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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Gold- und Steinsperling.
thäler. Jn Spanien traf ich ihn mit Sicherheit in jeder steilen Wand des Mittelgebirges, aber auch
in jedem alten Schloß an. Auf Canaria sind, wie Bolle uns mittheilt, Thürme und sehr hohe
Gebäude innerhalb der Städte sein Lieblingsaufenthalt. Er meidet also den Menschen keineswegs,
bewahrt sich aber unter allen Umständen seine Freiheit. Jn die Straßen der Städte und Dörfer
kommt er nur höchst selten herab; er fliegt vielmehr von dem gewählten Nistplatze aus regelmäßig
nach der Flur hinaus, um dort sich seine Nahrung zu suchen. Eine eigenthümliche Scheu und Vor-
sicht, welche man fast eine ungerechtfertigte nennen möchte, zeichnet ihn vor andern Sperlingen sehr
aus. Er will auch da, wo er wenig mit dem Menschen zusammenkommt, Nichts mit diesem zu
thun haben.

Jn seinen Bewegungen unterscheidet sich der Steinsperling ganz wesentlich von seinen Verwand-
ten. Er fliegt schnell, mit schwirrenden Flügelschlägen, schwebt vor dem Niedersetzen mit stark ausge-
breiteten Flügeln und erinnert viel mehr an den Kreuzschnabel als an den Spatz. Auf dem Boden
hüpft er ziemlich geschickt umher. Jm Sitzen nimmt er eine kecke Stellung an und wippt häufig mit
dem Schwanze. Sein Lockton ist ein schnalzendes, dreisilbiges Giüib, bei welchem der Ton auf die
letzten Silben gelegt wird; der Warnungsruf ein sperlingsartiges "Errr", welches man jedoch auch
sofort erkennen kann, der Gesang ein einfaches, oft unterbrochenes Zwitschern und Schwirren, welches
in mancher Hinsicht an das Lied des Gimpels erinnert, jedoch nicht gerade angenehm klingt.

Die Fortpflanzungszeit fällt in die letzten Frühlings- und ersten Sommermonate. Jn Spanien
beginnt sie wahrscheinlich schon im April; ich fand aber die meisten Nester erst in den Monaten Mai bis
Juli. Bei uns zu Lande hält es sehr schwer, Beobachtungen über das Brutgeschäft anzustellen, in
Südeuropa ist Dies selbstverständlich leichter. Hier nistet der Steinsperling in den Höhlungen steiler
Felswände, in Mauerspalten, unter den Ziegeldächern der Thürme und hohen Gebäude und zwar
gewöhnlich in großen Gesellschaften. Es ist aber auch da, wo der Vogel häufig ist, nicht eben leicht,
dem Neste beizukommen; denn der Standort wird unter allen Umständen mit größter Vorsicht gewählt,
und der Süden bietet in seinen zerrissenen Gebirgsschluchten der günstigen Orte so viele, daß der kluge
Vogel niemals in Verlegenheit kommt. Das Nest, welches mein Vater zuerst beschrieb, hat mit andern
Sperlingsnestern Aehnlichkeit. Es besteht aus starken Halmen, aus Baumbast, Tuch, Leinwand,
welche Stoffe liederlich zusammengeschichtet werden, und ist innerlich mit Federn, Haaren, Wollflocken,
Raupengespinnst, Pflanzenfasern und dergleichen ausgefüttert. Ein einmal fertiges Nest wird jahre-
lang benutzt, das Pärchen bessert es im Frühjahr höchstens etwas aus. Die Eier, fünf bis sechs an
der Zahl, sind größer als gewöhnliche Sperlingseier, auf grauem oder schmuzigweißem Grunde asch-
und tiefgrauschieferfarben gefleckt und gestrichelt, am stumpfen Ende meist dichter als an der Spitze.
Noch ist es nicht mit Sicherheit festgestellt, ob beide Geschlechter abwechselnd brüten; dagegen weiß
man gewiß, daß die Eltern sich in die Mühe der Erziehung ihrer Kinder redlich theilen. Die aus-
geflogenen Jungen scharen sich mit anderen ihrer Art in große Gesellschaften und schweifen dann ziel-
los bis zum Herbst in der Flur hin und her, während die Eltern zur zweiten und vielleicht zur dritten
Brut schreiten. Erst nach Beendigung des Brutgeschäftes vereinigen auch sie sich wiederum zu größe-
ren Gesellschaften.

