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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die Harocha. Die eigentlichen Dickhäuter.
alte Sparrmann behauptet freilich Dasselbe. "Man nennt," so erzählt er, "diese Thiere Wald-
schweine. Sie sind gelb, leben in Erdhöhlen und sind sehr gefährlich, indem sie wie ein Pfeil auf
die Menschen losschießen und mit ihren langen Hauern Einem den Bauch aufreißen. Man findet sie
herdenweise beisammen, und auf der Flucht nimmt jedes ein Junges in den Rachen. Dies sieht
höchst sonderbar aus. Jm Kamdebo vermischen sie sich mit Hausschweinen und zeugen fruchtbare
Junge."

"Jch wählte mir," sagt Gordon Cumming, "einen alten Eber zu meiner Beute, und
drängte ihn vom Rudel weg. Nachdem ich zehn Meilen scharf hinter ihm her galoppirt war, be-
gannen wir mit einander in ein ziemlich geneigtes Gehänge hinabzureiten, und hier beschloß ich, mich
mit ihm einzulassen. Als ich mich gegen ihn kehrte, hielt er augenblicklich mit seinem Laufe an und
schaute mit den boshaftesten Augen mir entgegen. Der ganze Rachen schäumte vor Wuth. Jch
hätte ihn leicht zusammenschießen können, wenn ich gewollt hätte, nahm mir aber vor, nicht eher zu
feuern, als bis die Richtung seines Laufes wieder meinem Wagen zugewandt wäre. Er überraschte
mich durch die Entschlossenheit, mit welcher er mir Stand hielt. Jch wurde hitzig und ging auf
ihn ein. Zu meinem nicht geringen Erstaunen wich er nicht im geringsten von seinem Wege ab, son-
dern trollte schließlich hinter meinem Pferde drein, wie ein mir folgender Hund. Dies machte mich
mißtrauisch; denn ich sah ein, daß der alte, listige Bursche nach irgend einem Schlupfwinkel sich zu-
rückwende. Jch beschloß also abzusteigen und ihn zu tödten. Aber gerade als ich diesen Entschluß
gefaßt hatte, fand ich mich in einem wahren Wirrsal von gewaltigen Höhlen, den Wohnungen der
Erdschweine. Angesichts einer von ihnen stellte sich der Eber auf und verschwand, das Hintertheil
zuerst einschiebend, vor meinen Augen mit ziemlicher Schnelligkeit, und ich sah ihn nicht wieder."

Nach den Beobachtungen von Smith ist das Larvenschwein ebenso furchtlos, als boshaft. Es
weicht dem Angriff selten durch die Flucht aus, sondern stellt sich und nimmt gern den Kampf auf.
Sein Lager schlägt es immer in Höhlen, unter Baumwurzeln oder unter Felsblöcken auf; in ihm
wagen es blos die geübtesten Jäger anzugreifen, weil es plötzlich hervorstürzt, mit größter Schnellig-
keit rechts und links Wunden austheilt und bis zu seinem Tode den Kampf grimmig fortsetzt.
Eben weil die Jagd zu große Schwierigkeiten macht, gewährt sie den Muthigsten unter den Einge-
borenen ein hohes Vergnügen.

Jm Jahre 1775 kam das erste lebende Warzenschwein nach Europa, und zwar vom Kap aus.
Man hielt es geraume Zeit im Thiergarten von Haag und glaubte in ihm ein sehr gutmüthiges
Thier zu besitzen. Eines Tages jedoch brach seine Wildheit aus; es stürzte sich nun grimmig auf
seinen Wärter und brachte diesem mit seinen furchtbaren Hauern eine tödtliche Wunde bei. Einer
Bache des Hausschweins, welche ihm in der Hoffnung beigegeben worden war, daß es sich mit der-
selben fortpflanze, riß es den Bauch auf. Hinsichtlich seiner Nahrung unterschied es sich nicht von
anderen Schweinen. Es fraß Getreide aller Art, Mais, Buchweizen, grüne Wurzeln und sehr
gern Brod. Jch sah ein Paar im Thiergarten von Antwerpen. Es waren junge Thiere, welche
ihren Hauerschmuck noch nicht besaßen. Das von Rüppell berichtete Dahinrutschen auf den
Vorderhandgelenken konnte man an ihnen sehr gut beobachten. Beim Fressen und Wühlen nahmen
sie stets diese Stellung an. Sonst unterschieden sie sich nicht von anderen Schweinen.



