Die Antilopen. -- Zwergböckchen. Der Beni Jsrael oder Atro.
der unteren Hälfte der Außenseite und mit nach vorn gebogenen Spitzen, welche von dem stark entwickelten Haarschopf fast verdeckt und durch die sehr langen Ohren gänzlich in den Schatten gestellt werden. Der Leib ist ziemlich gedrungen, die Läufe sind mittellang, aber außerordentlich schwach, die Hufe lang, schmal und zugespitzt, die Afterklanen kaum bemerklich; der Schwanz ist ein kurzbehaarter Stummel. Sehr feine und ziemlich lange Haare decken den Leib. Das Kleid erscheint fuchsig und graubläulich, weil die einzelnen Haare vor der dunklen, aber kaum bemerklichen Spitze licht oder röthlich umrandet sind: Am Grunde sehen sie graubräunlich aus. Auf dem Rücken geht die Färbung in das Rothbraune, auf dem Nasenrücken und der Stirn in das Fuchsrothe über; die Vorderschenkel sind oft gefleckt, die unteren Theile und die Jnnenseite der Läufe weiß. Ein breiter Streifen über und unter den Augen ist weiß, die Ohren sind schwärzlich gesäumt, die Hörner, Hufe und Thränengruben schwarz.
Jn Abissinien wird man vom Meeresstrande an bis zu 6 und 7000 Fuß unsere Beni Jsrael (zu Deutsch "Kinder Jsrael") an geeigneten Orten selten vermissen. Fast alle Zwergantilopen sind Bewohner der Buschwälder, an welchen Afrika so reich ist. Dickichte, welche für andere, größere Antilopen sogut als undurchdringlich sein würden, gewähren diesen Liliputanern noch immer präch- tige Wohnsitze. Für sie findet sich auch zwischen den engsten Verschlingungen noch ein Weg und in den ärgsten Dornen noch ein Pförtchen. Der Atro zieht das Thal entschieden der Höhe vor. Am liebsten sind ihm die grünen Waldsäume der Regenstrombetten. Hier gibt es ganz herrliche Versteck- plätze. Die Mimosen, der Christusdornen, einige Wolfsmilchgesträuche und andere größere Pflanzen werden von einem wahren Netz von Schlingpflanzen umflochten und durchwebt. Es finden sich da köstliche Lauben und nach anßen vollkommen abgeschlossene Gebüsche, deren Jnneres recht wohnlich und gänzlich verborgen ist, oder aber schmale Dickichte, welche jedoch auf lange Strecken hin ununter- brochen verbunden sind. Weiter von der belebenden Wasserader weg stellen sich die Büsche einzelner, und ein grünes, saftiges Gras kann sich dort erheben. Hier begegnet man dem Atro mit aller Sicherheit. Er lebt, wie die meisten seiner Verwandten, über welche wir Kunde haben, streng paarweise, niemals in Trupps; es sei denn, daß ein Pärchen einen Sprößling erhalten habe, welcher der Mutterpflege noch bedarf. Dann trollt auch dieser hinter den Eltern her.
Jm Anfang wird es dem Jäger schwer, das kleine Thierchen zu entdecken; ist man aber mit seinen Sitten und Gebräuchen vertrauter geworden, dann weiß man es schon aufzufinden, weil man folgerichtig zu Werke geht. Die Färbung des Felles, welche mit der Umgebung übereinstimmt und in dieser förmlich aufgeht, trägt wesentlich dazu bei, unsere Zwerge zu verbergen. "Das allergeübteste Auge," sagt Kapitän Drayson sehr richtig, "ist erforderlich, um ein Busch- oder Blauböckchen zu entdecken, weil ihre Felle der Dämmerung des Unterholzes so genau gleichen, daß man das kleine Ding nicht bemerken würde, wenn sich nicht die im Laufe berührten Zweige bewegten. Gewöhnlich ist das Böckchen lange vorher, ehe der Jäger sich überzeugen konnte, daß er es wirklich gesehen habe, schon auf und davon. Wenn ich so mit den Kassern ging, deren Falkenaugen das Dickicht durch- bohren, ist es mir oft vorgekommen, daß sie mit großer Bestimmtheit sagten: ""Dort geht ein Blau- böckchen, sieh, dort ist es, dort, dort!"" Aber für mich waren solche Fingerzeige vergebens. Jch mochte mich auch anstrengen und nach dem bezeichneten Fleck hinsehen, wie ich wollte: -- alles An- dere sah ich, nur nicht das Böckchen." Genau so ging es mir im Anfang mit dem Beni Jsrael. Doch das Jägerauge findet sich. Wenn man recht sorgfältig das Gebüsch absucht und seine Aufmerk- samkeit hauptsächlich auf dunkle, freie Stellen im Gelaube richtet, sieht man die zierlichen Waldes- kinder sicherlich. Gerade auf diese Blößen stellen sie sich, wenn sie aufgescheucht werden. Jhre un- gemein feinen Sinne und namentlich das mit den großen Ohren im Einklang stehende scharfe Gehör verrathen ihnen die Ankunft des Menschen lange vorher, ehe dieser eine Ahnung von ihrem Vorhan- densein hat. Beim geringsten verdächtigen Geräusch springt der Bock auf und lauscht scharf nach der bezüglichen Seite hin; allein diese Untersuchung genügt ihm nicht: er muß auch sehen, und des- halb geht er langsam nach einem jener offenen Plätze, stellt sich dort starr wie eine Bildsäule auf und
Die Antilopen. — Zwergböckchen. Der Beni Jſrael oder Atro.