Hinsichtlich der Nahrung gilt höchst wahrscheinlich Dasselbe, was wir von den übrigen Sperlin-
gen erfahren haben. Während des Sommers verzehren die Steinsperlinge vorzugsweise Kerbthiere,
im Winter Sämereien, Beeren u. dgl. Jn Spanien trifft man sie häufig auf den Landstraßen, wo
sie nach Art der Feld- und Haussperlinge den Mist durchwühlen. Bei uns hat man Dasselbe beobachtet.

Nur in Gegenden, wo unsere Vögel häufig sind, kann man sich ihrer ohne große Mühe bemäch-
tigen. Jn Spanien werden sie schockweise auf den Markt gebracht. Man fängt sie dort mit Hilfe
von Lockvögeln unter Netzen oder auf den mit Leimrüthchen überdeckten Bäumen. Die Jagd mit dem
Feuergewehr hat immer ihre Schwierigkeiten; denn der kluge Vogel, welchen nur ein Balgforscher
"stultus" nennen konnte, merkt sehr bald, wenn er verfolgt wird, und seine angeborene Scheu steigert
sich dann aufs höchste. Mit Recht hebt mein Vater als Eigenthümlichkeit hervor, daß er an dem Orte,

Gold- und Steinſperling.
thäler. Jn Spanien traf ich ihn mit Sicherheit in jeder ſteilen Wand des Mittelgebirges, aber auch
in jedem alten Schloß an. Auf Canaria ſind, wie Bolle uns mittheilt, Thürme und ſehr hohe
Gebäude innerhalb der Städte ſein Lieblingsaufenthalt. Er meidet alſo den Menſchen keineswegs,
bewahrt ſich aber unter allen Umſtänden ſeine Freiheit. Jn die Straßen der Städte und Dörfer
kommt er nur höchſt ſelten herab; er fliegt vielmehr von dem gewählten Niſtplatze aus regelmäßig
nach der Flur hinaus, um dort ſich ſeine Nahrung zu ſuchen. Eine eigenthümliche Scheu und Vor-
ſicht, welche man faſt eine ungerechtfertigte nennen möchte, zeichnet ihn vor andern Sperlingen ſehr
aus. Er will auch da, wo er wenig mit dem Menſchen zuſammenkommt, Nichts mit dieſem zu
thun haben.

Jn ſeinen Bewegungen unterſcheidet ſich der Steinſperling ganz weſentlich von ſeinen Verwand-
ten. Er fliegt ſchnell, mit ſchwirrenden Flügelſchlägen, ſchwebt vor dem Niederſetzen mit ſtark ausge-
breiteten Flügeln und erinnert viel mehr an den Kreuzſchnabel als an den Spatz. Auf dem Boden
hüpft er ziemlich geſchickt umher. Jm Sitzen nimmt er eine kecke Stellung an und wippt häufig mit
dem Schwanze. Sein Lockton iſt ein ſchnalzendes, dreiſilbiges Giüib, bei welchem der Ton auf die
letzten Silben gelegt wird; der Warnungsruf ein ſperlingsartiges „Errr‟, welches man jedoch auch
ſofort erkennen kann, der Geſang ein einfaches, oft unterbrochenes Zwitſchern und Schwirren, welches
in mancher Hinſicht an das Lied des Gimpels erinnert, jedoch nicht gerade angenehm klingt.

