und Vergnügungsnester des goldstirnigen Webers (Oriolinus icterocephalus oder aurifrons) aus Südafrika.
Die Ostafrikaner betrachten auch diese Kunsterzeugnisse unserer Vögel mit gleichgiltigem Auge; andere Völkerschaften aber haben sie wohl beobachtet, wenn auch theilweise mit dem Auge des Mär- chendichters. So hat man in mehreren Lehmklümpchen gefunden, und das Volk hat sich Dies flugs zu erklären gewußt, indem es sagt, daß der Webervogel des Nachts in diesen Lehm Leuchtkäfer ein- klebe, welche dazu bestimmt sein sollen, sein Nest zu erleuchten. Nach Bernstein's Angaben hat der feste Bau des Bayawebervogels die Grundlage gegeben zu der malayischen Sage, daß Derjenige, welcher so glücklich ist, eines dieser Nester aus einander zu nehmen, ohne dabei einen der dasselbe zusammen- setzenden Halme zu zerbrechen, in seinem Jnnern eine goldene Kugel finde. Wie viele ähnliche Sagen sonst noch verbreitet sind, weiß ich nicht; merkwürdig ist nur, daß die Leuchtkäfergeschichte weit ver- breitet ist.
Wie es scheint, brüten alle Webervögel mehrmals im Jahre, und daraus dürfte es zu erklären sein, daß man selbst in wenig verschiedenen Gegenden ein und desselben Landstriches frische Nester und Eier in verschiedenen Monaten des Jahres findet.
[Abbildung]
Vergnügungsnest des männlichen goldstirnigen Webers.
Sämereien aller Art, namentlich aber auch Getreide, Körner und Schilfgesäme bilden die bevor- zugte Nahrung der Webervögel. Außerdem sind sie sehr eifrige Kerbthierjäger, und mit diesen haupt- sächlich füttern sie ihre verhältnißmäßig zahlreiche Brut heran. Jhre Raubzüge gegen die Felder unternehmen sie wohl ausschließlich nach der Brutzeit, während sie die gewaltigen Schwärme bilden. Dann nöthigen sie den Menschen gar oft zur ernsten Abwehr, zumal den Bewohner ärmerer Gegenden, welcher in seinem Getreidefelde sein Ein und Alles besitzt. Jm Ost-Sudahn begnügt man sich übri- gens, sie aus dem Felde zu vertreiben, Niemand denkt daran, sie zu fangen oder zu tödten.
Außer dem Menschen haben die Webervögel in den verschiedenen Edelfalken und Sperbern ihrer Heimatsländer viele und gefährliche Feinde.
Die Jungen sind wohl geborgen. An dem schwankenden Gezweige kann sich keine der so gern nesterplündernden Meerkatzen, kein anderes Raubsäugethier erhalten: es stürzt zum Boden, ins Wasser hinab, wenn es sich mit Räubergelüsten naht. Bei gewissen Arten -- so beim Mahali- weber, wird das Nest (s. unsere Abbildung Seite 222) noch außerdem gegen Angriffe verwahrt,
Die Knacker. Sperlingsvögel. Webervögel.
und Vergnügungsneſter des goldſtirnigen Webers (Oriolinus icterocephalus oder aurifrons) aus Südafrika.
Die Oſtafrikaner betrachten auch dieſe Kunſterzeugniſſe unſerer Vögel mit gleichgiltigem Auge; andere Völkerſchaften aber haben ſie wohl beobachtet, wenn auch theilweiſe mit dem Auge des Mär- chendichters. So hat man in mehreren Lehmklümpchen gefunden, und das Volk hat ſich Dies flugs zu erklären gewußt, indem es ſagt, daß der Webervogel des Nachts in dieſen Lehm Leuchtkäfer ein- klebe, welche dazu beſtimmt ſein ſollen, ſein Neſt zu erleuchten. Nach Bernſtein’s Angaben hat der feſte Bau des Bayawebervogels die Grundlage gegeben zu der malayiſchen Sage, daß Derjenige, welcher ſo glücklich iſt, eines dieſer Neſter aus einander zu nehmen, ohne dabei einen der daſſelbe zuſammen- ſetzenden Halme zu zerbrechen, in ſeinem Jnnern eine goldene Kugel finde. Wie viele ähnliche Sagen ſonſt noch verbreitet ſind, weiß ich nicht; merkwürdig iſt nur, daß die Leuchtkäfergeſchichte weit ver- breitet iſt.
Wie es ſcheint, brüten alle Webervögel mehrmals im Jahre, und daraus dürfte es zu erklären ſein, daß man ſelbſt in wenig verſchiedenen Gegenden ein und deſſelben Landſtriches friſche Neſter und Eier in verſchiedenen Monaten des Jahres findet.
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Vergnügungsneſt des männlichen goldſtirnigen Webers.