Jn der letzten Familie unserer Ordnung sind die eigentlichen Dickhäuter oder Plumpen (Obesa)
vereinigt. Die gegenwärtige Schöpfung enthält freilich nur noch zwei verschiedene Sippen dieser Ge-
schöpfe: die Nashörner und Nilpferde; in der Vorwelt dagegen war die Erde von den hier-
her gehörigen Thieren reich bevölkert.

Die Plumpen unterscheiden sich von den Rüsselträgern durch den Mangel der so auffallend ver-
längerten Nasenbeine und durch ihre kleinen Eckzähne an der Stelle der gewaltigen Stoßzähne, durch

Die Harocha. Die eigentlichen Dickhäuter.
alte Sparrmann behauptet freilich Daſſelbe. „Man nennt,‟ ſo erzählt er, „dieſe Thiere Wald-
ſchweine. Sie ſind gelb, leben in Erdhöhlen und ſind ſehr gefährlich, indem ſie wie ein Pfeil auf
die Menſchen losſchießen und mit ihren langen Hauern Einem den Bauch aufreißen. Man findet ſie
herdenweiſe beiſammen, und auf der Flucht nimmt jedes ein Junges in den Rachen. Dies ſieht
höchſt ſonderbar aus. Jm Kamdebo vermiſchen ſie ſich mit Hausſchweinen und zeugen fruchtbare
Junge.‟

„Jch wählte mir,‟ ſagt Gordon Cumming, „einen alten Eber zu meiner Beute, und
drängte ihn vom Rudel weg. Nachdem ich zehn Meilen ſcharf hinter ihm her galoppirt war, be-
gannen wir mit einander in ein ziemlich geneigtes Gehänge hinabzureiten, und hier beſchloß ich, mich
mit ihm einzulaſſen. Als ich mich gegen ihn kehrte, hielt er augenblicklich mit ſeinem Laufe an und
ſchaute mit den boshafteſten Augen mir entgegen. Der ganze Rachen ſchäumte vor Wuth. Jch
hätte ihn leicht zuſammenſchießen können, wenn ich gewollt hätte, nahm mir aber vor, nicht eher zu
feuern, als bis die Richtung ſeines Laufes wieder meinem Wagen zugewandt wäre. Er überraſchte
mich durch die Entſchloſſenheit, mit welcher er mir Stand hielt. Jch wurde hitzig und ging auf
ihn ein. Zu meinem nicht geringen Erſtaunen wich er nicht im geringſten von ſeinem Wege ab, ſon-
dern trollte ſchließlich hinter meinem Pferde drein, wie ein mir folgender Hund. Dies machte mich
mißtrauiſch; denn ich ſah ein, daß der alte, liſtige Burſche nach irgend einem Schlupfwinkel ſich zu-
rückwende. Jch beſchloß alſo abzuſteigen und ihn zu tödten. Aber gerade als ich dieſen Entſchluß
gefaßt hatte, fand ich mich in einem wahren Wirrſal von gewaltigen Höhlen, den Wohnungen der
Erdſchweine. Angeſichts einer von ihnen ſtellte ſich der Eber auf und verſchwand, das Hintertheil
zuerſt einſchiebend, vor meinen Augen mit ziemlicher Schnelligkeit, und ich ſah ihn nicht wieder.‟