Die Fortpflanzungszeit fällt in die letzten Frühlings- und erſten Sommermonate. Jn Spanien
beginnt ſie wahrſcheinlich ſchon im April; ich fand aber die meiſten Neſter erſt in den Monaten Mai bis
Juli. Bei uns zu Lande hält es ſehr ſchwer, Beobachtungen über das Brutgeſchäft anzuſtellen, in
Südeuropa iſt Dies ſelbſtverſtändlich leichter. Hier niſtet der Steinſperling in den Höhlungen ſteiler
Felswände, in Mauerſpalten, unter den Ziegeldächern der Thürme und hohen Gebäude und zwar
gewöhnlich in großen Geſellſchaften. Es iſt aber auch da, wo der Vogel häufig iſt, nicht eben leicht,
dem Neſte beizukommen; denn der Standort wird unter allen Umſtänden mit größter Vorſicht gewählt,
und der Süden bietet in ſeinen zerriſſenen Gebirgsſchluchten der günſtigen Orte ſo viele, daß der kluge
Vogel niemals in Verlegenheit kommt. Das Neſt, welches mein Vater zuerſt beſchrieb, hat mit andern
Sperlingsneſtern Aehnlichkeit. Es beſteht aus ſtarken Halmen, aus Baumbaſt, Tuch, Leinwand,
welche Stoffe liederlich zuſammengeſchichtet werden, und iſt innerlich mit Federn, Haaren, Wollflocken,
Raupengeſpinnſt, Pflanzenfaſern und dergleichen ausgefüttert. Ein einmal fertiges Neſt wird jahre-
lang benutzt, das Pärchen beſſert es im Frühjahr höchſtens etwas aus. Die Eier, fünf bis ſechs an
der Zahl, ſind größer als gewöhnliche Sperlingseier, auf grauem oder ſchmuzigweißem Grunde aſch-
und tiefgrauſchieferfarben gefleckt und geſtrichelt, am ſtumpfen Ende meiſt dichter als an der Spitze.
Noch iſt es nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt, ob beide Geſchlechter abwechſelnd brüten; dagegen weiß
man gewiß, daß die Eltern ſich in die Mühe der Erziehung ihrer Kinder redlich theilen. Die aus-
geflogenen Jungen ſcharen ſich mit anderen ihrer Art in große Geſellſchaften und ſchweifen dann ziel-
los bis zum Herbſt in der Flur hin und her, während die Eltern zur zweiten und vielleicht zur dritten
Brut ſchreiten. Erſt nach Beendigung des Brutgeſchäftes vereinigen auch ſie ſich wiederum zu größe-
ren Geſellſchaften.

Hinſichtlich der Nahrung gilt höchſt wahrſcheinlich Daſſelbe, was wir von den übrigen Sperlin-
gen erfahren haben. Während des Sommers verzehren die Steinſperlinge vorzugsweiſe Kerbthiere,
im Winter Sämereien, Beeren u. dgl. Jn Spanien trifft man ſie häufig auf den Landſtraßen, wo
ſie nach Art der Feld- und Hausſperlinge den Miſt durchwühlen. Bei uns hat man Daſſelbe beobachtet.

