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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Vielhufer oder Dickhäuter. -- Das Wildschwein.
Nach falschen Stößen suchen sie, Dank ihrer Geschicklichkeit im Reiten, vor dem wüthend auf sie ein-
dringenden Feinde das Weite, kehren aber augenblicklich um, verfolgen das Wild ihrerseits wieder
und bringen ihm neue Stöße bei, bis es erliegt. Jn Egypten zogen wir mit Büchse und Hirsch-
fänger bewaffnet zur Wildschweinjagd aus. Jn den Zuckerrohrfeldern war an eine Jagd gar nicht
zu denken; denn keine Macht der Erde hätte, ohne das ganze Feld zu zerstören, die hier so wohl ge-
borgenen Wildschweine austreiben mögen. Wir suchten sie daher an günstigeren Orten auf und
konnten, bei der Häufigkeit der Thiere, einer lohnenden Jagd gewiß sein. Jch selbst erlegte in einem
Nachmittage ohne Treiber auf einfachen Bürschgängen durch das Röhricht fünf Sauen, darunter
zwei grobe Schweine, und ein anderes Mal bei einem Treiben über mit Riedgras bedeckte Ebene
im Delta deren drei. Da hieß es freilich richtig zielen; denn die Verwundeten nahmen uns sofort
mit rasender Wuth an, und es waren Schweine, stark genug, um uns im schlimmen Falle die
Jagd hart büßen zu lassen. Gleichwohl kam es niemals zum Gebrauch des Hirschfängers. Die
Schweine standen gewöhnlich so nahe vor uns auf, daß ein Fehlschuß kaum möglich war und nur bei
einem einzigen Hauptschwein welches einer meiner Gefährten nur leicht verwundet hatte, würde
die Sache bedenklich geworden sein, wenn ich dem Thiere nicht noch hart vor dem Anrennen
meines Gefährten eine Kugel auf die rechte Stelle gesetzt hätte.

Gegen die Hunde vertheidigt sich das Wildschwein mit rasender Wuth. Man brauchte in
früheren Zeiten zur Saujagd die sogenannten Saufinder und Hetzhunde, muthige, starke und
flüchtige Thiere, welche in halbwildem Zustand gehalten und nur auf Schwarzwild gebraucht wurden.
Die Saufinder mußten das Wild suchen, die Hatzhunde deckten es. Ehe es zum Packen kam, d. h.
ehe die Hunde sich am Gehör ihrer Feinde festbissen, wurde gar manchem Hunde der Leib aufge-
rissen oder er wenigstens derb geschlagen. Auf beiden Seiten wehrte man sich mit gleicher Tapfer-
keit, und wenn acht bis neun der starken und muthigen Hunde über das Schwein herfielen, mußte es
sich doch ergeben. Das von den Hunden angegriffene Schwein suchte sich klugerweise den Rücken zu
decken und setzte sich zu diesem Zwecke gewöhnlich an einen Baumstamm oder ins Gebüsch, nach vorn
hin wüthend um sich hauend. Die ersten Hunde waren am schlimmsten dran. Hatte aber einmal einer
dieser herrlichen Jagdgehilfen sich am Schweine festgebissen, so war er nicht wieder loszubringen: er
hätte sich eher Hunderte von Schritten weit schleifen lassen. So wurde das Wildschwein festgehalten,
bis der Jäger herbeikam, um es abzufangen.

Das Fleisch des Schwarzwildes wird mit Recht sehr geschätzt. Es hat neben dem Geschmack des
Schweinefleisches den des echten Wildprets. Namentlich Frischlinge sind ausgezeichnet. Der Kopf
und die Keulen gelten für besondere Leckerbissen. Auch die Würste, welche man aus Wildschwein-
fleisch bereitet, sind vortrefflich. An den egyptischen Seen, wo die Schweine in gewaltigen Ru-
deln hausen, beschäftigten sich manchmal europäische Fleischer monatelang mit der Jagd des von den
Mahammedanern mißachteten, "unreinen" Wildes, und bereiteten aus dem Fleisch der erlegten
Thiere blos Würste, welche sie dann mit sehr gutem Gewinn verkauften. Während der Brunst-
zeit ist das Fleisch des Keulers ungenießbar. Auch die Haut wird verwendet, und die Borsten
sind sehr gesucht. Aber so groß auch der Nutzen sein mag: den Schaden, welchen das Thier anrichtet,
kann er niemals aufwiegen.

