wurde ausgeführt und -- unser Elch fraß von Stund an ohne Widerstreben, ja, ohne Auswahl das ihm vorgeworfene Futter; er hat sich seitdem in jeder Hinsicht gebessert und befindet sich dermalen so wohl, als sich ein derartiges Thier überhaupt in der Gefangenschaft befinden kann.
Ein großer Uebelstand für das Halten in der Gefangenschaft ist, wie ich mich sattsam überzeugte, die Unfähigkeit des Elch, sich von Pflanzen zu äßen, welche auf dem Boden wachsen. Seine lange, schlotterige Oberlippe verwehrt ihm, Gräser aufzunehmen und weist ihn ausschließlich auf Baumzweige an. Niemals habe ich gesehen, daß er auch nur ein Hälmchen Gras abgebissen hätte; es wird ihm schon schwer, das auf den Boden geworfene, abgeschnittene Futter zu sich zu nehmen, und deshalb muß ihm seine Nahrung in einer ziemlich hoch an der Wand angenagelten Krippe vorgeworfen werden.
Von den anderen Hirschen unterscheidet sich der Elch in seinem Betragen ebensosehr, wie in sei- nem Aussehen. Man darf es Niemand verdenken, wenn er das Thier als sehr häßlich erklärt; wir wollen nicht einmal den Berlinern zürnen, welche ihn als einen Esel ansahen: denn wirklich hat der über alles Maß verlängerte, plump gebaute, langöhrige Kopf manche Aehnlichkeit mit dem des gedach- ten Thieres, nur daß er noch häßlicher ist. Der Elch macht ganz den Eindruck eines vorweltlichen Wesens, und dieser Eindruck wird verstärkt durch das Betragen. Jm Vergleich zu anderen Hirschen ist er träge und schwerfällig, geistig wie leiblich. Er bekundet wenige von den liebenswürdigen Eigen- schaften der Hirsche, dagegen alle Unarten derselben. Mit seinem Wärter befreundet er sich; doch ist ihm niemals ganz zu trauen. Er hört auf einen ihm beigelegten Namen, kommt auf den Ruf her- bei, läßt sich streicheln, putzen, mit einem Halfter belegen und in den Stall ziehen, aber nur so- lange, als er ihm eben behagt. Gegen denselben Mann, welchem er ruhig nachfolgte und aus des- sen Hand er Futter nahm, zeigt er sich plötzlich störrisch, legt, wie der stutzige Esel oder das Lama, das Gehör nach hinten, beugt den Kopf hernieder, schielt mit den Lichtern nach oben und schlägt dann plötzlich mit dem einen Vorderlaufe in gefährlicher Weise, weil er sehr hoch reicht und den Kopf eines Menschen noch bequem treffen kann. Der erste Wärter unseres Gefangenen kam mehrmals in augenscheinliche Gefahr, weil er es nicht sogut verstand, wie der zweite, den verschiedenen Launen des Thieres zu begegnen.
Gegen andere Thiere zeigt sich der Elch sehr gleichgiltig. Der unserige beachtet Hunde, welche die übrigen Hirsche in große Aufregung versetzen, nicht im geringsten, bekümmert sich aber auch um die Hirsche, welche in oder neben seinem Raume eingestellt sind, nur wenig. Mit Renthieren ver- trägt er sich vortrefflich, vielleicht weil ihm deren ruhiges Wesen zusagt. Die flinken und leben- digen Hirscharten scheinen ihm verhaßt zu sein; er versucht, auch sie zu schlagen und duldet sie, ohne feindliche Versuche zu machen, erst dann, wenn er sich von der Nutzlosigkeit seiner Anstren- gungen überzeugt hat.
Die Umhegung, in welcher man einen Elch hält, muß hoch sein; denn ungeachtet der Plumpheit aller seiner Bewegungen setzt er ohne Beschwerde über eine Wand von sechs Fuß hinweg; dazu nimmt er nicht einmal einen Anlauf. Er geht ruhig bis an die betreffende Umzäunung, stellt sich plötzlich auf die Hinterläufe, hebt die vorderen zusammengebogen über das Gitter weg und wirft sich nun gemäch- lich nach vorn, die langen Hinterläufe nach sich ziehend. Der unserige verließ wiederholt seinen Pferch, um im benachbarten Gebüsch des Gartens zu weiden. Es würde ihm leicht gewesen sein, auch die Umhegung des Gartens selbst zu überspringen; daran gedachte er jedoch nie. Gewöhnlich legte er sich ruhig außerhalb seines Gitters nieder und duldete ohne Widerstreben, daß ihm der Wärter einen Halfter umlegte, um ihn wieder zurückzuführen.
