Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.Die eigentlichen Rinder. -- Allgemeines. bis gegen Mittag hin sind fast hundert Menschen eifrig beschäftigt, aus der Tiefe der Brunnen Was-ser heraufzuheben und in diese Tränkteiche zu schütten, wo man dann dem Wasser noch etwas salz- haltige Erde zuzusetzen pflegt. Gewöhnlich sind die Teiche noch nicht völlig gefüllt, wenn die Herden herbeikommen. Von allen Seiten ziehen unschätzbare Scharen von Schafen, Ziegen und Rindern herbei, zuerst das Kleinvieh, später die Rinder. Jn wenigen Minuten hat sich der ganze große Kes- sel vollständig gefüllt. Man sieht Nichts, als eine ununterbrochene Herde von eifrig sich hin- und herdrängenden Thieren, zwischen denen hier und da eine dunkele Mannesgestalt hervorragt. Tau- sende von Schafen und Ziegen kommen ohne Unterbrechung, und ebensoviele ziehen getränkt von dan- nen. Sobald der Kessel sich einigermaßen geleert hat, stürmen die Rinder herbei, welche bisjetzt kaum zurückgehalten werden konnten, und nun sieht man Nichts, als eine braune, wogende Masse, über welche sich ein Wald von Spitzen erhebt. Von den dazwischen hin- und hergehenden Männern ist natürlich keine Spur mehr zu entdecken. Das Braun wird die einzige hervortretende Farbe. Es ist unmöglich, die Menge der Rinder nur annäherungsweise zu berechnen; denn in dem dichten Ge- wirr hört das Zählen gar bald auf; dennoch glaube ich nicht zuviel zu sagen, wenn ich die Zahl der täglich hierherkommenden Herdenthiere auf mindestens 60,000 Stück anschlage, wovon etwa 40,000 auf die Rinder kommen mögen. Der ganze Tränkplatz gleicht einem Stall, in welchem seit Monaten kein Reinigungswerkzeug in Gegen Abend verlieren sich endlich die letzten durstigen Seelen, und nun beginnt augenblicklich Angesehene Leute des Ostsudahn, welche mit Eintreibung der Steuern unter jenen Nomaden- Jm Sudahn und in Kordofahn hält man die Rinder nur zur Zucht; in Habesch dagegen müssen Ueber die Rinderherden, welche die Völkerschaften des tieferen Jnnern von Afrika besitzen, fehlen Die eigentlichen Rinder. — Allgemeines. bis gegen Mittag hin ſind faſt hundert Menſchen eifrig beſchäftigt, aus der Tiefe der Brunnen Waſ-ſer heraufzuheben und in dieſe Tränkteiche zu ſchütten, wo man dann dem Waſſer noch etwas ſalz- haltige Erde zuzuſetzen pflegt. Gewöhnlich ſind die Teiche noch nicht völlig gefüllt, wenn die Herden herbeikommen. Von allen Seiten ziehen unſchätzbare Scharen von Schafen, Ziegen und Rindern herbei, zuerſt das Kleinvieh, ſpäter die Rinder. Jn wenigen Minuten hat ſich der ganze große Keſ- ſel vollſtändig gefüllt. Man ſieht Nichts, als eine ununterbrochene Herde von eifrig ſich hin- und herdrängenden Thieren, zwiſchen denen hier und da eine dunkele Mannesgeſtalt hervorragt. Tau- ſende von Schafen und Ziegen kommen ohne Unterbrechung, und ebenſoviele ziehen getränkt von dan- nen. Sobald der Keſſel ſich einigermaßen geleert hat, ſtürmen die Rinder herbei, welche bisjetzt kaum zurückgehalten werden konnten, und nun ſieht man Nichts, als eine braune, wogende Maſſe, über welche ſich ein Wald von Spitzen erhebt. Von den dazwiſchen hin- und hergehenden Männern iſt natürlich keine Spur mehr zu entdecken. Das Braun wird die einzige hervortretende Farbe. Es iſt unmöglich, die Menge der Rinder nur annäherungsweiſe zu berechnen; denn in dem dichten Ge- wirr hört das Zählen gar bald auf; dennoch glaube ich nicht zuviel zu ſagen, wenn ich die Zahl der täglich hierherkommenden Herdenthiere auf mindeſtens 60,000 Stück