Mit unserem Wildschweine nahe verwandt ist das weißbärtige oder japanische Schwein
(Sus leucomastix). Es unterscheidet sich hauptsächlich durch die Größe, nicht aber auch durch Gestalt
und Farbe. Wahrscheinlich ist es der Stammvater der kleinen, zahmen Nasse, welche wir unter dem
Namen chinesisches Schwein kennen. Auch das indische Schwein (Sus cristatus), das Papu-
schwein
(Sus papuensis), zwei afrikanische Schweine: das Buschschwein (Potamochoerus
africanus
) und das pinselohrige Schwein (Choeropotamus penicillatus) gelten als Stamm-
väter der Hausschweine, und deshalb will ich ihrer wenigstens flüchtig gedenken.

Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Wildſchwein.
Nach falſchen Stößen ſuchen ſie, Dank ihrer Geſchicklichkeit im Reiten, vor dem wüthend auf ſie ein-
dringenden Feinde das Weite, kehren aber augenblicklich um, verfolgen das Wild ihrerſeits wieder
und bringen ihm neue Stöße bei, bis es erliegt. Jn Egypten zogen wir mit Büchſe und Hirſch-
fänger bewaffnet zur Wildſchweinjagd aus. Jn den Zuckerrohrfeldern war an eine Jagd gar nicht
zu denken; denn keine Macht der Erde hätte, ohne das ganze Feld zu zerſtören, die hier ſo wohl ge-
borgenen Wildſchweine austreiben mögen. Wir ſuchten ſie daher an günſtigeren Orten auf und
konnten, bei der Häufigkeit der Thiere, einer lohnenden Jagd gewiß ſein. Jch ſelbſt erlegte in einem
Nachmittage ohne Treiber auf einfachen Bürſchgängen durch das Röhricht fünf Sauen, darunter
zwei grobe Schweine, und ein anderes Mal bei einem Treiben über mit Riedgras bedeckte Ebene
im Delta deren drei. Da hieß es freilich richtig zielen; denn die Verwundeten nahmen uns ſofort
mit raſender Wuth an, und es waren Schweine, ſtark genug, um uns im ſchlimmen Falle die
Jagd hart büßen zu laſſen. Gleichwohl kam es niemals zum Gebrauch des Hirſchfängers. Die
Schweine ſtanden gewöhnlich ſo nahe vor uns auf, daß ein Fehlſchuß kaum möglich war und nur bei
einem einzigen Hauptſchwein welches einer meiner Gefährten nur leicht verwundet hatte, würde
die Sache bedenklich geworden ſein, wenn ich dem Thiere nicht noch hart vor dem Anrennen
meines Gefährten eine Kugel auf die rechte Stelle geſetzt hätte.

Gegen die Hunde vertheidigt ſich das Wildſchwein mit raſender Wuth. Man brauchte in
früheren Zeiten zur Saujagd die ſogenannten Saufinder und Hetzhunde, muthige, ſtarke und
flüchtige Thiere, welche in halbwildem Zuſtand gehalten und nur auf Schwarzwild gebraucht wurden.
Die Saufinder mußten das Wild ſuchen, die Hatzhunde deckten es. Ehe es zum Packen kam, d. h.
ehe die Hunde ſich am Gehör ihrer Feinde feſtbiſſen, wurde gar manchem Hunde der Leib aufge-
riſſen oder er wenigſtens derb geſchlagen. Auf beiden Seiten wehrte man ſich mit gleicher Tapfer-
keit, und wenn acht bis neun der ſtarken und muthigen Hunde über das Schwein herfielen, mußte es
ſich doch ergeben. Das von den Hunden angegriffene Schwein ſuchte ſich klugerweiſe den Rücken zu
decken und ſetzte ſich zu dieſem Zwecke gewöhnlich an einen Baumſtamm oder ins Gebüſch, nach vorn
hin wüthend um ſich hauend. Die erſten Hunde waren am ſchlimmſten dran. Hatte aber einmal einer
dieſer herrlichen Jagdgehilfen ſich am Schweine feſtgebiſſen, ſo war er nicht wieder loszubringen: er
hätte ſich eher Hunderte von Schritten weit ſchleifen laſſen. So wurde das Wildſchwein feſtgehalten,
bis der Jäger herbeikam, um es abzufangen.

