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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Goldbrüstchen. Blutfink.

Hartmann, welcher wenige Jahre nach mir die oberen Nilländer bereiste, möchte den Blut-
finken eine ähnliche Stellung zuweisen, wie solche unsere Haussperlinge sie sich erworben haben,
und in der That darf der Blutfink als Hausvogel betrachtet werden. Er fehlt zu gewissen Zeiten keiner
der Dorfschaften Südnubiens und Ost-Sudahns; er fehlt nicht einmal der mitten im Walde stehenden
einzelnen Hütte. Er ist einer der ersten Vögel der Wendekreisländer, welchen man bemerkt, wenn
man von Egypten aus dem Sudahn zuwandert. Nur ein Honigsauger und der noch zu erwähnende
Stahlfink gehen weiter, als er, nach Norden hinauf. Von Dongola an wird er immer häufiger, und
im Sudahn ist er, wie bemerkt, gemein. Hier trifft man ihn gewöhnlich in der Nähe der Dorfschaften
an, mit andern Familienverwandten vereinigt, oft in ungeheuren Schwärmen; er lebt aber auch fern
von den Menschen in der einsamen Steppe und selbst im Gebirge noch bis zu vier- und fünftausend
Fuß Meereshöhe, obgleich hier seltener.

Jn seinem Betragen ähnelt der Blutfink seinen Verwandten. Er ist nicht blos ein zierlich
gefärbter, sondern auch ein anmuthiges und liebenswürdig sich benehmendes Thierchen, an welchem
man seine rechte Freude haben kann. So lange die Sonne am Himmel steht, ist er kaum eine Minute
lang ruhig; höchstens in den Mittagsstunden sucht er im schattigen Gelaube der immergrünen Bäume
Schutz gegen die drückende Sonne. Sonst fliegt er ohne Unterbrechung von Zweig zu Zweig oder
trippelt mit rascher Geschäftigkeit auf den Aesten, den Häusern und endlich auf dem Boden umher.
Jede seiner Bewegungen zeugt von großer Gewandtheit. Kaum einer seiner Verwandten übertrifft
ihn in der Eilfertigkeit seines Fluges, sicherlich keiner in der Rastlosigkeit, welche ihn kennzeichnet.
Dabei ist er im hohen Grade gesellig und lebt nicht blos mit seines Gleichen, sondern, wie schon
bemerkt, auch mit Verwandten in bester Eintracht, selbst an den Brutplätzen.

Der Blutastrild hat in den letzten Monaten der Dürre seine Mauser vollendet und denkt mit
dem ersten Frühlingsregen, etwa Anfangs September, an seine Fortpflanzung. Bis dahin lebte er in
Scharen; jetzt trennt er sich in Pärchen, und diese kommen nun vertrauensvoll in die Dörfer und Städte
herein und spähen nach einer passenden Stelle unter dem Dache des kegelförmigen Strohhauses oder der
würfelförmigen Lehmhütte des Eingeborenen. Hier, in irgend einer Höhlung oder auf einer andern
passenden Unterlage wird ein wirrer Haufen von dürren Halmen zusammengetragen, dessen Jnneres
aber eine wohlausgerundete, jedoch keineswegs auch sorgfältig ausgelegte Höhlung enthält. Jm Noth-
fall brütet der Blutfink auch auf Bäumen oder selbst nahe am Boden. So bemerkte ich im Januar
in den Waldungen des oberen blauen Nils ein Weibchen dieses Vogels, welches an ein und derselben
Stelle ängstlich über den Boden hin und herflog, vermuthete, daß es in der Nähe wohl sein Nest
haben möge, suchte und fand es auf dem Boden in noch nicht zusammengetretenem dürren Grase
stehen, wo es der Umgebung auf das vollständigste ähnelte. Es enthält kleine weiße, sehr rundliche,
glatte Eier, ein wenig größer als die unseres Zaunkönigs. Hieraus geht hervor, daß der Blut-
astrild mehrmals im Jahre brütet, und Dies stimmt denn auch mit den Erfahrungen überein, welche
an Gefangenen dieser Art gemacht wurden. Schon Vieillot hat einen Blutfinken im Käfig zur
Fortpflanzung gebracht, und seine Beobachtungen sind es auch, welche Reichenbach in seinem vor-
trefflichen Werke über die ausländischen Singvögel wiedergibt.

