abfiel. Hier verlor sich jedes Zeichen. Es schien uns unmöglich, daß der Widder da hinab seinen Sprung gewagt hätte, und wir standen lange Zeit rath- und thatlos da, bis endlich der Araber doch einen, wie er sagte, wohl vergeblichen Versuch machen wollte, dahinab zu kommen. Er kletterte zur Tiefe nieder und hatte den Boden des Kessels kaum erreicht, als mich ein lauter Freudenschrei be- nachrichtigte, daß seine Bemühungen vom besten Erfolge gekrönt sein müßten: da unten lag der Widder verendet."
"Nach den Ringen der Hörner zu urtheilen, mochte das Thier acht bis zehn Jahre alt sein; aber mein Araber und die übrigen, welche ich später befragte, meinten einstimmig, daß dieser Bock noch keineswegs zu den großen gezählt werden könne und versicherten, weit schwerere gesehen zu haben. Für uns war gar nicht daran zu denken, unsere Jagdbeute aus dem Kessel heraus und dann auf dem beschriebenen Pfade hinab zu schaffen; es blieb mir deshalb nichts Anderes übrig, als den Widder gleich hier abzuhäuten. Den Balg habe ich glücklich mit nach Hause gebracht, und gegenwärtig ziert er das Museum von St. Petersburg."
"Die Araber sind große Liebhaber des Fleisches dieser Wildschafe, und auch ich muß gestehen, daß der Schlegel, welchen Scheich Ali trotz seines Seufzens zur Tiefe schleppen mußte, mir vor- trefflich geschmeckt hat. Das Wildpret steht dem des Hirsches sehr nahe, ist aber weit feiner nach meiner Ansicht. Aus den Fellen bereiten die Araber Fußdecken; die Haut wird hier und da gegerbt und zu Saffian verwandt."
"Obwohl der Arni zu den selteneren Thieren gezählt werden muß, wird derselbe doch manchmal jung von den Gebirgsbewohnern in Schlingen gefangen und dann gewöhnlich gegen eine geringe Summe an die Befehlshaber der zunächstliegenden Kriegsposten abgegeben. Jn den Gärten des Gesell- schaftshauses zu Biskra sah ich einen jungen Arui, welcher eine 15 Fuß hohe Mauer, die Umhegung seines Aufenthaltsortes, mit wenigen fast senkrechten Sätzen emporsprang, als ob er auf ebener Erde dahinliefe, und sich dann auf der kaum handbreiten Firste so sicher hielt, daß man glauben mußte, er sei vollkommen vertraut da oben. Oft machte er sich das Vergnügen, außerhalb seines Geheges zu weiden: wenn in einem Garten irgend Etwas seine Leckerkeit erregt hatte, fiel es ihm gewiß zum Opfer; denn Hag und Mauer waren nirgends so hoch, daß der Spring- und Kletterkünstler nicht darüber gekommen wäre. Er entfernte sich oft weit von seinem Wohnorte, kehrte aber immer aus eigenem Antriebe und auf demselben Wege zurück. Gegen die Menschen zeigte er sich nicht im ge- ringsten furchtsam; er kam zu Jedem hin und nahm ohne Umstände Brod und andere Leckereien, die man ihm vorhielt, aus der Hand."
Neuerdings ist das Mähnenschaf öfters lebend nach Europa gekommen, und gegenwärtig ist es in den Thiergärten wenigstens keine Seltenheit. Es hält bei geeigneter Pflege auch das rauhe Klima Norddeutschlands ohne Beschwerde aus und pflanzt sich ohne eigentliche Schwierigkeiten überall fort, wo ihm hierzu Gelegenheit geboten wird. Ein Paar im Thiergarten zu Brüffel erzeugt jedes Jahr zwei Lämmer.
