Büsche, in denen das Zwergböckchen lebt, von Frankolinen und Perlhühnern, welche man doch auch nicht gern unbehelligt wegfliegen läßt, aber selbstverständlich mit der Büchse nicht erlegen kann.
Wenn man bei der Jagd des Beni Jsrael festhält, daß der Bock sich immer höher und stolzer trägt, als das Thier, und daß er auf der Flucht regelmäßig vorauseilt, erspart man sich bald den Kummer, ein Thier, zumal ein hochbeschlagenes, zu erlegen; an anderen Kennzeichen vermochte ich die Geschlechter nicht zu unterscheiden, selbst wenn ich auf 40 bis 50 Schritte zum Schuß kam.
Das Wildpret des Beni Jsrael ist ziemlich hart und zähe, obwohl noch immer eine recht leid- liche Speise. Es eignet sich fast mehr zur Bereitung von Suppe, als zum Braten. Auf Draysons Rath habe ich mich hauptsächlich an die Leber der Zwergantilope gehalten und muß jenem Gewährs- mann Recht geben, daß sie ein wahrer Leckerbissen ist.
Ueber alt gefangene Zwergantilopen habe ich selbst keine Beobachtungen machen können, und das erwähnte Kälbchen blieb, ungeachtet der sorgfältigsten Pflege, nur wenige Tage am Leben. Meine Frau, deren ganz besonderer Liebling das wirklich reizende Geschöpf war, hielt ihm eine melkende Ziege und überwachte seine Ernährung mit der größten Sorgfalt. Es besäugte auch seine Pflege- mutter ohne besondere Umstände und schien in den ersten Tagen seiner Gefangenschaft sich ganz wohl zu befinden. Bereits hatte es sich an seine Pflegerin so gewöhnt, daß es nicht die geringste Furcht mehr vor ihr zu erkennen gab und zu den schönsten Hoffnungen berechtigte. Da bekam es plötzlich eine Geschwulst an der Kehle, und am anderen Tage war es eingegangen! -- Von anderen Beobach- tern erfahre ich, daß man Zwergantilopen schon mehrmals in der Gefangenschaft gehalten hat. Außerhalb ihres Vaterlandes erliegen sie freilich bald den Einflüssen des fremden Klimas, und deshalb ist es sehr schwer, sie lebend bis nach Europa zu bringen. Allein am Kap und in anderen Theilen Afrikas hat man sie längere Zeit im Zimmer oder im Gehöft gehalten. Man sagt, daß jung einge- fangene bald große Anhänglichkeit an ihren Pfleger zeigen, seinem Rufe folgen, sich gern berühren, krauen, auf dem Arme herum tragen lassen und überhaupt dem Menschenwillen sich widerstandslos ergeben. Eine überaus große Gutmüthigkeit, Sanftmuth und Liebenswürdigkeit wird gerühmt. Brod, Möhren, Kartoffeln und Grünzeug genügen zur Ernährung der Gefangenen vollständig; Früchte und Blüthen verschmähen sie auch nicht; Salz lecken sie, wie die meisten anderen Wieder- käuer, mit Vergnügen auf; Wasser ist ihnen ein Bedürfniß. Sie halten sich so rein, daß man sie ohne Sorge zum Genossen der Wohnstube machen könnte; nur ihr Harn riecht unangenehm. Wenn sie sich nach ihrem Pfleger sehnen, stoßen sie ein leises Blöcken aus; die Furcht geben sie durch Schneuzen zu erkennen. Dies kann man namentlich bei Gewittern bemerken: sie schnaufen bei jedem heftigen Donnerschlag. Oft pressen sie eine kleberige, ölige Schmiere aus den Furchen, welche ihre Thränengruben vertreten. Diese Masse riecht wie Moschus, und die Thiere scheinen großen Wohlgefallen an ihrem Geruch zu haben. Jm übrigen behalten sie auch in der Gefangenschaft ihre Sitten bei. So legen sie niemals ihre Schreckhaftigkeit ab; sie fliehen eiligst davon, wenn Jemand, zumal ein Fremder, eine rasche Bewegung macht; sie versuchen sich sogar zu ducken und zu verbergen: allein schon nach kurzer Zeit zeigen sie gegen Bekannte dieselbe Zutraulichkeit wieder, wie vorher.