Das Fleiſch des Schwarzwildes wird mit Recht ſehr geſchätzt. Es hat neben dem Geſchmack des
Schweinefleiſches den des echten Wildprets. Namentlich Friſchlinge ſind ausgezeichnet. Der Kopf
und die Keulen gelten für beſondere Leckerbiſſen. Auch die Würſte, welche man aus Wildſchwein-
fleiſch bereitet, ſind vortrefflich. An den egyptiſchen Seen, wo die Schweine in gewaltigen Ru-
deln hauſen, beſchäftigten ſich manchmal europäiſche Fleiſcher monatelang mit der Jagd des von den
Mahammedanern mißachteten, „unreinen‟ Wildes, und bereiteten aus dem Fleiſch der erlegten
Thiere blos Würſte, welche ſie dann mit ſehr gutem Gewinn verkauften. Während der Brunſt-
zeit iſt das Fleiſch des Keulers ungenießbar. Auch die Haut wird verwendet, und die Borſten
ſind ſehr geſucht. Aber ſo groß auch der Nutzen ſein mag: den Schaden, welchen das Thier anrichtet,
kann er niemals aufwiegen.

Mit unſerem Wildſchweine nahe verwandt iſt das weißbärtige oder japaniſche Schwein
(Sus leucomastix). Es unterſcheidet ſich hauptſächlich durch die Größe, nicht aber auch durch Geſtalt
und Farbe. Wahrſcheinlich iſt es der Stammvater der kleinen, zahmen Naſſe, welche wir unter dem
Namen chineſiſches Schwein kennen. Auch das indiſche Schwein (Sus cristatus), das Papu-
ſchwein
(Sus papuensis), zwei afrikaniſche Schweine: das Buſchſchwein (Potamochoerus
africanus
) und das pinſelohrige Schwein (Choeropotamus penicillatus) gelten als Stamm-
väter der Hausſchweine, und deshalb will ich ihrer wenigſtens flüchtig gedenken.