"Diese kleinen Finken", so heißt es hier, "sind sanft und zutraulich und unter einander so zärt-
lich, daß sie einander immer aufsuchen und am liebsten dicht an einander gedrängt sitzen, besonders in
der Nacht. Zur Paarungszeit halten sich nur die Pärchen beisammen und die Männchen kämpfen
unter einander, so daß man sie absondern muß. Das Männchen ist überaus zärtlich gegen das Weib-
chen und widmet sich ihm gänzlich. Vor der Begattung setzt es sich in seine Nähe mit einem Hälmchen
im Schnabel, hüpft in kleinen Sprüngen empor, tritt abwechselnd mit den Beinen den Zweig, worauf
es sitzt und singt zum Vorspiel seines Genusses. Der angenehme Gesang wird mehrmals munter
und freudig wiederholt."

"Nach der Paarung bauen beide das Nest. Erfolgte aber die Paarung nicht, durch Verweigerung
des Weibchens, so wird das Männchen streng und treibt es herum. Das Nest besteht aus feinen

Goldbrüſtchen. Blutfink.

Hartmann, welcher wenige Jahre nach mir die oberen Nilländer bereiſte, möchte den Blut-
finken eine ähnliche Stellung zuweiſen, wie ſolche unſere Hausſperlinge ſie ſich erworben haben,
und in der That darf der Blutfink als Hausvogel betrachtet werden. Er fehlt zu gewiſſen Zeiten keiner
der Dorfſchaften Südnubiens und Oſt-Sudahns; er fehlt nicht einmal der mitten im Walde ſtehenden
einzelnen Hütte. Er iſt einer der erſten Vögel der Wendekreisländer, welchen man bemerkt, wenn
man von Egypten aus dem Sudahn zuwandert. Nur ein Honigſauger und der noch zu erwähnende
Stahlfink gehen weiter, als er, nach Norden hinauf. Von Dongola an wird er immer häufiger, und
im Sudahn iſt er, wie bemerkt, gemein. Hier trifft man ihn gewöhnlich in der Nähe der Dorfſchaften
an, mit andern Familienverwandten vereinigt, oft in ungeheuren Schwärmen; er lebt aber auch fern
von den Menſchen in der einſamen Steppe und ſelbſt im Gebirge noch bis zu vier- und fünftauſend
Fuß Meereshöhe, obgleich hier ſeltener.

Jn ſeinem Betragen ähnelt der Blutfink ſeinen Verwandten. Er iſt nicht blos ein zierlich
gefärbter, ſondern auch ein anmuthiges und liebenswürdig ſich benehmendes Thierchen, an welchem
man ſeine rechte Freude haben kann. So lange die Sonne am Himmel ſteht, iſt er kaum eine Minute
lang ruhig; höchſtens in den Mittagsſtunden ſucht er im ſchattigen Gelaube der immergrünen Bäume
Schutz gegen die drückende Sonne. Sonſt fliegt er ohne Unterbrechung von Zweig zu Zweig oder
trippelt mit raſcher Geſchäftigkeit auf den Aeſten, den Häuſern und endlich auf dem Boden umher.
Jede ſeiner Bewegungen zeugt von großer Gewandtheit. Kaum einer ſeiner Verwandten übertrifft
ihn in der Eilfertigkeit ſeines Fluges, ſicherlich keiner in der Raſtloſigkeit, welche ihn kennzeichnet.
Dabei iſt er im hohen Grade geſellig und lebt nicht blos mit ſeines Gleichen, ſondern, wie ſchon
bemerkt, auch mit Verwandten in beſter Eintracht, ſelbſt an den Brutplätzen.

