Knurren und gellenden Schreien auf einander los, pfauchen wie die Katzen, zischen, zwicken und reißen einander große Stücken ihrer dünnen und zarten Haut aus, während sie sich balgen. Die Haut ist allerdings so dünn, daß sie losgeht, wenn man sie mit Gewalt am Pelze wegziehen will, während sie sich an ihren scharfen Krallen festhalten, und bei ihrer Störrigkeit lassen sie auch dann nicht los, wenn ihnen der Pelz in Fetzen vom Leibe gerissen wird. Während des Tages sehen die großen, car- minrothen Augen, deren Stern auf einen schmalen Spalt zusammengezogen ist, eigenthümlich dumm und blöde aus; in der Nacht leuchten sie wie die anderer echter Nachtthiere: dann erinnern sie in vieler Hinsicht an die Faulaffen oder Loris Ostindiens. Wenn sie nicht fressen oder schlafen, lecken sie sich an den Pfoten oder am Schwanze; einen anderen Zeitvertreib scheinen sie nicht zu kennen. Die Thiere heißen übrigens blos auf Amboina Kuskus; in Neuholland nennt man sie Gebun, auf Waigin Rambawe oder Schamscham, und wahrscheinlich führen sie auf jeder Jnsel einen besonderen Namen.
Auf diese Angaben scheinen sich die Nachrichten über diese Thiere zu beschränken. Es sind wiederum einmal die Alten, von denen wir etwas Genaueres wissen; die neuzeitlichen Forscher achten leider gewöhnlich eine genaue Beschreibung der Zähne, Krallen und Haare, welche ebensogut in Europa gemacht werden kann, als in der Heimat eines Thieres, für viel wichtiger, als eine Schilderung des Lebens. Wir finden bei fast sämmtlichen neueren Reisenden, daß sich der Mensch immer mehr und mehr von der Natur entfremdet!
Unter den Uebrigen unserer Familie dürften die eigentlichen Kusus (Phalangista) die beachtens- werthesten sein. Einen deutschen Namen haben wir für diese Thiere nicht, die einheimischen Namen sind so ungefüge, daß wir sie auch nicht brauchen können, und so müssen wir schon mit der wissenschaft- lichen Benennung, welche so viel als "geschlossene Zehe" bedeutet, vorliebnehmen.
Die Phalangisten erscheinen gleichsam als Mittelglieder zwischen gewissen Raubthieren und gewissen Nagern; die Einen ähneln den Mardern, die Anderen den Füchsen und doch auch wieder den Eichhörnchen in gleichem Maße. Man würde in Verlegenheit kommen, sie unterzubringen, wenn nicht der Beutel ihre Einreihung in unsere Ordnung bestimmte. Als ihr wissenschaftliches Kenn- zeichen gilt, daß die zweite und dritte Zehe der Hinterfüße bis zum Nagelglied mit einander verwachsen sind. Die Vorder- und Hinterfüße sind fünfzehig; der Daumen der letzteren ist den übrigen Zehen gegensetzbar; der Schwanz ist ein langer und buschiger Greifschwanz, welcher, wie bei einigen Affen, nur am unteren Ende kahl ist. Das Gebiß erscheint als ein echtes Mittelding zwischen dem eines Raubthieres und dem eines Nagers. Die Schneidezähne sind nagerartig verlängert; aber es finden sich auch Eck- und Lückzähne, sowie mehrere Mahlzähne in jeder Reihe. Die wenigen Arten leben in Neuholland und den benachbarten Jnseln, auch auf den Molukken und sind träge und nächtliche, ruhige und stumpfe Geschöpfe, welche die Waldungen bewohnen und ein Baumleben führen. Eine der be- kanntesten Arten ist der Fuchskusu (Phalangista vulpina), ein Thier von Wildkatzengröße, welches den zierlichen Bau unseres Eichhörnchens mit der Gestalt des Fuchses zu vereinigen scheint. Die Leibeslänge beträgt 2 Fuß und die des Schwanzes 17 Zoll. Bennet gibt 21/2 Fuß für die Gesammtlänge an. Der Leib ist lang und gestreckt, der Hals kurz und dünn, der Kopf verlängert, die Schnauze kurz und zugespitzt, die Oberlippe tief gespalten. Aufrechtstehende, mittellange und zu- gespitzte Ohren, seitig gestellte Augen mit länglichem Stern, nackte Sohlen, platte Nägel an den hinteren Daumen und stark zusammengedrückte sichelförmige Krallen an den übrigen Zehen, ein un- vollkommener, nur durch eine flache Hautfalte gebildeter Beutel beim Weibchen und ein dichter und weicher Pelz aus seidenartigem Wollhaar und ziemlich kurzem, steifen Grannenhaar bestehend, kenn- zeichnen das Thier noch außerdem. Die Farbe der Oberseite ist bräunlichgrau mit röthlich fahlem Anfluge, welcher hier und da stark hervortritt, die Unterseite ist lichtockergelb, am Unterhals und der Brust meist rostroth; der Schwanzrücken und die Schnurren sind schwarz, die innen nackten Ohren
Die Kuſus oder Kuskuten.
