Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Walthiere.
eines reichlichen Lohnes erfreut. Manchmal aber ist am Ende der Fahrt auch kein einziger Fisch ge-
fangen worden, und dann hat die Mannschaft, welche für ihren Lohn auf einen Theil des Fanges
angewiesen ist, alle Noth und Mühe umsonst gehabt, und der Unternehmer ist um eine bedeutende
Summe ärmer."

"Wie sehr der Walfischfang von den Launen des Zufalls abhängt, geht aus folgenden amt-
lichen Angaben deutlich hervor. Jm Jahre 1748 wurden von den 108 Schiffen der holländischen
Grönlandsflotte 1291 Fische gefangen, deren Werth etwa vier Millionen Thaler betrug, so daß
also auf jedes Schiff durchschnittlich sechsunddreißigtausend Thaler kamen; im folgenden Jahre da-
gegen erbenteten 137 Schiffe blos zweiundzwanzig Wale. Jn Folge dieses entmuthigenden Ergeb-
nisses rüstete man das nächste Mal nur 117 Schiffe aus; diese fingen aber 631 Walfische und ent-
schädigten den Rheder einigermaßen für den erlittenen Verlust."

Der Walfischfang selbst ist schon so oft und so ausführlich beschrieben worden, daß wir uns
hier mit einer kurzen Schilderung vollkommen begnügen können. Wenn die Schiffe in den Wal-
fischgründen angekommen sind, kreuzen sie entweder in bestimmten Breiten auf und nieder, oder
legen sich an irgend einer günstigen Stelle vor Anker und beobachten von nun an unablässig das
Wasser nach allen Richtungen hin. Der Ausruf des Mannes im Mastkorbe: "Dort blasen
sie!" bringt das ganze Schiff in eine unglaubliche Aufregung. Sorgfältig ausgerüstete Bote wer-
den ausgesetzt, jedes von ihnen mit sechs bis acht tüchtigen Ruderern, einem Steuermann und dem
Harpunenwerfer bemannt, und alle jagen nun so eilig als möglich den ruhig ihren Weg schwim-
menden Walen entgegen. Die Angriffswaffe, deren sich der Harpunier bedient, ist ein lanzen-
artig zugespitztes, scharfes, mit Widerhaken versehenes Eisen, welches an einer sehr langen und
äußerst biegsamen Leine befestigt ist. Letztere liegt auf einer leicht drehbaren Walze im Vorder-
theile des Botes sorgfältig aufgerollt. Beim Näherkommen rudert man langsam und vorsichtig
auf den Walfisch zu, je näher, um so besser, und der Harpunier wirft nun mit voller Kraft das
scharfe Eisen in den Riesenleib des Wales. Jn demselben Augenblicke schlagen alle Ruder in das
Wasser, um das Bot aus der gefährlichen Nähe des verwundeten Ungeheuers zu entfernen. Ge-
wöhnlich taucht der Wal sofort nach dem Wurf blitzschnell in die Tiefe und rollt dabei die Leine
so rasch ab, daß man Wasser auf die Rolle gießen muß, um die Entzündung derselben zu ver-
hindern. Die große Schnelligkeit der ersten Schwimmbewegung hält jedoch nicht lange an. Der
Wal schwimmt ruhiger, und seine furchtbaren Feinde sind jetzt im Stande, die Verfolgung wieder
aufzunehmen. Freilich kommt es auch vor, daß das Bot von dem fliehenden Thiere mit rasender
Schnelligkeit stunden-, ja halbe Tage lang nachgeschleift wird. Nach einer Viertelstunde etwa
erscheint der Verwundete wieder an der Oberfläche, um zu athmen. Das eine oder andere Bot
nähert sich ihm zum zweiten Male, und ein neuer Wurfspieß dringt in seinen Leib. "Die mensch-
liche Einbildung," sagt ein Augenzeuge, "kann sich nichts Schrecklicheres vorstellen, als die Schläch-
terei, welche man hier sieht. Entsetzt stürzt sich der Walfisch von Woge zu Woge, springt im
Todeskampfe aus dem Wasser heraus und bedeckt das Meer umher mit Blut und Schaum. Er
taucht unter, indem er einen Wirbel auf seinem Pfade zurückläßt, er kommt empor, und die tödt-
liche Lanze dringt in einen noch unberührten Lebensquell; wohin er sich auch kehrt, das kalte Eisen
stachelt ihn zur Verzweiflung auf. Jm vergeblichen Aufwand seiner Stärke macht er die See
kochen wie in einem Topf, ein Zittern ergreift seinen ungeheuren Leib und schüttelt ihn, wie der
erwachende Vulkan die Wand des Berges. Endlich hat er sich verblutet; er senkt sich auf die
Seite und wird nun verächtlich von den Meereswogen umhergeschleudert, ein willkommenes Ziel
für Tausende von Vögeln, welche augenblicklich herbeikommen, in der Absicht, von dem riesigen Aase
zu speisen."