anſchlage, wovon etwa 40,000 auf die Rinder kommen mögen. Der ganze Tränkplatz gleicht einem Stall, in welchem ſeit Monaten kein Reinigungswerkzeug in Gegen Abend verlieren ſich endlich die letzten durſtigen Seelen, und nun beginnt augenblicklich Angeſehene Leute des Oſtſudahn, welche mit Eintreibung der Steuern unter jenen Nomaden- Jm Sudahn und in Kordofahn hält man die Rinder nur zur Zucht; in Habeſch dagegen müſſen Ueber die Rinderherden, welche die Völkerſchaften des tieferen Jnnern von Afrika beſitzen, fehlen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0706" n="672"/><fw place="top" type="header">Die eigentlichen Rinder. — Allgemeines.</fw><lb/> bis gegen Mittag hin ſind faſt hundert Menſchen eifrig beſchäftigt, aus der Tiefe der Brunnen Waſ-<lb/> ſer heraufzuheben und in dieſe Tränkteiche zu ſchütten, wo man dann dem Waſſer noch etwas ſalz-<lb/> haltige Erde zuzuſetzen pflegt. Gewöhnlich ſind die Teiche noch nicht völlig gefüllt, wenn die Herden<lb/> herbeikommen. 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Jn Egypten hatten Seuchen in erſchrecklicher Weiſe unter dem dortigen<lb/> Rinderſtande gewüthet; die Heere, welche der ſtolze und unternehmende Paſcha gegen die Pforte<lb/> führte, hatten außerdem auffallend viel verbraucht: und alle die entſtandenen Lücken wurden nicht<lb/> nur aus dem Sudahn vollkommen gedeckt, ſondern es zeigte ſich ſogar bald eine ſolche Ueberfüllung<lb/> an Rindern, daß man den Befehl rückgängig machte. Dabei muß man nun bedenken, daß auf dem<lb/> Wege von dreihundert Meilen Länge, von welchem etwa die Hälfte auf Wüſten oder wenigſtens un-<lb/> fruchtbares Land gerechnet wird, Tauſende und andere Tauſende erlagen, ehe ſie an den Ort ihrer<lb/> Beſtimmung gelangten: dann erſt wird man ſich einen Begriff von den Maſſen machen können, welche<lb/> aus den beiden Provinzen <hi rendition="#g">Senahr</hi> und <hi rendition="#g">Kordofahn</hi> ausgeführt wurden. 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Die eigentlichen Rinder. — Allgemeines.
bis gegen Mittag hin ſind faſt hundert Menſchen eifrig beſchäftigt, aus der Tiefe der Brunnen Waſ-
ſer heraufzuheben und in dieſe Tränkteiche zu ſchütten, wo man dann dem Waſſer noch etwas ſalz-
haltige Erde zuzuſetzen pflegt. Gewöhnlich ſind die Teiche noch nicht völlig gefüllt, wenn die Herden
herbeikommen. Von allen Seiten ziehen unſchätzbare Scharen von Schafen, Ziegen und Rindern
herbei, zuerſt das Kleinvieh, ſpäter die Rinder. Jn wenigen Minuten hat ſich der ganze große Keſ-
ſel vollſtändig gefüllt. Man ſieht Nichts, als eine ununterbrochene Herde von eifrig ſich hin- und
herdrängenden Thieren, zwiſchen denen hier und da eine dunkele Mannesgeſtalt hervorragt. Tau-
ſende von Schafen und Ziegen kommen ohne Unterbrechung, und ebenſoviele ziehen getränkt von dan-
nen. Sobald der Keſſel ſich einigermaßen geleert hat, ſtürmen die Rinder herbei, welche bisjetzt
kaum zurückgehalten werden konnten, und nun ſieht man Nichts, als eine braune, wogende Maſſe,
über welche ſich ein Wald von Spitzen erhebt. Von den dazwiſchen hin- und hergehenden Männern
iſt natürlich keine Spur mehr zu entdecken. Das Braun wird die einzige hervortretende Farbe. Es
iſt unmöglich, die Menge der Rinder nur annäherungsweiſe zu berechnen; denn in dem dichten Ge-
wirr hört das Zählen gar bald auf; dennoch glaube ich nicht zuviel zu ſagen, wenn ich die Zahl der
täglich hierherkommenden Herdenthiere auf mindeſtens 60,000 Stück anſchlage, wovon etwa 40,000
auf die Rinder kommen mögen.
