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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Tapire.
Stapelplatz für Elfenbein aufgeschwungen, und ganz in der Neuzeit beginnt die Verfolgung des Ele-
fanten seiner Zähne wegen längs der ganzen Westküste. Noch durchziehen zahlreiche Herden der
stattlichen Thiere die Wälder Afrikas; aber mehr und mehr lichtet sie der verfolgende Mensch. Nicht
blos im nördlichen Theile Afrikas, sondern auch in den Kapländern ist der Elefant bereits ausgerottet,
und dasselbe Schicksal steht ihm wenigstens in allen Küstengebieten bevor.



Es ist nicht eben leicht, die Dickhäuter, welche gegenwärtig unsere Erde noch bevölkern,
nach Raug und Gebühr zu ordnen. Die Wenigen, welche von den Vielen übrig geblieben sind,
stehen so vereinzelt da, daß wir eine Reihe nur dann herstellen können, wenn wir die ausgestor-
benen Arten mit in sie hineinziehen. Jn der Vorzeit waren neben den riesenhaften Gestalten der
Rüsselträger und Plumpen kleinere und zierlichere Dickhäuter sehr häufig; gegenwärtig kennen wir
außer den Schweinen und den Klippschliefern blos noch eine einzige Familie, deren Glieder den aus-
gestorbenen ähneln. Es sind Dies die Tapire (Tapiri), verhältnißmäßig kleine, elefantenartige
Thiere, welche aber ebensogut auch als Mittelglieder zwischen diesen und den Schweinen oder den
Nashörnern betrachtet werden können. Viele Naturforscher sehen in ihnen nur eine Sippe der
Plumpen und stellen sie mit Nashorn und Nilpferd zusammen; Andere, denen ich mich anschließe,
bilden eine eigene Familie aus ihnen. Sie kennzeichnen sich durch verhältnißmäßig geringe Größe,
einen noch immer wohlgebildeten Leib, mit verlängertem, schmächtigen Kopf, schlanken Hals, kur-
zen Schwanz und mittelhohen, kräftigen Beinen. Die aufrecht stehenden Ohren sind kurz und
ziemlich breit, die schief liegenden Augen dagegen klein. Die Oberlippe verlängert sich rüsselförmig
und hängt weit über die Unterlippe herab. Die kräftigen Füße haben vorn vier, hinten drei
Zehen. Der Schwanz ist ein Stummel. Das starke Fell zeigt nirgends Schilder und tiefe Haut-
falten, wie sie bei anderen Dickhäutern vorkommen, sondern liegt überall glatt auf. Die Behaa-
rung ist kurz, aber dicht; bei den amerikanischen Arten verlängert sie sich von der Mitte des
Hauptes an bis zum Widerrist mähnenartig. Das Gebiß besteht aus sechs Schneidezähnen und
einem Eckzahn in jedem Kiefer, sieben Backzähnen in der oberen und sechs in der unteren Kinn-
lade. Das Geripp, welches mit dem anderer Dickhäuter entschiedene Aehnlichkeit hat, zeichnet sich
durch verhältnißmäßig leichte Form aus. Die Wirbelsäule besteht, außer den Halswirbeln, aus
20 rippentragenden, 4 rippenlosen, 7 Kreuzbein- und 12 Schwanzwirbeln; den Brustkorb bilden
acht Rippenpaare, die übrigen sind sogenannte falsche Rippen. Am Schädel überwiegt der lange,
schmale Antlitztheil den sehr zusammengedrückten Hirnkasten beträchtlich; die frei hervorragenden Na-
senbeine sind hoch hinaufgerückt, der breite, starke Jochbogen beugt sich tief nach vorn hinab, und die
großen Augenhöhlen öffnen sich weit in die tiefen Schläfeugruben.

Von den drei Arten, welche dieser Familie zugezählt werden, ist uns wenigstens eine Art
schon seit längerer Zeit bekannt, während die beiden übrigen Arten erst in der Neuzeit entdeckt,
beschrieben und bezüglich unterschieden wurden. Zwei dieser Arten bewohnen Amerika, die dritte
lebt in Jndien und auf seinen benachbarten Jnseln. Auffallenderweise ist der amerikanische Tapir
zuerst in den Büchern der Wissenschaft verzeichnet worden; vom indischen haben wir erst zu An-
fang dieses Jahrhunderts Sicheres erfahren. Bekannt war auch er schon seit langer Zeit, aber
freilich nicht uns, sondern nur den Chineseu, deren Lehr- und Schulbücher ihn erwähnen. Die
dritte Art wurde in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts von dem sogenannten amerika-
nischen Tapir unterschieden, als dessen Spielart man sie früher betrachtet hatte.

Es bekundet sich hinsichtlich der Tapire dasselbe Verhältniß, welches wir fast regelmäßig beob-
achten können, wenn eine Familie in der alten und in der neuen Welt vertreten ist. Die alt-

Die Tapire.
Stapelplatz für Elfenbein aufgeſchwungen, und ganz in der Neuzeit beginnt die Verfolgung des Ele-
fanten ſeiner Zähne wegen längs der ganzen Weſtküſte. Noch durchziehen zahlreiche Herden der
ſtattlichen Thiere die Wälder Afrikas; aber mehr und mehr lichtet ſie der verfolgende Menſch. Nicht
blos im nördlichen Theile Afrikas, ſondern auch in den Kapländern iſt der Elefant bereits ausgerottet,
und daſſelbe Schickſal ſteht ihm wenigſtens in allen Küſtengebieten bevor.