Der getödtete Wal geht sehr rasch in Fäulniß über. Schon einen Tag nach seinem Tode ist
er zu einer ungeheuren schwammigen Masse angeschwollen, und gar nicht selten treiben die sich ent-
wickelnden Gase den Leichnam so auf, daß er unter heftigem Knall berstet und dabei einen uner-

Walthiere.
eines reichlichen Lohnes erfreut. Manchmal aber iſt am Ende der Fahrt auch kein einziger Fiſch ge-
fangen worden, und dann hat die Mannſchaft, welche für ihren Lohn auf einen Theil des Fanges
angewieſen iſt, alle Noth und Mühe umſonſt gehabt, und der Unternehmer iſt um eine bedeutende
Summe ärmer.‟

„Wie ſehr der Walfiſchfang von den Launen des Zufalls abhängt, geht aus folgenden amt-
lichen Angaben deutlich hervor. Jm Jahre 1748 wurden von den 108 Schiffen der holländiſchen
Grönlandsflotte 1291 Fiſche gefangen, deren Werth etwa vier Millionen Thaler betrug, ſo daß
alſo auf jedes Schiff durchſchnittlich ſechsunddreißigtauſend Thaler kamen; im folgenden Jahre da-
gegen erbenteten 137 Schiffe blos zweiundzwanzig Wale. Jn Folge dieſes entmuthigenden Ergeb-
niſſes rüſtete man das nächſte Mal nur 117 Schiffe aus; dieſe fingen aber 631 Walfiſche und ent-
ſchädigten den Rheder einigermaßen für den erlittenen Verluſt.‟

Der Walfiſchfang ſelbſt iſt ſchon ſo oft und ſo ausführlich beſchrieben worden, daß wir uns
hier mit einer kurzen Schilderung vollkommen begnügen können. Wenn die Schiffe in den Wal-
fiſchgründen angekommen ſind, kreuzen ſie entweder in beſtimmten Breiten auf und nieder, oder
legen ſich an irgend einer günſtigen Stelle vor Anker und beobachten von nun an unabläſſig das
Waſſer nach allen Richtungen hin. Der Ausruf des Mannes im Maſtkorbe: „Dort blaſen
ſie!‟ bringt das ganze Schiff in eine unglaubliche Aufregung. Sorgfältig ausgerüſtete Bote wer-
den ausgeſetzt, jedes von ihnen mit ſechs bis acht tüchtigen Ruderern, einem Steuermann und dem
Harpunenwerfer bemannt, und alle jagen nun ſo eilig als möglich den ruhig ihren Weg ſchwim-
menden Walen entgegen. Die Angriffswaffe, deren ſich der Harpunier bedient, iſt ein lanzen-
artig zugeſpitztes, ſcharfes, mit Widerhaken verſehenes Eiſen, welches an einer ſehr langen und
äußerſt biegſamen Leine befeſtigt iſt. Letztere liegt auf einer leicht drehbaren Walze im Vorder-
theile des Botes ſorgfältig aufgerollt. Beim Näherkommen rudert man langſam und vorſichtig
auf den Walfiſch zu, je näher, um ſo beſſer, und der Harpunier wirft nun mit voller Kraft das
ſcharfe Eiſen in den Rieſenleib des Wales. Jn demſelben Augenblicke ſchlagen alle Ruder in das
Waſſer, um das Bot aus der gefährlichen Nähe des verwundeten Ungeheuers zu entfernen. Ge-
wöhnlich taucht der Wal ſofort nach dem Wurf blitzſchnell in die Tiefe und rollt dabei die Leine
ſo raſch ab, daß man Waſſer auf die Rolle gießen muß, um die Entzündung derſelben zu ver-
hindern. Die große Schnelligkeit der erſten Schwimmbewegung hält jedoch nicht lange an. Der
Wal ſchwimmt ruhiger, und ſeine furchtbaren Feinde ſind jetzt im Stande, die Verfolgung wieder