Der Gewinn, welchen der Mensch von dem erlegten Elenthier zieht, ist beträchtlich. Fleisch, Fell und Geweihe werden ebenso wie beim Hirsch verwendet. Das Fleisch ist zäher, als das des Edelwildes, das Fell aber fester und besser. Bei den nördlichen Völkern gelten noch die knorpeligen Stangen, die Ohren und die Zunge für Leckerbissen. Die Lappländer und Sibirier spalten die Sehnen und verwenden sie wie die der Renthiere. Besonders werden die Knochen gerühmt; sie sind
Die Hirſche. — Der Elch oder das Elen.
wurde ausgeführt und — unſer Elch fraß von Stund an ohne Widerſtreben, ja, ohne Auswahl das ihm vorgeworfene Futter; er hat ſich ſeitdem in jeder Hinſicht gebeſſert und befindet ſich dermalen ſo wohl, als ſich ein derartiges Thier überhaupt in der Gefangenſchaft befinden kann.
Ein großer Uebelſtand für das Halten in der Gefangenſchaft iſt, wie ich mich ſattſam überzeugte, die Unfähigkeit des Elch, ſich von Pflanzen zu äßen, welche auf dem Boden wachſen. Seine lange, ſchlotterige Oberlippe verwehrt ihm, Gräſer aufzunehmen und weiſt ihn ausſchließlich auf Baumzweige an. Niemals habe ich geſehen, daß er auch nur ein Hälmchen Gras abgebiſſen hätte; es wird ihm ſchon ſchwer, das auf den Boden geworfene, abgeſchnittene Futter zu ſich zu nehmen, und deshalb muß ihm ſeine Nahrung in einer ziemlich hoch an der Wand angenagelten Krippe vorgeworfen werden.
Von den anderen Hirſchen unterſcheidet ſich der Elch in ſeinem Betragen ebenſoſehr, wie in ſei- nem Ausſehen. Man darf es Niemand verdenken, wenn er das Thier als ſehr häßlich erklärt; wir wollen nicht einmal den Berlinern zürnen, welche ihn als einen Eſel anſahen: denn wirklich hat der über alles Maß verlängerte, plump gebaute, langöhrige Kopf manche Aehnlichkeit mit dem des gedach- ten Thieres, nur daß er noch häßlicher iſt. Der Elch macht ganz den Eindruck eines vorweltlichen Weſens, und dieſer Eindruck wird verſtärkt durch das Betragen. Jm Vergleich zu anderen Hirſchen iſt er träge und ſchwerfällig, geiſtig wie leiblich. Er bekundet wenige von den liebenswürdigen Eigen- ſchaften der Hirſche, dagegen alle Unarten derſelben. Mit ſeinem Wärter befreundet er ſich; doch iſt ihm niemals ganz zu trauen. Er hört auf einen ihm beigelegten Namen, kommt auf den Ruf her- bei, läßt ſich ſtreicheln, putzen, mit einem Halfter belegen und in den Stall ziehen, aber nur ſo- lange, als er ihm eben behagt. Gegen denſelben Mann, welchem er ruhig nachfolgte und aus deſ- ſen Hand er Futter nahm, zeigt er ſich plötzlich ſtörriſch, legt, wie der ſtutzige Eſel oder das Lama, das Gehör nach hinten, beugt den Kopf hernieder, ſchielt mit den Lichtern nach oben und ſchlägt dann plötzlich mit dem einen Vorderlaufe in gefährlicher Weiſe, weil er ſehr hoch reicht und den Kopf eines Menſchen noch bequem treffen kann. Der erſte Wärter unſeres Gefangenen kam mehrmals in augenſcheinliche Gefahr, weil er es nicht ſogut verſtand, wie der zweite, den verſchiedenen Launen des Thieres zu begegnen.
