verwandte Arten ersetzt. Es lebt in den dichten tropischen Wäldern, mehr im Gebirge, als in der Ebene, meist einzeln, nur während der Brunstzeit paarweise. Während des Tages liegt es zurück- gezogen, im dichtesten Gebüsch ruhend und wiederkäuend; mit Einbruch der Dämmerung geht es auf Aeßung aus und sucht allerlei Blätter, Kräuter und Beeren zur Nahrung; Wasser ist ihm un- entbehrlich.
Alle Bewegungen des Thierchens sind äußerst zierlich und leicht, dabei aber sehr lebhaft. Es versteht verhältnißmäßig große Sätze auszuführen und mit viel Geschick allerlei Schwierigkeiten im Wege zu überwinden. Aber die zarten Glieder versagen ihm bald den Dienst, und es würde leicht in die Gewalt seiner Feinde fallen, wenn es nicht noch ein Vertheidigungsmittel besäße, welches in einer eigenthümlichen List besteht. Gewöhnlich sucht es sich bei Verfolgungen im Gebüsch zu ver- stecken; sobald es aber sieht, daß es nicht weiter kann, legt es sich ruhig auf die Erde und stellt sich, wie das Opossum unter ähnlichen Umständen, ganz todt. Der böse Feind kommt heran und denkt mit einem Griff seine Beute aufzunehmen: aber siehe da, ehe er noch diese erreicht hat, macht unser Thierchen einen oder zwei Sprünge und eilt mit Blitzesschnelle davon. Die Eingeborenen behaupten nun fest, daß das männliche Thier auch noch in anderer Weise sich vor dem Angriff der Säugethiere zu schützen wisse. Es soll nämlich in die Höhe springen und sich mit seinen hervorragenden Eckzähnen an einen Ast anhängen. Leider erinnert diese Geschichte gar zu sehr an die alten Märchen, welche man früher über die Gemsen erzählte, als daß man ihr Glauben schenken dürfte. Raffles sagt übrigens, daß die Malayen einen recht durchtriebenen Betrüger nicht besser bezeichnen zu können glauben, als wenn sie ihn so "listig wie ein Kantschill" nennen.
Ueber die Fortpflanzung der Zwergmoschusthiere ist noch sehr wenig bekannt, und man kann eben blos annehmen, daß sie, wie die meisten anderen Wiederkäuer und die bekannteren Moschus- thiere, nur ein Junges werfen.
Jn der Neuzeit hat man dieses und andere Zwergmoschusthiere häufig nach Europa gebracht und hier längere Zeit in Gefangenschaft gehalten. Thierschaubudenbesitzer haben das eine oder das andere auch schon überall herumgeführt und zur Schau gestellt. Jch sah es vor fünf Jahren (1859) in Leipzig. Es hauste in einem unten dick mit Heu ausgepolsterten Käfig und schien sich sehr wohl zu befinden. Sein Aussehen ist höchst schmuck und nett; es hält sich außerordentlich reinlich und putzt und leckt sich beständig. Die großen, schönen Augen lassen ein geistig sehr hochbegabtes Thier in ihm vermuthen. Dies ist es jedoch nicht; denn es verräth anderweitig niemals die Spuren eines großen Verstandes. Es ist ruhig, still und langweilig. Der Tag theilt sich bei ihm in Fressen, Wiederkäuen und Schlafen. Nur ein einziges Mal vernahm ich seine zarte, leise Stimme, einen Ton, vergleichbar einem schwachen Blaselaute.
Der Zartheit und Zierlichkeit seiner Gestalt halber dürfte dieses reizende Geschöpf als Hausthier zu empfehlen sein; jedenfalls würde es eine große Zierde parkartiger Gärten bilden und dem Besitzer viel Freude machen.
Bisjetzt scheint man es noch an wenigen Orten seiner Lebensweise entsprechend behandelt zu haben, und deshalb hat man es meines Wissens auch nur ein einziges Mal zur Fortpflanzung ge- bracht. Mein Freund und Berufsgenosse Dr.Bodinus in Köln, hat die Güte gehabt, mir dieses Vorkommniß mitzutheilen, und gibt zugleich so beachtenswerthe Winke über die Behandlung der Thiere überhaupt, daß ich mit besonderem Vergnügen die betreffende Stelle seines Briefes hier mittheile.
