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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Lebensweise. Feinde.
sondern drängen sich auch in den Horsten großer Raub- und Sumpfvögel als ungebetene Mieth-
leute ein.

Das Gelege enthält eine ziemliche Anzahl von Eiern, selten blos drei, noch seltener über acht.
Gestalt und Färbung schwankt erheblicher. Manche Sperlingsvögel legen einfarbige Eier, zumal
hellblaue, die meisten jedoch solche, welche auf licht-, blau-, grün- oder gelbgrauem Grunde mit dunkleren
Punkten, Tüpfeln, Flecken, Schmitzen und Schnörkeln gezeichnet sind. Das Weibchen brütet wohl in
den meisten Fällen allein, und das Männchen sorgt dann für seine Ernährung; bei nicht wenigen
Arten aber nehmen beide Eltern am Brüten Theil und lösen sich darin wechselseitig ab. Jn der Auf-
fütterung und Erziehung der Jungen wetteifern Männchen und Weibchen miteinander. Die Jungen
wachsen schnell herau und bedürfen nach ihrem Ausfliegen nur ausnahmsweise noch eine Zeitlang der
Unterstützung ihrer Eltern, lernen es vielmehr rasch, sich selbst zu ernähren und schlagen sich, sobald
sie wirklich selbständig geworden sind, mit anderen ihrer Art in Flüge zusammen, welche hierauf bis
gegen die Mauser hin regellos in einem in gewissem Sinne beschränkten Gebiete umherschweifen.
Jhre Eltern schreiten inzwischen zu einer zweiten und wohl auch zu einer dritten Brut -- obschon
nicht alle; denn einige brüten nur ein Mal im Jahre.

Viele Feinde bedrohen ohne Unterlaß unsere verhältnißmäßig kleinen und schwächlichen Vögel.
Einzelne Falken nähren sich fast ausschließlich von ihnen. Jene und ihre nächtlichen Vertreter, die
Eulen, sind wohl als die schlimmsten Feinde der Sperlingsvögel zu betrachten; aber auch die Affen
und Halbaffen, die kleinen Katzen, Marder, Bären, der Jgel und die Spitzmäuse, die auf Bäumen
lebenden Nager, sowie einzelne Schlangen werden ihnen gefährlich. Der Mensch ist ihnen durchaus
nicht überall und immer freundlich gesinnt. Jm Ganzen richten die Sperlingsvögel nicht eben großen
Schaden an; viele leisten im Gegentheile durch Aufzehren von Kerbthieren und durch Auflesen von
Unkrautgesäme ganz erklecklichen Nutzen: einzelne Arten aber können doch recht lästig werden, nament-
lich zu gewissen Zeiten, wenn sie, zu großen Schwärmen vereinigt, im reifenden Getreide oder auf
fruchttragenden Obstbäumen einfallen und sich hier gütlich thun. Nicht unser Bauer allein sieht in
den Sperlingen unliebsame Gäste: auch die Völkerschaften anderer Erdtheile klagen über den Schaden,
welchen sie durch die kleinen Körnerfresser erleiden. Die Menge macht diese furchtbar: es ist nicht
gleichgiltig, Hunderttausende von den kleinen Fressern wochenlang ernähren zu müssen und eine Ab-
wehr derselben wohl gerechtfertigt. Dazu kommt, daß es sich auch anderweitig verlohnt, Sperlings-
vögel zu tödten. Jhr Fleisch gilt fast ausnahmslos als leckeres Gericht und verdient feinen Ruhm.
Doch führt man nur in einzelnen Gegenden Sperlingskriege, wie ehemals unter des großen Friedrich
Regierung. Die Jnnerafrikaner und Südasiaten begnügen sich, die Getreidediebe von ihren Feldern
abzuwehren, die Südamerikaner thun kaum mehr, und nur die Europäer und Nordamerikaner ziehen
regelrecht gegen unsere Vögel zu Felde. Man hat für einzelne eigene Herde errichtet, auf denen Hun-
derte, verlockt durch einen Gefangenen ihrer oder einer befreundeten Art, das Leben lassen müssen, und
noch manche andere Fanganstalten in Anwendung gebracht; doch hat die Vermehrungsfähigkeit der
Bedrohten die durch der Thiere Erzfeind Mensch oft sehr gelichteten Reihen bisher stets wieder gefüllt,
und eine Abnahme unserer Freunde ist glücklicherweise noch nicht zu verspüren.

