traulich, und wenn man sich viel mit ihnen beschäftigt, kann man sie schon nach Monatsfrist zu allerlei kleinen Kunststückchen abrichten und ans Aus- und Einfliegen gewöhnen. Jm Gesellschaftsbauer sind sie allerliebst; sie vertragen sich sehr gut mit andern Vögeln und bringen durch ihre Unruhe Leben in die Gesellschaft. Mit Kanarienvögeln paaren sie sich oft und erzeugen dann Blendlinge, welche die Färbung beider Eltern in sonderbarer Vereinigung erhalten. Als Stubenfutter ist reiner Mohn am meisten zu empfehlen; ihm fügt man zur Abwechslung Distel- und Klettensamen, ge- quetschten Hanf und grüne Blätter bei. Jung aus dem Nest genommene füttert man anfangs mit Milchsemmel, später mit Mohn, welchen man vorher im Wasser aufweichte, bis sie im Stande sind, mit dem feinen Schnabel auch trockene Körner zu zermalmen.
Ueber den Golddistelfink (Astragalinus tristis), einen der nächsten Verwandten des Stieglitz, haben uns Wilson und Audubon ausführliche Mittheilungen gegeben. Es ist ein kleines niedliches Vögelchen von 41/2 Zoll Länge und 8 Zoll Breite, in der Gestalt unserem Stieglitz sehr ähnlich, aber von vorherrschend goldgelbem Gefieder mit einfarbig schwarzer Stirn und schwarzen, weiß gebänderten oder weiß gerandeten Schwung- und Steuerfedern; Schnabel und Fuß sind gelblichbraun; die Regenbogenhaut des Auges ist dunkelbraun. Das Weibchen unterscheidet sich durch düsteres Gelb und durch das Fehlen des schwarzen Stirnfleckens von dem Männchen.
Jch habe diesen zierlichen Vogel hauptsächlich deshalb erwähnt, weil er, ungeachtet seiner abwei- chenden Färbung, in seinem Leben von unserem Stieglitz kaum zu unterscheiden ist. Das Lebensbild, welches die amerikanischen Forscher von ihrem Golddistelfink entwerfen, gleicht dem unseres Stieglitzes in jeder Hinsicht, so daß man also jenen so recht eigentlich als die amerikanische Form oder Aus- gabe unseres Stieglitzes betrachten darf. Audubon versichert, daß er während seines Aufenthalts in Europa oft geglaubt habe, Golddistelfinken zu vernehmen, wenn er Stieglitze locken oder singen hörte, und nach der Rückkehr in seine Heimat durch Nichts mehr an die alte Welt erinnert worden sei, als eben durch die Stimme des Golddistelfink, welcher ihm nun wieder den europäischen Vogel und damit dessen Heimat vor die Seele führte.
Wie bei den Papageien, hält es auch bei den Sperlingsvögeln schwer, die einzelnen Familien zu begrenzen. Eine rein äußerliche Betrachtung und bezüglich Vergleichung der Finken reicht hierzu nicht aus: Lebensweise und Sitten erst liefern dem Forscher Anhaltspunkte, welche man wohl als sichere bezeichnen darf. Gerade die Finken gehen fast unmerklich so in einander über, daß man oft in Verlegenheit kommt, zu bestimmen, zu welcher Gruppe oder Familie man den Einen oder den Andern zählen muß und geneigt wird, die Gesammtheit nur als eine einzige große Familie anzusehen. An- drerseits aber läßt sich gar nicht verkennen, daß diese Gesammtheit wirklich in Gruppen zerfällt, welche so viel Selbständigkeit haben, daß man sie unbeschadet der zur naturwissenschaftlichen Beschreibung unerläßlichen Strenge recht wohl als solche Einzeltheile oder, wie wir hier sagen, als Familien unter- scheiden darf.
