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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Atlasvogel.

Gould hat uns mit der Lebensweise der Atlasvögel ziemlich genau bekannt gemacht. So viel
man bis jetzt weiß, ist Neusüdwales das Vaterland und das üppige, dicht beblätterte Gestrüpp der
Lieblingsaufenthalt unseres Vogels. Er lebt ständig an ein und demselben Orte, streicht jedoch in
einem kleinen Gebiete hin und her, vielleicht in der Absicht, sich reichlichere Nahrung zu verschaffen.
Jm Frühjahre Australiens trifft man ihn paarweise, im Herbst in kleinen Flügen, dann oft in den
Flußbetten, namentlich da, wo sich Gebüsche auf einem Uferstreifen zur Wassergrenze hinabziehen. Die
Nahrung besteht vorzugsweise aus Körnern und Früchten; namentlich die riesenhaften Feigenbäume
werden ihrer Früchte halber viel besucht. Nebenbei mögen die Atlasvögel wohl auch Kerbthiere ver-
zehren. Während des Fressens sind sie wenig scheu und lassen sich bequem beobachten, während sie
sonst äußerst wachsam und vorsichtig sind. Zumal die alten Männchen sollen sich schwer überlisten
lassen: sie sitzen auf einem Baumwipfel und warnen, sobald sich etwas Verdächtiges zeigt, ihre auf
dem Boden oder im Gezweig beschäftigten Familienglieder durch einen hellen Lockton, welchem bei Er-
regung ein rauher, unangenehmer Gurgelton folgt. Unter den Trupps sieht man immer nur wenige
ausgefärbte Männchen; es scheint daher, daß diese erst spät ihr volles Kleid erhalten.

Das Merkwürdigste in der Lebensweise der Atlasvögel ist der Umstand, daß sie sich zu ihrem
Vergnügen laubenartige Gewölbe erbauen, in denen sie sich scherzend umhertreiben. Gould lernte
diese Gebäude zuerst im Museum zu Sidney kennen, wohin eines von denselben durch einen Reisenden
gebracht worden war, nahm sich vor, der Sache auf den Grund zu kommen und beobachtete nun län-
gere Zeit die Thiere bei ihrer Arbeit. "Bei Durchstreifung der Cedergebüsche des Liverpoolkreises",
so erzählt er, "fand ich mehrere dieser Lauben oder Spielplätze auf. Sie werden gewöhnlich unter dem
Schutze überhängender Baumzweige im einsamsten Theile des Waldes und zwar stets auf dem Boden
angelegt. Hier wird aus dicht durchflochtenem Reisig der Grund gebildet und seitlich aus feineren
und biegsameren Reisern und Zweigen die eigentliche Laube gebaut. Die Stoffe sind so gerichtet, daß
die Spitzen und Gabeln der Zweige sich oben vereinigen. Auf jeder Seite bleibt ein Eingang frei.
Einen besondern Schmuck erhalten die Lauben dadurch, daß sie mit grellfarbigen Dingen aller Art
verziert werden. Man findet hier buntfarbige Schwanzfedern verschiedener Papageien, Muschelschalen,
Schneckenhäuser, Steinchen, gebleichte Knochen u. s. w. Die Federn werden zwischen die Zweige
gesteckt, die Knochen und Muscheln am Eingange hingelegt. Alle Eingebornen kennen diese Liebhaberei
der Vögel, glänzende Dinge wegzunehmen und suchen verlorne Sachen deshalb immer zunächst bei
gedachten Lauben. Jch fand am Eingange einen hübsch gearbeiteten Stein von 11/2 Zoll Länge nebst
mehreren Läppchen von blauem, baumwollenen Zeuge, welche die Vögel wahrscheinlich in einer entfern-
ten Niederlassung aufgesammelt hatten. Die Größe der Lauben ist sehr verschieden."