Nach Europa herüber dürften nur sehr wenig lebende Zwergantilopen gekommen sein. Unser rauhes Klima tödtet die zarten Kinder des Sonnenlandes auch so bald, daß sich die auf ihre Einbrin- gung verwandte Mühe kaum verlohnt.
Außer dem Menschen ist der schlimmste Feind der Zwergantilopen wohl überall der Leopard. Jn Abissinien zieht er gerade die Dickichte, wo sich Atros aufhalten, allen übrigen Jagdplätzen vor. Wenn auch die kleinen Antilopen den ganzen Tag über in Bewegung sind, zeigen sie doch in den Frühstunden und noch mehr gegen Abend eine besondere Regsamkeit. Um diese Zeit begegnet man der gewandten Katze häufig genug auf ihren Schleichwegen, und noch viel öfter mag sie vorhanden sein, ohne daß man eine Ahnung hat. Ein alter italienischer Jäger, der schon genannte Pater Filippini, versicherte mir, daß der Leopard nur dann in die Dörfer komme, wenn ihm seine Anti- lopenjagd mißglückte, und ich habe keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit dieser Angabe zu zweifeln.
Zwergböckchen. Der Beni Jſrael oder Atro.
Büſche, in denen das Zwergböckchen lebt, von Frankolinen und Perlhühnern, welche man doch auch nicht gern unbehelligt wegfliegen läßt, aber ſelbſtverſtändlich mit der Büchſe nicht erlegen kann.
Wenn man bei der Jagd des Beni Jſrael feſthält, daß der Bock ſich immer höher und ſtolzer trägt, als das Thier, und daß er auf der Flucht regelmäßig vorauseilt, erſpart man ſich bald den Kummer, ein Thier, zumal ein hochbeſchlagenes, zu erlegen; an anderen Kennzeichen vermochte ich die Geſchlechter nicht zu unterſcheiden, ſelbſt wenn ich auf 40 bis 50 Schritte zum Schuß kam.
Das Wildpret des Beni Jſrael iſt ziemlich hart und zähe, obwohl noch immer eine recht leid- liche Speiſe. Es eignet ſich faſt mehr zur Bereitung von Suppe, als zum Braten. Auf Drayſons Rath habe ich mich hauptſächlich an die Leber der Zwergantilope gehalten und muß jenem Gewährs- mann Recht geben, daß ſie ein wahrer Leckerbiſſen iſt.
Ueber alt gefangene Zwergantilopen habe ich ſelbſt keine Beobachtungen machen können, und das erwähnte Kälbchen blieb, ungeachtet der ſorgfältigſten Pflege, nur wenige Tage am Leben. Meine Frau, deren ganz beſonderer Liebling das wirklich reizende Geſchöpf war, hielt ihm eine melkende Ziege und überwachte ſeine Ernährung mit der größten Sorgfalt. Es beſäugte auch ſeine Pflege- mutter ohne beſondere Umſtände und ſchien in den erſten Tagen ſeiner Gefangenſchaft ſich ganz wohl zu befinden. Bereits hatte es ſich an ſeine Pflegerin ſo gewöhnt, daß es nicht die geringſte Furcht mehr vor ihr zu erkennen gab und zu den ſchönſten Hoffnungen berechtigte. Da bekam es plötzlich eine Geſchwulſt an der Kehle, und am anderen Tage war es eingegangen! — Von anderen Beobach- tern erfahre ich, daß man Zwergantilopen ſchon mehrmals in der Gefangenſchaft gehalten hat. Außerhalb ihres Vaterlandes erliegen ſie freilich bald den Einflüſſen des fremden Klimas, und deshalb iſt es ſehr ſchwer, ſie lebend bis nach Europa zu bringen. Allein am Kap und in anderen Theilen Afrikas hat man ſie längere Zeit im Zimmer oder im Gehöft gehalten. Man ſagt, daß jung einge- fangene bald große Anhänglichkeit an ihren Pfleger zeigen, ſeinem Rufe folgen, ſich gern berühren, krauen, auf dem Arme herum tragen laſſen und überhaupt dem Menſchenwillen