Alte Böcke sind übrigens keineswegs immer so gutartig, wie der von Freund Buvry beschriebene Gefangene. Sie fürchten ihren Wärter nicht nur nicht, sondern bedrohen ihn gar nicht selten in vorsicht- gebietender Weise. Ernsthaft und etwas mißlaunig scheinen sie stets zu sein; das Neckische der Ziegen fehlt ihnen ganz und gar. Geringfügigkeiten können sie wüthend machen, und dann beweisen sie, daß sie sich ihrer Stärke wohl bewußt sind. Wenn sie ernstlich wollen, nehmen sie es mit dem stärksten Manne auf. Mit anderen Schafen vertragen sie sich selten gut, die Böcke gewiß nur so- lange, als die Liebe bei diesen oder jenen nicht ins Spiel kommt. Die Brunst macht auch sie stoß- und rauflustig, oft förmlich wüthend.
Jm übrigen geben die gefangenen Mähnenschafe wenig Gelegenheit zu anziehenden Beobachtun- gen. Sie sind eigentlich doch träge Thiere, geistig, wie leiblich. Jhr Verstand ist entschieden gering: sie sind nicht klüger, als andere Schafe auch und deshalb langweilig, wie diese.
Die Schafe. — Das afrikaniſche Mähnenſchaf.
abfiel. Hier verlor ſich jedes Zeichen. Es ſchien uns unmöglich, daß der Widder da hinab ſeinen Sprung gewagt hätte, und wir ſtanden lange Zeit rath- und thatlos da, bis endlich der Araber doch einen, wie er ſagte, wohl vergeblichen Verſuch machen wollte, dahinab zu kommen. Er kletterte zur Tiefe nieder und hatte den Boden des Keſſels kaum erreicht, als mich ein lauter Freudenſchrei be- nachrichtigte, daß ſeine Bemühungen vom beſten Erfolge gekrönt ſein müßten: da unten lag der Widder verendet.‟
„Nach den Ringen der Hörner zu urtheilen, mochte das Thier acht bis zehn Jahre alt ſein; aber mein Araber und die übrigen, welche ich ſpäter befragte, meinten einſtimmig, daß dieſer Bock noch keineswegs zu den großen gezählt werden könne und verſicherten, weit ſchwerere geſehen zu haben. Für uns war gar nicht daran zu denken, unſere Jagdbeute aus dem Keſſel heraus und dann auf dem beſchriebenen Pfade hinab zu ſchaffen; es blieb mir deshalb nichts Anderes übrig, als den Widder gleich hier abzuhäuten. Den Balg habe ich glücklich mit nach Hauſe gebracht, und gegenwärtig ziert er das Muſeum von St. Petersburg.‟
„Die Araber ſind große Liebhaber des Fleiſches dieſer Wildſchafe, und auch ich muß geſtehen, daß der Schlegel, welchen Scheich Ali trotz ſeines Seufzens zur Tiefe ſchleppen mußte, mir vor- trefflich geſchmeckt hat. Das Wildpret ſteht dem des Hirſches ſehr nahe, iſt aber weit feiner nach meiner Anſicht. Aus den Fellen bereiten die Araber Fußdecken; die Haut wird hier und da gegerbt und zu Saffian verwandt.‟
„Obwohl der Arni zu den ſelteneren Thieren gezählt werden muß, wird derſelbe doch manchmal jung von den Gebirgsbewohnern in Schlingen gefangen und dann gewöhnlich gegen eine geringe Summe an die Befehlshaber der zunächſtliegenden Kriegspoſten abgegeben. Jn den Gärten des Geſell- ſchaftshauſes zu Biskra ſah ich einen jungen Arui, welcher eine 15 Fuß hohe Mauer, die Umhegung ſeines Aufenthaltsortes, mit wenigen faſt ſenkrechten Sätzen emporſprang, als ob er auf ebener Erde dahinliefe, und ſich dann auf der kaum handbreiten Firſte ſo ſicher hielt, daß man glauben mußte, er ſei vollkommen vertraut da oben. Oft machte er ſich das Vergnügen, außerhalb ſeines Geheges zu weiden: wenn in einem Garten irgend Etwas ſeine Leckerkeit erregt hatte, fiel es ihm gewiß zum Opfer; denn Hag und Mauer waren nirgends ſo hoch, daß der Spring- und Kletterkünſtler nicht darüber gekommen wäre. Er entfernte ſich oft weit von ſeinem Wohnorte, kehrte aber immer aus eigenem Antriebe und auf demſelben Wege zurück. Gegen die Menſchen zeigte er ſich nicht im ge- ringſten furchtſam; er kam zu Jedem hin und nahm ohne Umſtände Brod und andere Leckereien, die man ihm vorhielt, aus der Hand.‟
Neuerdings iſt das Mähnenſchaf öfters lebend nach Europa gekommen, und gegenwärtig iſt es in den Thiergärten wenigſtens keine Seltenheit. Es hält bei geeigneter Pflege auch das rauhe Klima Norddeutſchlands ohne Beſchwerde aus und pflanzt ſich ohne eigentliche Schwierigkeiten überall fort, wo ihm hierzu Gelegenheit geboten wird. Ein Paar im Thiergarten zu Brüffel erzeugt jedes Jahr zwei Lämmer.