Knurren und gellenden Schreien auf einander los, pfauchen wie die Katzen, ziſchen, zwicken und reißen einander große Stücken ihrer dünnen und zarten Haut aus, während ſie ſich balgen. Die Haut iſt allerdings ſo dünn, daß ſie losgeht, wenn man ſie mit Gewalt am Pelze wegziehen will, während ſie ſich an ihren ſcharfen Krallen feſthalten, und bei ihrer Störrigkeit laſſen ſie auch dann nicht los, wenn ihnen der Pelz in Fetzen vom Leibe geriſſen wird. Während des Tages ſehen die großen, car- minrothen Augen, deren Stern auf einen ſchmalen Spalt zuſammengezogen iſt, eigenthümlich dumm und blöde aus; in der Nacht leuchten ſie wie die anderer echter Nachtthiere: dann erinnern ſie in vieler Hinſicht an die Faulaffen oder Loris Oſtindiens. Wenn ſie nicht freſſen oder ſchlafen, lecken ſie ſich an den Pfoten oder am Schwanze; einen anderen Zeitvertreib ſcheinen ſie nicht zu kennen. Die Thiere heißen übrigens blos auf Amboina Kuskus; in Neuholland nennt man ſie Gebun, auf Waigin Rambawe oder Schamſcham, und wahrſcheinlich führen ſie auf jeder Jnſel einen beſonderen Namen.
Auf dieſe Angaben ſcheinen ſich die Nachrichten über dieſe Thiere zu beſchränken. Es ſind wiederum einmal die Alten, von denen wir etwas Genaueres wiſſen; die neuzeitlichen Forſcher achten leider gewöhnlich eine genaue Beſchreibung der Zähne, Krallen und Haare, welche ebenſogut in Europa gemacht werden kann, als in der Heimat eines Thieres, für viel wichtiger, als eine Schilderung des Lebens. Wir finden bei faſt ſämmtlichen neueren Reiſenden, daß ſich der Menſch immer mehr und mehr von der Natur entfremdet!
Unter den Uebrigen unſerer Familie dürften die eigentlichen Kuſus (Phalangista) die beachtens- wertheſten ſein. Einen deutſchen Namen haben wir für dieſe Thiere nicht, die einheimiſchen Namen ſind ſo ungefüge, daß wir ſie auch nicht brauchen können, und ſo müſſen wir ſchon mit der wiſſenſchaft- lichen Benennung, welche ſo viel als „geſchloſſene Zehe‟ bedeutet, vorliebnehmen.
