ein weiches Polster. Der Außentheil besteht aus dünneren und dickeren Reisern, welche durchein- andergeschränkt wurden. Den festen, mit Erde und Lehm ausgekleibten Boden eines verlassenen Krähennestes benutzt das Hörnchen unter allen Umständen gern zur Grundlage seiner Hütte.
Das muntere Thierchen ist unstreitig eine der Hauptzierden unserer Wälder. Bei ruhigem, hei- teren Wetter befindet es sich in ununterbrochener Bewegung, soviel als möglich auf den Bäumen, welche ihm zu allen Zeiten Nahrung und Obdach bieten. Nur gelegentlich steigt es gemächlich an einem Stamme herab, läuft bis zu einem zweiten Baum und klettert, oft nur zum Spaß, wieder an diesem empor; denn wenn es will, braucht es den Boden gar nicht zu berühren. Es ist der Affe unserer Wälder und besitzt eine Menge Eigenschaften, welche an die jener launischen Südländer erinnern. Es ist ein ungemein lebhaftes Thier und überaus rasch und behend. Nur höchst wenige Säugethiere dürfte es geben, welche immerwährend so munter wären und so kurze Zeit auf ein und derselben Stelle blieben, wie das gemeine Eichhorn bei leidlicher Witterung. Das geht beständig von Baum zu Baum, von Krone zu Krone, von Zweig zu Zweig; selbst auf der ihm fremden Erde ist es nichts weniger als langsam. Es läuft niemals im Schritte oder Trabe, sondern hüpft immer in größeren oder kleineren Sprüngen vorwärts, und zwar so schnell, daß ein Hund Mühe hat, es einzuholen und ein Mann schon nach kurzem Laufe seine Verfolgung aufgeben muß. Allein seine wahre Gewandtheit zeigt sich doch erst im Klettern. Mit unglaublicher Sicherheit und Schnelligkeit rutscht es an den Baumstämmen empor, auch an den glättesten. Die langen, scharfen Krallen an den fingerartigen Zehen leisten ihm dabei vortreffliche Dienste. Es häkelt sich in die Baumrinde ein, und zwar immer mit allen vier Füßen zugleich. Dann nimmt es einen neuen An- lauf zum Sprunge und schießt weiter nach oben; aber ein Sprung folgt so schnell auf den andern, daß das ganze Emporsteigen in ununterbrochener Folge vor sich geht und aussieht, als gleite das Thier an dem Stamme in die Höhe. Die Kletterbewegung verursacht ein weit hörbares Rasseln, in welchem man die einzelnen An- und Absätze nicht unterscheiden kann. Gewöhnlich steigt es, ohne abzusetzen, bis in die Krone des Baumes, nicht selten bis zum Wipfel empor; dort läuft es dann auf irgend einem der wagrechten Aeste hinaus und springt gewöhnlich nach der Spitze des Astes eines andern Baumes hinüber, über Entfernungen von zwölf bis sechszehn Fuß, immer von oben nach unten. Wie nothwendig die zweizeilig behaarte Fahne dem Thiere zum Springen ist, hat man durch grausame Versuche erprobt, indem man gefangenen Eichhörnchen den Schwanz abschlug. Man bemerkte dann, daß das verstümmelte Geschöpf nicht halbsoweit mehr springen konnte. Obgleich die Hände des Eichhorns nicht Dasselbe leisten können, wie die Affenhände, sind sie doch immer noch hinlänglich geeignet, das Thier auch auf dem schwankendsten Zweige zu befestigen, und dieses ist viel zu geschickt, als daß es jemals einen Fehlsprung thäte oder von einem Aste, den es sich auserwählt, herab- fiele. Sobald es die äußerste Spitze des Zweiges erreicht, faßt es sie so schnell und fest, daß ihm das Schwanken des Zweiges gar nicht beschwerlich fällt, und läuft nun mit seiner anmuthigen Gewandt- heit äußerst rasch wieder dem Stamme des zweiten Baumes zu. Auch das Schwimmen versteht der muntere Gesell vortrefflich, obgleich er nicht gern ins Wasser geht. Man hat sich bemüht, die ein- fache Handlung des Schwimmens bei ihm so unnatürlich als möglich zu erklären, und behauptet, daß sich das Hörnchen erst ein Stück Baumrinde ins Wasser trage zum Boote, welches es dann durch den emporgehobenen Schwanz mit Mast und Segel versähe etc.: -- derartige Schwätzereien naturfremder Stubenhocker können höchstens belächelt werden. Das Eichhorn schwimmt eben auch nicht anders, als die übrigen landbewohnenden Säugethiere und die Nager insbesondere.
