das Junge ab und zu seinen Schutzort und treibt sich neben der Alten im Freien umher, noch lange Zeit flüchtet es aber, sobald es Gefahr fürchtet, in den Beutel zurück. Es kommt mit gewaltigen Sätzen einhergerannt und stürzt sich, ohne auch nur einen Augenblick anzuhalten, kopfüber in den halbgeöffneten Beutel der ruhig auf ihren Hinterläufen sitzenden Mutter, kehrt sich im Nu um und schaut dann mit einem unendlich komischen Ausdruck des beneidenswerthesten Sicherheitsbewußt- seins aus der Beutelöffnung hervor.
"Ende Septembers," sagt Weinland, welchem ich Vorstehendes nacherzählt habe, "bemerkten wir das im Januar geborene, weibliche Junge des Bennett'schen Känguru zum letzten Male in dem Beutel; aber wenn die Tochter nunmehr auch auf den Schutz der Mutter verzichtete, hörte sie doch nicht auf, Nahrung von ihr zu fordern. Noch am 22. Oktober sahen wir das Junge an der Mutter saugen, und zu unserer nicht geringen Ueberraschung beobachteten wir an demselben Tage jenes eigen- thümliche Zittern und Zucken in seinem Beutel, das uns über den eigenen Zustand keinen Zweifel ließ. Der sonderbare, unseres Wissens noch nie beobachtete Fall steht fest: selbst schon Mutter, ja bereits ein Junges im Beutel säugend, verlangt dieses Thier noch immer die nährende Milch seiner Alten! Aber noch mehr Enthüllungen lieferte die leider nothwendig gewordene Zergliederung des Mutterthieres, welches sich durch Anrennen an das Gitter den Tod zugezogen hatte. Es fand sich in dem Beutel ein bereits todtes, noch nacktes Junge von drei Zoll Länge, welches also mindestens vor zwei Monaten schon geboren worden war, und somit stellte sich heraus, daß das Känguruweibchen unter Umständen zugleich die Kinder zweier Würfe und mittelbar noch sein Enkelchen säugte: das erwähnte herangewachsene, selbst schon tragende und säugende, und dessen Kind, sowie das kleine Nackte im Beutel."
Reisende in Australien berichten, daß Kängurumütter ihr Junges bei großer Gefahr in eigenthüm- licher Weise zu retten suchen, namentlich, wenn sie sich verwundet fühlen. Falls sie sich nicht mehr im Stande sehen, dem drohenden Verderben zu entrinnen, heben sie das Junge schnell aus dem Beutel, setzen es auf den Boden und fliehen, beständig traurig nach ihrem Sprößlinge sich umsehend, weiter, solange sie können: sie geben sich also gern zu Gunsten ihrer Jungen preis und erreichen wirklich nicht selten ihren Zweck, indem die hitzig gewordenen Verfolger ihr Augenmerk ausschließlich auf die Alte richten und an den Jungen vorbeistürmen. --
Die Springbeutelthiere vertreten in ihrer Heimat gewissermaßen das dort fehlende Wild, und werden auch, wie dieses, leidenschaftlich gejagt, von den Raubthieren, wie von den Menschen, von den Eingeborenen, wie von den Weißen. Die Schwarzen suchen sich so unbemerkt als möglich an eine Gesellschaft weidender Kängurus heranzuschleichen und verstehen es meisterhaft, sie derart zu umstellen, daß wenigstens einige des Trupps ihnen zum Opfer fallen. Bei Hauptjagden legen sich die Einen in den Hinterhalt, und die Anderen treiben diesen das Wild zu, indem sie erst so nahe als möglich an die weidenden Herden herankriechen, dann aber plötzlich mit Geschrei aufspringen. Schreck- erfüllt wenden sich die Thiere nach der ihnen offen erscheinenden Seite hin und fallen somit ziemlich sicher in die Gewalt der versteckten Jäger. Außerdem verstehen es die Australier, Schlingen aller Art und Fangnetze anzufertigen und geschickt zu stellen. Die englischen Ansiedler bedienen sich einer besondern Rasse von Hunden, welche durch Kreuzung des englischen Schweißhundes mit dem Bullenbeißer entstanden sind, sich durch Muth, Stärke und Ausdauer auszeichnen und deshalb für diese Jagd besonders abgerichtet werden. Drei bis vier Hunde sind in den meisten Fällen aus- reichend, ein aufgetriebenes Känguru zu stellen oder es dem Jäger zum Schuß zuzutreiben. Doch ist die Jagd keineswegs ohne alle Gefahr; denn das Känguru weiß seine starken, kralligen Hinter- füße in der bereits angegebenen Weise auch gegen Hunde oder Menschen zu gebrauchen, und die größeren Arten leisten oft einen hartnäckigen Widerstand. Befindet sich in der Nähe des Weidegrun- des ein Fluß oder See, so eilen die Kängurus regelmäßig dem Wasser zu und stellen sich darin ruhig auf, die ankommenden Hunde erwartend. Jhre große Leibeshöhe erlaubt ihnen, zu stehen, wenn die Hunde bereits schwimmen müssen, und gerade hierdurch erlangen sie Vortheile. Der erste Hund
Die Kängurus, Springbeutler oder Beutelhaſen.