Weit weniger Sperlingsvögel, als man dem Moloch Magen opfert -- jedoch immerhin viele
Tausende alljährlich -- werden gefangen, um als Stubengenossen des Menschen zu dienen. Keine
andere Ordnung der ganzen Klasse liefert so viele ihrer Mitglieder für das Gebauer, wie die der
Sperlingsvögel. Sie sind als Stubenvögel beliebt, soweit es Menschen gibt, welche Freude haben an
gefiederten Wesen, die mit ihnen ein Zimmer theilen. Ein Mitglied der Ordnung hat sich, wie allbe-
kannt, ein förmliches Hausrecht erworben: es ist wirklich zum Hausthiere geworden -- zum einzigen
fast, welches nicht die Sucht nach Gewinn zum Sklaven des Menschen machte, welches einzig und
allein zum erfreuenden und erheiternden Gefährten und Freunde des Erdenbeherrschers bestimmt ist.
Alle übrigen Arten der Ordnung sind allerdings demselben Zweck gewidmet: -- sie sind aber nicht
Hausthiere geworden; man gewährt ihnen nicht das Vorrecht, auch als Gefangene ihrer Liebe zu leben,

Lebensweiſe. Feinde.
ſondern drängen ſich auch in den Horſten großer Raub- und Sumpfvögel als ungebetene Mieth-
leute ein.

Das Gelege enthält eine ziemliche Anzahl von Eiern, ſelten blos drei, noch ſeltener über acht.
Geſtalt und Färbung ſchwankt erheblicher. Manche Sperlingsvögel legen einfarbige Eier, zumal
hellblaue, die meiſten jedoch ſolche, welche auf licht-, blau-, grün- oder gelbgrauem Grunde mit dunkleren
Punkten, Tüpfeln, Flecken, Schmitzen und Schnörkeln gezeichnet ſind. Das Weibchen brütet wohl in
den meiſten Fällen allein, und das Männchen ſorgt dann für ſeine Ernährung; bei nicht wenigen
Arten aber nehmen beide Eltern am Brüten Theil und löſen ſich darin wechſelſeitig ab. Jn der Auf-
fütterung und Erziehung der Jungen wetteifern Männchen und Weibchen miteinander. Die Jungen
wachſen ſchnell herau und bedürfen nach ihrem Ausfliegen nur ausnahmsweiſe noch eine Zeitlang der
Unterſtützung ihrer Eltern, lernen es vielmehr raſch, ſich ſelbſt zu ernähren und ſchlagen ſich, ſobald
ſie wirklich ſelbſtändig geworden ſind, mit anderen ihrer Art in Flüge zuſammen, welche hierauf bis
gegen die Mauſer hin regellos in einem in gewiſſem Sinne beſchränkten Gebiete umherſchweifen.
Jhre Eltern ſchreiten inzwiſchen zu einer zweiten und wohl auch zu einer dritten Brut — obſchon
nicht alle; denn einige brüten nur ein Mal im Jahre.

