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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge.
schon in ziemlich starken Flügen. Wahrscheinlich werden sie noch wie andere Hausthiere den Men-
schen über die ganze Erde folgen.

Die Sperlinge kennzeichnen sich im allgemeinen durch starken, dicken, kolbigen Schnabel, welcher
an beiden Kinnladen etwas gewölbt ist, durch ihre kurzen, stämmigen Füße mit mittellangen Zehen
und kurz gekrümmten Nägeln, durch die kurzen Flügel und den wenig oder nicht am Ende ausgeschnit-
tenen Schwanz. Es sind meist plump gestaltete und mit wenig Ausnahmen sehr einfach gefärbte und
gezeichnete Vögel, welche im Gefieder so große Uebereinstimmung haben, daß man noch heutigen Tags
gewisse Arten von ihnen nur als Spielarten ein und derselben Grund- oder Urform erklärt. Beim
Männchen herrscht Kastanienroth, Braun und Grau im Gefieder vor, bei einer mir bekannten Art,
der prächtigsten von allen, aber Braun, Grau und Goldgelb. Die Weibchen sind durchgängig grau,
auf dem Mantel mehr oder minder braun gestreift; die Jungen ähneln ihnen mehr oder minder.

Noch wissen wir keineswegs mit Sicherheit anzugeben, wie viele Arten von den uns bekannten
Finken wir zur Familie der Sperlinge zu zählen haben; doch scheint sich so viel festzustellen, daß die
Familie nicht gerade zahlreich an Mitgliedern ist. Jn Lebensweise und Betragen ähneln sich alle
Sperlinge. Sie finden sich vorzugsweise, wenn nicht ausschließlich in Ländern, wo Getreidebau statt-
findet, und bewohnen die Behausungen des Menschen im weitesten Sinn, außerdem Felswände, Gär-
ten und Waldränder. Alle Arten sind Standvögel, welche höchstens zu gewissen Zeiten nach benach-
barten Gegenden kleine Ausflüge unternehmen, die man kaum einen Strich nennen kann. Mehr als
die meisten andern Finken halten sie sich, um Nahrung zu suchen, auf dem Boden auf und ähneln
darin den Ammern, welche man als die vollkommensten Erdfinken zu betrachten hat. Doch lieben
sie baumlose Gegenden ebenso wenig, als große zusammenhängende Waldungen; in diesen fehlen sie
gänzlich, in jenen erwählen sie sich Orte, wo es mindestens Hecken und anderes niederes Gebüsch gibt,
welches ihnen bei Gefahr eine sichere Zuflucht gewähren kann. Einige Arten finden in den Höhlen
der Felswände Schutzorte.

Jhre Bewegungen sind schwerfällig; selbst ihr Hüpfen auf dem Boden erscheint noch etwas unbe-
hilflich. Der Flug strengt sie an und ermüdet sie sehr bald, fördert aber demungeachtet ziemlich rasch.
Ebenso wenig als durch die Bewegungen zeichnen sie sich durch ihre Stimme aus. Keine einzige Art
ist fähig, wirklich zu singen, und der Lockton fast aller ist einsilbig und unangenehm mißtönend. Da-
gegen müssen ihre geistigen Fähigkeiten als hoch entwickelte betrachtet werden. Alle Sperlinge bekun-
den eine große Klugheit: sie besitzen, wie man zu sagen pflegt, wahren Menschenverstand. Leider
haben sie demungeachtet nur wenig gute Eigenschaften. Sie leben zwar immer in Gesellschaften und
schlagen sich namentlich im Spätsommer zu großen Flügen zusammen, dulden wohl auch andere Vögel
unter sich, sind aber äußerst reizbar und zanksüchtig, zumal wenn die bei ihnen sehr heiße Liebe und die
nicht minder glühende Eifersucht ins Spiel kommt. Dann gibt es viel Streit und Kampf unter den
Gesellschaften: die erbosten Gegner fallen wüthend über einander her, zanken und beißen sich unter
großem Lärm, verfolgen sich eifrig und nehmen dabei die sonderbarsten Kampfstellungen an. Der
Friede wird zwar gewöhnlich rasch wiederhergestellt, währt aber auch unter solchen Umständen nie
lange, sondern geht vielmehr bald wieder in Thätlichkeiten über. Jndeß scheint es, als ob die lebhaf-
ten und thätigen Vögel sich mehr zu ihrer Unterhaltung streiten, als in der Absicht, wirkliche Erfolge
zu erzielen. Unter den übrigen Eigenschaften, welche wir bei den einzelnen Arten genauer kennen ler-
nen werden, verdient noch die große Reinlichkeitsliebe der Sperlinge hervorgehoben zu werden. Alle
Arten baden und putzen sich sehr häufig und nehmen jede Gelegenheit wahr, sich zu reinigen. Sie
baden sich so tüchtig im Wasser, daß ihr ganzes Gefieder vollkommen durchnäßt wird, paddeln sich
aber auch, wie die Hühner im Sand oder während des Winters im Schnee und halten so ihr einfaches
Federkleid immer in Ordnung.