Der Blutaſtrild hat in den letzten Monaten der Dürre ſeine Mauſer vollendet und denkt mit
dem erſten Frühlingsregen, etwa Anfangs September, an ſeine Fortpflanzung. Bis dahin lebte er in
Scharen; jetzt trennt er ſich in Pärchen, und dieſe kommen nun vertrauensvoll in die Dörfer und Städte
herein und ſpähen nach einer paſſenden Stelle unter dem Dache des kegelförmigen Strohhauſes oder der
würfelförmigen Lehmhütte des Eingeborenen. Hier, in irgend einer Höhlung oder auf einer andern
paſſenden Unterlage wird ein wirrer Haufen von dürren Halmen zuſammengetragen, deſſen Jnneres
aber eine wohlausgerundete, jedoch keineswegs auch ſorgfältig ausgelegte Höhlung enthält. Jm Noth-
fall brütet der Blutfink auch auf Bäumen oder ſelbſt nahe am Boden. So bemerkte ich im Januar
in den Waldungen des oberen blauen Nils ein Weibchen dieſes Vogels, welches an ein und derſelben
Stelle ängſtlich über den Boden hin und herflog, vermuthete, daß es in der Nähe wohl ſein Neſt
haben möge, ſuchte und fand es auf dem Boden in noch nicht zuſammengetretenem dürren Graſe
ſtehen, wo es der Umgebung auf das vollſtändigſte ähnelte. Es enthält kleine weiße, ſehr rundliche,
glatte Eier, ein wenig größer als die unſeres Zaunkönigs. Hieraus geht hervor, daß der Blut-
aſtrild mehrmals im Jahre brütet, und Dies ſtimmt denn auch mit den Erfahrungen überein, welche
an Gefangenen dieſer Art gemacht wurden. Schon Vieillot hat einen Blutfinken im Käfig zur
Fortpflanzung gebracht, und ſeine Beobachtungen ſind es auch, welche Reichenbach in ſeinem vor-
trefflichen Werke über die ausländiſchen Singvögel wiedergibt.

„Dieſe kleinen Finken‟, ſo heißt es hier, „ſind ſanft und zutraulich und unter einander ſo zärt-
lich, daß ſie einander immer aufſuchen und am liebſten dicht an einander gedrängt ſitzen, beſonders in
der Nacht. Zur Paarungszeit halten ſich nur die Pärchen beiſammen und die Männchen kämpfen
unter einander, ſo daß man ſie abſondern muß. Das Männchen iſt überaus zärtlich gegen das Weib-
chen und widmet ſich ihm gänzlich. Vor der Begattung ſetzt es ſich in ſeine Nähe mit einem Hälmchen
im Schnabel, hüpft in kleinen Sprüngen empor, tritt abwechſelnd mit den Beinen den Zweig, worauf
es ſitzt und ſingt zum Vorſpiel ſeines Genuſſes. Der angenehme Geſang wird mehrmals munter
und freudig wiederholt.‟