"Um Thiere zur Fortpflanzung zu bringen, ist nicht allein ein angemessener Aufenthaltsort nöthig, sondern auch entsprechende Nahrungsmittel sind erforderlich. Dies macht sich selbst bei Thieren geltend, die, vollständig der Freiheit entwöhnt, in unmittelbarer Nähe des Menschen und mit ihm leben, wie z. B. beim gewöhnlichen Haushuhn. Dasselbe legt seine Eier unter allen Verhält- nissen in kleinere und größere Räume, nachdem der Hahn sich mit ihm begattet, und dennoch beobachten wir, daß ein großer Theil der im beengten Raume gelegten Eier trotz guter Fütterung unbefruchtet ist,
Die Zwergmoſchusthiere. — Der Kantſchill.
verwandte Arten erſetzt. Es lebt in den dichten tropiſchen Wäldern, mehr im Gebirge, als in der Ebene, meiſt einzeln, nur während der Brunſtzeit paarweiſe. Während des Tages liegt es zurück- gezogen, im dichteſten Gebüſch ruhend und wiederkäuend; mit Einbruch der Dämmerung geht es auf Aeßung aus und ſucht allerlei Blätter, Kräuter und Beeren zur Nahrung; Waſſer iſt ihm un- entbehrlich.
Alle Bewegungen des Thierchens ſind äußerſt zierlich und leicht, dabei aber ſehr lebhaft. Es verſteht verhältnißmäßig große Sätze auszuführen und mit viel Geſchick allerlei Schwierigkeiten im Wege zu überwinden. Aber die zarten Glieder verſagen ihm bald den Dienſt, und es würde leicht in die Gewalt ſeiner Feinde fallen, wenn es nicht noch ein Vertheidigungsmittel beſäße, welches in einer eigenthümlichen Liſt beſteht. Gewöhnlich ſucht es ſich bei Verfolgungen im Gebüſch zu ver- ſtecken; ſobald es aber ſieht, daß es nicht weiter kann, legt es ſich ruhig auf die Erde und ſtellt ſich, wie das Opoſſum unter ähnlichen Umſtänden, ganz todt. Der böſe Feind kommt heran und denkt mit einem Griff ſeine Beute aufzunehmen: aber ſiehe da, ehe er noch dieſe erreicht hat, macht unſer Thierchen einen oder zwei Sprünge und eilt mit Blitzesſchnelle davon. Die Eingeborenen behaupten nun feſt, daß das männliche Thier auch noch in anderer Weiſe ſich vor dem Angriff der Säugethiere zu ſchützen wiſſe. Es ſoll nämlich in die Höhe ſpringen und ſich mit ſeinen hervorragenden Eckzähnen an einen Aſt anhängen. Leider erinnert dieſe Geſchichte gar zu ſehr an die alten Märchen, welche man früher über die Gemſen erzählte, als daß man ihr Glauben ſchenken dürfte. Raffles ſagt übrigens, daß die Malayen einen recht durchtriebenen Betrüger nicht beſſer bezeichnen zu können glauben, als wenn ſie ihn ſo „liſtig wie ein Kantſchill‟ nennen.
Ueber die Fortpflanzung der Zwergmoſchusthiere iſt noch ſehr wenig bekannt, und man kann eben blos annehmen, daß ſie, wie die meiſten anderen Wiederkäuer und die bekannteren Moſchus- thiere, nur ein Junges werfen.
