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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Der Dujong.
angedeutet. Auf der matt bleifarbenen oder graubläulichen, längs des Rückens und Kopfes etwas
ins Gelblichgrüne, auf der Unterseite ins Bläulichfleischfarbene spielenden, hier und da mit dunk-
len Längsflecken gezeichneten, glatten und glänzenden Haut stehen, sehr einzeln, ganz kurze, dünne,
aber steife Borstenhaare, welche auf der Oberlippe fast zu Stacheln werden. Die Flossen und
die Schwanzfinne sind vollkommen nackt. Unter den inneren Leibestheilen verdient das Gebiß
besondere Berücksichtigung. Es besteht aus Schneide- und Mahlzähnen, von welchen die ersteren
bei den Weibchen kurz, stumpf und spitzig, bei den Männchen viel stärker, dreiseitig und meisel-
förmig sind. Die fünf Mahlzähne in jeder Reihe nehmen von vorn nach hinten an Größe zu.
Alle Zähne sind wurzellos, und mehrere fallen im Alter aus. Eckzähne fehlen gänzlich; allein
beim Männchen entwickeln sich zwei Vorderzähne zu 8 bis 12 Zoll langen und einen Zoll dicken
Hau- oder Stoßzähnen, welche jedoch auf etwa sieben Achtel ihrer Länge vom Zahnfleisch und vom
Kiefer bedeckt sind.

Es scheint, daß unsere Seemaid in allen Theilen des indischen Meeres gefunden wird. Man
sagt, daß sie früher weiter verbreitet gewesen wäre, als jetzt; mit Bestimmtheit kann Dies aber
weder bejaht, noch verneint werden. Nach Norden hin reicht sie etwa bis in die Hälfte des
rothen Meeres, welches allerdings ganz geeignete Plätze darbietet. Hier ist sie ein sehr wohlbe-
kanntes Thier. Alle Schiffer haben sie gesehen, und schwerlich wird man einen von ihnen um-
sonst nach der "Näkhe el Bahhr" (Kamelstute des Meeres) oder, wie sie im Süden heißt,
nach den Djilid (der Lederige), der Dauile oder dem Urum fragen. Man wird auch eine
Beschreibung des auffallenden Thieres hören, obschon dieselbe nicht eben ausführlich sein dürfte.

Wenn wir alle Berichte zusammenstellen, erfahren wir, daß der Dujong hauptsächlich im Meere,
seltener im süßen Wasser der Flußmündungen, nicht aber in den Flüssen selbst sich aufhält, immer
die Nähe der Küsten bevorzugt und nur soweit in das Meer hinausgeht, als die Pflanzenwelt des
Grundes reicht. Seichte Buchten, in denen die Sonne das wenig bewegte Wasser recht durchstrah-
len und der Pflanzenreichthum des Meeres besonders sich entfalten kann, sind seine Lieblings-
orte. Auf das Land hinaus steigt er vielleicht gar nicht; denn es ist sehr wahrscheinlich, daß
diejenigen, welche man auf dem Lande liegen sah, von der Ebbe an einer bestimmten Stelle
zurückgelassen wurden und zu faul waren, ihren schweren Leib wieder bis in die See zu schieben,
es vielmehr vorzogen, ruhig die nächste Fluth hier abzuwarten. Vom Grunde ihrer seichten
Buchten aus steigt das Thier etwa in jeder Minute ein Mal nach der Oberfläche des Wassers em-
por, steckt seine Nase oder unter Umständen den halben Leib aus den Fluthen heraus, schöpft
Athem und versinkt langsam und gleichmäßig wieder in die Tiefe.