Eine derartige Familie bilden wir aus den verschiedenen Sperlingen (Passeres) im engeren Sinne, jenen allbekannten Hausfinken, denen es in der Gesellschaft des Menschen so behagt, daß sie seine Wohnung überall aufsuchen und sich ihm förmlich aufdrängen. Dieser Bund, welchen die Vögel mit dem Gebieter der Erde schlossen, besteht wenigstens auf der größeren Halbscheid der Erde aller Orten; denn Sperlinge umfliegen ebensowohl die Hütte des Jnnerafrikaners, wie die Pracht- gebäude unserer Städte. Neuerdings hat sich der Mensch eines Vorurtheils, welches er früher gegen die treuen Gäste hegte, in so weit entledigt, daß er sie sogar dahin nachholt, wo sie vorher noch nicht heimisch waren, und so haben sich denn die Haussperlinge gegenwärtig auch Amerika und Australien erobert. Auf Cuba sind sie bereits vollständig eingebürgert, d. h. verwildert; sie finden sich hier
Stieglitz. Golddiſtelfink.
traulich, und wenn man ſich viel mit ihnen beſchäftigt, kann man ſie ſchon nach Monatsfriſt zu allerlei kleinen Kunſtſtückchen abrichten und ans Aus- und Einfliegen gewöhnen. Jm Geſellſchaftsbauer ſind ſie allerliebſt; ſie vertragen ſich ſehr gut mit andern Vögeln und bringen durch ihre Unruhe Leben in die Geſellſchaft. Mit Kanarienvögeln paaren ſie ſich oft und erzeugen dann Blendlinge, welche die Färbung beider Eltern in ſonderbarer Vereinigung erhalten. Als Stubenfutter iſt reiner Mohn am meiſten zu empfehlen; ihm fügt man zur Abwechslung Diſtel- und Klettenſamen, ge- quetſchten Hanf und grüne Blätter bei. Jung aus dem Neſt genommene füttert man anfangs mit Milchſemmel, ſpäter mit Mohn, welchen man vorher im Waſſer aufweichte, bis ſie im Stande ſind, mit dem feinen Schnabel auch trockene Körner zu zermalmen.
Ueber den Golddiſtelfink (Astragalinus tristis), einen der nächſten Verwandten des Stieglitz, haben uns Wilſon und Audubon ausführliche Mittheilungen gegeben. Es iſt ein kleines niedliches Vögelchen von 4½ Zoll Länge und 8 Zoll Breite, in der Geſtalt unſerem Stieglitz ſehr ähnlich, aber von vorherrſchend goldgelbem Gefieder mit einfarbig ſchwarzer Stirn und ſchwarzen, weiß gebänderten oder weiß gerandeten Schwung- und Steuerfedern; Schnabel und Fuß ſind gelblichbraun; die Regenbogenhaut des Auges iſt dunkelbraun. Das Weibchen unterſcheidet ſich durch düſteres Gelb und durch das Fehlen des ſchwarzen Stirnfleckens von dem Männchen.
Jch habe dieſen zierlichen Vogel hauptſächlich deshalb erwähnt, weil er, ungeachtet ſeiner abwei- chenden Färbung, in ſeinem Leben von unſerem Stieglitz kaum zu unterſcheiden iſt. Das Lebensbild, welches die amerikaniſchen Forſcher von ihrem Golddiſtelfink entwerfen, gleicht dem unſeres Stieglitzes in jeder Hinſicht, ſo daß man alſo jenen ſo recht eigentlich als die amerikaniſche Form oder Aus- gabe unſeres Stieglitzes betrachten darf. Audubon verſichert, daß er während ſeines Aufenthalts in Europa oft geglaubt habe, Golddiſtelfinken zu vernehmen, wenn er Stieglitze locken oder ſingen hörte, und nach der Rückkehr in ſeine Heimat durch Nichts mehr an die alte Welt erinnert worden ſei, als eben durch die Stimme des Golddiſtelfink, welcher ihm nun wieder den europäiſchen Vogel und damit deſſen Heimat vor die Seele führte.
