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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Gazelle.
Doch kam es auch vor, daß das Thier rührende Beweise seiner Anhänglichkeit an den Gefährten gab.
Zwei Mal in den wenigen Jagdtagen habe ich zwei Gazellen von einem Busche aus erlegt. Auf
den ersten Schuß blieb der Gefährte, gleichsam starr vor Schrecken, neben dem Verendenden stehen,
ließ von Zeit zu Zeit ein ängstliches Blöcken vernehmen und ging höchstens im Kreise um den Gefal-
lenen herum, ihn mit sichtlicher Angst betrachtend. Da wurde rasch die Büchse wieder geladen und
noch eine zweite tödtliche Kugel entsandt. Jch bemerke ausdrücklich, daß ich nur das eine Mal ein
Paar auf diese Weise erlegte. Die zweiten, welche ich nach einander zusammenschoß, waren Böcke;
aber sie zeigten nicht geringere Anhänglichkeit an einander, als jene, bei denen doch die Gattenliebe
ins Spiel kam. An einigen Orten belebten sich nach und nach die höheren Hügel mit Gazellen, welche,
durch unsere Schüsse erschreckt, von allen Seiten herbeikamen, um von ihrer Warte aus die Gegend
zu überschauen. Jch darf wohl behaupten, daß die meist unbewachsenen Berge hierdurch einen wun-
derbaren Schmuck erhielten. Die schönen Gestalten zeichneten sich so klar gegen den tiefblauen Himmel
ab, daß man auch auf große Entfernung hin jedes Glied deutlich wahrnehmen konnte. Oft kam es
auch vor, daß die erschreckten Gazellen über einen der unzähligen niederen Hügel, an denen die Sam-
hara so reich ist, weggingen und gleich hinter denselben, d. h. sobald sie den Jäger aus dem Auge ver-
loren hatten, stehen blieben. Jm Anfange foppten sie mich einige Male durch dieses sonderbare
Betragen. Jch kletterte höchst behutsam an dem Hügel empor und suchte mein Wild in der Entfer-
nung, während es doch dicht unter mir stand. Das Herabrollen eines Steines oder ein anderes Ge-
räusch, welches ich verursachte, schreckte dann die Gazellen auf, und sie eilten jetzt in solch rasender
Flucht dahin, daß die Fehlschüsse, welche ich mir zu Schulden kommen ließ, wohl verzeihlich erschei-
nen dürften. Niemals aber sah ich von Menschen verfolgte Gazellen in ihrer wahren Schnelligkeit,
denn diese nehmen sie blos an, wenn ihnen ein Hund auf den Fersen ist. Jch vermag es nicht, das
Schauspiel zu beschreiben, welches die beiden Thiere gewährten; mir mangeln die Worte hierzu.
Höchstens könnte ich sagen, daß eine so dahineilende Gazelle nicht mehr zu laufen, sondern zu fliegen
scheint: -- aber damit hätte ich ihre Flüchtigkeit noch immer nicht geschildert!

Jn Kordofahn und anderen innerafrikanischen Ländern, wo das Feuergewehr nicht in Jedermanns
Händen ist, sondern noch heutigen Tages als bevorzugte Waffe des Weißen betrachtet und mit einer
gewissen Scheu angestaunt wird, legt man sich mehr auf den Fang, als auf die Jagd der Gazelle.