Die Fischer sagen, daß der Dujong paarweise und nur selten in kleinen Familien lebe; doch
gilt diese Angabe mehr auf den arabischen Meerbusen, als für andere Theile des indischen Weltmeeres,
weil er dort zuweilen in Scharen beobachtet worden sein soll. Seine Bewegungen werden als äußerst
langsam und schwerfällig geschildert, obgleich die Kraft seines Schwanzes sehr bedeutend ist. Zufällig
hat man beobachtet, daß er beim Fressen faul auf dem Grunde des Meeres liegt und die an den
Felsen oder auf dem Meeresboden wachsenden Tange, seine Hauptnahrung, gemächlich mit seinen
harten, dicken Lippen abweidet oder bezüglich vom Boden losreißt. Solange es noch Nahrung an
einer Stelle gibt, verändert er wahrscheinlich ungezwungen seinen Aufenthalt nicht; hat er aber eine
seiner Meerwiesen abgeweidet, so siedelt er langsam nach anderen Stellen über, welche ihn dann
wieder auf einige Zeit zu fesseln wissen. Möglicherweise haben die heftigen Stürme, welche zu ge-
wissen Jahreszeiten das indische Meer aufwühlen, auch einigen Einfluß auf seine Wanderungen.
Das unruhige Gewoge zwingt ihn unter solchen Umständen, Buchten oder Sunde zu suchen, in
denen seine angeborene Faulheit nicht weiter gestört wird. Daß er durch Stürme zum Wandern
bewogen wird, schließt man aus seinem zeitweiligen Erscheinen an gewissen Stellen, wo man ihn
während der ruhigen Zeit des Jahres nicht beobachtete.

Brehm, Thierleben. II. 52

Der Dujong.
angedeutet. Auf der matt bleifarbenen oder graubläulichen, längs des Rückens und Kopfes etwas
ins Gelblichgrüne, auf der Unterſeite ins Bläulichfleiſchfarbene ſpielenden, hier und da mit dunk-
len Längsflecken gezeichneten, glatten und glänzenden Haut ſtehen, ſehr einzeln, ganz kurze, dünne,
aber ſteife Borſtenhaare, welche auf der Oberlippe faſt zu Stacheln werden. Die Floſſen und
die Schwanzfinne ſind vollkommen nackt. Unter den inneren Leibestheilen verdient das Gebiß
beſondere Berückſichtigung. Es beſteht aus Schneide- und Mahlzähnen, von welchen die erſteren
bei den Weibchen kurz, ſtumpf und ſpitzig, bei den Männchen viel ſtärker, dreiſeitig und meiſel-
förmig ſind. Die fünf Mahlzähne in jeder Reihe nehmen von vorn nach hinten an Größe zu.
Alle Zähne ſind wurzellos, und mehrere fallen im Alter aus. Eckzähne fehlen gänzlich; allein
beim Männchen entwickeln ſich zwei Vorderzähne zu 8 bis 12 Zoll langen und einen Zoll dicken
Hau- oder Stoßzähnen, welche jedoch auf etwa ſieben Achtel ihrer Länge vom Zahnfleiſch und vom
Kiefer bedeckt ſind.

Es ſcheint, daß unſere Seemaid in allen Theilen des indiſchen Meeres gefunden wird. Man
ſagt, daß ſie früher weiter verbreitet geweſen wäre, als jetzt; mit Beſtimmtheit kann Dies aber
weder bejaht, noch verneint werden. Nach Norden hin reicht ſie etwa bis in die Hälfte des
rothen Meeres, welches allerdings ganz geeignete Plätze darbietet. Hier iſt ſie ein ſehr wohlbe-
kanntes Thier. Alle Schiffer haben ſie geſehen, und ſchwerlich wird man einen von ihnen um-
ſonſt nach der „Näkhe el Bahhr‟ (Kamelſtute des Meeres) oder, wie ſie im Süden heißt,
nach den Djilid (der Lederige), der Dauile oder dem Urum fragen. Man wird auch eine
Beſchreibung des auffallenden Thieres hören, obſchon dieſelbe nicht eben ausführlich ſein dürfte.

