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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Hirsche. -- Der Aris. Der Sambur.
verbreitung auch nur ein Hinderniß im Wege: die Unregelmäßigkeit in der Zeit ihrer Fortpflanzung.
Die meisten Hirsche dieser Art haben sich, wenn man so sagen darf, allerdings an unser Klima ge-
wöhnt; sie werfen ihr Geweih rechtzeitig ab und treten zur günstigsten Jahreszeit auf die Brunst, die
hochbeschlagenen Thiere setzen dann auch im Frühjahr und ihre Kälber gedeihen dann vortrefflich: aber
einzelne Arishirsche setzen noch immer ihr Kalb mitten im Winter und machen ein erwünschtes Ge-
deihen des eingebürgerten Stammes sehr fraglich, wo nicht unmöglich; denn selbstverständlich gehen
die meisten von den im Winter geborenen Kälbern in Folge der Witterungseinflüsse sowohl, als auch
wegen Mangel an geeigneter Nahrung für die Mutter, erbärmlich zu Grunde. Wäre Dies nicht der
Fall, so würden wir wahrscheinlich jetzt schon alle größeren Parks mit diesem schmucken Wild bevöl-
kert sehen; denn im übrigen gibt es nur wenige Hirsche, welche so geeignet sind wie der Aris, ein
umschlossenes Geheg zu beleben. Die Bewegungen des Thieres sind allerdings weder so zierlich noch
so schnell und ausdauernd, wie die anderer Hirsche von der gleichen Größe; sie sind aber immerhin
anmuthig genug, um ein Jägerauge zu erfreuen, und andere Menschen fesselt das schön gefärbte
Wild ohnehin. Ueber das Betragen des Aris wüßte ich Nichts zu sagen, was als ihm eigenthümlich
bezeichnet werden könnte; nach meinem Dafürhalten kommt er hierin am meisten mit dem Dam-
wild
überein.



Die meisten übrigen Hirsche Jndiens werden gegenwärtig einer besonderen Sippe zugezählt, wel-
cher man den malayischen Namen Rusa gegeben hat: -- einfach deshalb, weil dieses Wort Hirsch
bedeutet. Wenn man die betreffenden Thiere genauer kennen lernt und andere indische Hirsche dazu,
wird man wahrscheinlich noch neue Sippen zu gründen haben; doch läßt sich nicht verkennen, daß alle
indischen Hirsche ein gewisses, ihnen eigenthümliches Gepräge bekunden, welches sie sehr von ihren in
Europa oder in Amerika lebenden Verwandten unterscheidet, sich jedoch besser herausfühlen als beschrei-
ben läßt. Nur im allgemeinen kann man sagen, daß die betreffenden Thiere mehr oder weniger
untersetzt gebaut, starkgliederig, kurzhälfig und kurzköpfig, aber verhältnißmäßig langschwänzig und
mit groben, brüchigen, dünnstehenden Haaren bekleidet sind, und daß die Geweihe, welche nur die
männlichen Hirsche zieren, immer blos sechs Enden zeigen. Der Kopf ist gewöhnlich hinten viel brei-
ter, als vorn, gleichwohl am Geäße abgestutzt und immer noch breit; die Lichter sind groß, die
Thränengruben oft außerordentlich entwickelt; das Gehör ist verhältnißmäßig klein; die Geweih-
stangen biegen sich wenig nach außen und hinten und senden außer der Augensprosse nur noch ein
Gabelende ab. Bei manchen Arten kommen Mähnen am Halse vor, welche jedoch mit den Haar-
wucherungen unserer Hirsche an der gedachten Leibesstelle nicht verglichen werden können. Bezeich-
nend ist der Schwanz oder Wedel, weil er immer lang und stets reichlich mit grobem Haar bekleidet
ist. Die verschiedenen Arten der Gruppe würden unsere Theilnahme jedenfalls gleichmäßig beau-
spruchen, wäre das Leben und Treiben der Thiere uns genauer bekannt.

