Urcos. Sie gleichen in der Größe einem kleinen Esel mit breiten Hüften und dickem Bauch;
am Hals und der Gestalt ähneln sie dem Kamel, im Aussehen den Schafen. Die Thiere leben von
den Kräutern der Felder. Sie sind sehr zahm und gar nicht widerspenstig; nur wenn sie Schmerzen
haben, werfen sie sich nieder und ächzen, wie die Kamele. Die Widder nehmen sehr leicht zwei bis
drei Arrobas auf den Rücken, und das Fleisch, welches sehr gut ist, verliert Nichts von seiner Güte
durch das Lasttragen."

"Es gibt einen anderen Verwandten von diesen Thieren, welchen sie Guanaco nennen, von
derselben Gestalt, aber größer. Davon laufen starke Herden wild in den Feldern herum und
springen mit solcher Leichtigkeit, daß der Hund sie kaum einholt. Außerdem findet man noch eine
andere Sorte dieser Schafe, welche Vicunda heißen. Sie sind noch hurtiger, als die Guanaco, und
gehen in den Wüsten herum, um die Kräuter zu fressen, welche ihnen Gott hat wachsen lassen. Jhre

Brehm, Thierleben. II. 26

Die Lamas.
ziemlich langer Zeit nämlich ſind die Forſcher darüber uneinig, ob ſie die vier verſchiedenen, zu
unſerer Sippe gehörigen Thiere ſämmtlich als beſondere Arten anſehen ſollen, oder nicht. Die
Einen erblicken in dem Guanaco die Stammart des Lama und des Paco und glauben vornehmlich
darin eine Unterſtützung ihrer Meinung zu finden, daß Lama und Guanaco ſich fruchtbar mit ein-
ander vermiſchen und fruchtbare Blendlinge erzeugen. Die Anderen halten ſich mehr an das eigen-
thümliche Weſen der Thiere, und erachten die Verſchiedenheiten, welche ſich darin ſpiegeln, noch
für wichtiger, als die geringen Unterſchiede in der Geſtalt, jedenfalls für wichtig genug, um ſie,
wie die Eingeborenen es immer gethan haben, als beſondere Arten anzuſehen. Da nun in
der Neuzeit einer der tüchtigſten Forſcher, von Tſchudi, die Anſicht der Eingeborenen theilt,
brauchen wir wohl ebenfalls keinen Anſtand zu nehmen, die vier verſchiedenen Thiere auch als vier
verſchiedene Arten zu betrachten. Uebrigens wäre es auch vollkommen gleichgiltig, ob wir Dies
thäten, oder nicht; denn ſoviel iſt ſicher, daß jedes einzelne der betreffenden Thiere wichtig genug iſt,
um eine ausführlichere Beſchreibung zu rechtfertigen.

Der Guanaco und die Vicuña leben noch heutigen Tages wild; die anderen Arten unſerer
Sippe ſind ſchon ſeit undenklichen Zeiten zu Hausthieren geworden. Bereits die erſten Entdecker
Amerikas fanden das Lama und das Alpaca im gezähmten Zuſtande vor; die wunderbare und
märchenhafte Geſchichte der Peruaner verlegt die Zähmung der Thiere in das früheſte Zeitalter
menſchlichen Daſeins und bringt ſie mit der irdiſchen Erſcheinung ihrer Halbgötter in Verbindung.
Abergläubiſche Anſchauungen der verſchiedenſten Art herrſchten unter jenen Völkerſchaften hinſicht-
lich der Verwendung des Lama beim Opferdienſt; namentlich die Farbe der zum Weihopfer der
Götter beſtimmten Thiere war, je nach den verſchiedenen Feſten, genau vorgeſchrieben. Die zuerſt
landenden Spanier fanden überall bedeutende Lamaherden im Beſitz der Gebirgsbewohner, und be-
ſchrieben die Thiere, wenn auch etwas unklar, doch ſo ausführlich, daß man ſelbſt die einzelnen
Formen ohne Mühe erkennen kann. Schon Xerez, welcher die Eroberung Perus durch Pizarro
beſchrieb, erwähnt des Lamas als eines Laſtthieres.