Nach den Beobachtungen von Smith iſt das Larvenſchwein ebenſo furchtlos, als boshaft. Es
weicht dem Angriff ſelten durch die Flucht aus, ſondern ſtellt ſich und nimmt gern den Kampf auf.
Sein Lager ſchlägt es immer in Höhlen, unter Baumwurzeln oder unter Felsblöcken auf; in ihm
wagen es blos die geübteſten Jäger anzugreifen, weil es plötzlich hervorſtürzt, mit größter Schnellig-
keit rechts und links Wunden austheilt und bis zu ſeinem Tode den Kampf grimmig fortſetzt.
Eben weil die Jagd zu große Schwierigkeiten macht, gewährt ſie den Muthigſten unter den Einge-
borenen ein hohes Vergnügen.

Jm Jahre 1775 kam das erſte lebende Warzenſchwein nach Europa, und zwar vom Kap aus.
Man hielt es geraume Zeit im Thiergarten von Haag und glaubte in ihm ein ſehr gutmüthiges
Thier zu beſitzen. Eines Tages jedoch brach ſeine Wildheit aus; es ſtürzte ſich nun grimmig auf
ſeinen Wärter und brachte dieſem mit ſeinen furchtbaren Hauern eine tödtliche Wunde bei. Einer
Bache des Hausſchweins, welche ihm in der Hoffnung beigegeben worden war, daß es ſich mit der-
ſelben fortpflanze, riß es den Bauch auf. Hinſichtlich ſeiner Nahrung unterſchied es ſich nicht von
anderen Schweinen. Es fraß Getreide aller Art, Mais, Buchweizen, grüne Wurzeln und ſehr
gern Brod. Jch ſah ein Paar im Thiergarten von Antwerpen. Es waren junge Thiere, welche
ihren Hauerſchmuck noch nicht beſaßen. Das von Rüppell berichtete Dahinrutſchen auf den
Vorderhandgelenken konnte man an ihnen ſehr gut beobachten. Beim Freſſen und Wühlen nahmen
ſie ſtets dieſe Stellung an. Sonſt unterſchieden ſie ſich nicht von anderen Schweinen.



Jn der letzten Familie unſerer Ordnung ſind die eigentlichen Dickhäuter oder Plumpen (Obesa)
vereinigt. Die gegenwärtige Schöpfung enthält freilich nur noch zwei verſchiedene Sippen dieſer Ge-
ſchöpfe: die Nashörner und Nilpferde; in der Vorwelt dagegen war die Erde von den hier-
her gehörigen Thieren reich bevölkert.