Es iſt nicht eben leicht, die Dickhäuter, welche gegenwärtig unſere Erde noch bevölkern,
nach Raug und Gebühr zu ordnen. Die Wenigen, welche von den Vielen übrig geblieben ſind,
ſtehen ſo vereinzelt da, daß wir eine Reihe nur dann herſtellen können, wenn wir die ausgeſtor-
benen Arten mit in ſie hineinziehen. Jn der Vorzeit waren neben den rieſenhaften Geſtalten der
Rüſſelträger und Plumpen kleinere und zierlichere Dickhäuter ſehr häufig; gegenwärtig kennen wir
außer den Schweinen und den Klippſchliefern blos noch eine einzige Familie, deren Glieder den aus-
geſtorbenen ähneln. Es ſind Dies die Tapire (Tapiri), verhältnißmäßig kleine, elefantenartige
Thiere, welche aber ebenſogut auch als Mittelglieder zwiſchen dieſen und den Schweinen oder den
Nashörnern betrachtet werden können. Viele Naturforſcher ſehen in ihnen nur eine Sippe der
Plumpen und ſtellen ſie mit Nashorn und Nilpferd zuſammen; Andere, denen ich mich anſchließe,
bilden eine eigene Familie aus ihnen. Sie kennzeichnen ſich durch verhältnißmäßig geringe Größe,
einen noch immer wohlgebildeten Leib, mit verlängertem, ſchmächtigen Kopf, ſchlanken Hals, kur-
zen Schwanz und mittelhohen, kräftigen Beinen. Die aufrecht ſtehenden Ohren ſind kurz und
ziemlich breit, die ſchief liegenden Augen dagegen klein. Die Oberlippe verlängert ſich rüſſelförmig
und hängt weit über die Unterlippe herab. Die kräftigen Füße haben vorn vier, hinten drei
Zehen. Der Schwanz iſt ein Stummel. Das ſtarke Fell zeigt nirgends Schilder und tiefe Haut-
falten, wie ſie bei anderen Dickhäutern vorkommen, ſondern liegt überall glatt auf. Die Behaa-
rung iſt kurz, aber dicht; bei den amerikaniſchen Arten verlängert ſie ſich von der Mitte des
Hauptes an bis zum Widerriſt mähnenartig. Das Gebiß beſteht aus ſechs Schneidezähnen und
einem Eckzahn in jedem Kiefer, ſieben Backzähnen in der oberen und ſechs in der unteren Kinn-
lade. Das Geripp, welches mit dem anderer Dickhäuter entſchiedene Aehnlichkeit hat, zeichnet ſich
durch verhältnißmäßig leichte Form aus. Die Wirbelſäule beſteht, außer den Halswirbeln, aus
20 rippentragenden, 4 rippenloſen, 7 Kreuzbein- und 12 Schwanzwirbeln; den Bruſtkorb bilden
acht Rippenpaare, die übrigen ſind ſogenannte falſche Rippen. Am Schädel überwiegt der lange,
ſchmale Antlitztheil den ſehr zuſammengedrückten Hirnkaſten beträchtlich; die frei hervorragenden Na-
ſenbeine ſind hoch hinaufgerückt, der breite, ſtarke Jochbogen beugt ſich tief nach vorn hinab, und die
großen Augenhöhlen öffnen ſich weit in die tiefen Schläfeugruben.

Von den drei Arten, welche dieſer Familie zugezählt werden, iſt uns wenigſtens eine Art
ſchon ſeit längerer Zeit bekannt, während die beiden übrigen Arten erſt in der Neuzeit entdeckt,
beſchrieben und bezüglich unterſchieden wurden. Zwei dieſer Arten bewohnen Amerika, die dritte
lebt in Jndien und auf ſeinen benachbarten Jnſeln. Auffallenderweiſe iſt der amerikaniſche Tapir
zuerſt in den Büchern der Wiſſenſchaft verzeichnet worden; vom indiſchen haben wir erſt zu An-
fang dieſes Jahrhunderts Sicheres erfahren. Bekannt war auch er ſchon ſeit langer Zeit, aber
freilich nicht uns, ſondern nur den Chineſeu, deren Lehr- und Schulbücher ihn erwähnen. Die
dritte Art wurde in den zwanziger Jahren unſeres Jahrhunderts von dem ſogenannten amerika-
niſchen Tapir unterſchieden, als deſſen Spielart man ſie früher betrachtet hatte.