Jn der Neuzeit hat man dieſes und andere Zwergmoſchusthiere häufig nach Europa gebracht und hier längere Zeit in Gefangenſchaft gehalten. Thierſchaubudenbeſitzer haben das eine oder das andere auch ſchon überall herumgeführt und zur Schau geſtellt. Jch ſah es vor fünf Jahren (1859) in Leipzig. Es hauſte in einem unten dick mit Heu ausgepolſterten Käfig und ſchien ſich ſehr wohl zu befinden. Sein Ausſehen iſt höchſt ſchmuck und nett; es hält ſich außerordentlich reinlich und putzt und leckt ſich beſtändig. Die großen, ſchönen Augen laſſen ein geiſtig ſehr hochbegabtes Thier in ihm vermuthen. Dies iſt es jedoch nicht; denn es verräth anderweitig niemals die Spuren eines großen Verſtandes. Es iſt ruhig, ſtill und langweilig. Der Tag theilt ſich bei ihm in Freſſen, Wiederkäuen und Schlafen. Nur ein einziges Mal vernahm ich ſeine zarte, leiſe Stimme, einen Ton, vergleichbar einem ſchwachen Blaſelaute.
Der Zartheit und Zierlichkeit ſeiner Geſtalt halber dürfte dieſes reizende Geſchöpf als Hausthier zu empfehlen ſein; jedenfalls würde es eine große Zierde parkartiger Gärten bilden und dem Beſitzer viel Freude machen.
Bisjetzt ſcheint man es noch an wenigen Orten ſeiner Lebensweiſe entſprechend behandelt zu haben, und deshalb hat man es meines Wiſſens auch nur ein einziges Mal zur Fortpflanzung ge- bracht. Mein Freund und Berufsgenoſſe Dr.Bodinus in Köln, hat die Güte gehabt, mir dieſes Vorkommniß mitzutheilen, und gibt zugleich ſo beachtenswerthe Winke über die Behandlung der Thiere überhaupt, daß ich mit beſonderem Vergnügen die betreffende Stelle ſeines Briefes hier mittheile.
„Um Thiere zur Fortpflanzung zu bringen, iſt nicht allein ein angemeſſener Aufenthaltsort nöthig, ſondern auch entſprechende Nahrungsmittel ſind erforderlich. Dies macht ſich ſelbſt bei Thieren geltend, die, vollſtändig der Freiheit entwöhnt, in unmittelbarer Nähe des Menſchen und mit ihm leben, wie z. B. beim gewöhnlichen Haushuhn. Daſſelbe legt ſeine Eier unter allen Verhält- niſſen in kleinere und größere Räume, nachdem der Hahn ſich mit ihm begattet, und dennoch beobachten wir, daß ein großer Theil der im beengten Raume gelegten Eier trotz guter Fütterung unbefruchtet iſt,
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[420/0444]
Die Zwergmoſchusthiere. — Der Kantſchill.
verwandte Arten erſetzt. Es lebt in den dichten tropiſchen Wäldern, mehr im Gebirge, als in der
Ebene, meiſt einzeln, nur während der Brunſtzeit paarweiſe. Während des Tages liegt es zurück-
gezogen, im dichteſten Gebüſch ruhend und wiederkäuend; mit Einbruch der Dämmerung geht es
auf Aeßung aus und ſucht allerlei Blätter, Kräuter und Beeren zur Nahrung; Waſſer iſt ihm un-
entbehrlich.
Alle Bewegungen des Thierchens ſind äußerſt zierlich und leicht, dabei aber ſehr lebhaft. Es
verſteht verhältnißmäßig große Sätze auszuführen und mit viel Geſchick allerlei Schwierigkeiten im
Wege zu überwinden. Aber die zarten Glieder verſagen ihm bald den Dienſt, und es würde leicht
in die Gewalt ſeiner Feinde fallen, wenn es nicht noch ein Vertheidigungsmittel beſäße, welches in
einer eigenthümlichen Liſt beſteht. Gewöhnlich ſucht es ſich bei Verfolgungen im Gebüſch zu ver-
ſtecken; ſobald es aber ſieht, daß es nicht weiter kann, legt es ſich ruhig auf die Erde und ſtellt ſich,
wie das Opoſſum unter ähnlichen Umſtänden, ganz todt. Der böſe Feind kommt heran und denkt
mit einem Griff ſeine Beute aufzunehmen: aber ſiehe da, ehe er noch dieſe erreicht hat, macht unſer
Thierchen einen oder zwei Sprünge und eilt mit Blitzesſchnelle davon. Die Eingeborenen behaupten
nun feſt, daß das männliche Thier auch noch in anderer Weiſe ſich vor dem Angriff der Säugethiere
zu ſchützen wiſſe. Es ſoll nämlich in die Höhe ſpringen und ſich mit ſeinen hervorragenden Eckzähnen
an einen Aſt anhängen. Leider erinnert dieſe Geſchichte gar zu ſehr an die alten Märchen, welche
man früher über die Gemſen erzählte, als daß man ihr Glauben ſchenken dürfte. Raffles ſagt
übrigens, daß die Malayen einen recht durchtriebenen Betrüger nicht beſſer bezeichnen zu können
glauben, als wenn ſie ihn ſo „liſtig wie ein Kantſchill‟ nennen.