Die Phalangiſten erſcheinen gleichſam als Mittelglieder zwiſchen gewiſſen Raubthieren und gewiſſen Nagern; die Einen ähneln den Mardern, die Anderen den Füchſen und doch auch wieder den Eichhörnchen in gleichem Maße. Man würde in Verlegenheit kommen, ſie unterzubringen, wenn nicht der Beutel ihre Einreihung in unſere Ordnung beſtimmte. Als ihr wiſſenſchaftliches Kenn- zeichen gilt, daß die zweite und dritte Zehe der Hinterfüße bis zum Nagelglied mit einander verwachſen ſind. Die Vorder- und Hinterfüße ſind fünfzehig; der Daumen der letzteren iſt den übrigen Zehen gegenſetzbar; der Schwanz iſt ein langer und buſchiger Greifſchwanz, welcher, wie bei einigen Affen, nur am unteren Ende kahl iſt. Das Gebiß erſcheint als ein echtes Mittelding zwiſchen dem eines Raubthieres und dem eines Nagers. Die Schneidezähne ſind nagerartig verlängert; aber es finden ſich auch Eck- und Lückzähne, ſowie mehrere Mahlzähne in jeder Reihe. Die wenigen Arten leben in Neuholland und den benachbarten Jnſeln, auch auf den Molukken und ſind träge und nächtliche, ruhige und ſtumpfe Geſchöpfe, welche die Waldungen bewohnen und ein Baumleben führen. Eine der be- kannteſten Arten iſt der Fuchskuſu (Phalangista vulpina), ein Thier von Wildkatzengröße, welches den zierlichen Bau unſeres Eichhörnchens mit der Geſtalt des Fuchſes zu vereinigen ſcheint. Die Leibeslänge beträgt 2 Fuß und die des Schwanzes 17 Zoll. Bennet gibt 2½ Fuß für die Geſammtlänge an. Der Leib iſt lang und geſtreckt, der Hals kurz und dünn, der Kopf verlängert, die Schnauze kurz und zugeſpitzt, die Oberlippe tief geſpalten. Aufrechtſtehende, mittellange und zu- geſpitzte Ohren, ſeitig geſtellte Augen mit länglichem Stern, nackte Sohlen, platte Nägel an den hinteren Daumen und ſtark zuſammengedrückte ſichelförmige Krallen an den übrigen Zehen, ein un- vollkommener, nur durch eine flache Hautfalte gebildeter Beutel beim Weibchen und ein dichter und weicher Pelz aus ſeidenartigem Wollhaar und ziemlich kurzem, ſteifen Grannenhaar beſtehend, kenn- zeichnen das Thier noch außerdem. Die Farbe der Oberſeite iſt bräunlichgrau mit röthlich fahlem Anfluge, welcher hier und da ſtark hervortritt, die Unterſeite iſt lichtockergelb, am Unterhals und der Bruſt meiſt roſtroth; der Schwanzrücken und die Schnurren ſind ſchwarz, die innen nackten Ohren
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Die Kuſus oder Kuskuten.
Knurren und gellenden Schreien auf einander los, pfauchen wie die Katzen, ziſchen, zwicken und
reißen einander große Stücken ihrer dünnen und zarten Haut aus, während ſie ſich balgen. Die Haut
iſt allerdings ſo dünn, daß ſie losgeht, wenn man ſie mit Gewalt am Pelze wegziehen will, während
ſie ſich an ihren ſcharfen Krallen feſthalten, und bei ihrer Störrigkeit laſſen ſie auch dann nicht los,
wenn ihnen der Pelz in Fetzen vom Leibe geriſſen wird. Während des Tages ſehen die großen, car-
minrothen Augen, deren Stern auf einen ſchmalen Spalt zuſammengezogen iſt, eigenthümlich dumm
und blöde aus; in der Nacht leuchten ſie wie die anderer echter Nachtthiere: dann erinnern ſie in
vieler Hinſicht an die Faulaffen oder Loris Oſtindiens. Wenn ſie nicht freſſen oder ſchlafen, lecken ſie
ſich an den Pfoten oder am Schwanze; einen anderen Zeitvertreib ſcheinen ſie nicht zu kennen. Die
Thiere heißen übrigens blos auf Amboina Kuskus; in Neuholland nennt man ſie Gebun, auf Waigin
Rambawe oder Schamſcham, und wahrſcheinlich führen ſie auf jeder Jnſel einen beſonderen
Namen.