Viele Feinde bedrohen ohne Unterlaß unſere verhältnißmäßig kleinen und ſchwächlichen Vögel.
Einzelne Falken nähren ſich faſt ausſchließlich von ihnen. Jene und ihre nächtlichen Vertreter, die
Eulen, ſind wohl als die ſchlimmſten Feinde der Sperlingsvögel zu betrachten; aber auch die Affen
und Halbaffen, die kleinen Katzen, Marder, Bären, der Jgel und die Spitzmäuſe, die auf Bäumen
lebenden Nager, ſowie einzelne Schlangen werden ihnen gefährlich. Der Menſch iſt ihnen durchaus
nicht überall und immer freundlich geſinnt. Jm Ganzen richten die Sperlingsvögel nicht eben großen
Schaden an; viele leiſten im Gegentheile durch Aufzehren von Kerbthieren und durch Aufleſen von
Unkrautgeſäme ganz erklecklichen Nutzen: einzelne Arten aber können doch recht läſtig werden, nament-
lich zu gewiſſen Zeiten, wenn ſie, zu großen Schwärmen vereinigt, im reifenden Getreide oder auf
fruchttragenden Obſtbäumen einfallen und ſich hier gütlich thun. Nicht unſer Bauer allein ſieht in
den Sperlingen unliebſame Gäſte: auch die Völkerſchaften anderer Erdtheile klagen über den Schaden,
welchen ſie durch die kleinen Körnerfreſſer erleiden. Die Menge macht dieſe furchtbar: es iſt nicht
gleichgiltig, Hunderttauſende von den kleinen Freſſern wochenlang ernähren zu müſſen und eine Ab-
wehr derſelben wohl gerechtfertigt. Dazu kommt, daß es ſich auch anderweitig verlohnt, Sperlings-
vögel zu tödten. Jhr Fleiſch gilt faſt ausnahmslos als leckeres Gericht und verdient feinen Ruhm.
Doch führt man nur in einzelnen Gegenden Sperlingskriege, wie ehemals unter des großen Friedrich
Regierung. Die Jnnerafrikaner und Südaſiaten begnügen ſich, die Getreidediebe von ihren Feldern
abzuwehren, die Südamerikaner thun kaum mehr, und nur die Europäer und Nordamerikaner ziehen
regelrecht gegen unſere Vögel zu Felde. Man hat für einzelne eigene Herde errichtet, auf denen Hun-
derte, verlockt durch einen Gefangenen ihrer oder einer befreundeten Art, das Leben laſſen müſſen, und
noch manche andere Fanganſtalten in Anwendung gebracht; doch hat die Vermehrungsfähigkeit der
Bedrohten die durch der Thiere Erzfeind Menſch oft ſehr gelichteten Reihen bisher ſtets wieder gefüllt,
und eine Abnahme unſerer Freunde iſt glücklicherweiſe noch nicht zu verſpüren.

Weit weniger Sperlingsvögel, als man dem Moloch Magen opfert — jedoch immerhin viele
Tauſende alljährlich — werden gefangen, um als Stubengenoſſen des Menſchen zu dienen. Keine
andere Ordnung der ganzen Klaſſe liefert ſo viele ihrer Mitglieder für das Gebauer, wie die der
Sperlingsvögel. Sie ſind als Stubenvögel beliebt, ſoweit es Menſchen gibt, welche Freude haben an
gefiederten Weſen, die mit ihnen ein Zimmer theilen. Ein Mitglied der Ordnung hat ſich, wie allbe-
kannt, ein förmliches Hausrecht erworben: es iſt wirklich zum Hausthiere geworden — zum einzigen
faſt, welches nicht die Sucht nach Gewinn zum Sklaven des Menſchen machte, welches einzig und
allein zum erfreuenden und erheiternden Gefährten und Freunde des Erdenbeherrſchers beſtimmt iſt.
Alle übrigen Arten der Ordnung ſind allerdings demſelben Zweck gewidmet: — ſie ſind aber nicht
Hausthiere geworden; man gewährt ihnen nicht das Vorrecht, auch als Gefangene ihrer Liebe zu leben,