Nur in Gegenden, wo unſere Vögel häufig ſind, kann man ſich ihrer ohne große Mühe bemäch-
tigen. Jn Spanien werden ſie ſchockweiſe auf den Markt gebracht. Man fängt ſie dort mit Hilfe
von Lockvögeln unter Netzen oder auf den mit Leimrüthchen überdeckten Bäumen. Die Jagd mit dem
Feuergewehr hat immer ihre Schwierigkeiten; denn der kluge Vogel, welchen nur ein Balgforſcher
„stultus‟ nennen konnte, merkt ſehr bald, wenn er verfolgt wird, und ſeine angeborene Scheu ſteigert
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[169/0189] Gold- und Steinſperling. thäler. Jn Spanien traf ich ihn mit Sicherheit in jeder ſteilen Wand des Mittelgebirges, aber auch in jedem alten Schloß an. Auf Canaria ſind, wie Bolle uns mittheilt, Thürme und ſehr hohe Gebäude innerhalb der Städte ſein Lieblingsaufenthalt. Er meidet alſo den Menſchen keineswegs, bewahrt ſich aber unter allen Umſtänden ſeine Freiheit. Jn die Straßen der Städte und Dörfer kommt er nur höchſt ſelten herab; er fliegt vielmehr von dem gewählten Niſtplatze aus regelmäßig nach der Flur hinaus, um dort ſich ſeine Nahrung zu ſuchen. Eine eigenthümliche Scheu und Vor- ſicht, welche man faſt eine ungerechtfertigte nennen möchte, zeichnet ihn vor andern Sperlingen ſehr aus. Er will auch da, wo er wenig mit dem Menſchen zuſammenkommt, Nichts mit dieſem zu thun haben. Jn ſeinen Bewegungen unterſcheidet ſich der Steinſperling ganz weſentlich von ſeinen Verwand- ten. Er fliegt ſchnell, mit ſchwirrenden Flügelſchlägen, ſchwebt vor dem Niederſetzen mit ſtark ausge- breiteten Flügeln und erinnert viel mehr an den Kreuzſchnabel als an den Spatz. Auf dem Boden hüpft er ziemlich geſchickt umher. Jm Sitzen nimmt er eine kecke Stellung an und wippt häufig mit dem Schwanze. Sein Lockton iſt ein ſchnalzendes, dreiſilbiges Giüib, bei welchem der Ton auf die letzten Silben gelegt wird; der Warnungsruf ein ſperlingsartiges „Errr‟, welches man jedoch auch ſofort erkennen kann, der Geſang ein einfaches, oft unterbrochenes Zwitſchern und Schwirren, welches in mancher Hinſicht an das Lied des Gimpels erinnert, jedoch nicht gerade angenehm klingt. Die Fortpflanzungszeit fällt in die letzten Frühlings- und erſten Sommermonate. Jn Spanien beginnt ſie wahrſcheinlich ſchon im April; ich fand aber die meiſten Neſter erſt in den Monaten Mai bis Juli. Bei uns zu Lande hält es ſehr ſchwer, Beobachtungen über das Brutgeſchäft anzuſtellen, in Südeuropa iſt Dies ſelbſtverſtändlich leichter. Hier niſtet der Steinſperling in den Höhlungen ſteiler Felswände, in Mauerſpalten, unter den Ziegeldächern der Thürme und hohen Gebäude und zwar gewöhnlich in großen Geſellſchaften. Es iſt aber auch da, wo der Vogel häufig iſt, nicht eben leicht, dem Neſte beizukommen; denn der Standort wird unter allen Umſtänden mit größter Vorſicht gewählt, und der Süden bietet in ſeinen zerriſſenen Gebirgsſchluchten der günſtigen Orte ſo viele, daß der kluge Vogel niemals in Verlegenheit kommt. Das Neſt, welches mein Vater zuerſt beſchrieb, hat mit andern Sperlingsneſtern Aehnlichkeit. Es beſteht aus ſtarken Halmen, aus Baumbaſt, Tuch, Leinwand, welche Stoffe liederlich zuſammengeſchichtet werden, und iſt innerlich mit Federn, Haaren, Wollflocken, Raupengeſpinnſt, Pflanzenfaſern und dergleichen ausgefüttert. Ein einmal fertiges Neſt wird jahre- lang benutzt, das Pärchen beſſert es im Frühjahr höchſtens etwas aus. Die Eier, fünf bis ſechs an der Zahl, ſind größer als gewöhnliche Sperlingseier, auf grauem oder ſchmuzigweißem Grunde aſch- und tiefgrauſchieferfarben gefleckt und geſtrichelt, am ſtumpfen Ende meiſt dichter als an der Spitze. Noch iſt es nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt, ob beide Geſchlechter abwechſelnd brüten; dagegen weiß man gewiß, daß die Eltern ſich in die Mühe der Erziehung ihrer Kinder redlich theilen. Die aus- geflogenen Jungen ſcharen ſich mit anderen ihrer Art in große Geſellſchaften und ſchweifen dann ziel- los bis zum Herbſt in der Flur hin und her, während die Eltern zur zweiten und vielleicht zur dritten Brut ſchreiten. Erſt nach Beendigung des Brutgeſchäftes vereinigen auch ſie ſich wiederum zu größe- ren Geſellſchaften. Hinſichtlich der Nahrung gilt höchſt wahrſcheinlich Daſſelbe, was wir von den übrigen Sperlin- gen erfahren haben. Während des Sommers verzehren die Steinſperlinge vorzugsweiſe Kerbthiere, im Winter Sämereien, Beeren u. dgl. Jn Spanien trifft man ſie häufig auf den Landſtraßen, wo ſie nach Art der Feld- und Hausſperlinge den Miſt durchwühlen. Bei uns hat man Daſſelbe beobachtet. Nur in Gegenden, wo unſere Vögel häufig ſind, kann man ſich ihrer ohne große Mühe bemäch- tigen. Jn Spanien werden ſie ſchockweiſe auf den Markt gebracht. Man fängt ſie dort mit Hilfe von Lockvögeln unter Netzen oder auf den mit Leimrüthchen überdeckten Bäumen. Die Jagd mit dem Feuergewehr hat immer ihre Schwierigkeiten; denn der kluge Vogel, welchen nur ein Balgforſcher „stultus‟ nennen konnte, merkt ſehr bald, wenn er verfolgt wird, und ſeine angeborene Scheu ſteigert ſich dann aufs höchſte. Mit Recht hebt mein Vater als Eigenthümlichkeit hervor, daß er an dem Orte,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/189>, abgerufen am 24.11.2024.