das Junge ab und zu ſeinen Schutzort und treibt ſich neben der Alten im Freien umher, noch lange Zeit flüchtet es aber, ſobald es Gefahr fürchtet, in den Beutel zurück. Es kommt mit gewaltigen Sätzen einhergerannt und ſtürzt ſich, ohne auch nur einen Augenblick anzuhalten, kopfüber in den halbgeöffneten Beutel der ruhig auf ihren Hinterläufen ſitzenden Mutter, kehrt ſich im Nu um und ſchaut dann mit einem unendlich komiſchen Ausdruck des beneidenswertheſten Sicherheitsbewußt- ſeins aus der Beutelöffnung hervor.
„Ende Septembers,‟ ſagt Weinland, welchem ich Vorſtehendes nacherzählt habe, „bemerkten wir das im Januar geborene, weibliche Junge des Bennett’ſchen Känguru zum letzten Male in dem Beutel; aber wenn die Tochter nunmehr auch auf den Schutz der Mutter verzichtete, hörte ſie doch nicht auf, Nahrung von ihr zu fordern. Noch am 22. Oktober ſahen wir das Junge an der Mutter ſaugen, und zu unſerer nicht geringen Ueberraſchung beobachteten wir an demſelben Tage jenes eigen- thümliche Zittern und Zucken in ſeinem Beutel, das uns über den eigenen Zuſtand keinen Zweifel ließ. Der ſonderbare, unſeres Wiſſens noch nie beobachtete Fall ſteht feſt: ſelbſt ſchon Mutter, ja bereits ein Junges im Beutel ſäugend, verlangt dieſes Thier noch immer die nährende Milch ſeiner Alten! Aber noch mehr Enthüllungen lieferte die leider nothwendig gewordene Zergliederung des Mutterthieres, welches ſich durch Anrennen an das Gitter den Tod zugezogen hatte. Es fand ſich in dem Beutel ein bereits todtes, noch nacktes Junge von drei Zoll Länge, welches alſo mindeſtens vor zwei Monaten ſchon geboren worden war, und ſomit ſtellte ſich heraus, daß das Känguruweibchen unter Umſtänden zugleich die Kinder zweier Würfe und mittelbar noch ſein Enkelchen ſäugte: das erwähnte herangewachſene, ſelbſt ſchon tragende und ſäugende, und deſſen Kind, ſowie das kleine Nackte im Beutel.‟
Reiſende in Auſtralien berichten, daß Kängurumütter ihr Junges bei großer Gefahr in eigenthüm- licher Weiſe zu retten ſuchen, namentlich, wenn ſie ſich verwundet fühlen. Falls ſie ſich nicht mehr im Stande ſehen, dem drohenden Verderben zu entrinnen, heben ſie das Junge ſchnell aus dem Beutel, ſetzen es auf den Boden und fliehen, beſtändig traurig nach ihrem Sprößlinge ſich umſehend, weiter, ſolange ſie können: ſie geben ſich alſo gern zu Gunſten ihrer Jungen preis und erreichen wirklich nicht ſelten ihren Zweck, indem die hitzig gewordenen Verfolger ihr Augenmerk ausſchließlich auf die Alte richten und an den Jungen vorbeiſtürmen. —