Wenn das Hörnchen ganz in Ruhe ist, sucht es bei seinen Streifereien beständig nach Aeßung. Je nach der Jahreszeit genießt es Früchte oder Sämereien, Knospen, Zweige, Schalen, Beeren, Körner und Pilze. Tannen-, Kiefern- und Fichtensamen, Knospen und junge Triebe bleiben wohl immer der Haupttheil seiner Nahrung. Es beißt die Zapfen unserer Nadelholzbäume am Stiele ab, setzt sich behäbig auf die Hinterläufe, erhebt den Zapfen mit den Vorderfüßen zum Munde, dreht ihn ununter- brochen herum und beißt nun mit seinen vortrefflichen Zähnen ein Blättchen nach dem andern ab,
Die eigentlichen Hörnchen.
ein weiches Polſter. Der Außentheil beſteht aus dünneren und dickeren Reiſern, welche durchein- andergeſchränkt wurden. Den feſten, mit Erde und Lehm ausgekleibten Boden eines verlaſſenen Krähenneſtes benutzt das Hörnchen unter allen Umſtänden gern zur Grundlage ſeiner Hütte.
Das muntere Thierchen iſt unſtreitig eine der Hauptzierden unſerer Wälder. Bei ruhigem, hei- teren Wetter befindet es ſich in ununterbrochener Bewegung, ſoviel als möglich auf den Bäumen, welche ihm zu allen Zeiten Nahrung und Obdach bieten. Nur gelegentlich ſteigt es gemächlich an einem Stamme herab, läuft bis zu einem zweiten Baum und klettert, oft nur zum Spaß, wieder an dieſem empor; denn wenn es will, braucht es den Boden gar nicht zu berühren. Es iſt der Affe unſerer Wälder und beſitzt eine Menge Eigenſchaften, welche an die jener launiſchen Südländer erinnern. Es iſt ein ungemein lebhaftes Thier und überaus raſch und behend. Nur höchſt wenige Säugethiere dürfte es geben, welche immerwährend ſo munter wären und ſo kurze Zeit auf ein und derſelben Stelle blieben, wie das gemeine Eichhorn bei leidlicher Witterung. Das geht beſtändig von Baum zu Baum, von Krone zu Krone, von Zweig zu Zweig; ſelbſt auf der ihm fremden Erde iſt es nichts weniger als langſam. Es läuft niemals im Schritte oder Trabe, ſondern hüpft immer in größeren oder kleineren Sprüngen vorwärts, und zwar ſo ſchnell, daß ein Hund Mühe hat, es einzuholen und ein Mann ſchon nach kurzem Laufe ſeine Verfolgung aufgeben muß. Allein ſeine wahre Gewandtheit zeigt ſich doch erſt im Klettern. Mit unglaublicher Sicherheit und Schnelligkeit rutſcht es an den Baumſtämmen empor, auch an den glätteſten. Die langen, ſcharfen Krallen an den fingerartigen Zehen leiſten ihm dabei vortreffliche Dienſte. Es häkelt ſich in die Baumrinde ein, und zwar immer mit allen vier Füßen zugleich. Dann nimmt es einen neuen An- lauf zum Sprunge und ſchießt weiter nach oben; aber ein Sprung folgt ſo ſchnell auf den andern, daß das ganze Emporſteigen in ununterbrochener Folge vor ſich geht und ausſieht, als gleite das Thier an dem Stamme in die Höhe. Die Kletterbewegung verurſacht ein weit hörbares Raſſeln, in welchem man die einzelnen An- und Abſätze nicht unterſcheiden kann. Gewöhnlich ſteigt es, ohne abzuſetzen, bis in die Krone des Baumes, nicht ſelten bis zum Wipfel empor; dort läuft es dann auf irgend einem der wagrechten Aeſte hinaus und ſpringt gewöhnlich nach der Spitze des Aſtes eines andern Baumes hinüber, über Entfernungen von zwölf bis ſechszehn Fuß, immer von oben nach unten. Wie nothwendig die zweizeilig behaarte Fahne dem Thiere zum Springen iſt, hat man durch grauſame Verſuche erprobt, indem man gefangenen Eichhörnchen den Schwanz abſchlug. Man bemerkte dann, daß das verſtümmelte