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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Walthiere.

Jm Anfang hat sich der Mensch wahrscheinlich blos mit denjenigen Walen begnügt, welche ihm
das Meer selbst zuführte, d. h. mit solchen, welche durch Stürme auf den Strand geworfen wurden.
Erst später dachte er darau, sich mit den Riesen des Meeres im Kampfe zu messen. Man schreibt
den Basken die Ehre zu, das erste Volk gewesen zu sein, welches im vierzehnten und funfzehnten
Jahrhundert eigentliche Schiffe für den Walfischfang ausrüstete. Anfangs begnügten sich diese
kühnen Seefahrer, die Finnfische in dem nach ihrem Lande genannten Golfe aufzusuchen; aber schon
im Jahre 1372, bald nach Entdeckung des Kompasses, steuerten sie nach Norden und fanden hier
die eigentlichen Walfischgründe auf. Es steht fest, daß sie schon, trotz aller Gefahr der unbekannten
Meere und des furchtbaren Klima, bis an die Mündung des Lorenzstroms und an die Küste von
Labrador vordrangen. Um das Jahr 1450 rüsteten die Rheder von Bordeaux ebenfalls Walfisch-
fahrer aus und suchten die werthvolle Beute in den östlichen Theilen des nördlichen Eismeeres auf.
Bürgerkriege lähmten Schifffahrt und Handel der Basken, und der im Jahre 1633 erfolgte Einfall
der Spanier in ihr Land beendete ihren Walfischfang für immer. Jhre großartigen Erfolge aber
mochten die Habsucht anderer Seevölker erweckt haben; denn schon im sechzehnten Jahrhundert zeigten
sich englische und bald darauf holländische Walfischfahrer in den grönländischen Meeren. Man sagt,
daß die ausgewanderten baskischen Fischer den beiden nördlichen Bölkern die Kunst des Walfischfanges
gelehrt haben. Die Stadt Hull rüstete im Jahre 1598 die ersten Schiffe aus; in Amsterdam wurde
1611 eine Gesellschaft gebildet, welche ihre Jagdfahrten nach den Meeren von Spitzbergen und No-
vaja-Semlja richteten. Bald nahm dieser Theil der Seefahrt einen bedeutenden Aufschwung.
Schon sechzig Jahre später verließen 133 Schiffe mit Walfischfängern die holländischen Hafen. Die
Blüthezeit des Fanges kam später. Vom Jahre 1676 bis 1722 an sendeten die Holländer 5886
Schiffe aus und erbeuteten in dieser Zeit 32,907 Wale, deren Gesammtwerth schon damals min-
destens hundert Millionen Thaler unseres Geldes betragen haben mag. Noch zu Ende des vorigen
Jahrhunderts wurde die gewinnreiche Jagd eifrig betrieben. Friedrich der Große ließ im Jahre 1768
Walfischfänger ausrüsten; die Engländer hatten etwa um dieselbe Zeit 222 Schiffe auf den nörd-
lichen Meeren.

Gegenwärtig sind die Amerikaner die eifrigsten Walfischfänger. Jm Jahre 1841 beschäftigten
sie allein für den Walfischfang in der Südsee sechshundert Segel und 13,500 Mann.

Bei dem ungeheuren Aufschwung, welchen die Schifffahrt genommen hat, darf es uns nicht Wun-
der nehmen, daß zur Zeit alle Polarmeere, welche den kühnen Seefahrern nicht unüberwindliche
Hindernisse entgegensetzen, besucht werden. Die Schiffe verlassen ihre heimischen Hafen schon im
März oder im September, je nachdem sie mit dem Anbruch des Sommers in dem nördlichen oder im
südlichen Eismeer schiffen wollen. Dort bleiben die meisten Fänger bis zum September, einige
wohl auch bis zum Oktober, hier bis zum März oder spätestens bis zum April. Der Fang ist im
ganzen wenig gefährlich, wohl aber die Fahrt. Jedes Jahr bringt der Walfischflotte schwere Ver-
luste. Von dreiundsechzig Schiffen im Jahre 1819 gingen zehn, von neunundsiebzig im Jahre 1821
elf, von achtzig im Jahre 1830 einundzwanzig Schiffe zu Grunde. Am gefährlichsten wird den
Walfischfahrern die Ostküste der Baffinsbai, bezüglich der Versuch, die große Eisbank zu durch-
dringen, welche diesen Meerestheil fast ganz erfüllt. "Wird auf dieser engen und gefährlichen
Durchfahrt," sagt Hartwig, "das Schiff vom Treibeis gegen die fest ansitzenden Eismassen ge-
stoßen, so ist dessen Verlust unvermeidlich, den seltenen Fall ausgenommen, wo es durch den Druck
aus dem Wasser gehoben und später, beim Auseinandergehen des Eises, wieder in die Fluthen ge-
senkt wird. Zum Glück gehen bei solchen Schiffbrüchen nur selten Menschenleben verloren, da das
Meer fast immer ruhig ist und die Mannschaft Zeit genug hat, sich auf andere Schiffe zu retten.
Der Walfischfang überhaupt ist nicht nur ein sehr gefährliches und austrengendes, sondern auch ein
höchst unzuverlässiges Geschäft, so daß bei ihm das ostender Sprichwort: "Vischerie -- Lotterie" sich
vollkommen bewährt. Oft gelingt es in kurzer Zeit, das ganze Schiff mit Thran und Fischbein zu
beladen, wobei natürlich der Rheder ein glänzendes Geschäft macht und die ganze Bemannung sich

