Die Antilopen. -- Die Kuhantilope oder das Haartebeest. Das Gnu.
und findet sich auch in den unfruchtbarsten Gegenden. Gewöhnlich trifft man sie in Rudeln von 6 bis 8 Stücken an. Zu gewissen Zeiten wandert sie aber in großen Herden von zwei-bis fünf- hundert umher, wie der Springbock. Oft mischt sie sich mit den Gnu-, Buschböcken-, Straußen herden, und dann vereinigen sich Gesellschaften höchst verschiedener Thiere, welche Tau- sende zählen. Unter ihnen spielt das Haartebeest eine hervorragende Rolle, weil die alten Böcke sich vor anderen durch Vorsicht und eine gewisse Schlauheit auszeichnen.
Sonst ist über ihr Freileben im ganzen nicht viel zu berichten: man kennt sie noch zu wenig. Sie ist zwar ein sehr eifrig gejagtes Wild, scheint aber noch keinen Beobachter gefunden zu haben, welcher sie ausführlich beschrieben hätte. Man weiß, daß sie ein ziemlich schwerfälliges und unbeholfenes Geschöpf ist, welches aber doch, wenn es einmal in Trab gekommen ist, dem Jäger viel zu schaffen macht. Die Kuhantilope soll feinen Geruch und scharfes Gesicht besitzen, und deshalb die Jagd außerordentlich erschweren. Bei Gefahr stürzt der Anführer einer Herde in blinder Flucht dahin, und die ganze Truppe in einer langen geschlossenen Reihe hinter ihm drein. Der Jäger sucht das Wild mit dem Pferde einzuholen und erlegt es vermittelst des Feuergewehrs. Solange es irgend angeht, flüchtet die Antilope, wird sie aber in die Enge getrieben oder verwundet, so kehrt sie plötzlich um und stürzt wie ein wüthender Stier auf ihren Angreifer los, der sich dann äußerst in Acht zu nehmen hat.
Während der Brunstzeit kämpfen die Böcke hartnäckig unter einander, und starke werden dann auch ganz Unbetheiligten oft gefährlich. Das alte Thier setzt ein einziges Kalb, welches sogleich der Mutter folgt und bis zur nächsten Brunst bei ihr bleibt. Jung eingefangene Kälber werden sehr zahm und halten die Gefangenschaft lange aus. Doch ist eigentlich nur dem Weibchen zu trauen, weil die Böcke mit zunehmendem Alter nicht selten große Bosheit zeigen.
Das Fleisch, die Haut und die Hörner finden vielfache Benutzung. Ersteres wird in Streifen geschnitten, an der Luft gedörrt und später verwendet. Das Fell benutzt man zu Decken; aus der gegerbten Haut bereitet man Riemen und Pferdegeschirr; die Hörner werden wegen ihrer Härte und des Glanzes zu allerlei Gegenständen verarbeitet.
An das Ende der reichen Familie stellen wir einen der sonderbarsten aller Wiederkäuer, das Gnu (Catoblepas Gnu), ein merkwürdiges Mittelding zwischen Antilope, Rind und Pferd, ein wahres Zerrbild der edlen und zierlichen Gestalten, welche wir bisjetzt kennen gelernt haben. Man bleibt lange in Zweifel, welches Geschöpf man eigentlich vor sich hat, wenn man das Gnu zum ersten Male ansieht. Das Thier erscheint als ein Pferd mit gespaltenen Hufen und einem Stierkopfe und es beweist durch sein Betragen, daß sein ganzes Wesen mit dieser Zwittergestalt im besten Einklange steht. Unmöglich kann man das Gnu ein schönes Thier nennen, so zierlich auch der Bau mancher einzelnen Theile erscheinen mag.
