einen ganzen Schnabel voll, trug sie in das Nest und brachte sie in die gehörige Lage. Als die Run- dung des Nestes fertig war, verweilte das Weibchen länger darin und brachte alles durch Drücken mit der Brust und durch Drehen des Körpers in Ordnung. Es nahm fast alle Stoffe des Nestes von einem einzigen benachbarten Baum und war so emsig, daß es auch in den Nachmittagsstunden baute und in Zeit von zwei bis drei Minuten mit dem Herbeischaffen und Verarbeiten einer Tracht fertig war. Das Männchen blieb immer bei seinem Weibchen, betrat es alle Tage entweder auf den Aesten oder auf dem Neste, fütterte es, als es zu brüten oder doch das erste Ei zu wärmen anfing (denn sobald das erste Ei gelegt war, verließ es das Nest nicht mehr), sang beständig in seiner Nähe und schien es so für die Beschwerden des Bauens und Brütens, die es nicht mit ihm theilen konnte, ent- schädigen zu wollen."
Das Gelege der Kreuzschnäbel besteht aus drei bis vier verhältnißmäßig kleinen Eiern, welche auf graulich- oder bläulichweißem Grunde mit verloschenen Flecken und Stricheln von blutrother, blutbräunlicher oder schwarzbrauner Farbe besetzt sind. Zuweilen stehen diese Fleckchen kranzartig an dem stumpfen Ende, zuweilen verbreiten sie sich über das ganze Ei; dieses aber ist, aller Aenderung ungeachtet, immer als Kreuzschnabelei zu erkennen. Die sorgsame Mutter gibt sich dem Brutgeschäft mit großem Eifer hin, während das Männchen auch seinerseits durch Aezung der Mutter die ihm zu- fallende Arbeit freudig übernimmt. Die Jungen, welche von den Eltern sehr geliebt werden, erhalten vom ersten Tage ihres Lebens an Fichten- oder Kiefernsamen zur Aezung, zuerst solchen, welcher im Kropfe der Alten erweicht und bezüglich halb verdaut ist, später härteren. Sie wachsen rasch heran und sind bald recht gewandt und munter, bedürfen aber länger, als alle andern Sperlingsvögel, be- sondere Pflege der Eltern. Jhr Schnabel nämlich wird erst nach dem Ausfliegen zum Kreuzschnabel, und bevor dieser sich ausgebildet, sind die Jungen nicht im Stande, die Kiefern- oder Fichtenzapfen zu öffnen, müssen deshalb also von den Eltern noch ernährt werden. Nach dem Ausfliegen halten sie sich auf den dichten Bäumen auf, am liebsten auf Tannen, immer in möglichster Nähe bei den Alten. Wenn diese den Samen ausklauben, sitzen sie neben ihnen, schreien ununterbrochen, wie un- artige Kinder, fliegen den Alten eilig nach, wenn diese den Baum verlassen, oder locken so lange und so ängstlich, bis jene zurückkommen. Nach und nach gewöhnen die Alten sie aus Arbeiten. Zuerst werden ihnen deshalb halbgeöffnete Zapfen vorgelegt, damit sie sich im Aufbrechen der Schup- pen üben; später erhalten sie die abgebissenen Zapfen vorgelegt, wie diese sind. Auch wenn sie allein fressen können, werden sie von den Alten noch eine Zeitlang geführt, endlich aber sich selbst über- lassen. Sie bilden hierauf eigene Flüge oder schließen sich denjenigen Alten an, welche nicht durch die Brut in Anspruch genommen worden sind.
Jch habe schon erwähnt, daß Jagd und Fang der Kreuzschnäbel durchaus keine Schwierigkeiten verursachen. Die neu bei uns angekommenen lassen sich, ohne wegzufliegen, von dem Schützen unter- laufen, ja sie bleiben oft dann noch auf demselben Baume sitzen, wenn einer oder der andere ihrer Gefährten herabgeschossen wurde. Der Fang ist, wenn man erst einen von ihnen berückte, noch leich- ter, als die Jagd. Jn Thüringen nimmt man hohe Stangen, bekleidet sie oben buschartig mit Fich- tenzweigen und befestigt an diesen Leimruthen. Die Stangen werden auf freien Blößen im Walde vor Tagesanbruch aufgestellt und ein Lockvogel im Bauer unten an ihnen befestigt. Alle vorüber- fliegenden Kreuzschnäbel nähern sich wenigstens dieser Stange, um nach dem rufenden und lockenden Genossen zu schauen. Viele setzen sich auch auf den Busch und dabei gewöhnlich auf eine der Leim- ruthen. Auf diese Weise kann man oft Viele von ihnen an einem Morgen fangen.