aufzunehmen. Freilich kommt es auch vor, daß das Bot von dem fliehenden Thiere mit raſender
Schnelligkeit ſtunden-, ja halbe Tage lang nachgeſchleift wird. Nach einer Viertelſtunde etwa
erſcheint der Verwundete wieder an der Oberfläche, um zu athmen. Das eine oder andere Bot
nähert ſich ihm zum zweiten Male, und ein neuer Wurfſpieß dringt in ſeinen Leib. „Die menſch-
liche Einbildung,‟ ſagt ein Augenzeuge, „kann ſich nichts Schrecklicheres vorſtellen, als die Schläch-
terei, welche man hier ſieht. Entſetzt ſtürzt ſich der Walfiſch von Woge zu Woge, ſpringt im
Todeskampfe aus dem Waſſer heraus und bedeckt das Meer umher mit Blut und Schaum. Er
taucht unter, indem er einen Wirbel auf ſeinem Pfade zurückläßt, er kommt empor, und die tödt-
liche Lanze dringt in einen noch unberührten Lebensquell; wohin er ſich auch kehrt, das kalte Eiſen
ſtachelt ihn zur Verzweiflung auf. Jm vergeblichen Aufwand ſeiner Stärke macht er die See
kochen wie in einem Topf, ein Zittern ergreift ſeinen ungeheuren Leib und ſchüttelt ihn, wie der
erwachende Vulkan die Wand des Berges. Endlich hat er ſich verblutet; er ſenkt ſich auf die
Seite und wird nun verächtlich von den Meereswogen umhergeſchleudert, ein willkommenes Ziel
für Tauſende von Vögeln, welche augenblicklich herbeikommen, in der Abſicht, von dem rieſigen Aaſe
zu ſpeiſen.‟

Der getödtete Wal geht ſehr raſch in Fäulniß über. Schon einen Tag nach ſeinem Tode iſt
er zu einer ungeheuren ſchwammigen Maſſe angeſchwollen, und gar nicht ſelten treiben die ſich ent-
wickelnden Gaſe den Leichnam ſo auf, daß er unter heftigem Knall berſtet und dabei einen uner-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0878" n="830"/><fw place="top" type="header">Walthiere.</fw><lb/>
eines reichlichen Lohnes erfreut. Manchmal aber i&#x017F;t am Ende der Fahrt auch kein einziger Fi&#x017F;ch ge-<lb/>
fangen worden, und dann hat die Mann&#x017F;chaft, welche für ihren Lohn auf einen Theil des Fanges<lb/>
angewie&#x017F;en i&#x017F;t, alle Noth und Mühe um&#x017F;on&#x017F;t gehabt, und der Unternehmer i&#x017F;t um eine bedeutende<lb/>
Summe ärmer.&#x201F;</p><lb/>
              <p>&#x201E;Wie &#x017F;ehr der Walfi&#x017F;chfang von den Launen des Zufalls abhängt, geht aus folgenden amt-<lb/>
lichen Angaben deutlich hervor. Jm Jahre 1748 wurden von den 108 Schiffen der holländi&#x017F;chen<lb/>
Grönlandsflotte 1291 Fi&#x017F;che gefangen, deren Werth etwa vier Millionen Thaler betrug, &#x017F;o daß<lb/>
al&#x017F;o auf jedes Schiff durch&#x017F;chnittlich &#x017F;echsunddreißigtau&#x017F;end Thaler kamen; im folgenden Jahre da-<lb/>
gegen erbenteten 137 Schiffe blos zweiundzwanzig Wale. Jn Folge die&#x017F;es entmuthigenden Ergeb-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;es rü&#x017F;tete man das näch&#x017F;te Mal nur 117 Schiffe aus; die&#x017F;e fingen aber 631 Walfi&#x017F;che und ent-<lb/>
&#x017F;chädigten den Rheder einigermaßen für den erlittenen Verlu&#x017F;t.&#x201F;</p><lb/>