Das Gnu oder "Wildebeest" der holländischen Ansiedler hat die Gestalt und Größe eines einjährigen Pferdes, dicke, gebogene Hörner, einen Roßschweif, eine aufrecht stehende Mähne und eigenthümliche Haarwucherungen auf der Stirn und an der Brust. Die Farbe ist einfarbig grau- braun, an manchen Stellen heller, an manchen dunkler, bald mehr ins Gelbe oder Röthliche, bald mehr ins Schwärzliche ziehend. Die Nackenmähne erscheint weißlich: ihre Haare sind an der Wurzel grauweiß, in der Mitte schwarz und an der Spitze röthlich. Das Schwanzhaar ist an der Wurzel graubraun, an der Spitze weißlich, zumal das lange der Quaste. Die Mähne an Brust und Hals ist dunkelgraubraun, der Kinnbart weißlich; die Haarbüschel auf dem Nasenrücken und unter den Augen sind braun, die Borstenhaare um die Augen und die Schnurrborsten weiß.
Beide Geschlechter sind gehörnt. Die flachen und plattgedrückten Hörner biegen sich nach abwärts und mit der Spitze nach auswärts. Erwachsene Thiere werden über 71/2 Fuß lang, wovon auf den Schwanz ohne Haar 11/2, mit dem Haar aber 2 bis 3 Fuß kommen; die Höhe am Widerrist beträgt
Die Antilopen. — Die Kuhantilope oder das Haartebeeſt. Das Gnu.
und findet ſich auch in den unfruchtbarſten Gegenden. Gewöhnlich trifft man ſie in Rudeln von 6 bis 8 Stücken an. Zu gewiſſen Zeiten wandert ſie aber in großen Herden von zwei-bis fünf- hundert umher, wie der Springbock. Oft miſcht ſie ſich mit den Gnu-, Buſchböcken-, Straußen herden, und dann vereinigen ſich Geſellſchaften höchſt verſchiedener Thiere, welche Tau- ſende zählen. Unter ihnen ſpielt das Haartebeeſt eine hervorragende Rolle, weil die alten Böcke ſich vor anderen durch Vorſicht und eine gewiſſe Schlauheit auszeichnen.
Sonſt iſt über ihr Freileben im ganzen nicht viel zu berichten: man kennt ſie noch zu wenig. Sie iſt zwar ein ſehr eifrig gejagtes Wild, ſcheint aber noch keinen Beobachter gefunden zu haben, welcher ſie ausführlich beſchrieben hätte. Man weiß, daß ſie ein ziemlich ſchwerfälliges und unbeholfenes Geſchöpf iſt, welches aber doch, wenn es einmal in Trab gekommen iſt, dem Jäger viel zu ſchaffen macht. Die Kuhantilope ſoll feinen Geruch und ſcharfes Geſicht beſitzen, und deshalb die Jagd außerordentlich erſchweren. Bei Gefahr ſtürzt der Anführer einer Herde in blinder Flucht dahin, und die ganze Truppe in einer langen geſchloſſenen Reihe hinter ihm drein. Der Jäger ſucht das Wild mit dem Pferde einzuholen und erlegt es vermittelſt des Feuergewehrs. Solange es irgend angeht, flüchtet die Antilope, wird ſie aber in die Enge getrieben oder verwundet, ſo kehrt ſie plötzlich um und ſtürzt wie ein wüthender Stier auf ihren Angreifer los, der ſich dann äußerſt in Acht zu nehmen hat.
Während der Brunſtzeit kämpfen die Böcke hartnäckig unter einander, und ſtarke werden dann auch ganz Unbetheiligten oft gefährlich. Das alte Thier ſetzt ein einziges Kalb, welches ſogleich der Mutter folgt und bis zur nächſten Brunſt bei ihr bleibt. Jung eingefangene Kälber werden ſehr zahm und halten die Gefangenſchaft lange aus. Doch iſt eigentlich nur dem Weibchen zu trauen, weil die Böcke mit zunehmendem Alter nicht ſelten große Bosheit zeigen.
Das Fleiſch, die Haut und die Hörner finden vielfache Benutzung. Erſteres wird in Streifen geſchnitten, an der Luft gedörrt und ſpäter verwendet. Das Fell benutzt man zu Decken; aus der gegerbten Haut bereitet man Riemen und Pferdegeſchirr; die Hörner werden wegen ihrer Härte und des Glanzes zu allerlei Gegenſtänden verarbeitet.