„Nach der Paarung bauen beide das Neſt. Erfolgte aber die Paarung nicht, durch Verweigerung
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[213/0233] Goldbrüſtchen. Blutfink. Hartmann, welcher wenige Jahre nach mir die oberen Nilländer bereiſte, möchte den Blut- finken eine ähnliche Stellung zuweiſen, wie ſolche unſere Hausſperlinge ſie ſich erworben haben, und in der That darf der Blutfink als Hausvogel betrachtet werden. Er fehlt zu gewiſſen Zeiten keiner der Dorfſchaften Südnubiens und Oſt-Sudahns; er fehlt nicht einmal der mitten im Walde ſtehenden einzelnen Hütte. Er iſt einer der erſten Vögel der Wendekreisländer, welchen man bemerkt, wenn man von Egypten aus dem Sudahn zuwandert. Nur ein Honigſauger und der noch zu erwähnende Stahlfink gehen weiter, als er, nach Norden hinauf. Von Dongola an wird er immer häufiger, und im Sudahn iſt er, wie bemerkt, gemein. Hier trifft man ihn gewöhnlich in der Nähe der Dorfſchaften an, mit andern Familienverwandten vereinigt, oft in ungeheuren Schwärmen; er lebt aber auch fern von den Menſchen in der einſamen Steppe und ſelbſt im Gebirge noch bis zu vier- und fünftauſend Fuß Meereshöhe, obgleich hier ſeltener. Jn ſeinem Betragen ähnelt der Blutfink ſeinen Verwandten. Er iſt nicht blos ein zierlich gefärbter, ſondern auch ein anmuthiges und liebenswürdig ſich benehmendes Thierchen, an welchem man ſeine rechte Freude haben kann. So lange die Sonne am Himmel ſteht, iſt er kaum eine Minute lang ruhig; höchſtens in den Mittagsſtunden ſucht er im ſchattigen Gelaube der immergrünen Bäume Schutz gegen die drückende Sonne. Sonſt fliegt er ohne Unterbrechung von Zweig zu Zweig oder trippelt mit raſcher Geſchäftigkeit auf den Aeſten, den Häuſern und endlich auf dem Boden umher. Jede ſeiner Bewegungen zeugt von großer Gewandtheit. Kaum einer ſeiner Verwandten übertrifft ihn in der Eilfertigkeit ſeines Fluges, ſicherlich keiner in der Raſtloſigkeit, welche ihn kennzeichnet. Dabei iſt er im hohen Grade geſellig und lebt nicht blos mit ſeines Gleichen, ſondern, wie ſchon bemerkt, auch mit Verwandten in beſter Eintracht, ſelbſt an den Brutplätzen. Der Blutaſtrild hat in den letzten Monaten der Dürre ſeine Mauſer vollendet und denkt mit dem erſten Frühlingsregen, etwa Anfangs September, an ſeine Fortpflanzung. Bis dahin lebte er in Scharen; jetzt trennt er ſich in Pärchen, und dieſe kommen nun vertrauensvoll in die Dörfer und Städte herein und ſpähen nach einer paſſenden Stelle unter dem Dache des kegelförmigen Strohhauſes oder der würfelförmigen Lehmhütte des Eingeborenen. Hier, in irgend einer Höhlung oder auf einer andern paſſenden Unterlage wird ein wirrer Haufen von dürren Halmen zuſammengetragen, deſſen Jnneres aber eine wohlausgerundete, jedoch keineswegs auch ſorgfältig ausgelegte Höhlung enthält. Jm Noth- fall brütet der Blutfink auch auf Bäumen oder ſelbſt nahe am Boden. So bemerkte ich im Januar in den Waldungen des oberen blauen Nils ein Weibchen dieſes Vogels, welches an ein und derſelben Stelle ängſtlich über den Boden hin und herflog, vermuthete, daß es in der Nähe wohl ſein Neſt haben möge, ſuchte und fand es auf dem Boden in noch nicht zuſammengetretenem dürren Graſe ſtehen, wo es der Umgebung auf das vollſtändigſte ähnelte. Es enthält kleine weiße, ſehr rundliche, glatte Eier, ein wenig größer als die unſeres Zaunkönigs. Hieraus geht hervor, daß der Blut- aſtrild mehrmals im Jahre brütet, und Dies ſtimmt denn auch mit den Erfahrungen überein, welche an Gefangenen dieſer Art gemacht wurden. Schon Vieillot hat einen Blutfinken im Käfig zur Fortpflanzung gebracht, und ſeine Beobachtungen ſind es auch, welche Reichenbach in ſeinem vor- trefflichen Werke über die ausländiſchen Singvögel wiedergibt. „Dieſe kleinen Finken‟, ſo heißt es hier, „ſind ſanft und zutraulich und unter einander ſo zärt- lich, daß ſie einander immer aufſuchen und am liebſten dicht an einander gedrängt ſitzen, beſonders in der Nacht. Zur Paarungszeit halten ſich nur die Pärchen beiſammen und die Männchen kämpfen unter einander, ſo daß man ſie abſondern muß. Das Männchen iſt überaus zärtlich gegen das Weib- chen und widmet ſich ihm gänzlich. Vor der Begattung ſetzt es ſich in ſeine Nähe mit einem Hälmchen im Schnabel, hüpft in kleinen Sprüngen empor, tritt abwechſelnd mit den Beinen den Zweig, worauf es ſitzt und ſingt zum Vorſpiel ſeines Genuſſes. Der angenehme Geſang wird mehrmals munter und freudig wiederholt.‟ „Nach der Paarung bauen beide das Neſt. Erfolgte aber die Paarung nicht, durch Verweigerung des Weibchens, ſo wird das Männchen ſtreng und treibt es herum. Das Neſt beſteht aus feinen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/233>, abgerufen am 24.11.2024.