Alte Böcke ſind übrigens keineswegs immer ſo gutartig, wie der von Freund Buvry beſchriebene Gefangene. Sie fürchten ihren Wärter nicht nur nicht, ſondern bedrohen ihn gar nicht ſelten in vorſicht- gebietender Weiſe. Ernſthaft und etwas mißlaunig ſcheinen ſie ſtets zu ſein; das Neckiſche der Ziegen fehlt ihnen ganz und gar. Geringfügigkeiten können ſie wüthend machen, und dann beweiſen ſie, daß ſie ſich ihrer Stärke wohl bewußt ſind. Wenn ſie ernſtlich wollen, nehmen ſie es mit dem ſtärkſten Manne auf. Mit anderen Schafen vertragen ſie ſich ſelten gut, die Böcke gewiß nur ſo- lange, als die Liebe bei dieſen oder jenen nicht ins Spiel kommt. Die Brunſt macht auch ſie ſtoß- und raufluſtig, oft förmlich wüthend.
Jm übrigen geben die gefangenen Mähnenſchafe wenig Gelegenheit zu anziehenden Beobachtun- gen. Sie ſind eigentlich doch träge Thiere, geiſtig, wie leiblich. Jhr Verſtand iſt entſchieden gering: ſie ſind nicht klüger, als andere Schafe auch und deshalb langweilig, wie dieſe.
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Die Schafe. — Das afrikaniſche Mähnenſchaf.
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Sprung gewagt hätte, und wir ſtanden lange Zeit rath- und thatlos da, bis endlich der Araber doch
einen, wie er ſagte, wohl vergeblichen Verſuch machen wollte, dahinab zu kommen. Er kletterte zur
Tiefe nieder und hatte den Boden des Keſſels kaum erreicht, als mich ein lauter Freudenſchrei be-
nachrichtigte, daß ſeine Bemühungen vom beſten Erfolge gekrönt ſein müßten: da unten lag der
Widder verendet.‟
„Nach den Ringen der Hörner zu urtheilen, mochte das Thier acht bis zehn Jahre alt ſein; aber
mein Araber und die übrigen, welche ich ſpäter befragte, meinten einſtimmig, daß dieſer Bock noch
keineswegs zu den großen gezählt werden könne und verſicherten, weit ſchwerere geſehen zu haben.