Walthiere.

Jm Anfang hat ſich der Menſch wahrſcheinlich blos mit denjenigen Walen begnügt, welche ihm
das Meer ſelbſt zuführte, d. h. mit ſolchen, welche durch Stürme auf den Strand geworfen wurden.
Erſt ſpäter dachte er darau, ſich mit den Rieſen des Meeres im Kampfe zu meſſen. Man ſchreibt
den Basken die Ehre zu, das erſte Volk geweſen zu ſein, welches im vierzehnten und funfzehnten
Jahrhundert eigentliche Schiffe für den Walfiſchfang ausrüſtete. Anfangs begnügten ſich dieſe
kühnen Seefahrer, die Finnfiſche in dem nach ihrem Lande genannten Golfe aufzuſuchen; aber ſchon
im Jahre 1372, bald nach Entdeckung des Kompaſſes, ſteuerten ſie nach Norden und fanden hier
die eigentlichen Walfiſchgründe auf. Es ſteht feſt, daß ſie ſchon, trotz aller Gefahr der unbekannten
Meere und des furchtbaren Klima, bis an die Mündung des Lorenzſtroms und an die Küſte von
Labrador vordrangen. Um das Jahr 1450 rüſteten die Rheder von Bordeaux ebenfalls Walfiſch-
fahrer aus und ſuchten die werthvolle Beute in den öſtlichen Theilen des nördlichen Eismeeres auf.
Bürgerkriege lähmten Schifffahrt und Handel der Basken, und der im Jahre 1633 erfolgte Einfall
der Spanier in ihr Land beendete ihren Walfiſchfang für immer. Jhre großartigen Erfolge aber
mochten die Habſucht anderer Seevölker erweckt haben; denn ſchon im ſechzehnten Jahrhundert zeigten
ſich engliſche und bald darauf holländiſche Walfiſchfahrer in den grönländiſchen Meeren. Man ſagt,
daß die ausgewanderten baskiſchen Fiſcher den beiden nördlichen Bölkern die Kunſt des Walfiſchfanges
gelehrt haben. Die Stadt Hull rüſtete im Jahre 1598 die erſten Schiffe aus; in Amſterdam wurde
1611 eine Geſellſchaft gebildet, welche ihre Jagdfahrten nach den Meeren von Spitzbergen und No-
vaja-Semlja richteten. Bald nahm dieſer Theil der Seefahrt einen bedeutenden Aufſchwung.
Schon ſechzig Jahre ſpäter verließen 133 Schiffe mit Walfiſchfängern die holländiſchen Hafen. Die
Blüthezeit des Fanges kam ſpäter. Vom Jahre 1676 bis 1722 an ſendeten die Holländer 5886
Schiffe aus und erbeuteten in dieſer Zeit 32,907 Wale, deren Geſammtwerth ſchon damals min-
deſtens hundert Millionen Thaler unſeres Geldes betragen haben mag. Noch zu Ende des vorigen
Jahrhunderts wurde die gewinnreiche Jagd eifrig betrieben. Friedrich der Große ließ im Jahre 1768
Walfiſchfänger ausrüſten; die Engländer hatten etwa um dieſelbe Zeit 222 Schiffe auf den nörd-
lichen Meeren.