Wie bei den Papageien, hält es auch bei den Sperlingsvögeln ſchwer, die einzelnen Familien zu begrenzen. Eine rein äußerliche Betrachtung und bezüglich Vergleichung der Finken reicht hierzu nicht aus: Lebensweiſe und Sitten erſt liefern dem Forſcher Anhaltspunkte, welche man wohl als ſichere bezeichnen darf. Gerade die Finken gehen faſt unmerklich ſo in einander über, daß man oft in Verlegenheit kommt, zu beſtimmen, zu welcher Gruppe oder Familie man den Einen oder den Andern zählen muß und geneigt wird, die Geſammtheit nur als eine einzige große Familie anzuſehen. An- drerſeits aber läßt ſich gar nicht verkennen, daß dieſe Geſammtheit wirklich in Gruppen zerfällt, welche ſo viel Selbſtändigkeit haben, daß man ſie unbeſchadet der zur naturwiſſenſchaftlichen Beſchreibung unerläßlichen Strenge recht wohl als ſolche Einzeltheile oder, wie wir hier ſagen, als Familien unter- ſcheiden darf.
Eine derartige Familie bilden wir aus den verſchiedenen Sperlingen (Passeres) im engeren Sinne, jenen allbekannten Hausfinken, denen es in der Geſellſchaft des Menſchen ſo behagt, daß ſie ſeine Wohnung überall aufſuchen und ſich ihm förmlich aufdrängen. Dieſer Bund, welchen die Vögel mit dem Gebieter der Erde ſchloſſen, beſteht wenigſtens auf der größeren Halbſcheid der Erde aller Orten; denn Sperlinge umfliegen ebenſowohl die Hütte des Jnnerafrikaners, wie die Pracht- gebäude unſerer Städte. Neuerdings hat ſich der Menſch eines Vorurtheils, welches er früher gegen die treuen Gäſte hegte, in ſo weit entledigt, daß er ſie ſogar dahin nachholt, wo ſie vorher noch nicht heimiſch waren, und ſo haben ſich denn die Hausſperlinge gegenwärtig auch Amerika und Auſtralien erobert. Auf Cuba ſind ſie bereits vollſtändig eingebürgert, d. h. verwildert; ſie finden ſich hier
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Stieglitz. Golddiſtelfink.
traulich, und wenn man ſich viel mit ihnen beſchäftigt, kann man ſie ſchon nach Monatsfriſt zu allerlei
kleinen Kunſtſtückchen abrichten und ans Aus- und Einfliegen gewöhnen. Jm Geſellſchaftsbauer
ſind ſie allerliebſt; ſie vertragen ſich ſehr gut mit andern Vögeln und bringen durch ihre Unruhe
Leben in die Geſellſchaft. Mit Kanarienvögeln paaren ſie ſich oft und erzeugen dann Blendlinge,
welche die Färbung beider Eltern in ſonderbarer Vereinigung erhalten. Als Stubenfutter iſt reiner
Mohn am meiſten zu empfehlen; ihm fügt man zur Abwechslung Diſtel- und Klettenſamen, ge-
quetſchten Hanf und grüne Blätter bei. Jung aus dem Neſt genommene füttert man anfangs mit
Milchſemmel, ſpäter mit Mohn, welchen man vorher im Waſſer aufweichte, bis ſie im Stande ſind, mit
dem feinen Schnabel auch trockene Körner zu zermalmen.
