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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Lamas. -- Der Guanaco.
Wolle ist vortrefflich und so gut, ja noch feiner, als die der Merinoschafe. Jch weiß nicht, ob
man Tuch aus ihr weben könnte; aber dasjenige Zeuch, welches für die Vornehmen dieses Landes
gewebt wird, ist zum Verwundern schön. Das Fleisch der Vicundas und Guanacos ist sehr gut; es
gleicht im Geschmack dem Schaffleisch. Jn der Stadt de la Paz habe ich geräuchertes Salzfleisch von
einem fetten Guanaco gegessen, welches mir so gut schmeckte, wie keines in meinem Leben. Endlich
gibt es noch eine andere Art von zahmem Vieh, welches Paco heißt, aber sehr garstig und langwollig
ist; es hat auch die Gestalt der Lamas oder Schafe, ist aber kleiner. Die Lämmer gleichen sehr den
spanischen."

"Ohne diese Widder und Schafe wäre man nicht im Stande, die vielen Waaren von Potosi,
welcher einer der größten Handelsplätze ist, hin und her zu schaffen."

Aus diesen Angaben geht unzweifelhaft hervor, daß sich binnen dreier Jahrhunderte die vier
verschiedenen Formen der Lamas nicht verändert haben: und Das spricht doch sicherlich für ihre Art-
verschiedenheit. Nach unseren neueren Erfahrungen dürfen wir nicht mehr großes Gewicht darauf
legen, daß Thiere verschiedener Art sich fruchtbar mit einander vermischen, und somit ginge ein we-
sentlicher Haltepunkt für Diejenigen verloren, welche in unseren Thieren nur zwei Arten und bezüg-
lich zwei durch die Zähmung hervorgerufene Rassen sehen wollen.

Alle Lamas sind Bewohner der Hochebenen des gewaltigen Gebirges der Cordilleren. Sie be-
finden sich nur in den kalten Gegenden wohl und steigen deshalb blos im äußersten Süden der
Andeskette bis in die Pampas oder großen Ebenen Patagoniens herab. Jn der Nähe des Gleichers
liegt ihr Aufenthaltsort in einer Höhe zwischen 13,000 bis 16,000 Fuß über dem Meere, und tiefer,
als 8000 Fuß über dem Meere gedeihen sie hier nicht, während ihnen dagegen das kalte Pata-
gonien auch in geringeren Meereshöhen zusagende Aufenthaltsorte bietet. Die wildlebenden ziehen
sich während der nassen Jahreszeit auf die höchsten Kämme und Rücken der Gebirge zurück und
steigen während der trockenen Zeit in die fruchtbaren Thäler herab. Sie leben in größeren oder
kleineren Gesellschaften, nicht selten in Rudeln von mehreren hundert Stück, und bilden Gegenstände
der eifrigsten Jagd.

Aus Rücksicht auf die Forscher, welche nur zwei Lamaarten annehmen, stelle ich den Gna-
naco
oder Huanaco (Auchenia Huanaco) oben an. Er ist mit dem Lama das größte der süd-
amerikanischen Landsäugethiere und, obgleich nur im freien Zustande vorkommend, eines der wich-
tigsten von allen. Jn der Größe gleicht er etwa unserem Edelhirsch; in der Gestalt ist er ein
sonderbares Mittelding zwischen Kamel und Schaf. Bei vollkommen erwachsenen Thieren beträgt
die Gesammtlänge des Leibes 71/4 Fuß, die Länge des Schwanzes 9 Zoll, die Höhe am Widerrist
31/4 Fuß, die Höhe vom Boden bis zum Scheitel 5 Fuß. Das Weibchen ist kleiner, dem Männchen
aber vollkommen gleich gestaltet und gleich gefärbt. Der Leib des Guanaco ist, wie der aller übrigen
Lamas, verhältnißmäßig kurz und gedrungen, in der Brust- und Schultergegend hoch und breit,
hinten aber schmal, und in den Weichen sehr stark eingezogen. Der Hals ist lang, dünn, schlank
und nach vorn gekrümmt; er wird aber aufrecht getragen. Der Kopf ist lang und seitlich zusam-
mengedrückt; die Schnauze ist stumpf zugespitzt, die Oberlippe vorspringend, tief gespalten, schwach
behaart und sehr beweglich; die länglichen, schmalen Nasenlöcher sind verschließbar; die Nasenkuppe
ist behaart; die Ohren haben ungefähr die halbe Kopflänge, sind von länglicher, eiförmiger Gestalt,
schmal, beiderseitig behaart und sehr beweglich; die Augen sind groß und lebhaft; ihr Stern ist quer
gestellt; an den Lidern, zumal an den unteren, sitzen lange Wimpern. Die Beine sind schlank und
hoch, die Füße länglich, die Zehen bis zur Mitte gespalten und an ihren Spitzen von unvoll-
kommenen, kleinen, schmalen und zugespitzten, etwas nach abwärts gekrümmten Hufen umschlossen;
die Sohlen sind groß und schwielig; in den Beuggelenken der Vorderfüße fehlen die Schwielen,
welche die anderen Arten, wie die Kamele, besitzen. Der Schwanz ist sehr kurz, auf der oberen
Seite stark behaart und auf der unteren Seite fast gänzlich kahl; er wird aufgerichtet getragen. Das