„Sechs Leguas von Caramalca,‟ ſagt er, „wohnten an einem mit Bäumen umwachſenen See
indianiſche Hirten mit Schafen von verſchiedenen Arten, mit kleinen, wie die unſrigen, und mit ſo
großen, daß ſie dieſelben als Laſtthiere zum Tragen ihrer Bedürfniſſe brauchten.‟

Pedro de Cieza unterſcheidet die vier Arten ſchon im Jahre 1541 ſehr genau.

„Es gibt keinen Theil der Welt, wo man ſo ſonderbare Schafe findet, wie in Peru, Chile
und einigen Provinzen des La Plata. Sie gehören zu den vortrefflichſten und nützlichſten Thieren,
welche Gott erſchaffen hat, gleichſam aus beſonderer Sorge für die daſelbſt wohnenden Leute, welche
ohne dieſes Vieh nicht im Stande wären, ihr Leben zu friſten. Jn den Thälern der Ebene ſäen die
Eingeborenen Baumwolle und machen ſich daraus ihre Kleider; im Hochgebirge und in vielen anderen
Gegenden wächſt weder ein Baum, noch Baumwolle, ſo daß die Einwohner Nichts hätten, um ſich zu
kleiden. Daher gab ihnen Gott eine ſolche Menge von dieſem Vieh; aber die wüthenden Kriege der
Spanier haben es bereits ſehr vermindert. Die Eingeborenen nennen die Schafe Lama, die Wid-
der Urcos. Sie gleichen in der Größe einem kleinen Eſel mit breiten Hüften und dickem Bauch;
am Hals und der Geſtalt ähneln ſie dem Kamel, im Ausſehen den Schafen. Die Thiere leben von
den Kräutern der Felder. Sie ſind ſehr zahm und gar nicht widerſpenſtig; nur wenn ſie Schmerzen
haben, werfen ſie ſich nieder und ächzen, wie die Kamele. Die Widder nehmen ſehr leicht zwei bis
drei Arrobas auf den Rücken, und das Fleiſch, welches ſehr gut iſt, verliert Nichts von ſeiner Güte
durch das Laſttragen.‟

„Es gibt einen anderen Verwandten von dieſen Thieren, welchen ſie Guanaco nennen, von
derſelben Geſtalt, aber größer. Davon laufen ſtarke Herden wild in den Feldern herum und
ſpringen mit ſolcher Leichtigkeit, daß der Hund ſie kaum einholt. Außerdem findet man noch eine
andere Sorte dieſer Schafe, welche Vicuña heißen. Sie ſind noch hurtiger, als die Guanaco, und
gehen in den Wüſten herum, um die Kräuter zu freſſen, welche ihnen Gott hat wachſen laſſen. Jhre