Gegenwärtig ſind die Amerikaner die eifrigſten Walfiſchfänger. Jm Jahre 1841 beſchäftigten
ſie allein für den Walfiſchfang in der Südſee ſechshundert Segel und 13,500 Mann.

Bei dem ungeheuren Aufſchwung, welchen die Schifffahrt genommen hat, darf es uns nicht Wun-
der nehmen, daß zur Zeit alle Polarmeere, welche den kühnen Seefahrern nicht unüberwindliche
Hinderniſſe entgegenſetzen, beſucht werden. Die Schiffe verlaſſen ihre heimiſchen Hafen ſchon im
März oder im September, je nachdem ſie mit dem Anbruch des Sommers in dem nördlichen oder im
ſüdlichen Eismeer ſchiffen wollen. Dort bleiben die meiſten Fänger bis zum September, einige
wohl auch bis zum Oktober, hier bis zum März oder ſpäteſtens bis zum April. Der Fang iſt im
ganzen wenig gefährlich, wohl aber die Fahrt. Jedes Jahr bringt der Walfiſchflotte ſchwere Ver-
luſte. Von dreiundſechzig Schiffen im Jahre 1819 gingen zehn, von neunundſiebzig im Jahre 1821
elf, von achtzig im Jahre 1830 einundzwanzig Schiffe zu Grunde. Am gefährlichſten wird den
Walfiſchfahrern die Oſtküſte der Baffinsbai, bezüglich der Verſuch, die große Eisbank zu durch-
dringen, welche dieſen Meerestheil faſt ganz erfüllt. „Wird auf dieſer engen und gefährlichen
Durchfahrt,‟ ſagt Hartwig, „das Schiff vom Treibeis gegen die feſt anſitzenden Eismaſſen ge-
ſtoßen, ſo iſt deſſen Verluſt unvermeidlich, den ſeltenen Fall ausgenommen, wo es durch den Druck
aus dem Waſſer gehoben und ſpäter, beim Auseinandergehen des Eiſes, wieder in die Fluthen ge-
ſenkt wird. Zum Glück gehen bei ſolchen Schiffbrüchen nur ſelten Menſchenleben verloren, da das
Meer faſt immer ruhig iſt und die Mannſchaft Zeit genug hat, ſich auf andere Schiffe zu retten.
Der Walfiſchfang überhaupt iſt nicht nur ein ſehr gefährliches und auſtrengendes, ſondern auch ein
höchſt unzuverläſſiges Geſchäft, ſo daß bei ihm das oſtender Sprichwort: „Viſcherie — Lotterie‟ ſich
vollkommen bewährt. Oft gelingt es in kurzer Zeit, das ganze Schiff mit Thran und Fiſchbein zu
beladen, wobei natürlich der Rheder ein glänzendes Geſchäft macht und die ganze Bemannung ſich