Die Springbeutelthiere vertreten in ihrer Heimat gewiſſermaßen das dort fehlende Wild, und werden auch, wie dieſes, leidenſchaftlich gejagt, von den Raubthieren, wie von den Menſchen, von den Eingeborenen, wie von den Weißen. Die Schwarzen ſuchen ſich ſo unbemerkt als möglich an eine Geſellſchaft weidender Kängurus heranzuſchleichen und verſtehen es meiſterhaft, ſie derart zu umſtellen, daß wenigſtens einige des Trupps ihnen zum Opfer fallen. Bei Hauptjagden legen ſich die Einen in den Hinterhalt, und die Anderen treiben dieſen das Wild zu, indem ſie erſt ſo nahe als möglich an die weidenden Herden herankriechen, dann aber plötzlich mit Geſchrei aufſpringen. Schreck- erfüllt wenden ſich die Thiere nach der ihnen offen erſcheinenden Seite hin und fallen ſomit ziemlich ſicher in die Gewalt der verſteckten Jäger. Außerdem verſtehen es die Auſtralier, Schlingen aller Art und Fangnetze anzufertigen und geſchickt zu ſtellen. Die engliſchen Anſiedler bedienen ſich einer beſondern Raſſe von Hunden, welche durch Kreuzung des engliſchen Schweißhundes mit dem Bullenbeißer entſtanden ſind, ſich durch Muth, Stärke und Ausdauer auszeichnen und deshalb für dieſe Jagd beſonders abgerichtet werden. Drei bis vier Hunde ſind in den meiſten Fällen aus- reichend, ein aufgetriebenes Känguru zu ſtellen oder es dem Jäger zum Schuß zuzutreiben. Doch iſt die Jagd keineswegs ohne alle Gefahr; denn das Känguru weiß ſeine ſtarken, kralligen Hinter- füße in der bereits angegebenen Weiſe auch gegen Hunde oder Menſchen zu gebrauchen, und die größeren Arten leiſten oft einen hartnäckigen Widerſtand. Befindet ſich in der Nähe des Weidegrun- des ein Fluß oder See, ſo eilen die Kängurus regelmäßig dem Waſſer zu und ſtellen ſich darin ruhig auf, die ankommenden Hunde erwartend. Jhre große Leibeshöhe erlaubt ihnen, zu ſtehen, wenn die Hunde bereits ſchwimmen müſſen, und gerade hierdurch erlangen ſie Vortheile. Der erſte Hund
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[47/0059]
Die Kängurus, Springbeutler oder Beutelhaſen.
das Junge ab und zu ſeinen Schutzort und treibt ſich neben der Alten im Freien umher, noch lange
Zeit flüchtet es aber, ſobald es Gefahr fürchtet, in den Beutel zurück. Es kommt mit gewaltigen
Sätzen einhergerannt und ſtürzt ſich, ohne auch nur einen Augenblick anzuhalten, kopfüber in
den halbgeöffneten Beutel der ruhig auf ihren Hinterläufen ſitzenden Mutter, kehrt ſich im Nu um
und ſchaut dann mit einem unendlich komiſchen Ausdruck des beneidenswertheſten Sicherheitsbewußt-
ſeins aus der Beutelöffnung hervor.