Brehm, Thierleben. II. 26
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[401/0425] Die Lamas. ziemlich langer Zeit nämlich ſind die Forſcher darüber uneinig, ob ſie die vier verſchiedenen, zu unſerer Sippe gehörigen Thiere ſämmtlich als beſondere Arten anſehen ſollen, oder nicht. Die Einen erblicken in dem Guanaco die Stammart des Lama und des Paco und glauben vornehmlich darin eine Unterſtützung ihrer Meinung zu finden, daß Lama und Guanaco ſich fruchtbar mit ein- ander vermiſchen und fruchtbare Blendlinge erzeugen. Die Anderen halten ſich mehr an das eigen- thümliche Weſen der Thiere, und erachten die Verſchiedenheiten, welche ſich darin ſpiegeln, noch für wichtiger, als die geringen Unterſchiede in der Geſtalt, jedenfalls für wichtig genug, um ſie, wie die Eingeborenen es immer gethan haben, als beſondere Arten anzuſehen. Da nun in der Neuzeit einer der tüchtigſten Forſcher, von Tſchudi, die Anſicht der Eingeborenen theilt, brauchen wir wohl ebenfalls keinen Anſtand zu nehmen, die vier verſchiedenen Thiere auch als vier verſchiedene Arten zu betrachten. Uebrigens wäre es auch vollkommen gleichgiltig, ob wir Dies thäten, oder nicht; denn ſoviel iſt ſicher, daß jedes einzelne der betreffenden Thiere wichtig genug iſt, um eine ausführlichere Beſchreibung zu rechtfertigen. Der Guanaco und die Vicuña leben noch heutigen Tages wild; die anderen Arten unſerer Sippe ſind ſchon ſeit undenklichen Zeiten zu Hausthieren geworden. Bereits die erſten Entdecker Amerikas fanden das Lama und das Alpaca im gezähmten Zuſtande vor; die wunderbare und märchenhafte Geſchichte der Peruaner verlegt die Zähmung der Thiere in das früheſte Zeitalter menſchlichen Daſeins und bringt ſie mit der irdiſchen Erſcheinung ihrer Halbgötter in Verbindung. Abergläubiſche Anſchauungen der verſchiedenſten Art herrſchten unter jenen Völkerſchaften hinſicht- lich der Verwendung des Lama beim Opferdienſt; namentlich die Farbe der zum Weihopfer der Götter beſtimmten Thiere war, je nach den verſchiedenen Feſten, genau vorgeſchrieben. Die zuerſt landenden Spanier fanden überall bedeutende Lamaherden im Beſitz der Gebirgsbewohner, und be- ſchrieben die Thiere, wenn auch etwas unklar, doch ſo ausführlich, daß man ſelbſt die einzelnen Formen ohne Mühe erkennen kann. Schon Xerez, welcher die Eroberung Perus durch Pizarro beſchrieb, erwähnt des Lamas als eines Laſtthieres. „Sechs Leguas von Caramalca,‟ ſagt er, „wohnten an einem mit Bäumen umwachſenen See indianiſche Hirten mit Schafen von verſchiedenen Arten, mit kleinen, wie die unſrigen, und mit ſo großen, daß ſie dieſelben als Laſtthiere zum Tragen ihrer Bedürfniſſe brauchten.‟ Pedro de Cieza unterſcheidet die vier Arten ſchon im Jahre 1541 ſehr genau. „Es gibt keinen Theil der Welt, wo man ſo ſonderbare Schafe findet, wie in Peru, Chile und einigen Provinzen des La Plata. Sie gehören zu den vortrefflichſten und nützlichſten Thieren, welche Gott erſchaffen hat, gleichſam aus beſonderer Sorge für die daſelbſt wohnenden Leute, welche ohne dieſes Vieh nicht im Stande wären, ihr Leben zu friſten. Jn den Thälern der Ebene ſäen die Eingeborenen Baumwolle und machen ſich daraus ihre Kleider; im Hochgebirge und in vielen anderen Gegenden wächſt weder ein Baum, noch Baumwolle, ſo daß die Einwohner Nichts hätten, um ſich zu kleiden. Daher gab ihnen Gott eine ſolche Menge von dieſem Vieh; aber die wüthenden Kriege der Spanier haben es bereits ſehr vermindert. Die Eingeborenen nennen die Schafe Lama, die Wid- der Urcos. Sie gleichen in der Größe einem kleinen Eſel mit breiten Hüften und dickem Bauch; am Hals und der Geſtalt ähneln ſie dem Kamel, im Ausſehen den Schafen. Die Thiere leben von den Kräutern der Felder. Sie ſind ſehr zahm und gar nicht widerſpenſtig; nur wenn ſie Schmerzen haben, werfen ſie ſich nieder und ächzen, wie die Kamele. Die Widder nehmen ſehr leicht zwei bis drei Arrobas auf den Rücken, und das Fleiſch, welches ſehr gut iſt, verliert Nichts von ſeiner Güte durch das Laſttragen.‟ „Es gibt einen anderen Verwandten von dieſen Thieren, welchen ſie Guanaco nennen, von derſelben Geſtalt, aber größer. Davon laufen ſtarke Herden wild in den Feldern herum und ſpringen mit ſolcher Leichtigkeit, daß der Hund ſie kaum einholt. Außerdem findet man noch eine andere Sorte dieſer Schafe, welche Vicuña heißen. Sie ſind noch hurtiger, als die Guanaco, und gehen in den Wüſten herum, um die Kräuter zu freſſen, welche ihnen Gott hat wachſen laſſen. Jhre Brehm, Thierleben. II. 26

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/425>, abgerufen am 23.11.2024.