Sämereien aller Art, namentlich aber auch Getreide, Körner und Schilfgeſäme bilden die bevor- zugte Nahrung der Webervögel. Außerdem ſind ſie ſehr eifrige Kerbthierjäger, und mit dieſen haupt- ſächlich füttern ſie ihre verhältnißmäßig zahlreiche Brut heran. Jhre Raubzüge gegen die Felder unternehmen ſie wohl ausſchließlich nach der Brutzeit, während ſie die gewaltigen Schwärme bilden. Dann nöthigen ſie den Menſchen gar oft zur ernſten Abwehr, zumal den Bewohner ärmerer Gegenden, welcher in ſeinem Getreidefelde ſein Ein und Alles beſitzt. Jm Oſt-Sudahn begnügt man ſich übri- gens, ſie aus dem Felde zu vertreiben, Niemand denkt daran, ſie zu fangen oder zu tödten.
Außer dem Menſchen haben die Webervögel in den verſchiedenen Edelfalken und Sperbern ihrer Heimatsländer viele und gefährliche Feinde.
Die Jungen ſind wohl geborgen. An dem ſchwankenden Gezweige kann ſich keine der ſo gern neſterplündernden Meerkatzen, kein anderes Raubſäugethier erhalten: es ſtürzt zum Boden, ins Waſſer hinab, wenn es ſich mit Räubergelüſten naht. Bei gewiſſen Arten — ſo beim Mahali- weber, wird das Neſt (ſ. unſere Abbildung Seite 222) noch außerdem gegen Angriffe verwahrt,
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Die Knacker. Sperlingsvögel. Webervögel.
und Vergnügungsneſter des goldſtirnigen Webers (Oriolinus icterocephalus oder aurifrons) aus
Südafrika.
Die Oſtafrikaner betrachten auch dieſe Kunſterzeugniſſe unſerer Vögel mit gleichgiltigem Auge;
andere Völkerſchaften aber haben ſie wohl beobachtet, wenn auch theilweiſe mit dem Auge des Mär-
chendichters. So hat man in mehreren Lehmklümpchen gefunden, und das Volk hat ſich Dies flugs
zu erklären gewußt, indem es ſagt, daß der Webervogel des Nachts in dieſen Lehm Leuchtkäfer ein-
klebe, welche dazu beſtimmt ſein ſollen, ſein Neſt zu erleuchten. Nach Bernſtein’s Angaben hat der
feſte Bau des Bayawebervogels die Grundlage gegeben zu der malayiſchen Sage, daß Derjenige, welcher
ſo glücklich iſt, eines dieſer Neſter aus einander zu nehmen, ohne dabei einen der daſſelbe zuſammen-
ſetzenden Halme zu zerbrechen, in ſeinem Jnnern eine goldene Kugel finde. Wie viele ähnliche Sagen
ſonſt noch verbreitet ſind, weiß ich nicht; merkwürdig iſt nur, daß die Leuchtkäfergeſchichte weit ver-
breitet iſt.
Wie es ſcheint, brüten alle Webervögel mehrmals im Jahre, und daraus dürfte es zu erklären
ſein, daß man ſelbſt in wenig verſchiedenen Gegenden ein und deſſelben Landſtriches friſche Neſter und
Eier in verſchiedenen Monaten des Jahres findet.
[Abbildung Vergnügungsneſt des männlichen goldſtirnigen Webers.]
Sämereien aller Art, namentlich aber auch Getreide, Körner und Schilfgeſäme bilden die bevor-
zugte Nahrung der Webervögel. Außerdem ſind ſie ſehr eifrige Kerbthierjäger, und mit dieſen haupt-
ſächlich füttern ſie ihre verhältnißmäßig zahlreiche Brut heran. Jhre Raubzüge gegen die Felder
unternehmen ſie wohl ausſchließlich nach der Brutzeit, während ſie die gewaltigen Schwärme bilden.
Dann nöthigen ſie den Menſchen gar oft zur ernſten Abwehr, zumal den Bewohner ärmerer Gegenden,
welcher in ſeinem Getreidefelde ſein Ein und Alles beſitzt. Jm Oſt-Sudahn begnügt man ſich übri-
gens, ſie aus dem Felde zu vertreiben, Niemand denkt daran, ſie zu fangen oder zu tödten.
Außer dem Menſchen haben die Webervögel in den verſchiedenen Edelfalken und Sperbern ihrer
Heimatsländer viele und gefährliche Feinde.
Die Jungen ſind wohl geborgen. An dem ſchwankenden Gezweige kann ſich keine der ſo gern
neſterplündernden Meerkatzen, kein anderes Raubſäugethier erhalten: es ſtürzt zum Boden, ins
Waſſer hinab, wenn es ſich mit Räubergelüſten naht. Bei gewiſſen Arten — ſo beim Mahali-
weber, wird das Neſt (ſ. unſere Abbildung Seite 222) noch außerdem gegen Angriffe verwahrt,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/240>, abgerufen am 23.11.2024.
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