Geſchöpf nicht halbſoweit mehr ſpringen konnte. Obgleich die Hände des Eichhorns nicht Daſſelbe leiſten können, wie die Affenhände, ſind ſie doch immer noch hinlänglich geeignet, das Thier auch auf dem ſchwankendſten Zweige zu befeſtigen, und dieſes iſt viel zu geſchickt, als daß es jemals einen Fehlſprung thäte oder von einem Aſte, den es ſich auserwählt, herab- fiele. Sobald es die äußerſte Spitze des Zweiges erreicht, faßt es ſie ſo ſchnell und feſt, daß ihm das Schwanken des Zweiges gar nicht beſchwerlich fällt, und läuft nun mit ſeiner anmuthigen Gewandt- heit äußerſt raſch wieder dem Stamme des zweiten Baumes zu. Auch das Schwimmen verſteht der muntere Geſell vortrefflich, obgleich er nicht gern ins Waſſer geht. Man hat ſich bemüht, die ein- fache Handlung des Schwimmens bei ihm ſo unnatürlich als möglich zu erklären, und behauptet, daß ſich das Hörnchen erſt ein Stück Baumrinde ins Waſſer trage zum Boote, welches es dann durch den emporgehobenen Schwanz mit Maſt und Segel verſähe ꝛc.: — derartige Schwätzereien naturfremder Stubenhocker können höchſtens belächelt werden. Das Eichhorn ſchwimmt eben auch nicht anders, als die übrigen landbewohnenden Säugethiere und die Nager insbeſondere.
Wenn das Hörnchen ganz in Ruhe iſt, ſucht es bei ſeinen Streifereien beſtändig nach Aeßung. Je nach der Jahreszeit genießt es Früchte oder Sämereien, Knospen, Zweige, Schalen, Beeren, Körner und Pilze. Tannen-, Kiefern- und Fichtenſamen, Knospen und junge Triebe bleiben wohl immer der Haupttheil ſeiner Nahrung. Es beißt die Zapfen unſerer Nadelholzbäume am Stiele ab, ſetzt ſich behäbig auf die Hinterläufe, erhebt den Zapfen mit den Vorderfüßen zum Munde, dreht ihn ununter- brochen herum und beißt nun mit ſeinen vortrefflichen Zähnen ein Blättchen nach dem andern ab,
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[70/0084]
Die eigentlichen Hörnchen.
ein weiches Polſter. Der Außentheil beſteht aus dünneren und dickeren Reiſern, welche durchein-
andergeſchränkt wurden. Den feſten, mit Erde und Lehm ausgekleibten Boden eines verlaſſenen
Krähenneſtes benutzt das Hörnchen unter allen Umſtänden gern zur Grundlage ſeiner Hütte.
Das muntere Thierchen iſt unſtreitig eine der Hauptzierden unſerer Wälder. Bei ruhigem, hei-
teren Wetter befindet es ſich in ununterbrochener Bewegung, ſoviel als möglich auf den Bäumen, welche
ihm zu allen Zeiten Nahrung und Obdach bieten. Nur gelegentlich ſteigt es gemächlich an einem
Stamme herab, läuft bis zu einem zweiten Baum und klettert, oft nur zum Spaß, wieder an
dieſem empor; denn wenn es will, braucht es den Boden gar nicht zu berühren. Es iſt der Affe
unſerer Wälder und beſitzt eine Menge Eigenſchaften, welche an die jener launiſchen Südländer
erinnern. Es iſt ein ungemein lebhaftes Thier und überaus raſch und behend. Nur höchſt
wenige Säugethiere dürfte es geben, welche immerwährend ſo munter wären und ſo kurze Zeit auf
ein und derſelben Stelle blieben, wie das gemeine Eichhorn bei leidlicher Witterung. Das geht
beſtändig von Baum zu Baum, von Krone zu Krone, von Zweig zu Zweig; ſelbſt auf der ihm
fremden Erde iſt es nichts weniger als langſam. Es läuft niemals im Schritte oder Trabe, ſondern
hüpft immer in größeren oder kleineren Sprüngen vorwärts, und zwar ſo ſchnell, daß ein Hund
Mühe hat, es einzuholen und ein Mann ſchon nach kurzem Laufe ſeine Verfolgung aufgeben muß.