Nach meinem Dafürhalten ist der Sambur (Rusa Aristoteles) als der am edelsten gestaltete
Hirsch dieser Gruppe zu bezeichnen. Er wurde von dem großen Naturforscher der Vorzeit, dessen
Namen ihm die heutige Wissenschaft verlieh, bereits sehr kenntlich beschrieben; noch heutigen Tages
aber sind wir über seine Lebensweise im Unklaren. Das Gleiche gilt für den niederen, stämmig ge-
bauten Roßhirsch (Rusa equina), ein ziemlich großes Thier von dunkelbrauner Färbung, -- Dasselbe
für die meisten übrigen Arten. Wir sind noch nicht im Stande, die Naturgeschichte einer einzelnen
Art mit dem Bewußtsein abzufassen, auch wirklich von dem betreffenden Thiere zu reden, und erst
die Neuzeit verhilft uns wenigstens zur Kunde eines Theiles dieser Geschichte, weil sie uns Gelegen-
heit bietet, auch die indischen Hirsche in der Gefangenschaft und zwar vom Tage ihrer Geburt an,
beobachten zu können. Ungeachtet meiner kurzen Wirksamkeit am hamburger Thiergarten habe ich
doch schon eingesehen, daß gerade über diese Thiere noch viele Beobachtungen gemacht werden müssen,

Die Hirſche. — Der Aris. Der Sambur.
verbreitung auch nur ein Hinderniß im Wege: die Unregelmäßigkeit in der Zeit ihrer Fortpflanzung.
Die meiſten Hirſche dieſer Art haben ſich, wenn man ſo ſagen darf, allerdings an unſer Klima ge-
wöhnt; ſie werfen ihr Geweih rechtzeitig ab und treten zur günſtigſten Jahreszeit auf die Brunſt, die
hochbeſchlagenen Thiere ſetzen dann auch im Frühjahr und ihre Kälber gedeihen dann vortrefflich: aber
einzelne Arishirſche ſetzen noch immer ihr Kalb mitten im Winter und machen ein erwünſchtes Ge-
deihen des eingebürgerten Stammes ſehr fraglich, wo nicht unmöglich; denn ſelbſtverſtändlich gehen
die meiſten von den im Winter geborenen Kälbern in Folge der Witterungseinflüſſe ſowohl, als auch
wegen Mangel an geeigneter Nahrung für die Mutter, erbärmlich zu Grunde. Wäre Dies nicht der
Fall, ſo würden wir wahrſcheinlich jetzt ſchon alle größeren Parks mit dieſem ſchmucken Wild bevöl-
kert ſehen; denn im übrigen gibt es nur wenige Hirſche, welche ſo geeignet ſind wie der Aris, ein
umſchloſſenes Geheg zu beleben. Die Bewegungen des Thieres ſind allerdings weder ſo zierlich noch
ſo ſchnell und ausdauernd, wie die anderer Hirſche von der gleichen Größe; ſie ſind aber immerhin
anmuthig genug, um ein Jägerauge zu erfreuen, und andere Menſchen feſſelt das ſchön gefärbte
Wild ohnehin. Ueber das Betragen des Aris wüßte ich Nichts zu ſagen, was als ihm eigenthümlich
bezeichnet werden könnte; nach meinem Dafürhalten kommt er hierin am meiſten mit dem Dam-
wild
überein.