Man stellt nämlich in geringen Abständen auf dem oft begangenen Wechsel sogenannte Teller auf und
umgibt jeden einzelnen mit einer Schlinge, welche an einem starken Knüppel befestigt ist. Die Teller
bestehen aus einem vielfach durchbohrten Reifen, durch welchen dicht neben einander Stäbchen gesteckt
werden. Letztere laufen nach dem Mittelpunkte des Reifes zu, sind etwas nach unten gerichtet und
da, wo sie inmitten des Reifes zusammenstoßen, scharf zugespitzt. Jeder Teller wird über eine kleine
Grube gelegt, welche man im Sande ausgescharrt und durch ein reifenartig zusammengebogenes brei-
tes Rindenstück ausgekleidet hat, damit sich die Grube nicht wieder mit Sand ausfüllt. Die Gazelle,
welche ruhig ihres Weges wandelt, tritt auf den Teller, der glatte Huf rutscht auf den biegsamen
Stäbchen nach der tieferen Mitte herab, dringt dort durch, sinkt tief in die Grube hinein und hat
nun einen höchst unangenehmen Kranz am Laufe, dessen Spitzen ein unerträgliches Jucken verur-
sachen. Hierüber entrüstet, sucht sie durch Schnellen mit den Läufen von dem Anhängsel sich
zu befreien und zieht gerade hierdurch die Schlinge zu, aus welcher sie sonst den Fuß ungefährdet
entfernt haben würde. Geängstigt, wie sie ist, beginnt sie rascher zu laufen, aber der Knüppel,
welcher hinten nachfolgt, flößt ihr bald das höchste Entsetzen ein; sie eilt so schnell als möglich davon,
der Knüppel kommt in raschere Bewegung und schlägt ihr schließlich einen der Läufe entzwei. Die
nun Fluchtunfähige gelangt leicht in die Gewalt des Menschen. Der Jäger, welcher seine Fallen
untersucht, bemerkt sehr bald, daß eine ihren Zweck erfüllt hat und setzt jetzt seine leichten, schnellen
Windhunde auf die Spur oder folgt dieser selbst, weil ja der nachschleifende Knüppel sie deutlich genug
bezeichnet. So fängt man sehr viele Gazellen, jedoch nicht die meisten, welche erbeutet werden;

Die Gazelle.
Doch kam es auch vor, daß das Thier rührende Beweiſe ſeiner Anhänglichkeit an den Gefährten gab.
Zwei Mal in den wenigen Jagdtagen habe ich zwei Gazellen von einem Buſche aus erlegt. Auf
den erſten Schuß blieb der Gefährte, gleichſam ſtarr vor Schrecken, neben dem Verendenden ſtehen,
ließ von Zeit zu Zeit ein ängſtliches Blöcken vernehmen und ging höchſtens im Kreiſe um den Gefal-
lenen herum, ihn mit ſichtlicher Angſt betrachtend. Da wurde raſch die Büchſe wieder geladen und
noch eine zweite tödtliche Kugel entſandt. Jch bemerke ausdrücklich, daß ich nur das eine Mal ein
Paar auf dieſe Weiſe erlegte. Die zweiten, welche ich nach einander zuſammenſchoß, waren Böcke;
aber ſie zeigten nicht geringere Anhänglichkeit an einander, als jene, bei denen doch die Gattenliebe
ins Spiel kam. An einigen Orten belebten ſich nach und nach die höheren Hügel mit Gazellen, welche,
durch unſere Schüſſe erſchreckt, von allen Seiten herbeikamen, um von ihrer Warte aus die Gegend
zu überſchauen. Jch darf wohl behaupten, daß die meiſt unbewachſenen Berge hierdurch einen wun-
derbaren Schmuck erhielten. Die ſchönen Geſtalten zeichneten ſich ſo klar gegen den tiefblauen Himmel
ab, daß man auch auf große Entfernung hin jedes Glied deutlich wahrnehmen konnte. Oft kam es
auch vor, daß die erſchreckten Gazellen über einen der unzähligen niederen Hügel, an denen die Sam-
hara ſo reich iſt, weggingen und gleich hinter denſelben, d. h. ſobald ſie den Jäger aus dem Auge ver-
loren hatten, ſtehen blieben. Jm Anfange foppten ſie mich einige Male durch dieſes ſonderbare
Betragen. Jch kletterte höchſt behutſam an dem Hügel empor und ſuchte mein Wild in der Entfer-
nung, während es doch dicht unter mir ſtand. Das Herabrollen eines Steines oder ein anderes Ge-
räuſch, welches ich verurſachte, ſchreckte dann die Gazellen auf, und ſie eilten jetzt in ſolch raſender
Flucht dahin, daß die Fehlſchüſſe, welche ich mir zu Schulden kommen ließ, wohl verzeihlich erſchei-
nen dürften. Niemals aber ſah ich von Menſchen verfolgte Gazellen in ihrer wahren Schnelligkeit,
denn dieſe nehmen ſie blos an, wenn ihnen ein Hund auf den Ferſen iſt. Jch vermag es nicht, das
Schauſpiel zu beſchreiben, welches die beiden Thiere gewährten; mir mangeln die Worte hierzu.
Höchſtens könnte ich ſagen, daß eine ſo dahineilende Gazelle nicht mehr zu laufen, ſondern zu fliegen
ſcheint: — aber damit hätte ich ihre Flüchtigkeit noch immer nicht geſchildert!