Die Sperlinge sind Körner- und Kerbthierfresser. Unter den Sämereien bevorzugen sie Getreide
aller Art, und gerade Dies scheint der Hauptgrund ihrer Anhänglichkeit an den Menschen zu sein.
Während des Sommers aber stellen sie den Kerbthieren mit großem Eifer nach und füttern mit ihnen

Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge.
ſchon in ziemlich ſtarken Flügen. Wahrſcheinlich werden ſie noch wie andere Hausthiere den Men-
ſchen über die ganze Erde folgen.

Die Sperlinge kennzeichnen ſich im allgemeinen durch ſtarken, dicken, kolbigen Schnabel, welcher
an beiden Kinnladen etwas gewölbt iſt, durch ihre kurzen, ſtämmigen Füße mit mittellangen Zehen
und kurz gekrümmten Nägeln, durch die kurzen Flügel und den wenig oder nicht am Ende ausgeſchnit-
tenen Schwanz. Es ſind meiſt plump geſtaltete und mit wenig Ausnahmen ſehr einfach gefärbte und
gezeichnete Vögel, welche im Gefieder ſo große Uebereinſtimmung haben, daß man noch heutigen Tags
gewiſſe Arten von ihnen nur als Spielarten ein und derſelben Grund- oder Urform erklärt. Beim
Männchen herrſcht Kaſtanienroth, Braun und Grau im Gefieder vor, bei einer mir bekannten Art,
der prächtigſten von allen, aber Braun, Grau und Goldgelb. Die Weibchen ſind durchgängig grau,
auf dem Mantel mehr oder minder braun geſtreift; die Jungen ähneln ihnen mehr oder minder.

Noch wiſſen wir keineswegs mit Sicherheit anzugeben, wie viele Arten von den uns bekannten
Finken wir zur Familie der Sperlinge zu zählen haben; doch ſcheint ſich ſo viel feſtzuſtellen, daß die
Familie nicht gerade zahlreich an Mitgliedern iſt. Jn Lebensweiſe und Betragen ähneln ſich alle
Sperlinge. Sie finden ſich vorzugsweiſe, wenn nicht ausſchließlich in Ländern, wo Getreidebau ſtatt-
findet, und bewohnen die Behauſungen des Menſchen im weiteſten Sinn, außerdem Felswände, Gär-
ten und Waldränder. Alle Arten ſind Standvögel, welche höchſtens zu gewiſſen Zeiten nach benach-
barten Gegenden kleine Ausflüge unternehmen, die man kaum einen Strich nennen kann. Mehr als
die meiſten andern Finken halten ſie ſich, um Nahrung zu ſuchen, auf dem Boden auf und ähneln
darin den Ammern, welche man als die vollkommenſten Erdfinken zu betrachten hat. Doch lieben
ſie baumloſe Gegenden ebenſo wenig, als große zuſammenhängende Waldungen; in dieſen fehlen ſie
gänzlich, in jenen erwählen ſie ſich Orte, wo es mindeſtens Hecken und anderes niederes Gebüſch gibt,
welches ihnen bei Gefahr eine ſichere Zuflucht gewähren kann. Einige Arten finden in den Höhlen
der Felswände Schutzorte.