Die meiſten übrigen Hirſche Jndiens werden gegenwärtig einer beſonderen Sippe zugezählt, wel-
cher man den malayiſchen Namen Rusa gegeben hat: — einfach deshalb, weil dieſes Wort Hirſch
bedeutet. Wenn man die betreffenden Thiere genauer kennen lernt und andere indiſche Hirſche dazu,
wird man wahrſcheinlich noch neue Sippen zu gründen haben; doch läßt ſich nicht verkennen, daß alle
indiſchen Hirſche ein gewiſſes, ihnen eigenthümliches Gepräge bekunden, welches ſie ſehr von ihren in
Europa oder in Amerika lebenden Verwandten unterſcheidet, ſich jedoch beſſer herausfühlen als beſchrei-
ben läßt. Nur im allgemeinen kann man ſagen, daß die betreffenden Thiere mehr oder weniger
unterſetzt gebaut, ſtarkgliederig, kurzhälfig und kurzköpfig, aber verhältnißmäßig langſchwänzig und
mit groben, brüchigen, dünnſtehenden Haaren bekleidet ſind, und daß die Geweihe, welche nur die
männlichen Hirſche zieren, immer blos ſechs Enden zeigen. Der Kopf iſt gewöhnlich hinten viel brei-
ter, als vorn, gleichwohl am Geäße abgeſtutzt und immer noch breit; die Lichter ſind groß, die
Thränengruben oft außerordentlich entwickelt; das Gehör iſt verhältnißmäßig klein; die Geweih-
ſtangen biegen ſich wenig nach außen und hinten und ſenden außer der Augenſproſſe nur noch ein
Gabelende ab. Bei manchen Arten kommen Mähnen am Halſe vor, welche jedoch mit den Haar-
wucherungen unſerer Hirſche an der gedachten Leibesſtelle nicht verglichen werden können. Bezeich-
nend iſt der Schwanz oder Wedel, weil er immer lang und ſtets reichlich mit grobem Haar bekleidet
iſt. Die verſchiedenen Arten der Gruppe würden unſere Theilnahme jedenfalls gleichmäßig beau-
ſpruchen, wäre das Leben und Treiben der Thiere uns genauer bekannt.

Nach meinem Dafürhalten iſt der Sambur (Rusa Aristoteles) als der am edelſten geſtaltete
Hirſch dieſer Gruppe zu bezeichnen. Er wurde von dem großen Naturforſcher der Vorzeit, deſſen
Namen ihm die heutige Wiſſenſchaft verlieh, bereits ſehr kenntlich beſchrieben; noch heutigen Tages
aber ſind wir über ſeine Lebensweiſe im Unklaren. Das Gleiche gilt für den niederen, ſtämmig ge-
bauten Roßhirſch (Rusa equina), ein ziemlich großes Thier von dunkelbrauner Färbung, — Daſſelbe
für die meiſten übrigen Arten. Wir ſind noch nicht im Stande, die Naturgeſchichte einer einzelnen
Art mit dem Bewußtſein abzufaſſen, auch wirklich von dem betreffenden Thiere zu reden, und erſt
die Neuzeit verhilft uns wenigſtens zur Kunde eines Theiles dieſer Geſchichte, weil ſie uns Gelegen-
heit bietet, auch die indiſchen Hirſche in der Gefangenſchaft und zwar vom Tage ihrer Geburt an,
beobachten zu können. Ungeachtet meiner kurzen Wirkſamkeit am hamburger Thiergarten habe ich
doch ſchon eingeſehen, daß gerade über dieſe Thiere noch viele Beobachtungen gemacht werden müſſen,

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[464/0490] Die Hirſche. — Der Aris. Der Sambur. verbreitung auch nur ein Hinderniß im Wege: die Unregelmäßigkeit in der Zeit ihrer Fortpflanzung. Die meiſten Hirſche dieſer Art haben ſich, wenn man ſo ſagen darf, allerdings an unſer Klima ge- wöhnt; ſie werfen ihr Geweih rechtzeitig ab und treten zur günſtigſten Jahreszeit auf die Brunſt, die hochbeſchlagenen Thiere ſetzen dann auch im Frühjahr und ihre Kälber gedeihen dann vortrefflich: aber einzelne Arishirſche ſetzen noch immer ihr Kalb mitten im Winter und machen ein erwünſchtes Ge- deihen des eingebürgerten Stammes ſehr fraglich, wo nicht unmöglich; denn ſelbſtverſtändlich gehen die meiſten von den im Winter geborenen Kälbern in Folge der Witterungseinflüſſe ſowohl, als auch wegen Mangel an geeigneter Nahrung