Auf dieſe Angaben ſcheinen ſich die Nachrichten über dieſe Thiere zu beſchränken. Es ſind
wiederum einmal die Alten, von denen wir etwas Genaueres wiſſen; die neuzeitlichen Forſcher achten
leider gewöhnlich eine genaue Beſchreibung der Zähne, Krallen und Haare, welche ebenſogut in Europa
gemacht werden kann, als in der Heimat eines Thieres, für viel wichtiger, als eine Schilderung des
Lebens. Wir finden bei faſt ſämmtlichen neueren Reiſenden, daß ſich der Menſch immer mehr und
mehr von der Natur entfremdet!
Unter den Uebrigen unſerer Familie dürften die eigentlichen Kuſus (Phalangista) die beachtens-
wertheſten ſein. Einen deutſchen Namen haben wir für dieſe Thiere nicht, die einheimiſchen Namen
ſind ſo ungefüge, daß wir ſie auch nicht brauchen können, und ſo müſſen wir ſchon mit der wiſſenſchaft-
lichen Benennung, welche ſo viel als „geſchloſſene Zehe‟ bedeutet, vorliebnehmen.
Die Phalangiſten erſcheinen gleichſam als Mittelglieder zwiſchen gewiſſen Raubthieren und
gewiſſen Nagern; die Einen ähneln den Mardern, die Anderen den Füchſen und doch auch wieder den
Eichhörnchen in gleichem Maße. Man würde in Verlegenheit kommen, ſie unterzubringen, wenn
nicht der Beutel ihre Einreihung in unſere Ordnung beſtimmte. Als ihr wiſſenſchaftliches Kenn-
zeichen gilt, daß die zweite und dritte Zehe der Hinterfüße bis zum Nagelglied mit einander verwachſen
ſind. Die Vorder- und Hinterfüße ſind fünfzehig; der Daumen der letzteren iſt den übrigen Zehen
gegenſetzbar; der Schwanz iſt ein langer und buſchiger Greifſchwanz, welcher, wie bei einigen Affen,
nur am unteren Ende kahl iſt. Das Gebiß erſcheint als ein echtes Mittelding zwiſchen dem eines
Raubthieres und dem eines Nagers. Die Schneidezähne ſind nagerartig verlängert; aber es finden
ſich auch Eck- und Lückzähne, ſowie mehrere Mahlzähne in jeder Reihe. Die wenigen Arten leben in
Neuholland und den benachbarten Jnſeln, auch auf den Molukken und ſind träge und nächtliche, ruhige
und ſtumpfe Geſchöpfe, welche die Waldungen bewohnen und ein Baumleben führen. Eine der be-
kannteſten Arten iſt der Fuchskuſu (Phalangista vulpina), ein Thier von Wildkatzengröße,
welches den zierlichen Bau unſeres Eichhörnchens mit der Geſtalt des Fuchſes zu vereinigen ſcheint.
Die Leibeslänge beträgt 2 Fuß und die des Schwanzes 17 Zoll. Bennet gibt 2½ Fuß für die
Geſammtlänge an. Der Leib iſt lang und geſtreckt, der Hals kurz und dünn, der Kopf verlängert,
die Schnauze kurz und zugeſpitzt, die Oberlippe tief geſpalten. Aufrechtſtehende, mittellange und zu-
geſpitzte Ohren, ſeitig geſtellte Augen mit länglichem Stern, nackte Sohlen, platte Nägel an den
hinteren Daumen und ſtark zuſammengedrückte ſichelförmige Krallen an den übrigen Zehen, ein un-
vollkommener, nur durch eine flache Hautfalte gebildeter Beutel beim Weibchen und ein dichter und
weicher Pelz aus ſeidenartigem Wollhaar und ziemlich kurzem, ſteifen Grannenhaar beſtehend, kenn-
zeichnen das Thier noch außerdem. Die Farbe der Oberſeite iſt bräunlichgrau mit röthlich fahlem
Anfluge, welcher hier und da ſtark hervortritt, die Unterſeite iſt lichtockergelb, am Unterhals und der
Bruſt meiſt roſtroth; der Schwanzrücken und die Schnurren ſind ſchwarz, die innen nackten Ohren
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/50>, abgerufen am 23.11.2024.
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