Die Plumpen unterſcheiden ſich von den Rüſſelträgern durch den Mangel der ſo auffallend ver-
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[747/0791] Die Harocha. Die eigentlichen Dickhäuter. alte Sparrmann behauptet freilich Daſſelbe. „Man nennt,‟ ſo erzählt er, „dieſe Thiere Wald- ſchweine. Sie ſind gelb, leben in Erdhöhlen und ſind ſehr gefährlich, indem ſie wie ein Pfeil auf die Menſchen losſchießen und mit ihren langen Hauern Einem den Bauch aufreißen. Man findet ſie herdenweiſe beiſammen, und auf der Flucht nimmt jedes ein Junges in den Rachen. Dies ſieht höchſt ſonderbar aus. Jm Kamdebo vermiſchen ſie ſich mit Hausſchweinen und zeugen fruchtbare Junge.‟ „Jch wählte mir,‟ ſagt Gordon Cumming, „einen alten Eber zu meiner Beute, und drängte ihn vom Rudel weg. Nachdem ich zehn Meilen ſcharf hinter ihm her galoppirt war, be- gannen wir mit einander in ein ziemlich geneigtes Gehänge hinabzureiten, und hier beſchloß ich, mich mit ihm einzulaſſen. Als ich mich gegen ihn kehrte, hielt er augenblicklich mit ſeinem Laufe an und ſchaute mit den boshafteſten Augen mir entgegen. Der ganze Rachen ſchäumte vor Wuth. Jch hätte ihn leicht zuſammenſchießen können, wenn ich gewollt hätte, nahm mir aber vor, nicht eher zu feuern, als bis die Richtung ſeines Laufes wieder meinem Wagen zugewandt wäre. Er überraſchte mich durch die Entſchloſſenheit, mit welcher er mir Stand hielt. Jch wurde hitzig und ging auf ihn ein. Zu meinem nicht geringen Erſtaunen wich er nicht im geringſten von ſeinem Wege ab, ſon- dern trollte ſchließlich hinter meinem Pferde drein, wie ein mir folgender Hund. Dies machte mich mißtrauiſch; denn ich ſah ein, daß der alte, liſtige Burſche nach irgend einem Schlupfwinkel ſich zu- rückwende. Jch beſchloß alſo abzuſteigen und ihn zu tödten. Aber gerade als ich dieſen Entſchluß gefaßt hatte, fand ich mich in einem wahren Wirrſal von gewaltigen Höhlen, den Wohnungen der Erdſchweine. Angeſichts einer von ihnen ſtellte ſich der Eber auf und verſchwand, das Hintertheil zuerſt einſchiebend, vor meinen Augen mit ziemlicher Schnelligkeit, und ich ſah ihn nicht wieder.‟ Nach den Beobachtungen von Smith iſt das Larvenſchwein ebenſo furchtlos, als boshaft. Es weicht dem Angriff ſelten durch die Flucht aus, ſondern ſtellt ſich und nimmt gern den Kampf auf. Sein Lager ſchlägt es immer in Höhlen, unter Baumwurzeln oder unter Felsblöcken auf; in ihm wagen es blos die geübteſten Jäger anzugreifen, weil es plötzlich hervorſtürzt, mit größter Schnellig- keit rechts und links Wunden austheilt und bis zu ſeinem Tode den Kampf grimmig fortſetzt. Eben weil die Jagd zu große Schwierigkeiten macht, gewährt ſie den Muthigſten unter den Einge- borenen ein hohes Vergnügen. Jm Jahre 1775 kam das erſte lebende Warzenſchwein nach Europa, und zwar vom Kap aus. Man hielt es geraume Zeit im Thiergarten von Haag und glaubte in ihm ein ſehr gutmüthiges Thier zu beſitzen. Eines Tages jedoch brach ſeine Wildheit aus; es ſtürzte ſich nun grimmig auf ſeinen Wärter und brachte dieſem mit ſeinen furchtbaren Hauern eine tödtliche Wunde bei. Einer Bache des Hausſchweins, welche ihm in der Hoffnung beigegeben worden war, daß es ſich mit der- ſelben fortpflanze, riß es den Bauch auf. Hinſichtlich ſeiner Nahrung unterſchied es ſich nicht von anderen Schweinen. Es fraß Getreide aller Art, Mais, Buchweizen, grüne Wurzeln und ſehr gern Brod. Jch ſah ein Paar im Thiergarten von Antwerpen. Es waren junge Thiere, welche ihren Hauerſchmuck noch nicht beſaßen. Das von Rüppell berichtete Dahinrutſchen auf den Vorderhandgelenken konnte man an ihnen ſehr gut beobachten. Beim Freſſen und Wühlen nahmen ſie ſtets dieſe Stellung an. Sonſt unterſchieden ſie ſich nicht von anderen Schweinen. Jn der letzten Familie unſerer Ordnung ſind die eigentlichen Dickhäuter oder Plumpen (Obesa) vereinigt. Die gegenwärtige Schöpfung enthält freilich nur noch zwei verſchiedene Sippen dieſer Ge- ſchöpfe: die Nashörner und Nilpferde; in der Vorwelt dagegen war die Erde von den hier- her gehörigen Thieren reich bevölkert. Die Plumpen unterſcheiden ſich von den Rüſſelträgern durch den Mangel der ſo auffallend ver- längerten Naſenbeine und durch ihre kleinen Eckzähne an der Stelle der gewaltigen Stoßzähne, durch

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 747. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/791>, abgerufen am 23.11.2024.