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[87/0105] Lebensweiſe. Feinde. ſondern drängen ſich auch in den Horſten großer Raub- und Sumpfvögel als ungebetene Mieth- leute ein. Das Gelege enthält eine ziemliche Anzahl von Eiern, ſelten blos drei, noch ſeltener über acht. Geſtalt und Färbung ſchwankt erheblicher. Manche Sperlingsvögel legen einfarbige Eier, zumal hellblaue, die meiſten jedoch ſolche, welche auf licht-, blau-, grün- oder gelbgrauem Grunde mit dunkleren Punkten, Tüpfeln, Flecken, Schmitzen und Schnörkeln gezeichnet ſind. Das Weibchen brütet wohl in den meiſten Fällen allein, und das Männchen ſorgt dann für ſeine Ernährung; bei nicht wenigen Arten aber nehmen beide Eltern am Brüten Theil und löſen ſich darin wechſelſeitig ab. Jn der Auf- fütterung und Erziehung der Jungen wetteifern Männchen und Weibchen miteinander. Die Jungen wachſen ſchnell herau und bedürfen nach ihrem Ausfliegen nur ausnahmsweiſe noch eine Zeitlang der Unterſtützung ihrer Eltern, lernen es vielmehr raſch, ſich ſelbſt zu ernähren und ſchlagen ſich, ſobald ſie wirklich ſelbſtändig geworden ſind, mit anderen ihrer Art in Flüge zuſammen, welche hierauf bis gegen die Mauſer hin regellos in einem in gewiſſem Sinne beſchränkten Gebiete umherſchweifen. Jhre Eltern ſchreiten inzwiſchen zu einer zweiten und wohl auch zu einer dritten Brut — obſchon nicht alle; denn einige brüten nur ein Mal im Jahre. Viele Feinde bedrohen ohne Unterlaß unſere verhältnißmäßig kleinen und ſchwächlichen Vögel. Einzelne Falken nähren ſich faſt ausſchließlich von ihnen. Jene und ihre nächtlichen Vertreter, die Eulen, ſind wohl als die ſchlimmſten Feinde der Sperlingsvögel zu betrachten; aber auch die Affen und Halbaffen, die kleinen Katzen, Marder, Bären, der Jgel und die Spitzmäuſe, die auf Bäumen lebenden Nager, ſowie einzelne Schlangen werden ihnen gefährlich. Der Menſch iſt ihnen durchaus nicht überall und immer freundlich geſinnt. Jm Ganzen richten die Sperlingsvögel nicht eben großen Schaden an; viele leiſten im Gegentheile durch Aufzehren von Kerbthieren und durch Aufleſen von Unkrautgeſäme ganz erklecklichen Nutzen: einzelne Arten aber können doch recht läſtig werden, nament- lich zu gewiſſen Zeiten, wenn ſie, zu großen Schwärmen vereinigt, im reifenden Getreide oder auf fruchttragenden Obſtbäumen einfallen und ſich hier gütlich thun. Nicht unſer Bauer allein ſieht in den Sperlingen unliebſame Gäſte: auch die Völkerſchaften anderer Erdtheile klagen über den Schaden, welchen ſie durch die kleinen Körnerfreſſer erleiden. Die Menge macht dieſe furchtbar: es iſt nicht gleichgiltig, Hunderttauſende von den kleinen Freſſern wochenlang ernähren zu müſſen und eine Ab- wehr derſelben wohl gerechtfertigt. Dazu kommt, daß es ſich auch anderweitig verlohnt, Sperlings- vögel zu tödten. Jhr Fleiſch gilt faſt ausnahmslos als leckeres Gericht und verdient feinen Ruhm. Doch führt man nur in einzelnen Gegenden Sperlingskriege, wie ehemals unter des großen Friedrich Regierung. Die Jnnerafrikaner und Südaſiaten begnügen ſich, die Getreidediebe von ihren Feldern abzuwehren, die Südamerikaner thun kaum mehr, und nur die Europäer und Nordamerikaner ziehen regelrecht gegen unſere Vögel zu Felde. Man hat für einzelne eigene Herde errichtet, auf denen Hun- derte, verlockt durch einen Gefangenen ihrer oder einer befreundeten Art, das Leben laſſen müſſen, und noch manche andere Fanganſtalten in Anwendung gebracht; doch hat die Vermehrungsfähigkeit der Bedrohten die durch der Thiere Erzfeind Menſch oft ſehr gelichteten Reihen bisher ſtets wieder gefüllt, und eine Abnahme unſerer Freunde iſt glücklicherweiſe noch nicht zu verſpüren. Weit weniger Sperlingsvögel, als man dem Moloch Magen opfert — jedoch immerhin viele Tauſende alljährlich — werden gefangen, um als Stubengenoſſen des Menſchen zu dienen. Keine andere Ordnung der ganzen Klaſſe liefert ſo viele ihrer Mitglieder für das Gebauer, wie die der Sperlingsvögel. Sie ſind als Stubenvögel beliebt, ſoweit es Menſchen gibt, welche Freude haben an gefiederten Weſen, die mit ihnen ein Zimmer theilen. Ein Mitglied der Ordnung hat ſich, wie allbe- kannt, ein förmliches Hausrecht erworben: es iſt wirklich zum Hausthiere geworden — zum einzigen faſt, welches nicht die Sucht nach Gewinn zum Sklaven des Menſchen machte, welches einzig und allein zum erfreuenden und erheiternden Gefährten und Freunde des Erdenbeherrſchers beſtimmt iſt. Alle übrigen Arten der Ordnung ſind allerdings demſelben Zweck gewidmet: — ſie ſind aber nicht Hausthiere geworden; man gewährt ihnen nicht das Vorrecht, auch als Gefangene ihrer Liebe zu leben,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/105>, abgerufen am 21.11.2024.