Allein ſeine wahre Gewandtheit zeigt ſich doch erſt im Klettern. Mit unglaublicher Sicherheit und
Schnelligkeit rutſcht es an den Baumſtämmen empor, auch an den glätteſten. Die langen, ſcharfen
Krallen an den fingerartigen Zehen leiſten ihm dabei vortreffliche Dienſte. Es häkelt ſich in die
Baumrinde ein, und zwar immer mit allen vier Füßen zugleich. Dann nimmt es einen neuen An-
lauf zum Sprunge und ſchießt weiter nach oben; aber ein Sprung folgt ſo ſchnell auf den andern,
daß das ganze Emporſteigen in ununterbrochener Folge vor ſich geht und ausſieht, als gleite das
Thier an dem Stamme in die Höhe. Die Kletterbewegung verurſacht ein weit hörbares Raſſeln,
in welchem man die einzelnen An- und Abſätze nicht unterſcheiden kann. Gewöhnlich ſteigt es,
ohne abzuſetzen, bis in die Krone des Baumes, nicht ſelten bis zum Wipfel empor; dort läuft es
dann auf irgend einem der wagrechten Aeſte hinaus und ſpringt gewöhnlich nach der Spitze des
Aſtes eines andern Baumes hinüber, über Entfernungen von zwölf bis ſechszehn Fuß, immer von
oben nach unten. Wie nothwendig die zweizeilig behaarte Fahne dem Thiere zum Springen iſt, hat
man durch grauſame Verſuche erprobt, indem man gefangenen Eichhörnchen den Schwanz abſchlug.
Man bemerkte dann, daß das verſtümmelte Geſchöpf nicht halbſoweit mehr ſpringen konnte. Obgleich
die Hände des Eichhorns nicht Daſſelbe leiſten können, wie die Affenhände, ſind ſie doch immer noch
hinlänglich geeignet, das Thier auch auf dem ſchwankendſten Zweige zu befeſtigen, und dieſes iſt viel zu
geſchickt, als daß es jemals einen Fehlſprung thäte oder von einem Aſte, den es ſich auserwählt, herab-
fiele. Sobald es die äußerſte Spitze des Zweiges erreicht, faßt es ſie ſo ſchnell und feſt, daß ihm das
Schwanken des Zweiges gar nicht beſchwerlich fällt, und läuft nun mit ſeiner anmuthigen Gewandt-
heit äußerſt raſch wieder dem Stamme des zweiten Baumes zu. Auch das Schwimmen verſteht der
muntere Geſell vortrefflich, obgleich er nicht gern ins Waſſer geht. Man hat ſich bemüht, die ein-
fache Handlung des Schwimmens bei ihm ſo unnatürlich als möglich zu erklären, und behauptet, daß
ſich das Hörnchen erſt ein Stück Baumrinde ins Waſſer trage zum Boote, welches es dann durch den
emporgehobenen Schwanz mit Maſt und Segel verſähe ꝛc.: — derartige Schwätzereien naturfremder
Stubenhocker können höchſtens belächelt werden. Das Eichhorn ſchwimmt eben auch nicht anders,
als die übrigen landbewohnenden Säugethiere und die Nager insbeſondere.
Wenn das Hörnchen ganz in Ruhe iſt, ſucht es bei ſeinen Streifereien beſtändig nach Aeßung. Je
nach der Jahreszeit genießt es Früchte oder Sämereien, Knospen, Zweige, Schalen, Beeren, Körner
und Pilze. Tannen-, Kiefern- und Fichtenſamen, Knospen und junge Triebe bleiben wohl immer der
Haupttheil ſeiner Nahrung. Es beißt die Zapfen unſerer Nadelholzbäume am Stiele ab, ſetzt ſich
behäbig auf die Hinterläufe, erhebt den Zapfen mit den Vorderfüßen zum Munde, dreht ihn ununter-
brochen herum und beißt nun mit ſeinen vortrefflichen Zähnen ein Blättchen nach dem andern ab,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/84>, abgerufen am 23.11.2024.
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