Die Lamas. — Der Guanaco.
Wolle iſt vortrefflich und ſo gut, ja noch feiner, als die der Merinoſchafe. Jch weiß nicht, ob
man Tuch aus ihr weben könnte; aber dasjenige Zeuch, welches für die Vornehmen dieſes Landes
gewebt wird, iſt zum Verwundern ſchön. Das Fleiſch der Vicuñas und Guanacos iſt ſehr gut; es
gleicht im Geſchmack dem Schaffleiſch. Jn der Stadt de la Paz habe ich geräuchertes Salzfleiſch von
einem fetten Guanaco gegeſſen, welches mir ſo gut ſchmeckte, wie keines in meinem Leben. Endlich
gibt es noch eine andere Art von zahmem Vieh, welches Paco heißt, aber ſehr garſtig und langwollig
iſt; es hat auch die Geſtalt der Lamas oder Schafe, iſt aber kleiner. Die Lämmer gleichen ſehr den
ſpaniſchen.‟

„Ohne dieſe Widder und Schafe wäre man nicht im Stande, die vielen Waaren von Potoſi,
welcher einer der größten Handelsplätze iſt, hin und her zu ſchaffen.‟

Aus dieſen Angaben geht unzweifelhaft hervor, daß ſich binnen dreier Jahrhunderte die vier
verſchiedenen Formen der Lamas nicht verändert haben: und Das ſpricht doch ſicherlich für ihre Art-
verſchiedenheit. Nach unſeren neueren Erfahrungen dürfen wir nicht mehr großes Gewicht darauf
legen, daß Thiere verſchiedener Art ſich fruchtbar mit einander vermiſchen, und ſomit ginge ein we-
ſentlicher Haltepunkt für Diejenigen verloren, welche in unſeren Thieren nur zwei Arten und bezüg-
lich zwei durch die Zähmung hervorgerufene Raſſen ſehen wollen.

Alle Lamas ſind Bewohner der Hochebenen des gewaltigen Gebirges der Cordilleren. Sie be-
finden ſich nur in den kalten Gegenden wohl und ſteigen deshalb blos im äußerſten Süden der
Andeskette bis in die Pampas oder großen Ebenen Patagoniens herab. Jn der Nähe des Gleichers
liegt ihr Aufenthaltsort in einer Höhe zwiſchen 13,000 bis 16,000 Fuß über dem Meere, und tiefer,
als 8000 Fuß über dem Meere gedeihen ſie hier nicht, während ihnen dagegen das kalte Pata-
gonien auch in geringeren Meereshöhen zuſagende Aufenthaltsorte bietet. Die wildlebenden ziehen
ſich während der naſſen Jahreszeit auf die höchſten Kämme und Rücken der Gebirge zurück und
ſteigen während der trockenen Zeit in die fruchtbaren Thäler herab. Sie leben in größeren oder
kleineren Geſellſchaften, nicht ſelten in Rudeln von mehreren hundert Stück, und bilden Gegenſtände
der eifrigſten Jagd.