der unteren Hälfte der Außenſeite und mit nach vorn gebogenen Spitzen, welche von dem ſtark entwickelten Haarſchopf faſt verdeckt und durch die ſehr langen Ohren gänzlich in den Schatten geſtellt werden. Der Leib iſt ziemlich gedrungen, die Läufe ſind mittellang, aber außerordentlich ſchwach, die Hufe lang, ſchmal und zugeſpitzt, die Afterklanen kaum bemerklich; der Schwanz iſt ein kurzbehaarter Stummel. Sehr feine und ziemlich lange Haare decken den Leib. Das Kleid erſcheint fuchſig und graubläulich, weil die einzelnen Haare vor der dunklen, aber kaum bemerklichen Spitze licht oder röthlich umrandet ſind: Am Grunde ſehen ſie graubräunlich aus. Auf dem Rücken geht die Färbung in das Rothbraune, auf dem Naſenrücken und der Stirn in das Fuchsrothe über; die Vorderſchenkel ſind oft gefleckt, die unteren Theile und die Jnnenſeite der Läufe weiß. Ein breiter Streifen über und unter den Augen iſt weiß, die Ohren ſind ſchwärzlich geſäumt, die Hörner, Hufe und Thränengruben ſchwarz.
Jn Abiſſinien wird man vom Meeresſtrande an bis zu 6 und 7000 Fuß unſere Beni Jſrael (zu Deutſch „Kinder Jſrael‟) an geeigneten Orten ſelten vermiſſen. Faſt alle Zwergantilopen ſind Bewohner der Buſchwälder, an welchen Afrika ſo reich iſt. Dickichte, welche für andere, größere Antilopen ſogut als undurchdringlich ſein würden, gewähren dieſen Liliputanern noch immer präch- tige Wohnſitze. Für ſie findet ſich auch zwiſchen den engſten Verſchlingungen noch ein Weg und in den ärgſten Dornen noch ein Pförtchen. Der Atro zieht das Thal entſchieden der Höhe vor. Am liebſten ſind ihm die grünen Waldſäume der Regenſtrombetten. Hier gibt es ganz herrliche Verſteck- plätze. Die Mimoſen, der Chriſtusdornen, einige Wolfsmilchgeſträuche und andere größere Pflanzen werden von einem wahren Netz von Schlingpflanzen umflochten und durchwebt. Es finden ſich da köſtliche Lauben und nach anßen vollkommen abgeſchloſſene Gebüſche, deren Jnneres recht wohnlich und gänzlich verborgen iſt, oder aber ſchmale Dickichte, welche jedoch auf lange Strecken hin ununter- brochen verbunden ſind. Weiter von der belebenden Waſſerader weg ſtellen ſich die Büſche einzelner, und ein grünes, ſaftiges Gras kann ſich dort erheben. Hier begegnet man dem Atro mit aller Sicherheit. Er lebt, wie die meiſten ſeiner Verwandten, über welche wir Kunde haben, ſtreng paarweiſe, niemals in Trupps; es ſei denn, daß ein Pärchen einen Sprößling erhalten habe, welcher der Mutterpflege noch bedarf. Dann trollt auch dieſer hinter den Eltern her.
