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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Kantschill. -- Die Hirsche.
während die Eier von frei umherlaufenden Hühnern fast ohne Ausnahme kleine Hühnchen liefern.
Es ist nach meinen Beobachtungen nicht der Mangel an Bewegung schuld an der theilweisen Un-
fruchtbarkeit, sondern die Entbehrung der geeigneten Nahrungsmittel, namentlich der Würmer, und
es ist daher nöthig, wo diese fehlen, ein Ersatzmittel zu reichen, wie rohes Fleisch und Larven der
Schweißfliegen. Wie bei den Hühnern, so ist es mit fast allen Thieren. Nirgends fast sah ich die
Schellente; wo ich sie sah, kümmerten diese Thiere; in unserem Garten sind dieselben nicht allein
frisch und munter, wie in der Freiheit, sondern sie haben sich sogar begattet." --

"Durch die Güte eines Mitgliedes des Verwaltungsrathes erhielten wir ein Paar Zwerg-
moschusthiere. Trotz sorgfältiger Pflege, trotz frischen Grases, Klee, Brod, Milch und Hafer
zeigten sich diese ohnehin sehr schwermüthigen Thiere keineswegs in einem befriedigenden, von
Wohlbehagen zeugenden Zustande. Sie saßen still da, und die Haare zeigten sich etwas rauh und
gesträubt, so daß ich beschloß, denselben, welche in der Heimat sich wesentlich von Beeren nähren,
Ebereschen zu reichen. Mit wahrer Begierde fielen die kleinen zierlichen Thiere darüber her; sie ver-
tilgten täglich eine große Menge davon, und bald blieben die guten Folgen reger Eßlust und zusa-
gender Speise nicht aus. Das große Auge wurde feuriger, das Haar glatter und glänzender, die
Seiten runder, und ich hatte die Ueberzeugung, daß sich dies kleine zärtliche Thier bei Ueberreichung
von Ebereschen, Milch mit Weißbrod und etwas Grünem recht gut halten würde."

"Zeugt der Fortpflanzungstrieb der Thiere von guter und zweckmäßiger Behandlung, so war
jeglicher Zweifel an letzterer beseitigt, als nach geraumer Zeit das Weibchen sich sehr umfangreich
zeigte und bald ein Junges gebar, leider aber ein todtes. Meine Hoffnung, später lebende
Junge zu erhalten, wurde jedoch auf eine traurige Weise zerstört. Eines Tages lag das Weibchen
todt in seinem kleinen Zwinger; unaufgeklärt ist es geblieben, ob mehrere ihm beigebrachte Brust-
wunden von den spitzen Zähnen des Männchens oder von böswilligen Besuchern des Gartens, wie
sie leider zur Schande für die Menschheit vorkommen, herrührten."

Die Javanesen, welche das Thierchen Poetjang nennen, sollen ihm eifrig nachstellen und sein
weiches, aber süßliches Fleisch gern essen. Auch faßt man die zarten Füßchen hier und da in Gold
und Silber ein, und benutzt sie dann zum Stopfen der Tabakspfeifen.



Keine einzige Gruppe der ganzen Ordnung läßt sich leichter kennzeichnen, als die Familie der
Hirsche (Cervi). Sie sind geweihtragende Wiederkäuer. Mit diesen Worten sind
sie eigentlich beschrieben; denn alles Uebrige erscheint dieser Eigenthümlichkeit gegenüber als neben-
sächlich. Von den Moschusthieren unterscheiden sich die Hirsche durch bedeutendere Größe, durch
den Besitz von Thränengruben, durch die nur sehr kurzen Eckzähne bei den Männchen mancher
Arten und durch eine Haarbürste an den Hinterfüßen. Jhr Leibesbau ist schlank und zierlich; der
Leib ist wohlgeformt und gestreckt; die Beine sind hoch und fein gebaut; die Füße haben sehr ent-
wickelte Afterklauen und schmale, spitze Hufen; der Hals ist stark und kräftig; der Kopf nach der
Schnauzenspitze zu stark verschmälert. Große, lebhafte Augen, aufrechtstehende, schmale, mittel-
lange und bewegliche Ohren und vor Allem die Geweihe zieren ihn.