Aus Rückſicht auf die Forſcher, welche nur zwei Lamaarten annehmen, ſtelle ich den Gna-
naco
oder Huanaco (Auchenia Huanaco) oben an. Er iſt mit dem Lama das größte der ſüd-
amerikaniſchen Landſäugethiere und, obgleich nur im freien Zuſtande vorkommend, eines der wich-
tigſten von allen. Jn der Größe gleicht er etwa unſerem Edelhirſch; in der Geſtalt iſt er ein
ſonderbares Mittelding zwiſchen Kamel und Schaf. Bei vollkommen erwachſenen Thieren beträgt
die Geſammtlänge des Leibes 7¼ Fuß, die Länge des Schwanzes 9 Zoll, die Höhe am Widerriſt
3¼ Fuß, die Höhe vom Boden bis zum Scheitel 5 Fuß. Das Weibchen iſt kleiner, dem Männchen
aber vollkommen gleich geſtaltet und gleich gefärbt. Der Leib des Guanaco iſt, wie der aller übrigen
Lamas, verhältnißmäßig kurz und gedrungen, in der Bruſt- und Schultergegend hoch und breit,
hinten aber ſchmal, und in den Weichen ſehr ſtark eingezogen. Der Hals iſt lang, dünn, ſchlank
und nach vorn gekrümmt; er wird aber aufrecht getragen. Der Kopf iſt lang und ſeitlich zuſam-
mengedrückt; die Schnauze iſt ſtumpf zugeſpitzt, die Oberlippe vorſpringend, tief geſpalten, ſchwach
behaart und ſehr beweglich; die länglichen, ſchmalen Naſenlöcher ſind verſchließbar; die Naſenkuppe
iſt behaart; die Ohren haben ungefähr die halbe Kopflänge, ſind von länglicher, eiförmiger Geſtalt,
ſchmal, beiderſeitig behaart und ſehr beweglich; die Augen ſind groß und lebhaft; ihr Stern iſt quer
geſtellt; an den Lidern, zumal an den unteren, ſitzen lange Wimpern. Die Beine ſind ſchlank und
hoch, die Füße länglich, die Zehen bis zur Mitte geſpalten und an ihren Spitzen von unvoll-
kommenen, kleinen, ſchmalen und zugeſpitzten, etwas nach abwärts gekrümmten Hufen umſchloſſen;
die Sohlen ſind groß und ſchwielig; in den Beuggelenken der Vorderfüße fehlen die Schwielen,
welche die anderen Arten, wie die Kamele, beſitzen. Der Schwanz iſt ſehr kurz, auf der oberen
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[402/0426] Die Lamas. — Der Guanaco. Wolle iſt vortrefflich und ſo gut, ja noch feiner, als die der Merinoſchafe. Jch weiß nicht, ob man Tuch aus ihr weben könnte; aber dasjenige Zeuch, welches für die Vornehmen dieſes Landes gewebt wird, iſt zum Verwundern ſchön. Das Fleiſch der Vicuñas und Guanacos iſt ſehr gut; es gleicht im Geſchmack dem Schaffleiſch. Jn der Stadt de la Paz habe ich geräuchertes Salzfleiſch von einem fetten Guanaco gegeſſen, welches mir ſo gut ſchmeckte, wie keines in meinem Leben. Endlich gibt es noch eine andere Art von zahmem Vieh, welches Paco heißt, aber ſehr garſtig und langwollig iſt; es hat auch die Geſtalt der Lamas oder Schafe, iſt aber kleiner. Die Lämmer gleichen ſehr den ſpaniſchen.‟ „Ohne dieſe Widder und Schafe wäre man nicht im Stande, die vielen Waaren von Potoſi, welcher einer der größten Handelsplätze iſt, hin und her zu ſchaffen.