              <p>Der Walfi&#x017F;chfang &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t &#x017F;chon &#x017F;o oft und &#x017F;o ausführlich be&#x017F;chrieben worden, daß wir uns<lb/>
hier mit einer kurzen Schilderung vollkommen begnügen können. Wenn die Schiffe in den Wal-<lb/>
fi&#x017F;chgründen angekommen &#x017F;ind, kreuzen &#x017F;ie entweder in be&#x017F;timmten Breiten auf und nieder, oder<lb/>
legen &#x017F;ich an irgend einer gün&#x017F;tigen Stelle vor Anker und beobachten von nun an unablä&#x017F;&#x017F;ig das<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er nach allen Richtungen hin. Der Ausruf des Mannes im Ma&#x017F;tkorbe: &#x201E;Dort bla&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie!&#x201F; bringt das ganze Schiff in eine unglaubliche Aufregung. Sorgfältig ausgerü&#x017F;tete Bote wer-<lb/>
den ausge&#x017F;etzt, jedes von ihnen mit &#x017F;echs bis acht tüchtigen Ruderern, einem Steuermann und dem<lb/>
Harpunenwerfer bemannt, und alle jagen nun &#x017F;o eilig als möglich den ruhig ihren Weg &#x017F;chwim-<lb/>
menden Walen entgegen. Die Angriffswaffe, deren &#x017F;ich der Harpunier bedient, i&#x017F;t ein lanzen-<lb/>
artig zuge&#x017F;pitztes, &#x017F;charfes, mit Widerhaken ver&#x017F;ehenes Ei&#x017F;en, welches an einer &#x017F;ehr langen und<lb/>
äußer&#x017F;t bieg&#x017F;amen Leine befe&#x017F;tigt i&#x017F;t. Letztere liegt auf einer leicht drehbaren Walze im Vorder-<lb/>
theile des Botes &#x017F;orgfältig aufgerollt. Beim Näherkommen rudert man lang&#x017F;am und vor&#x017F;ichtig<lb/>
auf den Walfi&#x017F;ch zu, je näher, um &#x017F;o be&#x017F;&#x017F;er, und der Harpunier wirft nun mit voller Kraft das<lb/>
&#x017F;charfe Ei&#x017F;en in den Rie&#x017F;enleib des Wales. Jn dem&#x017F;elben Augenblicke &#x017F;chlagen alle Ruder in das<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er, um das Bot aus der gefährlichen Nähe des verwundeten Ungeheuers zu entfernen. Ge-<lb/>
wöhnlich taucht der Wal &#x017F;ofort nach dem Wurf blitz&#x017F;chnell in die Tiefe und rollt dabei die Leine<lb/>
&#x017F;o ra&#x017F;ch ab, daß man Wa&#x017F;&#x017F;er auf die Rolle gießen muß, um die Entzündung der&#x017F;elben zu ver-<lb/>
hindern. Die große Schnelligkeit der er&#x017F;ten Schwimmbewegung hält jedoch nicht lange an. Der<lb/>
Wal &#x017F;chwimmt ruhiger, und &#x017F;eine furchtbaren Feinde &#x017F;ind jetzt im Stande, die Verfolgung wieder<lb/>
aufzunehmen. Freilich kommt es auch vor, daß das Bot von dem fliehenden Thiere mit ra&#x017F;ender<lb/>
Schnelligkeit &#x017F;tunden-, ja halbe Tage lang nachge&#x017F;chleift wird. Nach einer Viertel&#x017F;tunde etwa<lb/>
er&#x017F;cheint der Verwundete wieder an der Oberfläche, um zu athmen. Das eine oder andere Bot<lb/>
nähert &#x017F;ich ihm zum zweiten Male, und ein neuer Wurf&#x017F;pieß dringt in &#x017F;einen Leib. &#x201E;Die men&#x017F;ch-<lb/>
liche Einbildung,&#x201F; &#x017F;agt ein Augenzeuge, &#x201E;kann &#x017F;ich nichts Schrecklicheres vor&#x017F;tellen, als die Schläch-<lb/>