Die Geweihe kommen meist nur den Männchen zu. Sie sind, wie angegeben, paarige,
knöcherne, verästelte Fortsetzungen der Stirnbeine und werden alljährlich abgeworfen und aufs
neue erzeugt. Jhre Bildung und die Absterbung steht im innigen Zusammenhang mit der Ge-
schlechtsthätigkeit. Berschnittene Hirsche bleiben sich hinsichtlich des Geweihes immer gleich, d. h.
sie behalten es, wenn die Verschneidung während der Zeit erfolgte, wo sie das Geweih trugen,
oder sie bekommen es niemals wieder, wenn sie verschnitten wurden, als sie das Geweih eben
abgeworfen hatten; ja, einseitig Verschnittene setzen blos an der unversehrten Seite noch auf.

Der Kantſchill. — Die Hirſche.
während die Eier von frei umherlaufenden Hühnern faſt ohne Ausnahme kleine Hühnchen liefern.
Es iſt nach meinen Beobachtungen nicht der Mangel an Bewegung ſchuld an der theilweiſen Un-
fruchtbarkeit, ſondern die Entbehrung der geeigneten Nahrungsmittel, namentlich der Würmer, und
es iſt daher nöthig, wo dieſe fehlen, ein Erſatzmittel zu reichen, wie rohes Fleiſch und Larven der
Schweißfliegen. Wie bei den Hühnern, ſo iſt es mit faſt allen Thieren. Nirgends faſt ſah ich die
Schellente; wo ich ſie ſah, kümmerten dieſe Thiere; in unſerem Garten ſind dieſelben nicht allein
friſch und munter, wie in der Freiheit, ſondern ſie haben ſich ſogar begattet.‟ —

„Durch die Güte eines Mitgliedes des Verwaltungsrathes erhielten wir ein Paar Zwerg-
moſchusthiere. Trotz ſorgfältiger Pflege, trotz friſchen Graſes, Klee, Brod, Milch und Hafer
zeigten ſich dieſe ohnehin ſehr ſchwermüthigen Thiere keineswegs in einem befriedigenden, von
Wohlbehagen zeugenden Zuſtande. Sie ſaßen ſtill da, und die Haare zeigten ſich etwas rauh und
geſträubt, ſo daß ich beſchloß, denſelben, welche in der Heimat ſich weſentlich von Beeren nähren,
Ebereſchen zu reichen. Mit wahrer Begierde fielen die kleinen zierlichen Thiere darüber her; ſie ver-
tilgten täglich eine große Menge davon, und bald blieben die guten Folgen reger Eßluſt und zuſa-
gender Speiſe nicht aus. Das große Auge wurde feuriger, das Haar glatter und glänzender, die
Seiten runder, und ich hatte die Ueberzeugung, daß ſich dies kleine zärtliche Thier bei Ueberreichung
von Ebereſchen, Milch mit Weißbrod und etwas Grünem recht gut halten würde.‟

„Zeugt der Fortpflanzungstrieb der Thiere von guter und zweckmäßiger Behandlung, ſo war
jeglicher Zweifel an letzterer beſeitigt, als nach geraumer Zeit das Weibchen ſich ſehr umfangreich
zeigte und bald ein Junges gebar, leider aber ein todtes. Meine Hoffnung, ſpäter lebende
Junge zu erhalten, wurde jedoch auf eine traurige Weiſe zerſtört. Eines Tages lag das Weibchen
todt in ſeinem kleinen Zwinger; unaufgeklärt iſt es geblieben, ob mehrere ihm beigebrachte Bruſt-
wunden von den ſpitzen Zähnen des Männchens oder von böswilligen Beſuchern des Gartens, wie
ſie leider zur Schande für die Menſchheit vorkommen, herrührten.‟

Die Javaneſen, welche das Thierchen Poetjang nennen, ſollen ihm eifrig nachſtellen und ſein
weiches, aber ſüßliches Fleiſch gern eſſen. Auch faßt man die zarten Füßchen hier und da in Gold
und Silber ein, und benutzt ſie dann zum Stopfen der Tabakspfeifen.