‟ Aus dieſen Angaben geht unzweifelhaft hervor, daß ſich binnen dreier Jahrhunderte die vier verſchiedenen Formen der Lamas nicht verändert haben: und Das ſpricht doch ſicherlich für ihre Art- verſchiedenheit. Nach unſeren neueren Erfahrungen dürfen wir nicht mehr großes Gewicht darauf legen, daß Thiere verſchiedener Art ſich fruchtbar mit einander vermiſchen, und ſomit ginge ein we- ſentlicher Haltepunkt für Diejenigen verloren, welche in unſeren Thieren nur zwei Arten und bezüg- lich zwei durch die Zähmung hervorgerufene Raſſen ſehen wollen. Alle Lamas ſind Bewohner der Hochebenen des gewaltigen Gebirges der Cordilleren. Sie be- finden ſich nur in den kalten Gegenden wohl und ſteigen deshalb blos im äußerſten Süden der Andeskette bis in die Pampas oder großen Ebenen Patagoniens herab. Jn der Nähe des Gleichers liegt ihr Aufenthaltsort in einer Höhe zwiſchen 13,000 bis 16,000 Fuß über dem Meere, und tiefer, als 8000 Fuß über dem Meere gedeihen ſie hier nicht, während ihnen dagegen das kalte Pata- gonien auch in geringeren Meereshöhen zuſagende Aufenthaltsorte bietet. Die wildlebenden ziehen ſich während der naſſen Jahreszeit auf die höchſten Kämme und Rücken der Gebirge zurück und ſteigen während der trockenen Zeit in die fruchtbaren Thäler herab. Sie leben in größeren oder kleineren Geſellſchaften, nicht ſelten in Rudeln von mehreren hundert Stück, und bilden Gegenſtände der eifrigſten Jagd. Aus Rückſicht auf die Forſcher, welche nur zwei Lamaarten annehmen, ſtelle ich den Gna- naco oder Huanaco (Auchenia Huanaco) oben an. Er iſt mit dem Lama das größte der ſüd- amerikaniſchen Landſäugethiere und, obgleich nur im freien Zuſtande vorkommend, eines der wich- tigſten von allen. Jn der Größe gleicht er etwa unſerem Edelhirſch; in der Geſtalt iſt er ein ſonderbares Mittelding zwiſchen Kamel und Schaf. Bei vollkommen erwachſenen Thieren beträgt die Geſammtlänge des Leibes 7¼ Fuß, die Länge des Schwanzes 9 Zoll, die Höhe am Widerriſt 3¼ Fuß, die Höhe vom Boden bis zum Scheitel 5 Fuß. Das Weibchen iſt kleiner, dem Männchen aber vollkommen gleich geſtaltet und gleich gefärbt. Der Leib des Guanaco iſt, wie der aller übrigen Lamas, verhältnißmäßig kurz und gedrungen, in der Bruſt- und Schultergegend hoch und breit, hinten aber ſchmal, und in den Weichen ſehr ſtark eingezogen. Der Hals iſt lang, dünn, ſchlank und nach vorn gekrümmt; er wird aber aufrecht getragen. Der Kopf iſt lang und ſeitlich zuſam- mengedrückt; die Schnauze iſt ſtumpf zugeſpitzt, die Oberlippe vorſpringend, tief geſpalten, ſchwach behaart und ſehr beweglich; die länglichen, ſchmalen Naſenlöcher ſind verſchließbar; die Naſenkuppe iſt behaart; die Ohren haben ungefähr die halbe Kopflänge, ſind von länglicher, eiförmiger Geſtalt, ſchmal, beiderſeitig behaart und ſehr beweglich; die Augen ſind groß und lebhaft; ihr Stern iſt quer geſtellt; an den Lidern, zumal an den unteren, ſitzen lange Wimpern. Die Beine ſind ſchlank und hoch, die Füße länglich, die Zehen bis zur Mitte geſpalten und an ihren Spitzen von unvoll- kommenen, kleinen, ſchmalen und zugeſpitzten, etwas nach abwärts gekrümmten Hufen umſchloſſen; die Sohlen ſind groß und ſchwielig; in den Beuggelenken der Vorderfüße fehlen die Schwielen, welche die anderen Arten, wie die Kamele, beſitzen. Der Schwanz iſt ſehr kurz, auf der oberen Seite ſtark behaart und auf der unteren Seite faſt gänzlich kahl; er wird aufgerichtet getragen. Das

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/426>, abgerufen am 23.11.2024.