Man darf wohl behaupten, daß der Nutzen, welchen die Kreuzschnäbel bringen, den geringen Schaden, welchen sie uns bereiten können, reichlich aufwiegt. Ganz abgesehen von dem Vergnügen, welches sie jedem Thierliebhaber gewähren, ganz abgesehen von der Zierde, welche sie im Winter den Nadelbäumen verleihen, nützen die Kreuzschnäbel dadurch, daß sie in samenreichen Jahren die über- ladenen Wipfel durch Abbeißen der Fichten erleichtern und diese hierdurch erhalten. Neuerdings hat
Brehm, Thierleben. III. 7
Lebensweiſe.
einen ganzen Schnabel voll, trug ſie in das Neſt und brachte ſie in die gehörige Lage. Als die Run- dung des Neſtes fertig war, verweilte das Weibchen länger darin und brachte alles durch Drücken mit der Bruſt und durch Drehen des Körpers in Ordnung. Es nahm faſt alle Stoffe des Neſtes von einem einzigen benachbarten Baum und war ſo emſig, daß es auch in den Nachmittagsſtunden baute und in Zeit von zwei bis drei Minuten mit dem Herbeiſchaffen und Verarbeiten einer Tracht fertig war. Das Männchen blieb immer bei ſeinem Weibchen, betrat es alle Tage entweder auf den Aeſten oder auf dem Neſte, fütterte es, als es zu brüten oder doch das erſte Ei zu wärmen anfing (denn ſobald das erſte Ei gelegt war, verließ es das Neſt nicht mehr), ſang beſtändig in ſeiner Nähe und ſchien es ſo für die Beſchwerden des Bauens und Brütens, die es nicht mit ihm theilen konnte, ent- ſchädigen zu wollen.‟
Das Gelege der Kreuzſchnäbel beſteht aus drei bis vier verhältnißmäßig kleinen Eiern, welche auf graulich- oder bläulichweißem Grunde mit verloſchenen Flecken und Stricheln von blutrother, blutbräunlicher oder ſchwarzbrauner Farbe beſetzt ſind. Zuweilen ſtehen dieſe Fleckchen kranzartig an dem ſtumpfen Ende, zuweilen verbreiten ſie ſich über das ganze Ei; dieſes aber iſt, aller Aenderung ungeachtet, immer als Kreuzſchnabelei zu erkennen. Die ſorgſame Mutter gibt ſich dem Brutgeſchäft mit großem Eifer hin, während das Männchen auch ſeinerſeits durch Aezung der Mutter die ihm zu- fallende Arbeit freudig übernimmt. Die Jungen, welche von den Eltern ſehr geliebt werden, erhalten vom erſten Tage ihres Lebens an Fichten- oder Kiefernſamen zur Aezung, zuerſt ſolchen, welcher im Kropfe der Alten erweicht und bezüglich halb verdaut iſt, ſpäter härteren. Sie wachſen raſch heran und ſind bald recht gewandt und munter, bedürfen aber länger, als alle andern Sperlingsvögel, be- ſondere Pflege der Eltern. Jhr Schnabel nämlich wird erſt nach dem Ausfliegen zum Kreuzſchnabel, und bevor dieſer ſich ausgebildet, ſind die Jungen nicht im Stande, die Kiefern- oder Fichtenzapfen zu öffnen, müſſen deshalb alſo von den Eltern noch ernährt werden. Nach dem Ausfliegen halten ſie ſich auf den dichten Bäumen auf, am liebſten auf Tannen, immer in möglichſter Nähe bei den Alten. Wenn dieſe den Samen ausklauben, ſitzen ſie neben ihnen, ſchreien ununterbrochen, wie un- artige Kinder, fliegen den Alten eilig nach, wenn dieſe den Baum verlaſſen, oder locken ſo lange und ſo ängſtlich, bis jene zurückkommen. Nach und nach gewöhnen die Alten ſie aus Arbeiten. Zuerſt werden ihnen deshalb halbgeöffnete Zapfen vorgelegt, damit ſie ſich im Aufbrechen der Schup- pen üben; ſpäter erhalten ſie die abgebiſſenen Zapfen vorgelegt, wie dieſe ſind. Auch wenn ſie allein freſſen können, werden ſie von den Alten noch eine Zeitlang geführt, endlich aber ſich ſelbſt über- laſſen. Sie bilden hierauf eigene Flüge oder ſchließen ſich denjenigen Alten an, welche nicht durch die Brut in Anſpruch genommen worden ſind.