Gegen andere Thiere zeigt ſich der Elch ſehr gleichgiltig. Der unſerige beachtet Hunde, welche die übrigen Hirſche in große Aufregung verſetzen, nicht im geringſten, bekümmert ſich aber auch um die Hirſche, welche in oder neben ſeinem Raume eingeſtellt ſind, nur wenig. Mit Renthieren ver- trägt er ſich vortrefflich, vielleicht weil ihm deren ruhiges Weſen zuſagt. Die flinken und leben- digen Hirſcharten ſcheinen ihm verhaßt zu ſein; er verſucht, auch ſie zu ſchlagen und duldet ſie, ohne feindliche Verſuche zu machen, erſt dann, wenn er ſich von der Nutzloſigkeit ſeiner Anſtren- gungen überzeugt hat.
Die Umhegung, in welcher man einen Elch hält, muß hoch ſein; denn ungeachtet der Plumpheit aller ſeiner Bewegungen ſetzt er ohne Beſchwerde über eine Wand von ſechs Fuß hinweg; dazu nimmt er nicht einmal einen Anlauf. Er geht ruhig bis an die betreffende Umzäunung, ſtellt ſich plötzlich auf die Hinterläufe, hebt die vorderen zuſammengebogen über das Gitter weg und wirft ſich nun gemäch- lich nach vorn, die langen Hinterläufe nach ſich ziehend. Der unſerige verließ wiederholt ſeinen Pferch, um im benachbarten Gebüſch des Gartens zu weiden. Es würde ihm leicht geweſen ſein, auch die Umhegung des Gartens ſelbſt zu überſpringen; daran gedachte er jedoch nie. Gewöhnlich legte er ſich ruhig außerhalb ſeines Gitters nieder und duldete ohne Widerſtreben, daß ihm der Wärter einen Halfter umlegte, um ihn wieder zurückzuführen.
Der Gewinn, welchen der Menſch von dem erlegten Elenthier zieht, iſt beträchtlich. Fleiſch, Fell und Geweihe werden ebenſo wie beim Hirſch verwendet. Das Fleiſch iſt zäher, als das des Edelwildes, das Fell aber feſter und beſſer. Bei den nördlichen Völkern gelten noch die knorpeligen Stangen, die Ohren und die Zunge für Leckerbiſſen. Die Lappländer und Sibirier ſpalten die Sehnen und verwenden ſie wie die der Renthiere. Beſonders werden die Knochen gerühmt; ſie ſind
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[430/0456]
Die Hirſche. — Der Elch oder das Elen.
wurde ausgeführt und — unſer Elch fraß von Stund an ohne Widerſtreben, ja, ohne Auswahl
das ihm vorgeworfene Futter; er hat ſich ſeitdem in jeder Hinſicht gebeſſert und befindet ſich dermalen
ſo wohl, als ſich ein derartiges Thier überhaupt in der Gefangenſchaft befinden kann.
Ein großer Uebelſtand für das Halten in der Gefangenſchaft iſt, wie ich mich ſattſam überzeugte,
die Unfähigkeit des Elch, ſich von Pflanzen zu äßen, welche auf dem Boden wachſen. Seine lange,
ſchlotterige Oberlippe verwehrt ihm, Gräſer aufzunehmen und weiſt ihn ausſchließlich auf Baumzweige
an. Niemals habe ich geſehen, daß er auch nur ein Hälmchen Gras abgebiſſen hätte; es wird ihm
ſchon ſchwer, das auf den Boden geworfene, abgeſchnittene Futter zu ſich zu nehmen, und deshalb
muß ihm ſeine Nahrung in einer ziemlich hoch an der Wand angenagelten Krippe vorgeworfen
werden.