für die Mutter, erbärmlich zu Grunde. Wäre Dies nicht der Fall, ſo würden wir wahrſcheinlich jetzt ſchon alle größeren Parks mit dieſem ſchmucken Wild bevöl- kert ſehen; denn im übrigen gibt es nur wenige Hirſche, welche ſo geeignet ſind wie der Aris, ein umſchloſſenes Geheg zu beleben. Die Bewegungen des Thieres ſind allerdings weder ſo zierlich noch ſo ſchnell und ausdauernd, wie die anderer Hirſche von der gleichen Größe; ſie ſind aber immerhin anmuthig genug, um ein Jägerauge zu erfreuen, und andere Menſchen feſſelt das ſchön gefärbte Wild ohnehin. Ueber das Betragen des Aris wüßte ich Nichts zu ſagen, was als ihm eigenthümlich bezeichnet werden könnte; nach meinem Dafürhalten kommt er hierin am meiſten mit dem Dam- wild überein. Die meiſten übrigen Hirſche Jndiens werden gegenwärtig einer beſonderen Sippe zugezählt, wel- cher man den malayiſchen Namen Rusa gegeben hat: — einfach deshalb, weil dieſes Wort Hirſch bedeutet. Wenn man die betreffenden Thiere genauer kennen lernt und andere indiſche Hirſche dazu, wird man wahrſcheinlich noch neue Sippen zu gründen haben; doch läßt ſich nicht verkennen, daß alle indiſchen Hirſche ein gewiſſes, ihnen eigenthümliches Gepräge bekunden, welches ſie ſehr von ihren in Europa oder in Amerika lebenden Verwandten unterſcheidet, ſich jedoch beſſer herausfühlen als beſchrei- ben läßt. Nur im allgemeinen kann man ſagen, daß die betreffenden Thiere mehr oder weniger unterſetzt gebaut, ſtarkgliederig, kurzhälfig und kurzköpfig, aber verhältnißmäßig langſchwänzig und mit groben, brüchigen, dünnſtehenden Haaren bekleidet ſind, und daß die Geweihe, welche nur die männlichen Hirſche zieren, immer blos ſechs Enden zeigen. Der Kopf iſt gewöhnlich hinten viel brei- ter, als vorn, gleichwohl am Geäße abgeſtutzt und immer noch breit; die Lichter ſind groß, die Thränengruben oft außerordentlich entwickelt; das Gehör iſt verhältnißmäßig klein; die Geweih- ſtangen biegen ſich wenig nach außen und hinten und ſenden außer der Augenſproſſe nur noch ein Gabelende ab. Bei manchen Arten kommen Mähnen am Halſe vor, welche jedoch mit den Haar- wucherungen unſerer Hirſche an der gedachten Leibesſtelle nicht verglichen werden können. Bezeich- nend iſt der Schwanz oder Wedel, weil er immer lang und ſtets reichlich mit grobem Haar bekleidet iſt. Die verſchiedenen Arten der Gruppe würden unſere Theilnahme jedenfalls gleichmäßig beau- ſpruchen, wäre das Leben und Treiben der Thiere uns genauer bekannt. Nach meinem Dafürhalten iſt der Sambur (Rusa Aristoteles) als der am edelſten geſtaltete Hirſch dieſer Gruppe zu bezeichnen. Er wurde von dem großen Naturforſcher der Vorzeit, deſſen Namen ihm die heutige Wiſſenſchaft verlieh, bereits ſehr kenntlich beſchrieben; noch heutigen Tages aber ſind wir über ſeine Lebensweiſe im Unklaren. Das Gleiche gilt für den niederen, ſtämmig ge- bauten Roßhirſch (Rusa equina), ein ziemlich großes Thier von dunkelbrauner Färbung, — Daſſelbe für die meiſten übrigen Arten. Wir ſind noch nicht im Stande, die Naturgeſchichte einer einzelnen Art mit dem Bewußtſein abzufaſſen, auch wirklich von dem betreffenden Thiere zu reden, und erſt die Neuzeit verhilft uns wenigſtens zur Kunde eines Theiles dieſer Geſchichte, weil ſie uns Gelegen- heit bietet, auch die indiſchen Hirſche in der Gefangenſchaft und zwar vom Tage ihrer Geburt an, beobachten zu können. Ungeachtet meiner kurzen Wirkſamkeit am hamburger Thiergarten habe ich doch ſchon eingeſehen, daß gerade über dieſe Thiere noch viele Beobachtungen gemacht werden müſſen,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/490>, abgerufen am 23.11.2024.