Es ist noch nicht vollkommen erklärt, zu welchem Zwecke die Atlasvögel solche Gebäude auf-
richten. Das eigentliche Nest sind sie gewiß nicht, sondern nur ein Ort der Vergnügung für beide
Geschlechter, welche hier spielend und scherzend durch und um die Laube laufen. Wie es scheint, wer-
den die Lauben während der Paarungs- und Brütezeit zum Stelldichein benutzt, und wahrscheinlich
gebrauchen sie die Thiere mehrere Jahre nach einander. Coxen berichtet, daß er gesehen habe, wie
die Vögel und zwar die Weibchen eine Laube, welche er zerstört, wieder hergestellt haben. Der "alte
Buschmann" erzählt, daß sie in dichten Theesträuchern und anderem Gebüsch, gewöhnlich in Ver-
tiefungen unweit ihrer Lauben brüten; doch scheinen die Eier bis zur Stunde noch nicht bekannt zu
sein. "Wenn das alte Männchen erlegt wird, findet das Weibchen sofort einen andern Gefährten:
ich habe von einer Laube kurz nach einander drei Männchen weggeschossen."

Auch in der Gefangenschaft bauen die Vögel ihre Lauben. Strange, ein Liebhaber zu Sidney,
schreibt an Gould: "Mein Vogelhaus enthält jetzt auch ein Paar Atlasvögel, von welchen ich hoffte,
daß sie brüten würden, als sie in den beiden letzten Monaten anhaltend beschäftigt waren, Lauben zu
bauen. Beide Geschlechter besorgen die Aufrichtung der Lauben; aber das Männchen ist der haupt-
sächlichste Baumeister. Es treibt zuweilen sein Weibchen überall im Vogelhause herum, dann geht es
zur Laube, hackt auf eine bunte Feder oder ein großes Blatt, gibt einen sonderbaren Ton von sich,

Atlasvogel.

Gould hat uns mit der Lebensweiſe der Atlasvögel ziemlich genau bekannt gemacht. So viel
man bis jetzt weiß, iſt Neuſüdwales das Vaterland und das üppige, dicht beblätterte Geſtrüpp der
Lieblingsaufenthalt unſeres Vogels. Er lebt ſtändig an ein und demſelben Orte, ſtreicht jedoch in
einem kleinen Gebiete hin und her, vielleicht in der Abſicht, ſich reichlichere Nahrung zu verſchaffen.
Jm Frühjahre Auſtraliens trifft man ihn paarweiſe, im Herbſt in kleinen Flügen, dann oft in den
Flußbetten, namentlich da, wo ſich Gebüſche auf einem Uferſtreifen zur Waſſergrenze hinabziehen. Die
Nahrung beſteht vorzugsweiſe aus Körnern und Früchten; namentlich die rieſenhaften Feigenbäume
werden ihrer Früchte halber viel beſucht. Nebenbei mögen die Atlasvögel wohl auch Kerbthiere ver-
zehren. Während des Freſſens ſind ſie wenig ſcheu und laſſen ſich bequem beobachten, während ſie
ſonſt äußerſt wachſam und vorſichtig ſind. Zumal die alten Männchen ſollen ſich ſchwer überliſten
laſſen: ſie ſitzen auf einem Baumwipfel und warnen, ſobald ſich etwas Verdächtiges zeigt, ihre auf
dem Boden oder im Gezweig beſchäftigten Familienglieder durch einen hellen Lockton, welchem bei Er-
regung ein rauher, unangenehmer Gurgelton folgt. Unter den Trupps ſieht man immer nur wenige
ausgefärbte Männchen; es ſcheint daher, daß dieſe erſt ſpät ihr volles Kleid erhalten.

Das Merkwürdigſte in der Lebensweiſe der Atlasvögel iſt der Umſtand, daß ſie ſich zu ihrem
Vergnügen laubenartige Gewölbe erbauen, in denen ſie ſich ſcherzend umhertreiben. Gould lernte
dieſe Gebäude zuerſt im Muſeum zu Sidney kennen, wohin eines von denſelben durch einen Reiſenden
gebracht worden war, nahm ſich vor, der Sache auf den Grund zu kommen und beobachtete nun län-
gere Zeit die Thiere bei ihrer Arbeit. „Bei Durchſtreifung der Cedergebüſche des Liverpoolkreiſes‟,
ſo erzählt er, „fand ich mehrere dieſer Lauben oder Spielplätze auf. Sie werden gewöhnlich unter dem
Schutze überhängender Baumzweige im einſamſten Theile des Waldes und zwar ſtets auf dem Boden
angelegt. Hier wird aus dicht durchflochtenem Reiſig der Grund gebildet und ſeitlich aus feineren
und biegſameren Reiſern und Zweigen die eigentliche Laube gebaut. Die Stoffe ſind ſo gerichtet, daß
die Spitzen und Gabeln der Zweige ſich oben vereinigen. Auf jeder Seite bleibt ein Eingang frei.
Einen beſondern Schmuck erhalten die Lauben dadurch, daß ſie mit grellfarbigen Dingen aller Art
verziert werden. Man findet hier buntfarbige Schwanzfedern verſchiedener Papageien, Muſchelſchalen,
Schneckenhäuſer, Steinchen, gebleichte Knochen u. ſ. w. Die Federn werden zwiſchen die Zweige
geſteckt, die Knochen und Muſcheln am Eingange hingelegt. Alle Eingebornen kennen dieſe Liebhaberei
der Vögel, glänzende Dinge wegzunehmen und ſuchen verlorne Sachen deshalb immer zunächſt bei
gedachten Lauben. Jch fand am Eingange einen hübſch gearbeiteten Stein von 1½ Zoll Länge nebſt
mehreren Läppchen von blauem, baumwollenen Zeuge, welche die Vögel wahrſcheinlich in einer entfern-
ten Niederlaſſung aufgeſammelt hatten. Die Größe der Lauben iſt ſehr verſchieden.‟