„Ende Septembers,‟ ſagt Weinland, welchem ich Vorſtehendes nacherzählt habe, „bemerkten
wir das im Januar geborene, weibliche Junge des Bennett’ſchen Känguru zum letzten Male in dem
Beutel; aber wenn die Tochter nunmehr auch auf den Schutz der Mutter verzichtete, hörte ſie doch
nicht auf, Nahrung von ihr zu fordern. Noch am 22. Oktober ſahen wir das Junge an der Mutter
ſaugen, und zu unſerer nicht geringen Ueberraſchung beobachteten wir an demſelben Tage jenes eigen-
thümliche Zittern und Zucken in ſeinem Beutel, das uns über den eigenen Zuſtand keinen Zweifel
ließ. Der ſonderbare, unſeres Wiſſens noch nie beobachtete Fall ſteht feſt: ſelbſt ſchon Mutter, ja
bereits ein Junges im Beutel ſäugend, verlangt dieſes Thier noch immer die nährende Milch ſeiner
Alten! Aber noch mehr Enthüllungen lieferte die leider nothwendig gewordene Zergliederung des
Mutterthieres, welches ſich durch Anrennen an das Gitter den Tod zugezogen hatte. Es fand ſich in
dem Beutel ein bereits todtes, noch nacktes Junge von drei Zoll Länge, welches alſo mindeſtens vor
zwei Monaten ſchon geboren worden war, und ſomit ſtellte ſich heraus, daß das Känguruweibchen
unter Umſtänden zugleich die Kinder zweier Würfe und mittelbar noch ſein Enkelchen ſäugte: das
erwähnte herangewachſene, ſelbſt ſchon tragende und ſäugende, und deſſen Kind, ſowie das kleine
Nackte im Beutel.‟
Reiſende in Auſtralien berichten, daß Kängurumütter ihr Junges bei großer Gefahr in eigenthüm-
licher Weiſe zu retten ſuchen, namentlich, wenn ſie ſich verwundet fühlen. Falls ſie ſich nicht mehr im
Stande ſehen, dem drohenden Verderben zu entrinnen, heben ſie das Junge ſchnell aus dem Beutel,
ſetzen es auf den Boden und fliehen, beſtändig traurig nach ihrem Sprößlinge ſich umſehend, weiter,
ſolange ſie können: ſie geben ſich alſo gern zu Gunſten ihrer Jungen preis und erreichen wirklich
nicht ſelten ihren Zweck, indem die hitzig gewordenen Verfolger ihr Augenmerk ausſchließlich auf die
Alte richten und an den Jungen vorbeiſtürmen. —
Die Springbeutelthiere vertreten in ihrer Heimat gewiſſermaßen das dort fehlende Wild, und
werden auch, wie dieſes, leidenſchaftlich gejagt, von den Raubthieren, wie von den Menſchen, von
den Eingeborenen, wie von den Weißen. Die Schwarzen ſuchen ſich ſo unbemerkt als möglich an
eine Geſellſchaft weidender Kängurus heranzuſchleichen und verſtehen es meiſterhaft, ſie derart zu
umſtellen, daß wenigſtens einige des Trupps ihnen zum Opfer fallen. Bei Hauptjagden legen ſich
die Einen in den Hinterhalt, und die Anderen treiben dieſen das Wild zu, indem ſie erſt ſo nahe als
möglich an die weidenden Herden herankriechen, dann aber plötzlich mit Geſchrei aufſpringen. Schreck-
erfüllt wenden ſich die Thiere nach der ihnen offen erſcheinenden Seite hin und fallen ſomit ziemlich
ſicher in die Gewalt der verſteckten Jäger. Außerdem verſtehen es die Auſtralier, Schlingen aller
Art und Fangnetze anzufertigen und geſchickt zu ſtellen. Die engliſchen Anſiedler bedienen ſich einer
beſondern Raſſe von Hunden, welche durch Kreuzung des engliſchen Schweißhundes mit dem
Bullenbeißer entſtanden ſind, ſich durch Muth, Stärke und Ausdauer auszeichnen und deshalb
für dieſe Jagd beſonders abgerichtet werden. Drei bis vier Hunde ſind in den meiſten Fällen aus-
reichend, ein aufgetriebenes Känguru zu ſtellen oder es dem Jäger zum Schuß zuzutreiben. Doch
iſt die Jagd keineswegs ohne alle Gefahr; denn das Känguru weiß ſeine ſtarken, kralligen Hinter-
füße in der bereits angegebenen Weiſe auch gegen Hunde oder Menſchen zu gebrauchen, und die
größeren Arten leiſten oft einen hartnäckigen Widerſtand. Befindet ſich in der Nähe des Weidegrun-
des ein Fluß oder See, ſo eilen die Kängurus regelmäßig dem Waſſer zu und ſtellen ſich darin ruhig
auf, die ankommenden Hunde erwartend. Jhre große Leibeshöhe erlaubt ihnen, zu ſtehen, wenn die
Hunde bereits ſchwimmen müſſen, und gerade hierdurch erlangen ſie Vortheile. Der erſte Hund
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/59>, abgerufen am 27.11.2024.
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