ſich widerſtandslos ergeben. Eine überaus große Gutmüthigkeit, Sanftmuth und Liebenswürdigkeit wird gerühmt. Brod, Möhren, Kartoffeln und Grünzeug genügen zur Ernährung der Gefangenen vollſtändig; Früchte und Blüthen verſchmähen ſie auch nicht; Salz lecken ſie, wie die meiſten anderen Wieder- käuer, mit Vergnügen auf; Waſſer iſt ihnen ein Bedürfniß. Sie halten ſich ſo rein, daß man ſie ohne Sorge zum Genoſſen der Wohnſtube machen könnte; nur ihr Harn riecht unangenehm. Wenn ſie ſich nach ihrem Pfleger ſehnen, ſtoßen ſie ein leiſes Blöcken aus; die Furcht geben ſie durch Schneuzen zu erkennen. Dies kann man namentlich bei Gewittern bemerken: ſie ſchnaufen bei jedem heftigen Donnerſchlag. Oft preſſen ſie eine kleberige, ölige Schmiere aus den Furchen, welche ihre Thränengruben vertreten. Dieſe Maſſe riecht wie Moſchus, und die Thiere ſcheinen großen Wohlgefallen an ihrem Geruch zu haben. Jm übrigen behalten ſie auch in der Gefangenſchaft ihre Sitten bei. So legen ſie niemals ihre Schreckhaftigkeit ab; ſie fliehen eiligſt davon, wenn Jemand, zumal ein Fremder, eine raſche Bewegung macht; ſie verſuchen ſich ſogar zu ducken und zu verbergen: allein ſchon nach kurzer Zeit zeigen ſie gegen Bekannte dieſelbe Zutraulichkeit wieder, wie vorher.
Nach Europa herüber dürften nur ſehr wenig lebende Zwergantilopen gekommen ſein. Unſer rauhes Klima tödtet die zarten Kinder des Sonnenlandes auch ſo bald, daß ſich die auf ihre Einbrin- gung verwandte Mühe kaum verlohnt.
Außer dem Menſchen iſt der ſchlimmſte Feind der Zwergantilopen wohl überall der Leopard. Jn Abiſſinien zieht er gerade die Dickichte, wo ſich Atros aufhalten, allen übrigen Jagdplätzen vor. Wenn auch die kleinen Antilopen den ganzen Tag über in Bewegung ſind, zeigen ſie doch in den Frühſtunden und noch mehr gegen Abend eine beſondere Regſamkeit. Um dieſe Zeit begegnet man der gewandten Katze häufig genug auf ihren Schleichwegen, und noch viel öfter mag ſie vorhanden ſein, ohne daß man eine Ahnung hat. Ein alter italieniſcher Jäger, der ſchon genannte Pater Filippini, verſicherte mir, daß der Leopard nur dann in die Dörfer komme, wenn ihm ſeine Anti- lopenjagd mißglückte, und ich habe keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit dieſer Angabe zu zweifeln.
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[519/0549]
Zwergböckchen. Der Beni Jſrael oder Atro.
Büſche, in denen das Zwergböckchen lebt, von Frankolinen und Perlhühnern, welche man doch
auch nicht gern unbehelligt wegfliegen läßt, aber ſelbſtverſtändlich mit der Büchſe nicht erlegen kann.
Wenn man bei der Jagd des Beni Jſrael feſthält, daß der Bock ſich immer höher und ſtolzer
trägt, als das Thier, und daß er auf der Flucht regelmäßig vorauseilt, erſpart man ſich bald den
Kummer, ein Thier, zumal ein hochbeſchlagenes, zu erlegen; an anderen Kennzeichen vermochte ich
die Geſchlechter nicht zu unterſcheiden, ſelbſt wenn ich auf 40 bis 50 Schritte zum Schuß kam.
Das Wildpret des Beni Jſrael iſt ziemlich hart und zähe, obwohl noch immer eine recht leid-
liche Speiſe. Es eignet ſich faſt mehr zur Bereitung von Suppe, als zum Braten. Auf Drayſons
Rath habe ich mich hauptſächlich an die Leber der Zwergantilope gehalten und muß jenem Gewährs-
mann Recht geben, daß ſie ein wahrer Leckerbiſſen iſt.