Jch habe ſchon erwähnt, daß Jagd und Fang der Kreuzſchnäbel durchaus keine Schwierigkeiten verurſachen. Die neu bei uns angekommenen laſſen ſich, ohne wegzufliegen, von dem Schützen unter- laufen, ja ſie bleiben oft dann noch auf demſelben Baume ſitzen, wenn einer oder der andere ihrer Gefährten herabgeſchoſſen wurde. Der Fang iſt, wenn man erſt einen von ihnen berückte, noch leich- ter, als die Jagd. Jn Thüringen nimmt man hohe Stangen, bekleidet ſie oben buſchartig mit Fich- tenzweigen und befeſtigt an dieſen Leimruthen. Die Stangen werden auf freien Blößen im Walde vor Tagesanbruch aufgeſtellt und ein Lockvogel im Bauer unten an ihnen befeſtigt. Alle vorüber- fliegenden Kreuzſchnäbel nähern ſich wenigſtens dieſer Stange, um nach dem rufenden und lockenden Genoſſen zu ſchauen. Viele ſetzen ſich auch auf den Buſch und dabei gewöhnlich auf eine der Leim- ruthen. Auf dieſe Weiſe kann man oft Viele von ihnen an einem Morgen fangen.
Man darf wohl behaupten, daß der Nutzen, welchen die Kreuzſchnäbel bringen, den geringen Schaden, welchen ſie uns bereiten können, reichlich aufwiegt. Ganz abgeſehen von dem Vergnügen, welches ſie jedem Thierliebhaber gewähren, ganz abgeſehen von der Zierde, welche ſie im Winter den Nadelbäumen verleihen, nützen die Kreuzſchnäbel dadurch, daß ſie in ſamenreichen Jahren die über- ladenen Wipfel durch Abbeißen der Fichten erleichtern und dieſe hierdurch erhalten. Neuerdings hat
Brehm, Thierleben. III. 7
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Lebensweiſe.
einen ganzen Schnabel voll, trug ſie in das Neſt und brachte ſie in die gehörige Lage. Als die Run-
dung des Neſtes fertig war, verweilte das Weibchen länger darin und brachte alles durch Drücken
mit der Bruſt und durch Drehen des Körpers in Ordnung. Es nahm faſt alle Stoffe des Neſtes von
einem einzigen benachbarten Baum und war ſo emſig, daß es auch in den Nachmittagsſtunden baute
und in Zeit von zwei bis drei Minuten mit dem Herbeiſchaffen und Verarbeiten einer Tracht fertig
war. Das Männchen blieb immer bei ſeinem Weibchen, betrat es alle Tage entweder auf den Aeſten
oder auf dem Neſte, fütterte es, als es zu brüten oder doch das erſte Ei zu wärmen anfing (denn
ſobald das erſte Ei gelegt war, verließ es das Neſt nicht mehr), ſang beſtändig in ſeiner Nähe und
ſchien es ſo für die Beſchwerden des Bauens und Brütens, die es nicht mit ihm theilen konnte, ent-
ſchädigen zu wollen.‟
Das Gelege der Kreuzſchnäbel beſteht aus drei bis vier verhältnißmäßig kleinen Eiern, welche
auf graulich- oder bläulichweißem Grunde mit verloſchenen Flecken und Stricheln von blutrother,
blutbräunlicher oder ſchwarzbrauner Farbe beſetzt ſind. Zuweilen ſtehen dieſe Fleckchen kranzartig an
dem ſtumpfen Ende, zuweilen verbreiten ſie ſich über das ganze Ei; dieſes aber iſt, aller Aenderung
ungeachtet, immer als Kreuzſchnabelei zu erkennen. Die ſorgſame Mutter gibt ſich dem Brutgeſchäft
mit großem Eifer hin, während das Männchen auch ſeinerſeits durch Aezung der Mutter die ihm zu-
fallende Arbeit freudig übernimmt. Die Jungen, welche von den Eltern ſehr geliebt werden, erhalten