An das Ende der reichen Familie ſtellen wir einen der ſonderbarſten aller Wiederkäuer, das Gnu (Catoblepas Gnu), ein merkwürdiges Mittelding zwiſchen Antilope, Rind und Pferd, ein wahres Zerrbild der edlen und zierlichen Geſtalten, welche wir bisjetzt kennen gelernt haben. Man bleibt lange in Zweifel, welches Geſchöpf man eigentlich vor ſich hat, wenn man das Gnu zum erſten Male anſieht. Das Thier erſcheint als ein Pferd mit geſpaltenen Hufen und einem Stierkopfe und es beweiſt durch ſein Betragen, daß ſein ganzes Weſen mit dieſer Zwittergeſtalt im beſten Einklange ſteht. Unmöglich kann man das Gnu ein ſchönes Thier nennen, ſo zierlich auch der Bau mancher einzelnen Theile erſcheinen mag.
Das Gnu oder „Wildebeeſt‟ der holländiſchen Anſiedler hat die Geſtalt und Größe eines einjährigen Pferdes, dicke, gebogene Hörner, einen Roßſchweif, eine aufrecht ſtehende Mähne und eigenthümliche Haarwucherungen auf der Stirn und an der Bruſt. Die Farbe iſt einfarbig grau- braun, an manchen Stellen heller, an manchen dunkler, bald mehr ins Gelbe oder Röthliche, bald mehr ins Schwärzliche ziehend. Die Nackenmähne erſcheint weißlich: ihre Haare ſind an der Wurzel grauweiß, in der Mitte ſchwarz und an der Spitze röthlich. Das Schwanzhaar iſt an der Wurzel graubraun, an der Spitze weißlich, zumal das lange der Quaſte. Die Mähne an Bruſt und Hals iſt dunkelgraubraun, der Kinnbart weißlich; die Haarbüſchel auf dem Naſenrücken und unter den Augen ſind braun, die Borſtenhaare um die Augen und die Schnurrborſten weiß.
Beide Geſchlechter ſind gehörnt. Die flachen und plattgedrückten Hörner biegen ſich nach abwärts und mit der Spitze nach auswärts. Erwachſene Thiere werden über 7½ Fuß lang, wovon auf den Schwanz ohne Haar 1½, mit dem Haar aber 2 bis 3 Fuß kommen; die Höhe am Widerriſt beträgt
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und findet ſich auch in den unfruchtbarſten Gegenden. Gewöhnlich trifft man ſie in Rudeln von
6 bis 8 Stücken an. Zu gewiſſen Zeiten wandert ſie aber in großen Herden von zwei-bis fünf-
hundert umher, wie der Springbock. Oft miſcht ſie ſich mit den Gnu-, Buſchböcken-,
Straußen herden, und dann vereinigen ſich Geſellſchaften höchſt verſchiedener Thiere, welche Tau-
ſende zählen. Unter ihnen ſpielt das Haartebeeſt eine hervorragende Rolle, weil die alten Böcke ſich
vor anderen durch Vorſicht und eine gewiſſe Schlauheit auszeichnen.
Sonſt iſt über ihr Freileben im ganzen nicht viel zu berichten: man kennt ſie noch zu wenig. Sie iſt
zwar ein ſehr eifrig gejagtes Wild, ſcheint aber noch keinen Beobachter gefunden zu haben, welcher ſie
ausführlich beſchrieben hätte. Man weiß, daß ſie ein ziemlich ſchwerfälliges und unbeholfenes Geſchöpf
iſt, welches aber doch, wenn es einmal in Trab gekommen iſt, dem Jäger viel zu ſchaffen macht. Die
Kuhantilope ſoll feinen Geruch und ſcharfes Geſicht beſitzen, und deshalb die Jagd außerordentlich
erſchweren. Bei Gefahr ſtürzt der Anführer einer Herde in blinder Flucht dahin, und die ganze
Truppe in einer langen geſchloſſenen Reihe hinter ihm drein. Der Jäger ſucht das Wild mit dem
Pferde einzuholen und erlegt es vermittelſt des Feuergewehrs. Solange es irgend angeht, flüchtet
die Antilope, wird ſie aber in die Enge getrieben oder verwundet, ſo kehrt ſie plötzlich um und ſtürzt
wie ein wüthender Stier auf ihren Angreifer los, der ſich dann äußerſt in Acht zu nehmen hat.