Jhre Bewegungen ſind ſchwerfällig; ſelbſt ihr Hüpfen auf dem Boden erſcheint noch etwas unbe-
hilflich. Der Flug ſtrengt ſie an und ermüdet ſie ſehr bald, fördert aber demungeachtet ziemlich raſch.
Ebenſo wenig als durch die Bewegungen zeichnen ſie ſich durch ihre Stimme aus. Keine einzige Art
iſt fähig, wirklich zu ſingen, und der Lockton faſt aller iſt einſilbig und unangenehm mißtönend. Da-
gegen müſſen ihre geiſtigen Fähigkeiten als hoch entwickelte betrachtet werden. Alle Sperlinge bekun-
den eine große Klugheit: ſie beſitzen, wie man zu ſagen pflegt, wahren Menſchenverſtand. Leider
haben ſie demungeachtet nur wenig gute Eigenſchaften. Sie leben zwar immer in Geſellſchaften und
ſchlagen ſich namentlich im Spätſommer zu großen Flügen zuſammen, dulden wohl auch andere Vögel
unter ſich, ſind aber äußerſt reizbar und zankſüchtig, zumal wenn die bei ihnen ſehr heiße Liebe und die
nicht minder glühende Eiferſucht ins Spiel kommt. Dann gibt es viel Streit und Kampf unter den
Geſellſchaften: die erboſten Gegner fallen wüthend über einander her, zanken und beißen ſich unter
großem Lärm, verfolgen ſich eifrig und nehmen dabei die ſonderbarſten Kampfſtellungen an. Der
Friede wird zwar gewöhnlich raſch wiederhergeſtellt, währt aber auch unter ſolchen Umſtänden nie
lange, ſondern geht vielmehr bald wieder in Thätlichkeiten über. Jndeß ſcheint es, als ob die lebhaf-
ten und thätigen Vögel ſich mehr zu ihrer Unterhaltung ſtreiten, als in der Abſicht, wirkliche Erfolge
zu erzielen. Unter den übrigen Eigenſchaften, welche wir bei den einzelnen Arten genauer kennen ler-
nen werden, verdient noch die große Reinlichkeitsliebe der Sperlinge hervorgehoben zu werden. Alle
Arten baden und putzen ſich ſehr häufig und nehmen jede Gelegenheit wahr, ſich zu reinigen. Sie
baden ſich ſo tüchtig im Waſſer, daß ihr ganzes Gefieder vollkommen durchnäßt wird, paddeln ſich
aber auch, wie die Hühner im Sand oder während des Winters im Schnee und halten ſo ihr einfaches
Federkleid immer in Ordnung.

Die Sperlinge ſind Körner- und Kerbthierfreſſer. Unter den Sämereien bevorzugen ſie Getreide
aller Art, und gerade Dies ſcheint der Hauptgrund ihrer Anhänglichkeit an den Menſchen zu ſein.
Während des Sommers aber ſtellen ſie den Kerbthieren mit großem Eifer nach und füttern mit ihnen