Keine einzige Gruppe der ganzen Ordnung läßt ſich leichter kennzeichnen, als die Familie der
Hirſche (Cervi). Sie ſind geweihtragende Wiederkäuer. Mit dieſen Worten ſind
ſie eigentlich beſchrieben; denn alles Uebrige erſcheint dieſer Eigenthümlichkeit gegenüber als neben-
ſächlich. Von den Moſchusthieren unterſcheiden ſich die Hirſche durch bedeutendere Größe, durch
den Beſitz von Thränengruben, durch die nur ſehr kurzen Eckzähne bei den Männchen mancher
Arten und durch eine Haarbürſte an den Hinterfüßen. Jhr Leibesbau iſt ſchlank und zierlich; der
Leib iſt wohlgeformt und geſtreckt; die Beine ſind hoch und fein gebaut; die Füße haben ſehr ent-
wickelte Afterklauen und ſchmale, ſpitze Hufen; der Hals iſt ſtark und kräftig; der Kopf nach der
Schnauzenſpitze zu ſtark verſchmälert. Große, lebhafte Augen, aufrechtſtehende, ſchmale, mittel-
lange und bewegliche Ohren und vor Allem die Geweihe zieren ihn.

Die Geweihe kommen meiſt nur den Männchen zu. Sie ſind, wie angegeben, paarige,
knöcherne, veräſtelte Fortſetzungen der Stirnbeine und werden alljährlich abgeworfen und aufs
neue erzeugt. Jhre Bildung und die Abſterbung ſteht im innigen Zuſammenhang mit der Ge-
ſchlechtsthätigkeit. Berſchnittene Hirſche bleiben ſich hinſichtlich des Geweihes immer gleich, d. h.
ſie behalten es, wenn die Verſchneidung während der Zeit erfolgte, wo ſie das Geweih trugen,
oder ſie bekommen es niemals wieder, wenn ſie verſchnitten wurden, als ſie das Geweih eben
abgeworfen hatten; ja, einſeitig Verſchnittene ſetzen blos an der unverſehrten Seite noch auf.