Für uns war gar nicht daran zu denken, unſere Jagdbeute aus dem Keſſel heraus und dann auf dem
beſchriebenen Pfade hinab zu ſchaffen; es blieb mir deshalb nichts Anderes übrig, als den Widder
gleich hier abzuhäuten. Den Balg habe ich glücklich mit nach Hauſe gebracht, und gegenwärtig ziert
er das Muſeum von St. Petersburg.‟
„Die Araber ſind große Liebhaber des Fleiſches dieſer Wildſchafe, und auch ich muß geſtehen,
daß der Schlegel, welchen Scheich Ali trotz ſeines Seufzens zur Tiefe ſchleppen mußte, mir vor-
trefflich geſchmeckt hat. Das Wildpret ſteht dem des Hirſches ſehr nahe, iſt aber weit feiner nach
meiner Anſicht. Aus den Fellen bereiten die Araber Fußdecken; die Haut wird hier und da gegerbt
und zu Saffian verwandt.‟
„Obwohl der Arni zu den ſelteneren Thieren gezählt werden muß, wird derſelbe doch manchmal
jung von den Gebirgsbewohnern in Schlingen gefangen und dann gewöhnlich gegen eine geringe
Summe an die Befehlshaber der zunächſtliegenden Kriegspoſten abgegeben. Jn den Gärten des Geſell-
ſchaftshauſes zu Biskra ſah ich einen jungen Arui, welcher eine 15 Fuß hohe Mauer, die Umhegung
ſeines Aufenthaltsortes, mit wenigen faſt ſenkrechten Sätzen emporſprang, als ob er auf ebener Erde
dahinliefe, und ſich dann auf der kaum handbreiten Firſte ſo ſicher hielt, daß man glauben mußte, er
ſei vollkommen vertraut da oben. Oft machte er ſich das Vergnügen, außerhalb ſeines Geheges zu
weiden: wenn in einem Garten irgend Etwas ſeine Leckerkeit erregt hatte, fiel es ihm gewiß zum
Opfer; denn Hag und Mauer waren nirgends ſo hoch, daß der Spring- und Kletterkünſtler nicht
darüber gekommen wäre. Er entfernte ſich oft weit von ſeinem Wohnorte, kehrte aber immer aus
eigenem Antriebe und auf demſelben Wege zurück. Gegen die Menſchen zeigte er ſich nicht im ge-
ringſten furchtſam; er kam zu Jedem hin und nahm ohne Umſtände Brod und andere Leckereien, die
man ihm vorhielt, aus der Hand.‟
Neuerdings iſt das Mähnenſchaf öfters lebend nach Europa gekommen, und gegenwärtig iſt es
in den Thiergärten wenigſtens keine Seltenheit. Es hält bei geeigneter Pflege auch das rauhe Klima
Norddeutſchlands ohne Beſchwerde aus und pflanzt ſich ohne eigentliche Schwierigkeiten überall fort,
wo ihm hierzu Gelegenheit geboten wird. Ein Paar im Thiergarten zu Brüffel erzeugt jedes Jahr
zwei Lämmer.
Alte Böcke ſind übrigens keineswegs immer ſo gutartig, wie der von Freund Buvry beſchriebene
Gefangene. Sie fürchten ihren Wärter nicht nur nicht, ſondern bedrohen ihn gar nicht ſelten in vorſicht-
gebietender Weiſe. Ernſthaft und etwas mißlaunig ſcheinen ſie ſtets zu ſein; das Neckiſche der
Ziegen fehlt ihnen ganz und gar. Geringfügigkeiten können ſie wüthend machen, und dann beweiſen
ſie, daß ſie ſich ihrer Stärke wohl bewußt ſind. Wenn ſie ernſtlich wollen, nehmen ſie es mit dem
ſtärkſten Manne auf. Mit anderen Schafen vertragen ſie ſich ſelten gut, die Böcke gewiß nur ſo-
lange, als die Liebe bei dieſen oder jenen nicht ins Spiel kommt. Die Brunſt macht auch ſie ſtoß-
und raufluſtig, oft förmlich wüthend.
Jm übrigen geben die gefangenen Mähnenſchafe wenig Gelegenheit zu anziehenden Beobachtun-
gen. Sie ſind eigentlich doch träge Thiere, geiſtig, wie leiblich. Jhr Verſtand iſt entſchieden gering:
ſie ſind nicht klüger, als andere Schafe auch und deshalb langweilig, wie dieſe.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/630>, abgerufen am 23.11.2024.
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