Es iſt noch nicht vollkommen erklärt, zu welchem Zwecke die Atlasvögel ſolche Gebäude auf-
richten. Das eigentliche Neſt ſind ſie gewiß nicht, ſondern nur ein Ort der Vergnügung für beide
Geſchlechter, welche hier ſpielend und ſcherzend durch und um die Laube laufen. Wie es ſcheint, wer-
den die Lauben während der Paarungs- und Brütezeit zum Stelldichein benutzt, und wahrſcheinlich
gebrauchen ſie die Thiere mehrere Jahre nach einander. Coxen berichtet, daß er geſehen habe, wie
die Vögel und zwar die Weibchen eine Laube, welche er zerſtört, wieder hergeſtellt haben. Der „alte
Buſchmann‟ erzählt, daß ſie in dichten Theeſträuchern und anderem Gebüſch, gewöhnlich in Ver-
tiefungen unweit ihrer Lauben brüten; doch ſcheinen die Eier bis zur Stunde noch nicht bekannt zu
ſein. „Wenn das alte Männchen erlegt wird, findet das Weibchen ſofort einen andern Gefährten:
ich habe von einer Laube kurz nach einander drei Männchen weggeſchoſſen.‟

Auch in der Gefangenſchaft bauen die Vögel ihre Lauben. Strange, ein Liebhaber zu Sidney,
ſchreibt an Gould: „Mein Vogelhaus enthält jetzt auch ein Paar Atlasvögel, von welchen ich hoffte,
daß ſie brüten würden, als ſie in den beiden letzten Monaten anhaltend beſchäftigt waren, Lauben zu
bauen. Beide Geſchlechter beſorgen die Aufrichtung der Lauben; aber das Männchen iſt der haupt-
ſächlichſte Baumeiſter. Es treibt zuweilen ſein Weibchen überall im Vogelhauſe herum, dann geht es
zur Laube, hackt auf eine bunte Feder oder ein großes Blatt, gibt einen ſonderbaren Ton von ſich,