vom erſten Tage ihres Lebens an Fichten- oder Kiefernſamen zur Aezung, zuerſt ſolchen, welcher im
Kropfe der Alten erweicht und bezüglich halb verdaut iſt, ſpäter härteren. Sie wachſen raſch heran
und ſind bald recht gewandt und munter, bedürfen aber länger, als alle andern Sperlingsvögel, be-
ſondere Pflege der Eltern. Jhr Schnabel nämlich wird erſt nach dem Ausfliegen zum Kreuzſchnabel,
und bevor dieſer ſich ausgebildet, ſind die Jungen nicht im Stande, die Kiefern- oder Fichtenzapfen
zu öffnen, müſſen deshalb alſo von den Eltern noch ernährt werden. Nach dem Ausfliegen halten
ſie ſich auf den dichten Bäumen auf, am liebſten auf Tannen, immer in möglichſter Nähe bei den
Alten. Wenn dieſe den Samen ausklauben, ſitzen ſie neben ihnen, ſchreien ununterbrochen, wie un-
artige Kinder, fliegen den Alten eilig nach, wenn dieſe den Baum verlaſſen, oder locken ſo lange
und ſo ängſtlich, bis jene zurückkommen. Nach und nach gewöhnen die Alten ſie aus Arbeiten.
Zuerſt werden ihnen deshalb halbgeöffnete Zapfen vorgelegt, damit ſie ſich im Aufbrechen der Schup-
pen üben; ſpäter erhalten ſie die abgebiſſenen Zapfen vorgelegt, wie dieſe ſind. Auch wenn ſie allein
freſſen können, werden ſie von den Alten noch eine Zeitlang geführt, endlich aber ſich ſelbſt über-
laſſen. Sie bilden hierauf eigene Flüge oder ſchließen ſich denjenigen Alten an, welche nicht durch die
Brut in Anſpruch genommen worden ſind.
Jch habe ſchon erwähnt, daß Jagd und Fang der Kreuzſchnäbel durchaus keine Schwierigkeiten
verurſachen. Die neu bei uns angekommenen laſſen ſich, ohne wegzufliegen, von dem Schützen unter-
laufen, ja ſie bleiben oft dann noch auf demſelben Baume ſitzen, wenn einer oder der andere ihrer
Gefährten herabgeſchoſſen wurde. Der Fang iſt, wenn man erſt einen von ihnen berückte, noch leich-
ter, als die Jagd. Jn Thüringen nimmt man hohe Stangen, bekleidet ſie oben buſchartig mit Fich-
tenzweigen und befeſtigt an dieſen Leimruthen. Die Stangen werden auf freien Blößen im Walde
vor Tagesanbruch aufgeſtellt und ein Lockvogel im Bauer unten an ihnen befeſtigt. Alle vorüber-
fliegenden Kreuzſchnäbel nähern ſich wenigſtens dieſer Stange, um nach dem rufenden und lockenden
Genoſſen zu ſchauen. Viele ſetzen ſich auch auf den Buſch und dabei gewöhnlich auf eine der Leim-
ruthen. Auf dieſe Weiſe kann man oft Viele von ihnen an einem Morgen fangen.
Man darf wohl behaupten, daß der Nutzen, welchen die Kreuzſchnäbel bringen, den geringen
Schaden, welchen ſie uns bereiten können, reichlich aufwiegt. Ganz abgeſehen von dem Vergnügen,
welches ſie jedem Thierliebhaber gewähren, ganz abgeſehen von der Zierde, welche ſie im Winter den
Nadelbäumen verleihen, nützen die Kreuzſchnäbel dadurch, daß ſie in ſamenreichen Jahren die über-
ladenen Wipfel durch Abbeißen der Fichten erleichtern und dieſe hierdurch erhalten. Neuerdings hat
Brehm, Thierleben. III. 7
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/115>, abgerufen am 21.11.2024.
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