Ueber den Golddiſtelfink (Astragalinus tristis), einen der nächſten Verwandten des Stieglitz,
haben uns Wilſon und Audubon ausführliche Mittheilungen gegeben. Es iſt ein kleines niedliches
Vögelchen von 4½ Zoll Länge und 8 Zoll Breite, in der Geſtalt unſerem Stieglitz ſehr ähnlich, aber
von vorherrſchend goldgelbem Gefieder mit einfarbig ſchwarzer Stirn und ſchwarzen, weiß gebänderten
oder weiß gerandeten Schwung- und Steuerfedern; Schnabel und Fuß ſind gelblichbraun; die
Regenbogenhaut des Auges iſt dunkelbraun. Das Weibchen unterſcheidet ſich durch düſteres Gelb
und durch das Fehlen des ſchwarzen Stirnfleckens von dem Männchen.
Jch habe dieſen zierlichen Vogel hauptſächlich deshalb erwähnt, weil er, ungeachtet ſeiner abwei-
chenden Färbung, in ſeinem Leben von unſerem Stieglitz kaum zu unterſcheiden iſt. Das Lebensbild,
welches die amerikaniſchen Forſcher von ihrem Golddiſtelfink entwerfen, gleicht dem unſeres Stieglitzes
in jeder Hinſicht, ſo daß man alſo jenen ſo recht eigentlich als die amerikaniſche Form oder Aus-
gabe unſeres Stieglitzes betrachten darf. Audubon verſichert, daß er während ſeines Aufenthalts
in Europa oft geglaubt habe, Golddiſtelfinken zu vernehmen, wenn er Stieglitze locken oder ſingen
hörte, und nach der Rückkehr in ſeine Heimat durch Nichts mehr an die alte Welt erinnert worden ſei,
als eben durch die Stimme des Golddiſtelfink, welcher ihm nun wieder den europäiſchen Vogel und
damit deſſen Heimat vor die Seele führte.
Wie bei den Papageien, hält es auch bei den Sperlingsvögeln ſchwer, die einzelnen Familien zu
begrenzen. Eine rein äußerliche Betrachtung und bezüglich Vergleichung der Finken reicht hierzu
nicht aus: Lebensweiſe und Sitten erſt liefern dem Forſcher Anhaltspunkte, welche man wohl als
ſichere bezeichnen darf. Gerade die Finken gehen faſt unmerklich ſo in einander über, daß man oft in
Verlegenheit kommt, zu beſtimmen, zu welcher Gruppe oder Familie man den Einen oder den Andern
zählen muß und geneigt wird, die Geſammtheit nur als eine einzige große Familie anzuſehen. An-
drerſeits aber läßt ſich gar nicht verkennen, daß dieſe Geſammtheit wirklich in Gruppen zerfällt, welche
ſo viel Selbſtändigkeit haben, daß man ſie unbeſchadet der zur naturwiſſenſchaftlichen Beſchreibung
unerläßlichen Strenge recht wohl als ſolche Einzeltheile oder, wie wir hier ſagen, als Familien unter-
ſcheiden darf.
Eine derartige Familie bilden wir aus den verſchiedenen Sperlingen (Passeres) im engeren
Sinne, jenen allbekannten Hausfinken, denen es in der Geſellſchaft des Menſchen ſo behagt, daß ſie
ſeine Wohnung überall aufſuchen und ſich ihm förmlich aufdrängen. Dieſer Bund, welchen die
Vögel mit dem Gebieter der Erde ſchloſſen, beſteht wenigſtens auf der größeren Halbſcheid der Erde
aller Orten; denn Sperlinge umfliegen ebenſowohl die Hütte des Jnnerafrikaners, wie die Pracht-
gebäude unſerer Städte. Neuerdings hat ſich der Menſch eines Vorurtheils, welches er früher gegen
die treuen Gäſte hegte, in ſo weit entledigt, daß er ſie ſogar dahin nachholt, wo ſie vorher noch nicht
heimiſch waren, und ſo haben ſich denn die Hausſperlinge gegenwärtig auch Amerika und Auſtralien
erobert. Auf Cuba ſind ſie bereits vollſtändig eingebürgert, d. h. verwildert; ſie finden ſich hier
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/173>, abgerufen am 24.11.2024.
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