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[829/0877] Walthiere. Jm Anfang hat ſich der Menſch wahrſcheinlich blos mit denjenigen Walen begnügt, welche ihm das Meer ſelbſt zuführte, d. h. mit ſolchen, welche durch Stürme auf den Strand geworfen wurden. Erſt ſpäter dachte er darau, ſich mit den Rieſen des Meeres im Kampfe zu meſſen. Man ſchreibt den Basken die Ehre zu, das erſte Volk geweſen zu ſein, welches im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert eigentliche Schiffe für den Walfiſchfang ausrüſtete. Anfangs begnügten ſich dieſe kühnen Seefahrer, die Finnfiſche in dem nach ihrem Lande genannten Golfe aufzuſuchen; aber ſchon im Jahre 1372, bald nach Entdeckung des Kompaſſes, ſteuerten ſie nach Norden und fanden hier die eigentlichen Walfiſchgründe auf. Es ſteht feſt, daß ſie ſchon, trotz aller Gefahr der unbekannten Meere und des furchtbaren Klima, bis an die Mündung des Lorenzſtroms und an die Küſte von Labrador vordrangen. Um das Jahr 1450 rüſteten die Rheder von Bordeaux ebenfalls Walfiſch- fahrer aus und ſuchten die werthvolle Beute in den öſtlichen Theilen des nördlichen Eismeeres auf. Bürgerkriege lähmten Schifffahrt und Handel der Basken, und der im Jahre 1633 erfolgte Einfall der Spanier in ihr Land beendete ihren Walfiſchfang für immer. Jhre großartigen Erfolge aber mochten die Habſucht anderer Seevölker erweckt haben; denn ſchon im ſechzehnten Jahrhundert zeigten ſich engliſche und bald darauf holländiſche Walfiſchfahrer in den grönländiſchen Meeren. Man ſagt, daß die ausgewanderten baskiſchen Fiſcher den beiden nördlichen Bölkern die Kunſt des Walfiſchfanges gelehrt haben. Die Stadt Hull rüſtete im Jahre 1598 die erſten Schiffe aus; in Amſterdam wurde 1611 eine Geſellſchaft gebildet, welche ihre Jagdfahrten nach den Meeren von Spitzbergen und No- vaja-Semlja richteten. Bald nahm dieſer Theil der Seefahrt einen bedeutenden Aufſchwung. Schon ſechzig Jahre ſpäter verließen 133 Schiffe mit Walfiſchfängern die holländiſchen Hafen. Die Blüthezeit des Fanges kam ſpäter. Vom Jahre 1676 bis 1722 an ſendeten die Holländer 5886 Schiffe aus und erbeuteten in dieſer Zeit 32,907 Wale, deren Geſammtwerth ſchon damals min- deſtens hundert Millionen Thaler unſeres Geldes betragen haben mag. Noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts wurde die gewinnreiche Jagd eifrig betrieben. Friedrich der Große ließ im Jahre 1768 Walfiſchfänger ausrüſten; die Engländer hatten etwa um dieſelbe Zeit 222 Schiffe auf den nörd- lichen Meeren. Gegenwärtig ſind die Amerikaner die eifrigſten Walfiſchfänger. Jm Jahre 1841 beſchäftigten ſie allein für den Walfiſchfang in der Südſee ſechshundert Segel und 13,500 Mann. Bei dem ungeheuren Aufſchwung, welchen die Schifffahrt genommen hat, darf es uns nicht Wun- der nehmen, daß zur Zeit alle Polarmeere, welche den kühnen Seefahrern nicht unüberwindliche Hinderniſſe entgegenſetzen, beſucht werden. Die Schiffe verlaſſen ihre heimiſchen Hafen ſchon im März oder im September, je nachdem ſie mit dem Anbruch des Sommers in dem nördlichen oder im ſüdlichen Eismeer ſchiffen wollen. Dort bleiben die meiſten Fänger bis zum September, einige wohl auch bis zum Oktober, hier bis zum März oder ſpäteſtens bis zum April. Der Fang iſt im ganzen wenig gefährlich, wohl aber die Fahrt. Jedes Jahr bringt der Walfiſchflotte ſchwere Ver- luſte. Von dreiundſechzig Schiffen im Jahre 1819 gingen zehn, von neunundſiebzig im Jahre 1821 elf, von achtzig im Jahre 1830 einundzwanzig Schiffe zu Grunde. Am gefährlichſten wird den Walfiſchfahrern die Oſtküſte der Baffinsbai, bezüglich der Verſuch, die große Eisbank zu durch- dringen, welche dieſen Meerestheil faſt ganz erfüllt. „Wird auf dieſer engen und gefährlichen Durchfahrt,‟ ſagt Hartwig, „das Schiff vom Treibeis gegen die feſt anſitzenden Eismaſſen ge- ſtoßen, ſo iſt deſſen Verluſt unvermeidlich, den ſeltenen Fall ausgenommen, wo es durch den Druck aus dem Waſſer gehoben und ſpäter, beim Auseinandergehen des Eiſes, wieder in die Fluthen ge- ſenkt wird. Zum Glück gehen bei ſolchen Schiffbrüchen nur ſelten Menſchenleben verloren, da das Meer faſt immer ruhig iſt und die Mannſchaft Zeit genug hat, ſich auf andere Schiffe zu retten. Der Walfiſchfang überhaupt iſt nicht nur ein ſehr gefährliches und auſtrengendes, ſondern auch ein höchſt unzuverläſſiges Geſchäft, ſo daß bei ihm das oſtender Sprichwort: „Viſcherie — Lotterie‟ ſich vollkommen bewährt. Oft gelingt es in kurzer Zeit, das ganze Schiff mit Thran und Fiſchbein zu beladen, wobei natürlich der Rheder ein glänzendes Geſchäft macht und die ganze Bemannung ſich

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 829. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/877>, abgerufen am 23.11.2024.