Wenn wir alle Berichte zuſammenſtellen, erfahren wir, daß der Dujong hauptſächlich im Meere,
ſeltener im ſüßen Waſſer der Flußmündungen, nicht aber in den Flüſſen ſelbſt ſich aufhält, immer
die Nähe der Küſten bevorzugt und nur ſoweit in das Meer hinausgeht, als die Pflanzenwelt des
Grundes reicht. Seichte Buchten, in denen die Sonne das wenig bewegte Waſſer recht durchſtrah-
len und der Pflanzenreichthum des Meeres beſonders ſich entfalten kann, ſind ſeine Lieblings-
orte. Auf das Land hinaus ſteigt er vielleicht gar nicht; denn es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß
diejenigen, welche man auf dem Lande liegen ſah, von der Ebbe an einer beſtimmten Stelle
zurückgelaſſen wurden und zu faul waren, ihren ſchweren Leib wieder bis in die See zu ſchieben,
es vielmehr vorzogen, ruhig die nächſte Fluth hier abzuwarten. Vom Grunde ihrer ſeichten
Buchten aus ſteigt das Thier etwa in jeder Minute ein Mal nach der Oberfläche des Waſſers em-
por, ſteckt ſeine Naſe oder unter Umſtänden den halben Leib aus den Fluthen heraus, ſchöpft
Athem und verſinkt langſam und gleichmäßig wieder in die Tiefe.

Die Fiſcher ſagen, daß der Dujong paarweiſe und nur ſelten in kleinen Familien lebe; doch
gilt dieſe Angabe mehr auf den arabiſchen Meerbuſen, als für andere Theile des indiſchen Weltmeeres,
weil er dort zuweilen in Scharen beobachtet worden ſein ſoll. Seine Bewegungen werden als äußerſt
langſam und ſchwerfällig geſchildert, obgleich die Kraft ſeines Schwanzes ſehr bedeutend iſt. Zufällig
hat man beobachtet, daß er beim Freſſen faul auf dem Grunde des Meeres liegt und die an den
Felſen oder auf dem Meeresboden wachſenden Tange, ſeine Hauptnahrung, gemächlich mit ſeinen
harten, dicken Lippen abweidet oder bezüglich vom Boden losreißt. Solange es noch Nahrung an
einer Stelle gibt, verändert er wahrſcheinlich ungezwungen ſeinen Aufenthalt nicht; hat er aber eine
ſeiner Meerwieſen abgeweidet, ſo ſiedelt er langſam nach anderen Stellen über, welche ihn dann
wieder auf einige Zeit zu feſſeln wiſſen. Möglicherweiſe haben die heftigen Stürme, welche zu ge-
wiſſen Jahreszeiten das indiſche Meer aufwühlen, auch einigen Einfluß auf ſeine Wanderungen.
Das unruhige Gewoge zwingt ihn unter ſolchen Umſtänden, Buchten oder Sunde zu ſuchen, in
denen ſeine angeborene Faulheit nicht weiter geſtört wird. Daß er durch Stürme zum Wandern
bewogen wird, ſchließt man aus ſeinem zeitweiligen Erſcheinen an gewiſſen Stellen, wo man ihn
während der ruhigen Zeit des Jahres nicht beobachtete.