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[154/0174] Die Knacker. Sperlingsvögel. Sperlinge. ſchon in ziemlich ſtarken Flügen. Wahrſcheinlich werden ſie noch wie andere Hausthiere den Men- ſchen über die ganze Erde folgen. Die Sperlinge kennzeichnen ſich im allgemeinen durch ſtarken, dicken, kolbigen Schnabel, welcher an beiden Kinnladen etwas gewölbt iſt, durch ihre kurzen, ſtämmigen Füße mit mittellangen Zehen und kurz gekrümmten Nägeln, durch die kurzen Flügel und den wenig oder nicht am Ende ausgeſchnit- tenen Schwanz. Es ſind meiſt plump geſtaltete und mit wenig Ausnahmen ſehr einfach gefärbte und gezeichnete Vögel, welche im Gefieder ſo große Uebereinſtimmung haben, daß man noch heutigen Tags gewiſſe Arten von ihnen nur als Spielarten ein und derſelben Grund- oder Urform erklärt. Beim Männchen herrſcht Kaſtanienroth, Braun und Grau im Gefieder vor, bei einer mir bekannten Art, der prächtigſten von allen, aber Braun, Grau und Goldgelb. Die Weibchen ſind durchgängig grau, auf dem Mantel mehr oder minder braun geſtreift; die Jungen ähneln ihnen mehr oder minder. Noch wiſſen wir keineswegs mit Sicherheit anzugeben, wie viele Arten von den uns bekannten Finken wir zur Familie der Sperlinge zu zählen haben; doch ſcheint ſich ſo viel feſtzuſtellen, daß die Familie nicht gerade zahlreich an Mitgliedern iſt. Jn Lebensweiſe und Betragen ähneln ſich alle Sperlinge. Sie finden ſich vorzugsweiſe, wenn nicht ausſchließlich in Ländern, wo Getreidebau ſtatt- findet, und bewohnen die Behauſungen des Menſchen im weiteſten Sinn, außerdem Felswände, Gär- ten und Waldränder. Alle Arten ſind Standvögel, welche höchſtens zu gewiſſen Zeiten nach benach- barten Gegenden kleine Ausflüge unternehmen, die man kaum einen Strich nennen kann. Mehr als die meiſten andern Finken halten ſie ſich, um Nahrung zu ſuchen, auf dem Boden auf und ähneln darin den Ammern, welche man als die vollkommenſten Erdfinken zu betrachten hat. Doch lieben ſie baumloſe Gegenden ebenſo wenig, als große zuſammenhängende Waldungen; in dieſen fehlen ſie gänzlich, in jenen erwählen ſie ſich Orte, wo es mindeſtens Hecken und anderes niederes Gebüſch gibt, welches ihnen bei Gefahr eine ſichere Zuflucht gewähren kann. Einige Arten finden in den Höhlen der Felswände Schutzorte. Jhre Bewegungen ſind ſchwerfällig; ſelbſt ihr Hüpfen auf dem Boden erſcheint noch etwas unbe- hilflich. Der Flug ſtrengt ſie an und ermüdet ſie ſehr bald, fördert aber demungeachtet ziemlich raſch. Ebenſo wenig als durch die Bewegungen zeichnen ſie ſich durch ihre Stimme aus. Keine einzige Art iſt fähig, wirklich zu ſingen, und der Lockton faſt aller iſt einſilbig und unangenehm mißtönend. Da- gegen müſſen ihre geiſtigen Fähigkeiten als hoch entwickelte betrachtet werden. Alle Sperlinge bekun- den eine große Klugheit: ſie beſitzen, wie man zu ſagen pflegt, wahren Menſchenverſtand. Leider haben ſie demungeachtet nur wenig gute Eigenſchaften. Sie leben zwar immer in Geſellſchaften und ſchlagen ſich namentlich im Spätſommer zu großen Flügen zuſammen, dulden wohl auch andere Vögel unter ſich, ſind aber äußerſt reizbar und zankſüchtig, zumal wenn die bei ihnen ſehr heiße Liebe und die nicht minder glühende Eiferſucht ins Spiel kommt. Dann gibt es viel Streit und Kampf unter den Geſellſchaften: die erboſten Gegner fallen wüthend über einander her, zanken und beißen ſich unter großem Lärm, verfolgen ſich eifrig und nehmen dabei die ſonderbarſten Kampfſtellungen an. Der Friede wird zwar gewöhnlich raſch wiederhergeſtellt, währt aber auch unter ſolchen Umſtänden nie lange, ſondern geht vielmehr bald wieder in Thätlichkeiten über. Jndeß ſcheint es, als ob die lebhaf- ten und thätigen Vögel ſich mehr zu ihrer Unterhaltung ſtreiten, als in der Abſicht, wirkliche Erfolge zu erzielen. Unter den übrigen Eigenſchaften, welche wir bei den einzelnen Arten genauer kennen ler- nen werden, verdient noch die große Reinlichkeitsliebe der Sperlinge hervorgehoben zu werden. Alle Arten baden und putzen ſich ſehr häufig und nehmen jede Gelegenheit wahr, ſich zu reinigen. Sie baden ſich ſo tüchtig im Waſſer, daß ihr ganzes Gefieder vollkommen durchnäßt wird, paddeln ſich aber auch, wie die Hühner im Sand oder während des Winters im Schnee und halten ſo ihr einfaches Federkleid immer in Ordnung. Die Sperlinge ſind Körner- und Kerbthierfreſſer. Unter den Sämereien bevorzugen ſie Getreide aller Art, und gerade Dies ſcheint der Hauptgrund ihrer Anhänglichkeit an den Menſchen zu ſein. Während des Sommers aber ſtellen ſie den Kerbthieren mit großem Eifer nach und füttern mit ihnen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/174>, abgerufen am 21.11.2024.