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[734/0776] Die Vielhufer oder Dickhäuter. — Das Wildſchwein. Nach falſchen Stößen ſuchen ſie, Dank ihrer Geſchicklichkeit im Reiten, vor dem wüthend auf ſie ein- dringenden Feinde das Weite, kehren aber augenblicklich um, verfolgen das Wild ihrerſeits wieder und bringen ihm neue Stöße bei, bis es erliegt. Jn Egypten zogen wir mit Büchſe und Hirſch- fänger bewaffnet zur Wildſchweinjagd aus. Jn den Zuckerrohrfeldern war an eine Jagd gar nicht zu denken; denn keine Macht der Erde hätte, ohne das ganze Feld zu zerſtören, die hier ſo wohl ge- borgenen Wildſchweine austreiben mögen. Wir ſuchten ſie daher an günſtigeren Orten auf und konnten, bei der Häufigkeit der Thiere, einer lohnenden Jagd gewiß ſein. Jch ſelbſt erlegte in einem Nachmittage ohne Treiber auf einfachen Bürſchgängen durch das Röhricht fünf Sauen, darunter zwei grobe Schweine, und ein anderes Mal bei einem Treiben über mit Riedgras bedeckte Ebene im Delta deren drei. Da hieß es freilich richtig zielen; denn die Verwundeten nahmen uns ſofort mit raſender Wuth an, und es waren Schweine, ſtark genug, um uns im ſchlimmen Falle die Jagd hart büßen zu laſſen. Gleichwohl kam es niemals zum Gebrauch des Hirſchfängers. Die Schweine ſtanden gewöhnlich ſo nahe vor uns auf, daß ein Fehlſchuß kaum möglich war und nur bei einem einzigen Hauptſchwein welches einer meiner Gefährten nur leicht verwundet hatte, würde die Sache bedenklich geworden ſein, wenn ich dem Thiere nicht noch hart vor dem Anrennen meines Gefährten eine Kugel auf die rechte Stelle geſetzt hätte. Gegen die Hunde vertheidigt ſich das Wildſchwein mit raſender Wuth. Man brauchte in früheren Zeiten zur Saujagd die ſogenannten Saufinder und Hetzhunde, muthige, ſtarke und flüchtige Thiere, welche in halbwildem Zuſtand gehalten und nur auf Schwarzwild gebraucht wurden. Die Saufinder mußten das Wild ſuchen, die Hatzhunde deckten es. Ehe es zum Packen kam, d. h. ehe die Hunde ſich am Gehör ihrer Feinde feſtbiſſen, wurde gar manchem Hunde der Leib aufge- riſſen oder er wenigſtens derb geſchlagen. Auf beiden Seiten wehrte man ſich mit gleicher Tapfer- keit, und wenn acht bis neun der ſtarken und muthigen Hunde über das Schwein herfielen, mußte es ſich doch ergeben. Das von den Hunden angegriffene Schwein ſuchte ſich klugerweiſe den Rücken zu decken und ſetzte ſich zu dieſem Zwecke gewöhnlich an einen Baumſtamm oder ins Gebüſch, nach vorn hin wüthend um ſich hauend. Die erſten Hunde waren am ſchlimmſten dran. Hatte aber einmal einer dieſer herrlichen Jagdgehilfen ſich am Schweine feſtgebiſſen, ſo war er nicht wieder loszubringen: er hätte ſich eher Hunderte von Schritten weit ſchleifen laſſen. So wurde das Wildſchwein feſtgehalten, bis der Jäger herbeikam, um es abzufangen. Das Fleiſch des Schwarzwildes wird mit Recht ſehr geſchätzt. Es hat neben dem Geſchmack des Schweinefleiſches den des echten Wildprets. Namentlich Friſchlinge ſind ausgezeichnet. Der Kopf und die Keulen gelten für beſondere Leckerbiſſen. Auch die Würſte, welche man aus Wildſchwein- fleiſch bereitet, ſind vortrefflich. An den egyptiſchen Seen, wo die Schweine in gewaltigen Ru- deln hauſen, beſchäftigten ſich manchmal europäiſche Fleiſcher monatelang mit der Jagd des von den Mahammedanern mißachteten, „unreinen‟ Wildes, und bereiteten aus dem Fleiſch der erlegten Thiere blos Würſte, welche ſie dann mit ſehr gutem Gewinn verkauften. Während der Brunſt- zeit iſt das Fleiſch des Keulers ungenießbar. Auch die Haut wird verwendet, und die Borſten ſind ſehr geſucht. Aber ſo groß auch der Nutzen ſein mag: den Schaden, welchen das Thier anrichtet, kann er niemals aufwiegen. Mit unſerem Wildſchweine nahe verwandt iſt das weißbärtige oder japaniſche Schwein (Sus leucomastix). Es unterſcheidet ſich hauptſächlich durch die Größe, nicht aber auch durch Geſtalt und Farbe. Wahrſcheinlich iſt es der Stammvater der kleinen, zahmen Naſſe, welche wir unter dem Namen chineſiſches Schwein kennen. Auch das indiſche Schwein (Sus cristatus), das Papu- ſchwein (Sus papuensis), zwei afrikaniſche Schweine: das Buſchſchwein (Potamochoerus africanus) und das pinſelohrige Schwein (Choeropotamus penicillatus) gelten als Stamm- väter der Hausſchweine, und deshalb will ich ihrer wenigſtens flüchtig gedenken.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/776>, abgerufen am 23.11.2024.