Der ganze Tränkplatz gleicht einem Stall, in welchem ſeit Monaten kein Reinigungswerkzeug in
Bewegung geſetzt wurde. Der Koth liegt ungeachtet der dörrenden Sonne überall mehr als fußtief
auf dem Boden; nur die Tränkteiche werden ſorgfältig rein gehalten.
Gegen Abend verlieren ſich endlich die letzten durſtigen Seelen, und nun beginnt augenblicklich
das Schöpfen von neuem, um die für den folgenden Tag nöthige Waſſermenge auch wirklich beſchaffen
zu können. An manchen Tagen kommen auch langbeinige Kamele dahergeſtelzt, ebenfalls 500 bis
1000 Stück auf einmal, trinken ſich voll und ziehen wieder von dannen.
Angeſehene Leute des Oſtſudahn, welche mit Eintreibung der Steuern unter jenen Nomaden-
ſtämmen beauftragt waren, verſicherten mich, daß es ganz unmöglich wäre, auch nur annähernd
einen Maßſtab für die Größe der Beſitzthümer jener Leute zu erlangen. Als Mahammed-Aali
auf den Gedanken kam, ſeinen Bedarf an Rindern durch Zufuhren aus dem Sudahn zu decken, leg-
ten die Regierungsbehörden den Sudahneſen willkührliche Steuern an Rindern auf, welche nach und
nach, aber in ſehr kurzer Friſt, den Herdenbeſitzern nicht nur Hunderttauſende, ſondern Millionen
von Rindern entzogen. Jn Egypten hatten Seuchen in erſchrecklicher Weiſe unter dem dortigen
Rinderſtande gewüthet; die Heere, welche der ſtolze und unternehmende Paſcha gegen die Pforte
führte, hatten außerdem auffallend viel verbraucht: und alle die entſtandenen Lücken wurden nicht
nur aus dem Sudahn vollkommen gedeckt, ſondern es zeigte ſich ſogar bald eine ſolche Ueberfüllung
an Rindern, daß man den Befehl rückgängig machte. Dabei muß man nun bedenken, daß auf dem
Wege von dreihundert Meilen Länge, von welchem etwa die Hälfte auf Wüſten oder wenigſtens un-
fruchtbares Land gerechnet wird, Tauſende und andere Tauſende erlagen, ehe ſie an den Ort ihrer
Beſtimmung gelangten: dann erſt wird man ſich einen Begriff von den Maſſen machen können, welche
aus den beiden Provinzen Senahr und Kordofahn ausgeführt wurden. Noch heutigen Tages iſt
man im Stande, den Weg, welchen jene Rinderherden nahmen, ohne alle Mühe zu verfolgen. Er
iſt durch Hunderttauſende von Rindergerippen, den Ueberbleibſeln der erliegenden Thiere, ſo deutlich
bezeichnet, daß man gar nicht irren kann. Jene Herden aber, von denen ich redete, ſah ich nur
wenige Jahre nach der beiſpielloſen Plünderung, welche die Beſitzer erlitten hatten: wie groß mag erſt
der Beſtand etwa zehn Jahre früher geweſen ſein!
Jm Sudahn und in Kordofahn hält man die Rinder nur zur Zucht; in Habeſch dagegen müſſen
ſie Dienſte leiſten. Die Menſa z. B. benutzen ſie ebenſowohl zum Ziehen, als zum Laſttragen.
Gerade ſie können ihrer ſteilen Gebirgswege halber nur ihre Rinder als Laſtthiere gebrauchen.
Ueber die Rinderherden, welche die Völkerſchaften des tieferen Jnnern von Afrika beſitzen, fehlen
zur Zeit noch ausführlichere Nachrichten; von den Völkern Südafrikas aber wiſſen wir, daß ihre
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