Jm Anfang wird es dem Jäger ſchwer, das kleine Thierchen zu entdecken; iſt man aber mit ſeinen Sitten und Gebräuchen vertrauter geworden, dann weiß man es ſchon aufzufinden, weil man folgerichtig zu Werke geht. Die Färbung des Felles, welche mit der Umgebung übereinſtimmt und in dieſer förmlich aufgeht, trägt weſentlich dazu bei, unſere Zwerge zu verbergen. „Das allergeübteſte Auge,‟ ſagt Kapitän Drayſon ſehr richtig, „iſt erforderlich, um ein Buſch- oder Blauböckchen zu entdecken, weil ihre Felle der Dämmerung des Unterholzes ſo genau gleichen, daß man das kleine Ding nicht bemerken würde, wenn ſich nicht die im Laufe berührten Zweige bewegten. Gewöhnlich iſt das Böckchen lange vorher, ehe der Jäger ſich überzeugen konnte, daß er es wirklich geſehen habe, ſchon auf und davon. Wenn ich ſo mit den Kaſſern ging, deren Falkenaugen das Dickicht durch- bohren, iſt es mir oft vorgekommen, daß ſie mit großer Beſtimmtheit ſagten: „„Dort geht ein Blau- böckchen, ſieh, dort iſt es, dort, dort!‟‟ Aber für mich waren ſolche Fingerzeige vergebens. Jch mochte mich auch anſtrengen und nach dem bezeichneten Fleck hinſehen, wie ich wollte: — alles An- dere ſah ich, nur nicht das Böckchen.‟ Genau ſo ging es mir im Anfang mit dem Beni Jſrael. Doch das Jägerauge findet ſich. Wenn man recht ſorgfältig das Gebüſch abſucht und ſeine Aufmerk- ſamkeit hauptſächlich auf dunkle, freie Stellen im Gelaube richtet, ſieht man die zierlichen Waldes- kinder ſicherlich. Gerade auf dieſe Blößen ſtellen ſie ſich, wenn ſie aufgeſcheucht werden. Jhre un- gemein feinen Sinne und namentlich das mit den großen Ohren im Einklang ſtehende ſcharfe Gehör verrathen ihnen die Ankunft des Menſchen lange vorher, ehe dieſer eine Ahnung von ihrem Vorhan- denſein hat. Beim geringſten verdächtigen Geräuſch ſpringt der Bock auf und lauſcht ſcharf nach der bezüglichen Seite hin; allein dieſe Unterſuchung genügt ihm nicht: er muß auch ſehen, und des- halb geht er langſam nach einem jener offenen Plätze, ſtellt ſich dort ſtarr wie eine Bildſäule auf und
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Die Antilopen. — Zwergböckchen. Der Beni Jſrael oder Atro.
der unteren Hälfte der Außenſeite und mit nach vorn gebogenen Spitzen, welche von dem ſtark
entwickelten Haarſchopf faſt verdeckt und durch die ſehr langen Ohren gänzlich in den Schatten
geſtellt werden. Der Leib iſt ziemlich gedrungen, die Läufe ſind mittellang, aber außerordentlich
ſchwach, die Hufe lang, ſchmal und zugeſpitzt, die Afterklanen kaum bemerklich; der Schwanz iſt
ein kurzbehaarter Stummel. Sehr feine und ziemlich lange Haare decken den Leib. Das Kleid
erſcheint fuchſig und graubläulich, weil die einzelnen Haare vor der dunklen, aber kaum bemerklichen
Spitze licht oder röthlich umrandet ſind: Am Grunde ſehen ſie graubräunlich aus. Auf dem Rücken
geht die Färbung in das Rothbraune, auf dem Naſenrücken und der Stirn in das Fuchsrothe über;
die Vorderſchenkel ſind oft gefleckt, die unteren Theile und die Jnnenſeite der Läufe weiß. Ein
breiter Streifen über und unter den Augen iſt weiß, die Ohren ſind ſchwärzlich geſäumt, die Hörner,
Hufe und Thränengruben ſchwarz.