Während der Brunſtzeit kämpfen die Böcke hartnäckig unter einander, und ſtarke werden dann
auch ganz Unbetheiligten oft gefährlich. Das alte Thier ſetzt ein einziges Kalb, welches ſogleich der
Mutter folgt und bis zur nächſten Brunſt bei ihr bleibt. Jung eingefangene Kälber werden ſehr
zahm und halten die Gefangenſchaft lange aus. Doch iſt eigentlich nur dem Weibchen zu trauen,
weil die Böcke mit zunehmendem Alter nicht ſelten große Bosheit zeigen.
Das Fleiſch, die Haut und die Hörner finden vielfache Benutzung. Erſteres wird in Streifen
geſchnitten, an der Luft gedörrt und ſpäter verwendet. Das Fell benutzt man zu Decken; aus der
gegerbten Haut bereitet man Riemen und Pferdegeſchirr; die Hörner werden wegen ihrer Härte und
des Glanzes zu allerlei Gegenſtänden verarbeitet.
An das Ende der reichen Familie ſtellen wir einen der ſonderbarſten aller Wiederkäuer, das
Gnu (Catoblepas Gnu), ein merkwürdiges Mittelding zwiſchen Antilope, Rind und Pferd, ein
wahres Zerrbild der edlen und zierlichen Geſtalten, welche wir bisjetzt kennen gelernt haben. Man
bleibt lange in Zweifel, welches Geſchöpf man eigentlich vor ſich hat, wenn man das Gnu zum erſten
Male anſieht. Das Thier erſcheint als ein Pferd mit geſpaltenen Hufen und einem Stierkopfe und
es beweiſt durch ſein Betragen, daß ſein ganzes Weſen mit dieſer Zwittergeſtalt im beſten Einklange
ſteht. Unmöglich kann man das Gnu ein ſchönes Thier nennen, ſo zierlich auch der Bau mancher
einzelnen Theile erſcheinen mag.
Das Gnu oder „Wildebeeſt‟ der holländiſchen Anſiedler hat die Geſtalt und Größe eines
einjährigen Pferdes, dicke, gebogene Hörner, einen Roßſchweif, eine aufrecht ſtehende Mähne und
eigenthümliche Haarwucherungen auf der Stirn und an der Bruſt. Die Farbe iſt einfarbig grau-
braun, an manchen Stellen heller, an manchen dunkler, bald mehr ins Gelbe oder Röthliche, bald
mehr ins Schwärzliche ziehend. Die Nackenmähne erſcheint weißlich: ihre Haare ſind an der Wurzel
grauweiß, in der Mitte ſchwarz und an der Spitze röthlich. Das Schwanzhaar iſt an der Wurzel
graubraun, an der Spitze weißlich, zumal das lange der Quaſte. Die Mähne an Bruſt und Hals
iſt dunkelgraubraun, der Kinnbart weißlich; die Haarbüſchel auf dem Naſenrücken und unter den
Augen ſind braun, die Borſtenhaare um die Augen und die Schnurrborſten weiß.
Beide Geſchlechter ſind gehörnt. Die flachen und plattgedrückten Hörner biegen ſich nach abwärts
und mit der Spitze nach auswärts. Erwachſene Thiere werden über 7½ Fuß lang, wovon auf den
Schwanz ohne Haar 1½, mit dem Haar aber 2 bis 3 Fuß kommen; die Höhe am Widerriſt beträgt
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/592>, abgerufen am 23.11.2024.
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