Jn Kordofahn und anderen innerafrikaniſchen Ländern, wo das Feuergewehr nicht in Jedermanns
Händen iſt, ſondern noch heutigen Tages als bevorzugte Waffe des Weißen betrachtet und mit einer
gewiſſen Scheu angeſtaunt wird, legt man ſich mehr auf den Fang, als auf die Jagd der Gazelle.
Man ſtellt nämlich in geringen Abſtänden auf dem oft begangenen Wechſel ſogenannte Teller auf und
umgibt jeden einzelnen mit einer Schlinge, welche an einem ſtarken Knüppel befeſtigt iſt. Die Teller
beſtehen aus einem vielfach durchbohrten Reifen, durch welchen dicht neben einander Stäbchen geſteckt
werden. Letztere laufen nach dem Mittelpunkte des Reifes zu, ſind etwas nach unten gerichtet und
da, wo ſie inmitten des Reifes zuſammenſtoßen, ſcharf zugeſpitzt. Jeder Teller wird über eine kleine
Grube gelegt, welche man im Sande ausgeſcharrt und durch ein reifenartig zuſammengebogenes brei-
tes Rindenſtück ausgekleidet hat, damit ſich die Grube nicht wieder mit Sand ausfüllt. Die Gazelle,
welche ruhig ihres Weges wandelt, tritt auf den Teller, der glatte Huf rutſcht auf den biegſamen
Stäbchen nach der tieferen Mitte herab, dringt dort durch, ſinkt tief in die Grube hinein und hat
nun einen höchſt unangenehmen Kranz am Laufe, deſſen Spitzen ein unerträgliches Jucken verur-
ſachen. Hierüber entrüſtet, ſucht ſie durch Schnellen mit den Läufen von dem Anhängſel ſich
zu befreien und zieht gerade hierdurch die Schlinge zu, aus welcher ſie ſonſt den Fuß ungefährdet
entfernt haben würde. Geängſtigt, wie ſie iſt, beginnt ſie raſcher zu laufen, aber der Knüppel,
welcher hinten nachfolgt, flößt ihr bald das höchſte Entſetzen ein; ſie eilt ſo ſchnell als möglich davon,
der Knüppel kommt in raſchere Bewegung und ſchlägt ihr ſchließlich einen der Läufe entzwei. Die
nun Fluchtunfähige gelangt leicht in die Gewalt des Menſchen. Der Jäger, welcher ſeine Fallen
unterſucht, bemerkt ſehr bald, daß eine ihren Zweck erfüllt hat und ſetzt jetzt ſeine leichten, ſchnellen
Windhunde auf die Spur oder folgt dieſer ſelbſt, weil ja der nachſchleifende Knüppel ſie deutlich genug
bezeichnet. So fängt man ſehr viele Gazellen, jedoch nicht die meiſten, welche erbeutet werden;

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[507/0537] Die Gazelle. Doch kam es auch vor, daß das Thier rührende Beweiſe ſeiner Anhänglichkeit an den Gefährten gab. Zwei Mal in den wenigen Jagdtagen habe ich zwei Gazellen von einem Buſche aus erlegt. Auf den erſten Schuß blieb der Gefährte, gleichſam ſtarr vor Schrecken, neben dem Verendenden ſtehen, ließ von Zeit zu Zeit ein ängſtliches Blöcken vernehmen und ging höchſtens im Kreiſe um den Gefal- lenen herum, ihn mit ſichtlicher Angſt betrachtend. Da wurde raſch die Büchſe wieder geladen und noch eine zweite tödtliche Kugel entſandt. Jch bemerke ausdrücklich, daß ich nur das eine Mal ein Paar auf dieſe Weiſe erlegte. Die zweiten, welche ich nach einander zuſammenſchoß, waren Böcke; aber ſie zeigten nicht geringere Anhänglichkeit an einander, als jene, bei denen doch die Gattenliebe ins Spiel kam. An einigen Orten belebten ſich nach und nach die höheren Hügel mit Gazellen, welche, durch unſere Schüſſe erſchreckt, von allen Seiten herbeikamen, um von ihrer Warte aus die Gegend zu überſchauen. Jch darf wohl behaupten, daß die meiſt unbewachſenen Berge hierdurch einen wun- derbaren Schmuck erhielten. Die ſchönen Geſtalten zeichneten ſich ſo klar gegen den tiefblauen Himmel ab, daß man auch auf große Entfernung hin