terei, welche man hier &#x017F;ieht. Ent&#x017F;etzt &#x017F;türzt &#x017F;ich der Walfi&#x017F;ch von Woge zu Woge, &#x017F;pringt im<lb/>
Todeskampfe aus dem Wa&#x017F;&#x017F;er heraus und bedeckt das Meer umher mit Blut und Schaum. Er<lb/>
taucht unter, indem er einen Wirbel auf &#x017F;einem Pfade zurückläßt, er kommt empor, und die tödt-<lb/>
liche Lanze dringt in einen noch unberührten Lebensquell; wohin er &#x017F;ich auch kehrt, das kalte Ei&#x017F;en<lb/>
&#x017F;tachelt ihn zur Verzweiflung auf. Jm vergeblichen Aufwand &#x017F;einer Stärke macht er die See<lb/>
kochen wie in einem Topf, ein Zittern ergreift &#x017F;einen ungeheuren Leib und &#x017F;chüttelt ihn, wie der<lb/>
erwachende Vulkan die Wand des Berges. Endlich hat er &#x017F;ich verblutet; er &#x017F;enkt &#x017F;ich auf die<lb/>
Seite und wird nun verächtlich von den Meereswogen umherge&#x017F;chleudert, ein willkommenes Ziel<lb/>
für Tau&#x017F;ende von Vögeln, welche augenblicklich herbeikommen, in der Ab&#x017F;icht, von dem rie&#x017F;igen Aa&#x017F;e<lb/>
zu &#x017F;pei&#x017F;en.&#x201F;</p><lb/>
              <p>Der getödtete Wal geht &#x017F;ehr ra&#x017F;ch in Fäulniß über. Schon einen Tag nach &#x017F;einem Tode i&#x017F;t<lb/>
er zu einer ungeheuren &#x017F;chwammigen Ma&#x017F;&#x017F;e ange&#x017F;chwollen, und gar nicht &#x017F;elten treiben die &#x017F;ich ent-<lb/>
wickelnden Ga&#x017F;e den Leichnam &#x017F;o auf, daß er unter heftigem Knall ber&#x017F;tet und dabei einen uner-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[830/0878] Walthiere. eines reichlichen Lohnes erfreut. Manchmal aber iſt am Ende der Fahrt auch kein einziger Fiſch ge- fangen worden, und dann hat die Mannſchaft, welche für ihren Lohn auf einen Theil des Fanges angewieſen iſt, alle Noth und Mühe umſonſt gehabt, und der Unternehmer iſt um eine bedeutende Summe ärmer.‟ „Wie ſehr der Walfiſchfang von den Launen des Zufalls abhängt, geht aus folgenden amt- lichen Angaben deutlich hervor. Jm Jahre 1748 wurden von den 108 Schiffen der holländiſchen Grönlandsflotte 1291 Fiſche gefangen, deren Werth etwa vier Millionen Thaler betrug, ſo daß alſo auf jedes Schiff durchſchnittlich ſechsunddreißigtauſend Thaler kamen; im folgenden Jahre da- gegen erbenteten 137 Schiffe blos zweiundzwanzig Wale. Jn Folge dieſes entmuthigenden Ergeb- niſſes rüſtete man das nächſte Mal nur 117 Schiffe aus; dieſe fingen aber 631 Walfiſche und ent- ſchädigten den Rheder einigermaßen für den erlittenen Verluſt.‟ Der Walfiſchfang ſelbſt iſt ſchon ſo oft und ſo ausführlich beſchrieben worden, daß wir uns hier mit einer kurzen Schilderung vollkommen begnügen können. Wenn die Schiffe in den Wal- fiſchgründen angekommen ſind, kreuzen ſie entweder in beſtimmten Breiten auf und nieder, oder legen ſich an irgend einer günſtigen Stelle vor Anker und beobachten von nun an unabläſſig das Waſſer nach allen Richtungen hin. Der Ausruf des Mannes im Maſtkorbe: „Dort blaſen ſie!