Ueber die Fortpflanzung der Zwergmoſchusthiere iſt noch ſehr wenig bekannt, und man kann
eben blos annehmen, daß ſie, wie die meiſten anderen Wiederkäuer und die bekannteren Moſchus-
thiere, nur ein Junges werfen.
Jn der Neuzeit hat man dieſes und andere Zwergmoſchusthiere häufig nach Europa gebracht
und hier längere Zeit in Gefangenſchaft gehalten. Thierſchaubudenbeſitzer haben das eine oder das
andere auch ſchon überall herumgeführt und zur Schau geſtellt. Jch ſah es vor fünf Jahren (1859)
in Leipzig. Es hauſte in einem unten dick mit Heu ausgepolſterten Käfig und ſchien ſich ſehr wohl zu
befinden. Sein Ausſehen iſt höchſt ſchmuck und nett; es hält ſich außerordentlich reinlich und putzt
und leckt ſich beſtändig. Die großen, ſchönen Augen laſſen ein geiſtig ſehr hochbegabtes Thier in
ihm vermuthen. Dies iſt es jedoch nicht; denn es verräth anderweitig niemals die Spuren eines
großen Verſtandes. Es iſt ruhig, ſtill und langweilig. Der Tag theilt ſich bei ihm in Freſſen,
Wiederkäuen und Schlafen. Nur ein einziges Mal vernahm ich ſeine zarte, leiſe Stimme, einen
Ton, vergleichbar einem ſchwachen Blaſelaute.
Der Zartheit und Zierlichkeit ſeiner Geſtalt halber dürfte dieſes reizende Geſchöpf als Hausthier
zu empfehlen ſein; jedenfalls würde es eine große Zierde parkartiger Gärten bilden und dem Beſitzer
viel Freude machen.
Bisjetzt ſcheint man es noch an wenigen Orten ſeiner Lebensweiſe entſprechend behandelt zu
haben, und deshalb hat man es meines Wiſſens auch nur ein einziges Mal zur Fortpflanzung ge-
bracht. Mein Freund und Berufsgenoſſe Dr. Bodinus in Köln, hat die Güte gehabt, mir
dieſes Vorkommniß mitzutheilen, und gibt zugleich ſo beachtenswerthe Winke über die Behandlung
der Thiere überhaupt, daß ich mit beſonderem Vergnügen die betreffende Stelle ſeines Briefes hier
mittheile.
„Um Thiere zur Fortpflanzung zu bringen, iſt nicht allein ein angemeſſener Aufenthaltsort
nöthig, ſondern auch entſprechende Nahrungsmittel ſind erforderlich. Dies macht ſich ſelbſt bei
Thieren geltend, die, vollſtändig der Freiheit entwöhnt, in unmittelbarer Nähe des Menſchen und
mit ihm leben, wie z. B. beim gewöhnlichen Haushuhn. Daſſelbe legt ſeine Eier unter allen Verhält-
niſſen in kleinere und größere Räume, nachdem der Hahn ſich mit ihm begattet, und dennoch beobachten
wir, daß ein großer Theil der im beengten Raume gelegten Eier trotz guter Fütterung unbefruchtet iſt,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/444>, abgerufen am 23.11.2024.
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