jedes Glied deutlich wahrnehmen konnte. Oft kam es auch vor, daß die erſchreckten Gazellen über einen der unzähligen niederen Hügel, an denen die Sam- hara ſo reich iſt, weggingen und gleich hinter denſelben, d. h. ſobald ſie den Jäger aus dem Auge ver- loren hatten, ſtehen blieben. Jm Anfange foppten ſie mich einige Male durch dieſes ſonderbare Betragen. Jch kletterte höchſt behutſam an dem Hügel empor und ſuchte mein Wild in der Entfer- nung, während es doch dicht unter mir ſtand. Das Herabrollen eines Steines oder ein anderes Ge- räuſch, welches ich verurſachte, ſchreckte dann die Gazellen auf, und ſie eilten jetzt in ſolch raſender Flucht dahin, daß die Fehlſchüſſe, welche ich mir zu Schulden kommen ließ, wohl verzeihlich erſchei- nen dürften. Niemals aber ſah ich von Menſchen verfolgte Gazellen in ihrer wahren Schnelligkeit, denn dieſe nehmen ſie blos an, wenn ihnen ein Hund auf den Ferſen iſt. Jch vermag es nicht, das Schauſpiel zu beſchreiben, welches die beiden Thiere gewährten; mir mangeln die Worte hierzu. Höchſtens könnte ich ſagen, daß eine ſo dahineilende Gazelle nicht mehr zu laufen, ſondern zu fliegen ſcheint: — aber damit hätte ich ihre Flüchtigkeit noch immer nicht geſchildert! Jn Kordofahn und anderen innerafrikaniſchen Ländern, wo das Feuergewehr nicht in Jedermanns Händen iſt, ſondern noch heutigen Tages als bevorzugte Waffe des Weißen betrachtet und mit einer gewiſſen Scheu angeſtaunt wird, legt man ſich mehr auf den Fang, als auf die Jagd der Gazelle. Man ſtellt nämlich in geringen Abſtänden auf dem oft begangenen Wechſel ſogenannte Teller auf und umgibt jeden einzelnen mit einer Schlinge, welche an einem ſtarken Knüppel befeſtigt iſt. Die Teller beſtehen aus einem vielfach durchbohrten Reifen, durch welchen dicht neben einander Stäbchen geſteckt werden. Letztere laufen nach dem Mittelpunkte des Reifes zu, ſind etwas nach unten gerichtet und da, wo ſie inmitten des Reifes zuſammenſtoßen, ſcharf zugeſpitzt. Jeder Teller wird über eine kleine Grube gelegt, welche man im Sande ausgeſcharrt und durch ein reifenartig zuſammengebogenes brei- tes Rindenſtück ausgekleidet hat, damit ſich die Grube nicht wieder mit Sand ausfüllt. Die Gazelle, welche ruhig ihres Weges wandelt, tritt auf den Teller, der glatte Huf rutſcht auf den biegſamen Stäbchen nach der tieferen Mitte herab, dringt dort durch, ſinkt tief in die Grube hinein und hat nun einen höchſt unangenehmen Kranz am Laufe, deſſen Spitzen ein unerträgliches Jucken verur- ſachen. Hierüber entrüſtet, ſucht ſie durch Schnellen mit den Läufen von dem Anhängſel ſich zu befreien und zieht gerade hierdurch die Schlinge zu, aus welcher ſie ſonſt den Fuß ungefährdet entfernt haben würde. Geängſtigt, wie ſie iſt, beginnt ſie raſcher zu laufen, aber der Knüppel, welcher hinten nachfolgt, flößt ihr bald das höchſte Entſetzen ein; ſie eilt ſo ſchnell als möglich davon, der Knüppel kommt in raſchere Bewegung und ſchlägt ihr ſchließlich einen der Läufe entzwei. Die nun Fluchtunfähige gelangt leicht in die Gewalt des Menſchen. Der Jäger, welcher ſeine Fallen unterſucht, bemerkt ſehr bald, daß eine ihren Zweck erfüllt hat und ſetzt jetzt ſeine leichten, ſchnellen Windhunde auf die Spur oder folgt dieſer ſelbſt, weil ja der nachſchleifende Knüppel ſie deutlich genug bezeichnet. So fängt man ſehr viele Gazellen, jedoch nicht die meiſten, welche erbeutet werden;

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/537>, abgerufen am 23.11.2024.