Brehm, Thierleben. II. 52
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[817/0865] Der Dujong. angedeutet. Auf der matt bleifarbenen oder graubläulichen, längs des Rückens und Kopfes etwas ins Gelblichgrüne, auf der Unterſeite ins Bläulichfleiſchfarbene ſpielenden, hier und da mit dunk- len Längsflecken gezeichneten, glatten und glänzenden Haut ſtehen, ſehr einzeln, ganz kurze, dünne, aber ſteife Borſtenhaare, welche auf der Oberlippe faſt zu Stacheln werden. Die Floſſen und die Schwanzfinne ſind vollkommen nackt. Unter den inneren Leibestheilen verdient das Gebiß beſondere Berückſichtigung. Es beſteht aus Schneide- und Mahlzähnen, von welchen die erſteren bei den Weibchen kurz, ſtumpf und ſpitzig, bei den Männchen viel ſtärker, dreiſeitig und meiſel- förmig ſind. Die fünf Mahlzähne in jeder Reihe nehmen von vorn nach hinten an Größe zu. Alle Zähne ſind wurzellos, und mehrere fallen im Alter aus. Eckzähne fehlen gänzlich; allein beim Männchen entwickeln ſich zwei Vorderzähne zu 8 bis 12 Zoll langen und einen Zoll dicken Hau- oder Stoßzähnen, welche jedoch auf etwa ſieben Achtel ihrer Länge vom Zahnfleiſch und vom Kiefer bedeckt ſind. Es ſcheint, daß unſere Seemaid in allen Theilen des indiſchen Meeres gefunden wird. Man ſagt, daß ſie früher weiter verbreitet geweſen wäre, als jetzt; mit Beſtimmtheit kann Dies aber weder bejaht, noch verneint werden. Nach Norden hin reicht ſie etwa bis in die Hälfte des rothen Meeres, welches allerdings ganz geeignete Plätze darbietet. Hier iſt ſie ein ſehr wohlbe- kanntes Thier. Alle Schiffer haben ſie geſehen, und ſchwerlich wird man einen von ihnen um- ſonſt nach der „Näkhe el Bahhr‟ (Kamelſtute des Meeres) oder, wie ſie im Süden heißt, nach den Djilid (der Lederige), der Dauile oder dem Urum fragen. Man wird auch eine Beſchreibung des auffallenden Thieres hören, obſchon dieſelbe nicht eben ausführlich ſein dürfte. Wenn wir alle Berichte zuſammenſtellen, erfahren wir, daß der Dujong hauptſächlich im Meere, ſeltener im ſüßen Waſſer der Flußmündungen, nicht aber in den Flüſſen ſelbſt ſich aufhält, immer die Nähe der Küſten bevorzugt und nur ſoweit in das Meer hinausgeht, als die Pflanzenwelt des Grundes reicht. Seichte Buchten, in denen die Sonne das wenig bewegte Waſſer recht durchſtrah- len und der Pflanzenreichthum des Meeres beſonders ſich entfalten kann, ſind ſeine Lieblings- orte. Auf das Land hinaus ſteigt er vielleicht gar nicht; denn es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß diejenigen, welche man auf dem Lande liegen ſah, von der Ebbe an einer beſtimmten Stelle zurückgelaſſen wurden und zu faul waren, ihren ſchweren Leib wieder bis in die See zu ſchieben, es vielmehr vorzogen, ruhig die nächſte Fluth hier abzuwarten. Vom Grunde ihrer ſeichten Buchten aus ſteigt das Thier etwa in jeder Minute ein Mal nach der Oberfläche des Waſſers em- por, ſteckt ſeine Naſe oder unter Umſtänden den halben Leib aus den Fluthen heraus, ſchöpft Athem und verſinkt langſam und gleichmäßig wieder in die Tiefe. Die Fiſcher ſagen, daß der Dujong paarweiſe und nur ſelten in kleinen Familien lebe; doch gilt dieſe Angabe mehr auf den arabiſchen Meerbuſen, als für andere Theile des indiſchen Weltmeeres, weil er dort zuweilen in Scharen beobachtet worden ſein ſoll. Seine Bewegungen werden als äußerſt langſam und ſchwerfällig geſchildert, obgleich die Kraft ſeines Schwanzes ſehr bedeutend iſt. Zufällig hat man beobachtet, daß er beim Freſſen faul auf dem Grunde des Meeres liegt und die an den Felſen oder auf dem Meeresboden wachſenden Tange, ſeine Hauptnahrung, gemächlich mit ſeinen harten, dicken Lippen abweidet oder bezüglich vom Boden losreißt. Solange es noch Nahrung an einer Stelle gibt, verändert er wahrſcheinlich ungezwungen ſeinen Aufenthalt nicht; hat er aber eine ſeiner Meerwieſen abgeweidet, ſo ſiedelt er langſam nach anderen Stellen über, welche ihn dann wieder auf einige Zeit zu feſſeln wiſſen. Möglicherweiſe haben die heftigen Stürme, welche zu ge- wiſſen Jahreszeiten das indiſche Meer aufwühlen, auch einigen Einfluß auf ſeine Wanderungen. Das unruhige Gewoge zwingt ihn unter ſolchen Umſtänden, Buchten oder Sunde zu ſuchen, in denen ſeine angeborene Faulheit nicht weiter geſtört wird. Daß er durch Stürme zum Wandern bewogen wird, ſchließt man aus ſeinem zeitweiligen Erſcheinen an gewiſſen Stellen, wo man ihn während der ruhigen Zeit des Jahres nicht beobachtete. Brehm, Thierleben. II. 52

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 817. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/865>, abgerufen am 23.11.2024.