Von den anderen Hirſchen unterſcheidet ſich der Elch in ſeinem Betragen ebenſoſehr, wie in ſei-
nem Ausſehen. Man darf es Niemand verdenken, wenn er das Thier als ſehr häßlich erklärt; wir
wollen nicht einmal den Berlinern zürnen, welche ihn als einen Eſel anſahen: denn wirklich hat der
über alles Maß verlängerte, plump gebaute, langöhrige Kopf manche Aehnlichkeit mit dem des gedach-
ten Thieres, nur daß er noch häßlicher iſt. Der Elch macht ganz den Eindruck eines vorweltlichen
Weſens, und dieſer Eindruck wird verſtärkt durch das Betragen. Jm Vergleich zu anderen Hirſchen iſt
er träge und ſchwerfällig, geiſtig wie leiblich. Er bekundet wenige von den liebenswürdigen Eigen-
ſchaften der Hirſche, dagegen alle Unarten derſelben. Mit ſeinem Wärter befreundet er ſich; doch iſt
ihm niemals ganz zu trauen. Er hört auf einen ihm beigelegten Namen, kommt auf den Ruf her-
bei, läßt ſich ſtreicheln, putzen, mit einem Halfter belegen und in den Stall ziehen, aber nur ſo-
lange, als er ihm eben behagt. Gegen denſelben Mann, welchem er ruhig nachfolgte und aus deſ-
ſen Hand er Futter nahm, zeigt er ſich plötzlich ſtörriſch, legt, wie der ſtutzige Eſel oder das Lama,
das Gehör nach hinten, beugt den Kopf hernieder, ſchielt mit den Lichtern nach oben und ſchlägt
dann plötzlich mit dem einen Vorderlaufe in gefährlicher Weiſe, weil er ſehr hoch reicht und den Kopf
eines Menſchen noch bequem treffen kann. Der erſte Wärter unſeres Gefangenen kam mehrmals in
augenſcheinliche Gefahr, weil er es nicht ſogut verſtand, wie der zweite, den verſchiedenen Launen
des Thieres zu begegnen.
Gegen andere Thiere zeigt ſich der Elch ſehr gleichgiltig. Der unſerige beachtet Hunde, welche
die übrigen Hirſche in große Aufregung verſetzen, nicht im geringſten, bekümmert ſich aber auch um
die Hirſche, welche in oder neben ſeinem Raume eingeſtellt ſind, nur wenig. Mit Renthieren ver-
trägt er ſich vortrefflich, vielleicht weil ihm deren ruhiges Weſen zuſagt. Die flinken und leben-
digen Hirſcharten ſcheinen ihm verhaßt zu ſein; er verſucht, auch ſie zu ſchlagen und duldet ſie,
ohne feindliche Verſuche zu machen, erſt dann, wenn er ſich von der Nutzloſigkeit ſeiner Anſtren-
gungen überzeugt hat.
Die Umhegung, in welcher man einen Elch hält, muß hoch ſein; denn ungeachtet der Plumpheit
aller ſeiner Bewegungen ſetzt er ohne Beſchwerde über eine Wand von ſechs Fuß hinweg; dazu nimmt
er nicht einmal einen Anlauf. Er geht ruhig bis an die betreffende Umzäunung, ſtellt ſich plötzlich auf
die Hinterläufe, hebt die vorderen zuſammengebogen über das Gitter weg und wirft ſich nun gemäch-
lich nach vorn, die langen Hinterläufe nach ſich ziehend. Der unſerige verließ wiederholt ſeinen
Pferch, um im benachbarten Gebüſch des Gartens zu weiden. Es würde ihm leicht geweſen ſein,
auch die Umhegung des Gartens ſelbſt zu überſpringen; daran gedachte er jedoch nie. Gewöhnlich
legte er ſich ruhig außerhalb ſeines Gitters nieder und duldete ohne Widerſtreben, daß ihm der
Wärter einen Halfter umlegte, um ihn wieder zurückzuführen.
Der Gewinn, welchen der Menſch von dem erlegten Elenthier zieht, iſt beträchtlich. Fleiſch,
Fell und Geweihe werden ebenſo wie beim Hirſch verwendet. Das Fleiſch iſt zäher, als das des
Edelwildes, das Fell aber feſter und beſſer. Bei den nördlichen Völkern gelten noch die knorpeligen
Stangen, die Ohren und die Zunge für Leckerbiſſen. Die Lappländer und Sibirier ſpalten die
Sehnen und verwenden ſie wie die der Renthiere. Beſonders werden die Knochen gerühmt; ſie ſind
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/456>, abgerufen am 23.11.2024.
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