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[421/0445] Der Kantſchill. — Die Hirſche. während die Eier von frei umherlaufenden Hühnern faſt ohne Ausnahme kleine Hühnchen liefern. Es iſt nach meinen Beobachtungen nicht der Mangel an Bewegung ſchuld an der theilweiſen Un- fruchtbarkeit, ſondern die Entbehrung der geeigneten Nahrungsmittel, namentlich der Würmer, und es iſt daher nöthig, wo dieſe fehlen, ein Erſatzmittel zu reichen, wie rohes Fleiſch und Larven der Schweißfliegen. Wie bei den Hühnern, ſo iſt es mit faſt allen Thieren. Nirgends faſt ſah ich die Schellente; wo ich ſie ſah, kümmerten dieſe Thiere; in unſerem Garten ſind dieſelben nicht allein friſch und munter, wie in der Freiheit, ſondern ſie haben ſich ſogar begattet.‟ — „Durch die Güte eines Mitgliedes des Verwaltungsrathes erhielten wir ein Paar Zwerg- moſchusthiere. Trotz ſorgfältiger Pflege, trotz friſchen Graſes, Klee, Brod, Milch und Hafer zeigten ſich dieſe ohnehin ſehr ſchwermüthigen Thiere keineswegs in einem befriedigenden, von Wohlbehagen zeugenden Zuſtande. Sie ſaßen ſtill da, und die Haare zeigten ſich etwas rauh und geſträubt, ſo daß ich beſchloß, denſelben, welche in der Heimat ſich weſentlich von Beeren nähren, Ebereſchen zu reichen. Mit wahrer Begierde fielen die kleinen zierlichen Thiere darüber her; ſie ver- tilgten täglich eine große Menge davon, und bald blieben die guten Folgen reger Eßluſt und zuſa- gender Speiſe nicht aus. Das große Auge wurde feuriger, das Haar glatter und glänzender, die Seiten runder, und ich hatte die Ueberzeugung, daß ſich dies kleine zärtliche Thier bei Ueberreichung von Ebereſchen, Milch mit Weißbrod und etwas Grünem recht gut halten würde.‟ „Zeugt der Fortpflanzungstrieb der Thiere von guter und zweckmäßiger Behandlung, ſo war jeglicher Zweifel an letzterer beſeitigt, als nach geraumer Zeit das Weibchen ſich ſehr umfangreich zeigte und bald ein Junges gebar, leider aber ein todtes. Meine Hoffnung, ſpäter lebende Junge zu erhalten, wurde jedoch auf eine traurige Weiſe zerſtört. Eines Tages lag das Weibchen todt in ſeinem kleinen Zwinger; unaufgeklärt iſt es geblieben, ob mehrere ihm beigebrachte Bruſt- wunden von den ſpitzen Zähnen des Männchens oder von böswilligen Beſuchern des Gartens, wie ſie leider zur Schande für die Menſchheit vorkommen, herrührten.‟ Die Javaneſen, welche das Thierchen Poetjang nennen, ſollen ihm eifrig nachſtellen und ſein weiches, aber ſüßliches Fleiſch gern eſſen. Auch faßt man die zarten Füßchen hier und da in Gold und Silber ein, und benutzt ſie dann zum Stopfen der Tabakspfeifen. Keine einzige Gruppe der ganzen Ordnung läßt ſich leichter kennzeichnen, als die Familie der Hirſche (Cervi). Sie ſind geweihtragende Wiederkäuer. Mit dieſen Worten ſind ſie eigentlich beſchrieben; denn alles Uebrige erſcheint dieſer Eigenthümlichkeit gegenüber als neben- ſächlich. Von den Moſchusthieren unterſcheiden ſich die Hirſche durch bedeutendere Größe, durch den Beſitz von Thränengruben, durch die nur ſehr kurzen Eckzähne bei den Männchen mancher Arten und durch eine Haarbürſte an den Hinterfüßen. Jhr Leibesbau iſt ſchlank und zierlich; der Leib iſt wohlgeformt und geſtreckt; die Beine ſind hoch und fein gebaut; die Füße haben ſehr ent- wickelte Afterklauen und ſchmale, ſpitze Hufen; der Hals iſt ſtark und kräftig; der Kopf nach der Schnauzenſpitze zu ſtark verſchmälert. Große, lebhafte Augen, aufrechtſtehende, ſchmale, mittel- lange und bewegliche Ohren und vor Allem die Geweihe zieren ihn. Die Geweihe kommen meiſt nur den Männchen zu. Sie ſind, wie angegeben, paarige, knöcherne, veräſtelte Fortſetzungen der Stirnbeine und werden alljährlich abgeworfen und aufs neue erzeugt. Jhre Bildung und die Abſterbung ſteht im innigen Zuſammenhang mit der Ge- ſchlechtsthätigkeit. Berſchnittene Hirſche bleiben ſich hinſichtlich des Geweihes immer gleich, d. h. ſie behalten es, wenn die Verſchneidung während der Zeit erfolgte, wo ſie das Geweih trugen, oder ſie bekommen es niemals wieder, wenn ſie verſchnitten wurden, als ſie das Geweih eben abgeworfen hatten; ja, einſeitig Verſchnittene ſetzen blos an der unverſehrten Seite noch auf.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/445>, abgerufen am 23.11.2024.