Es bekundet ſich hinſichtlich der Tapire daſſelbe Verhältniß, welches wir faſt regelmäßig beob-
achten können, wenn eine Familie in der alten und in der neuen Welt vertreten iſt. Die alt-

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[711/0749] Die Tapire. Stapelplatz für Elfenbein aufgeſchwungen, und ganz in der Neuzeit beginnt die Verfolgung des Ele- fanten ſeiner Zähne wegen längs der ganzen Weſtküſte. Noch durchziehen zahlreiche Herden der ſtattlichen Thiere die Wälder Afrikas; aber mehr und mehr lichtet ſie der verfolgende Menſch. Nicht blos im nördlichen Theile Afrikas, ſondern auch in den Kapländern iſt der Elefant bereits ausgerottet, und daſſelbe Schickſal ſteht ihm wenigſtens in allen Küſtengebieten bevor. Es iſt nicht eben leicht, die Dickhäuter, welche gegenwärtig unſere Erde noch bevölkern, nach Raug und Gebühr zu ordnen. Die Wenigen, welche von den Vielen übrig geblieben ſind, ſtehen ſo vereinzelt da, daß wir eine Reihe nur dann herſtellen können, wenn wir die ausgeſtor- benen Arten mit in ſie hineinziehen. Jn der Vorzeit waren neben den rieſenhaften Geſtalten der Rüſſelträger und Plumpen kleinere und zierlichere Dickhäuter ſehr häufig; gegenwärtig kennen wir außer den Schweinen und den Klippſchliefern blos noch eine einzige Familie, deren Glieder den aus- geſtorbenen ähneln. Es ſind Dies die Tapire (Tapiri), verhältnißmäßig kleine, elefantenartige Thiere, welche aber ebenſogut auch als Mittelglieder zwiſchen dieſen und den Schweinen oder den Nashörnern betrachtet werden können. Viele Naturforſcher ſehen in ihnen nur eine Sippe der Plumpen und ſtellen ſie mit Nashorn und Nilpferd zuſammen; Andere, denen ich mich anſchließe, bilden eine eigene Familie aus ihnen. Sie kennzeichnen ſich durch verhältnißmäßig geringe Größe, einen noch immer wohlgebildeten Leib, mit verlängertem, ſchmächtigen Kopf, ſchlanken Hals, kur- zen Schwanz und mittelhohen, kräftigen Beinen. Die aufrecht ſtehenden Ohren ſind kurz und ziemlich breit, die ſchief liegenden Augen dagegen klein. Die Oberlippe verlängert ſich rüſſelförmig und hängt weit über die Unterlippe herab. Die kräftigen Füße haben vorn vier, hinten drei Zehen. Der Schwanz iſt ein Stummel. Das ſtarke Fell zeigt nirgends Schilder und tiefe Haut- falten, wie ſie bei anderen Dickhäutern vorkommen, ſondern liegt überall glatt auf. Die Behaa- rung iſt kurz, aber dicht; bei den amerikaniſchen Arten verlängert ſie ſich von der Mitte des Hauptes an bis zum Widerriſt mähnenartig. Das Gebiß beſteht aus ſechs Schneidezähnen und einem Eckzahn in jedem Kiefer, ſieben Backzähnen in der oberen und ſechs in der unteren Kinn- lade. Das Geripp, welches mit dem anderer Dickhäuter entſchiedene Aehnlichkeit hat, zeichnet ſich durch verhältnißmäßig leichte Form aus. Die Wirbelſäule beſteht, außer den Halswirbeln, aus 20 rippentragenden, 4 rippenloſen, 7 Kreuzbein- und 12 Schwanzwirbeln; den Bruſtkorb bilden acht Rippenpaare, die übrigen ſind ſogenannte falſche Rippen. Am Schädel überwiegt der lange, ſchmale Antlitztheil den ſehr zuſammengedrückten Hirnkaſten beträchtlich; die frei hervorragenden Na- ſenbeine ſind hoch hinaufgerückt, der breite, ſtarke Jochbogen beugt ſich tief nach vorn hinab, und die großen Augenhöhlen öffnen ſich weit in die tiefen Schläfeugruben. Von den drei Arten, welche dieſer Familie zugezählt werden, iſt uns wenigſtens eine Art ſchon ſeit längerer Zeit bekannt, während die beiden übrigen Arten erſt in der Neuzeit entdeckt, beſchrieben und bezüglich unterſchieden wurden. Zwei dieſer Arten bewohnen Amerika, die dritte lebt in Jndien und auf ſeinen benachbarten Jnſeln. Auffallenderweiſe iſt der amerikaniſche Tapir zuerſt in den Büchern der Wiſſenſchaft verzeichnet worden; vom indiſchen haben wir erſt zu An- fang dieſes Jahrhunderts Sicheres erfahren. Bekannt war auch er ſchon ſeit langer Zeit, aber freilich nicht uns, ſondern nur den Chineſeu, deren Lehr- und Schulbücher ihn erwähnen. Die dritte Art wurde in den zwanziger Jahren unſeres Jahrhunderts von dem ſogenannten amerika- niſchen Tapir unterſchieden, als deſſen Spielart man ſie früher betrachtet hatte. Es bekundet ſich hinſichtlich der Tapire daſſelbe Verhältniß, welches wir faſt regelmäßig beob- achten können, wenn eine Familie in der alten und in der neuen Welt vertreten iſt. Die alt-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 711. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/749>, abgerufen am 23.11.2024.