‟ bringt das ganze Schiff in eine unglaubliche Aufregung. Sorgfältig ausgerüſtete Bote wer- den ausgeſetzt, jedes von ihnen mit ſechs bis acht tüchtigen Ruderern, einem Steuermann und dem Harpunenwerfer bemannt, und alle jagen nun ſo eilig als möglich den ruhig ihren Weg ſchwim- menden Walen entgegen. Die Angriffswaffe, deren ſich der Harpunier bedient, iſt ein lanzen- artig zugeſpitztes, ſcharfes, mit Widerhaken verſehenes Eiſen, welches an einer ſehr langen und äußerſt biegſamen Leine befeſtigt iſt. Letztere liegt auf einer leicht drehbaren Walze im Vorder- theile des Botes ſorgfältig aufgerollt. Beim Näherkommen rudert man langſam und vorſichtig auf den Walfiſch zu, je näher, um ſo beſſer, und der Harpunier wirft nun mit voller Kraft das ſcharfe Eiſen in den Rieſenleib des Wales. Jn demſelben Augenblicke ſchlagen alle Ruder in das Waſſer, um das Bot aus der gefährlichen Nähe des verwundeten Ungeheuers zu entfernen. Ge- wöhnlich taucht der Wal ſofort nach dem Wurf blitzſchnell in die Tiefe und rollt dabei die Leine ſo raſch ab, daß man Waſſer auf die Rolle gießen muß, um die Entzündung derſelben zu ver- hindern. Die große Schnelligkeit der erſten Schwimmbewegung hält jedoch nicht lange an. Der Wal ſchwimmt ruhiger, und ſeine furchtbaren Feinde ſind jetzt im Stande, die Verfolgung wieder aufzunehmen. Freilich kommt es auch vor, daß das Bot von dem fliehenden Thiere mit raſender Schnelligkeit ſtunden-, ja halbe Tage lang nachgeſchleift wird. Nach einer Viertelſtunde etwa erſcheint der Verwundete wieder an der Oberfläche, um zu athmen. Das eine oder andere Bot nähert ſich ihm zum zweiten Male, und ein neuer Wurfſpieß dringt in ſeinen Leib. „Die menſch- liche Einbildung,‟ ſagt ein Augenzeuge, „kann ſich nichts Schrecklicheres vorſtellen, als die Schläch- terei, welche man hier ſieht. Entſetzt ſtürzt ſich der Walfiſch von Woge zu Woge, ſpringt im Todeskampfe aus dem Waſſer heraus und bedeckt das Meer umher mit Blut und Schaum. Er taucht unter, indem er einen Wirbel auf ſeinem Pfade zurückläßt, er kommt empor, und die tödt- liche Lanze dringt in einen noch unberührten Lebensquell; wohin er ſich auch kehrt, das kalte Eiſen ſtachelt ihn zur Verzweiflung auf. Jm vergeblichen Aufwand ſeiner Stärke macht er die See kochen wie in einem Topf, ein Zittern ergreift ſeinen ungeheuren Leib und ſchüttelt ihn, wie der erwachende Vulkan die Wand des Berges. Endlich hat er ſich verblutet; er ſenkt ſich auf die Seite und wird nun verächtlich von den Meereswogen umhergeſchleudert, ein willkommenes Ziel für Tauſende von Vögeln, welche augenblicklich herbeikommen, in der Abſicht, von dem rieſigen Aaſe zu ſpeiſen.‟ Der getödtete Wal geht ſehr raſch in Fäulniß über. Schon einen Tag nach ſeinem Tode iſt er zu einer ungeheuren ſchwammigen Maſſe angeſchwollen, und gar nicht ſelten treiben die ſich ent- wickelnden Gaſe den Leichnam ſo auf, daß er unter heftigem Knall berſtet und dabei einen uner-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/878
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 830. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/878>, abgerufen am 23.11.2024.