Ueber alt gefangene Zwergantilopen habe ich ſelbſt keine Beobachtungen machen können, und
das erwähnte Kälbchen blieb, ungeachtet der ſorgfältigſten Pflege, nur wenige Tage am Leben. Meine
Frau, deren ganz beſonderer Liebling das wirklich reizende Geſchöpf war, hielt ihm eine melkende
Ziege und überwachte ſeine Ernährung mit der größten Sorgfalt. Es beſäugte auch ſeine Pflege-
mutter ohne beſondere Umſtände und ſchien in den erſten Tagen ſeiner Gefangenſchaft ſich ganz wohl
zu befinden. Bereits hatte es ſich an ſeine Pflegerin ſo gewöhnt, daß es nicht die geringſte Furcht
mehr vor ihr zu erkennen gab und zu den ſchönſten Hoffnungen berechtigte. Da bekam es plötzlich
eine Geſchwulſt an der Kehle, und am anderen Tage war es eingegangen! — Von anderen Beobach-
tern erfahre ich, daß man Zwergantilopen ſchon mehrmals in der Gefangenſchaft gehalten hat.
Außerhalb ihres Vaterlandes erliegen ſie freilich bald den Einflüſſen des fremden Klimas, und deshalb
iſt es ſehr ſchwer, ſie lebend bis nach Europa zu bringen. Allein am Kap und in anderen Theilen
Afrikas hat man ſie längere Zeit im Zimmer oder im Gehöft gehalten. Man ſagt, daß jung einge-
fangene bald große Anhänglichkeit an ihren Pfleger zeigen, ſeinem Rufe folgen, ſich gern berühren,
krauen, auf dem Arme herum tragen laſſen und überhaupt dem Menſchenwillen ſich widerſtandslos
ergeben. Eine überaus große Gutmüthigkeit, Sanftmuth und Liebenswürdigkeit wird gerühmt.
Brod, Möhren, Kartoffeln und Grünzeug genügen zur Ernährung der Gefangenen vollſtändig;
Früchte und Blüthen verſchmähen ſie auch nicht; Salz lecken ſie, wie die meiſten anderen Wieder-
käuer, mit Vergnügen auf; Waſſer iſt ihnen ein Bedürfniß. Sie halten ſich ſo rein, daß man ſie
ohne Sorge zum Genoſſen der Wohnſtube machen könnte; nur ihr Harn riecht unangenehm. Wenn
ſie ſich nach ihrem Pfleger ſehnen, ſtoßen ſie ein leiſes Blöcken aus; die Furcht geben ſie durch
Schneuzen zu erkennen. Dies kann man namentlich bei Gewittern bemerken: ſie ſchnaufen bei jedem
heftigen Donnerſchlag. Oft preſſen ſie eine kleberige, ölige Schmiere aus den Furchen, welche ihre
Thränengruben vertreten. Dieſe Maſſe riecht wie Moſchus, und die Thiere ſcheinen großen
Wohlgefallen an ihrem Geruch zu haben. Jm übrigen behalten ſie auch in der Gefangenſchaft ihre
Sitten bei. So legen ſie niemals ihre Schreckhaftigkeit ab; ſie fliehen eiligſt davon, wenn Jemand,
zumal ein Fremder, eine raſche Bewegung macht; ſie verſuchen ſich ſogar zu ducken und zu verbergen:
allein ſchon nach kurzer Zeit zeigen ſie gegen Bekannte dieſelbe Zutraulichkeit wieder, wie vorher.
Nach Europa herüber dürften nur ſehr wenig lebende Zwergantilopen gekommen ſein. Unſer
rauhes Klima tödtet die zarten Kinder des Sonnenlandes auch ſo bald, daß ſich die auf ihre Einbrin-
gung verwandte Mühe kaum verlohnt.
Außer dem Menſchen iſt der ſchlimmſte Feind der Zwergantilopen wohl überall der Leopard.
Jn Abiſſinien zieht er gerade die Dickichte, wo ſich Atros aufhalten, allen übrigen Jagdplätzen vor.
Wenn auch die kleinen Antilopen den ganzen Tag über in Bewegung ſind, zeigen ſie doch in den
Frühſtunden und noch mehr gegen Abend eine beſondere Regſamkeit. Um dieſe Zeit begegnet man
der gewandten Katze häufig genug auf ihren Schleichwegen, und noch viel öfter mag ſie vorhanden
ſein, ohne daß man eine Ahnung hat. Ein alter italieniſcher Jäger, der ſchon genannte Pater
Filippini, verſicherte mir, daß der Leopard nur dann in die Dörfer komme, wenn ihm ſeine Anti-
lopenjagd mißglückte, und ich habe keinen Grund, an der Glaubwürdigkeit dieſer Angabe zu zweifeln.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/549>, abgerufen am 23.11.2024.
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