Jn Abiſſinien wird man vom Meeresſtrande an bis zu 6 und 7000 Fuß unſere Beni Jſrael
(zu Deutſch „Kinder Jſrael‟) an geeigneten Orten ſelten vermiſſen. Faſt alle Zwergantilopen
ſind Bewohner der Buſchwälder, an welchen Afrika ſo reich iſt. Dickichte, welche für andere, größere
Antilopen ſogut als undurchdringlich ſein würden, gewähren dieſen Liliputanern noch immer präch-
tige Wohnſitze. Für ſie findet ſich auch zwiſchen den engſten Verſchlingungen noch ein Weg und in
den ärgſten Dornen noch ein Pförtchen. Der Atro zieht das Thal entſchieden der Höhe vor. Am
liebſten ſind ihm die grünen Waldſäume der Regenſtrombetten. Hier gibt es ganz herrliche Verſteck-
plätze. Die Mimoſen, der Chriſtusdornen, einige Wolfsmilchgeſträuche und andere größere Pflanzen
werden von einem wahren Netz von Schlingpflanzen umflochten und durchwebt. Es finden ſich da
köſtliche Lauben und nach anßen vollkommen abgeſchloſſene Gebüſche, deren Jnneres recht wohnlich
und gänzlich verborgen iſt, oder aber ſchmale Dickichte, welche jedoch auf lange Strecken hin ununter-
brochen verbunden ſind. Weiter von der belebenden Waſſerader weg ſtellen ſich die Büſche einzelner,
und ein grünes, ſaftiges Gras kann ſich dort erheben. Hier begegnet man dem Atro mit aller
Sicherheit. Er lebt, wie die meiſten ſeiner Verwandten, über welche wir Kunde haben, ſtreng
paarweiſe, niemals in Trupps; es ſei denn, daß ein Pärchen einen Sprößling erhalten habe, welcher
der Mutterpflege noch bedarf. Dann trollt auch dieſer hinter den Eltern her.
Jm Anfang wird es dem Jäger ſchwer, das kleine Thierchen zu entdecken; iſt man aber mit
ſeinen Sitten und Gebräuchen vertrauter geworden, dann weiß man es ſchon aufzufinden, weil man
folgerichtig zu Werke geht. Die Färbung des Felles, welche mit der Umgebung übereinſtimmt und
in dieſer förmlich aufgeht, trägt weſentlich dazu bei, unſere Zwerge zu verbergen. „Das allergeübteſte
Auge,‟ ſagt Kapitän Drayſon ſehr richtig, „iſt erforderlich, um ein Buſch- oder Blauböckchen
zu entdecken, weil ihre Felle der Dämmerung des Unterholzes ſo genau gleichen, daß man das kleine
Ding nicht bemerken würde, wenn ſich nicht die im Laufe berührten Zweige bewegten. Gewöhnlich
iſt das Böckchen lange vorher, ehe der Jäger ſich überzeugen konnte, daß er es wirklich geſehen habe,
ſchon auf und davon. Wenn ich ſo mit den Kaſſern ging, deren Falkenaugen das Dickicht durch-
bohren, iſt es mir oft vorgekommen, daß ſie mit großer Beſtimmtheit ſagten: „„Dort geht ein Blau-
böckchen, ſieh, dort iſt es, dort, dort!‟‟ Aber für mich waren ſolche Fingerzeige vergebens. Jch
mochte mich auch anſtrengen und nach dem bezeichneten Fleck hinſehen, wie ich wollte: — alles An-
dere ſah ich, nur nicht das Böckchen.‟ Genau ſo ging es mir im Anfang mit dem Beni Jſrael.
Doch das Jägerauge findet ſich. Wenn man recht ſorgfältig das Gebüſch abſucht und ſeine Aufmerk-
ſamkeit hauptſächlich auf dunkle, freie Stellen im Gelaube richtet, ſieht man die zierlichen Waldes-
kinder ſicherlich. Gerade auf dieſe Blößen ſtellen ſie ſich, wenn ſie aufgeſcheucht werden. Jhre un-
gemein feinen Sinne und namentlich das mit den großen Ohren im Einklang ſtehende ſcharfe Gehör
verrathen ihnen die Ankunft des Menſchen lange vorher, ehe dieſer eine Ahnung von ihrem Vorhan-
denſein hat. Beim geringſten verdächtigen Geräuſch ſpringt der Bock auf und lauſcht ſcharf nach
der bezüglichen Seite hin; allein dieſe Unterſuchung genügt ihm nicht: er muß auch ſehen, und des-
halb geht er langſam nach einem jener offenen Plätze, ſtellt ſich dort ſtarr wie eine Bildſäule auf und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/546>, abgerufen am 23.11.2024.
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