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[315/0339] Atlasvogel. Gould hat uns mit der Lebensweiſe der Atlasvögel ziemlich genau bekannt gemacht. So viel man bis jetzt weiß, iſt Neuſüdwales das Vaterland und das üppige, dicht beblätterte Geſtrüpp der Lieblingsaufenthalt unſeres Vogels. Er lebt ſtändig an ein und demſelben Orte, ſtreicht jedoch in einem kleinen Gebiete hin und her, vielleicht in der Abſicht, ſich reichlichere Nahrung zu verſchaffen. Jm Frühjahre Auſtraliens trifft man ihn paarweiſe, im Herbſt in kleinen Flügen, dann oft in den Flußbetten, namentlich da, wo ſich Gebüſche auf einem Uferſtreifen zur Waſſergrenze hinabziehen. Die Nahrung beſteht vorzugsweiſe aus Körnern und Früchten; namentlich die rieſenhaften Feigenbäume werden ihrer Früchte halber viel beſucht. Nebenbei mögen die Atlasvögel wohl auch Kerbthiere ver- zehren. Während des Freſſens ſind ſie wenig ſcheu und laſſen ſich bequem beobachten, während ſie ſonſt äußerſt wachſam und vorſichtig ſind. Zumal die alten Männchen ſollen ſich ſchwer überliſten laſſen: ſie ſitzen auf einem Baumwipfel und warnen, ſobald ſich etwas Verdächtiges zeigt, ihre auf dem Boden oder im Gezweig beſchäftigten Familienglieder durch einen hellen Lockton, welchem bei Er- regung ein rauher, unangenehmer Gurgelton folgt. Unter den Trupps ſieht man immer nur wenige ausgefärbte Männchen; es ſcheint daher, daß dieſe erſt ſpät ihr volles Kleid erhalten. Das Merkwürdigſte in der Lebensweiſe der Atlasvögel iſt der Umſtand, daß ſie ſich zu ihrem Vergnügen laubenartige Gewölbe erbauen, in denen ſie ſich ſcherzend umhertreiben. Gould lernte dieſe Gebäude zuerſt im Muſeum zu Sidney kennen, wohin eines von denſelben durch einen Reiſenden gebracht worden war, nahm ſich vor, der Sache auf den Grund zu kommen und beobachtete nun län- gere Zeit die Thiere bei ihrer Arbeit. „Bei Durchſtreifung der Cedergebüſche des Liverpoolkreiſes‟, ſo erzählt er, „fand ich mehrere dieſer Lauben oder Spielplätze auf. Sie werden gewöhnlich unter dem Schutze überhängender Baumzweige im einſamſten Theile des Waldes und zwar ſtets auf dem Boden angelegt. Hier wird aus dicht durchflochtenem Reiſig der Grund gebildet und ſeitlich aus feineren und biegſameren Reiſern und Zweigen die eigentliche Laube gebaut. Die Stoffe ſind ſo gerichtet, daß die Spitzen und Gabeln der Zweige ſich oben vereinigen. Auf jeder Seite bleibt ein Eingang frei. Einen beſondern Schmuck erhalten die Lauben dadurch, daß ſie mit grellfarbigen Dingen aller Art verziert werden. Man findet hier buntfarbige Schwanzfedern verſchiedener Papageien, Muſchelſchalen, Schneckenhäuſer, Steinchen, gebleichte Knochen u. ſ. w. Die Federn werden zwiſchen die Zweige geſteckt, die Knochen und Muſcheln am Eingange hingelegt. Alle Eingebornen kennen dieſe Liebhaberei der Vögel, glänzende Dinge wegzunehmen und ſuchen verlorne Sachen deshalb immer zunächſt bei gedachten Lauben. Jch fand am Eingange einen hübſch gearbeiteten Stein von 1½ Zoll Länge nebſt mehreren Läppchen von blauem, baumwollenen Zeuge, welche die Vögel wahrſcheinlich in einer entfern- ten Niederlaſſung aufgeſammelt hatten. Die Größe der Lauben iſt ſehr verſchieden.‟ Es iſt noch nicht vollkommen erklärt, zu welchem Zwecke die Atlasvögel ſolche Gebäude auf- richten. Das eigentliche Neſt ſind ſie gewiß nicht, ſondern nur ein Ort der Vergnügung für beide Geſchlechter, welche hier ſpielend und ſcherzend durch und um die Laube laufen. Wie es ſcheint, wer- den die Lauben während der Paarungs- und Brütezeit zum Stelldichein benutzt, und wahrſcheinlich gebrauchen ſie die Thiere mehrere Jahre nach einander. Coxen berichtet, daß er geſehen habe, wie die Vögel und zwar die Weibchen eine Laube, welche er zerſtört, wieder hergeſtellt haben. Der „alte Buſchmann‟ erzählt, daß ſie in dichten Theeſträuchern und anderem Gebüſch, gewöhnlich in Ver- tiefungen unweit ihrer Lauben brüten; doch ſcheinen die Eier bis zur Stunde noch nicht bekannt zu ſein. „Wenn das alte Männchen erlegt wird, findet das Weibchen ſofort einen andern Gefährten: ich habe von einer Laube kurz nach einander drei Männchen weggeſchoſſen.‟ Auch in der Gefangenſchaft bauen die Vögel ihre Lauben. Strange, ein Liebhaber zu Sidney, ſchreibt an Gould: „Mein Vogelhaus enthält jetzt auch ein Paar Atlasvögel, von welchen ich hoffte, daß ſie brüten würden, als ſie in den beiden letzten Monaten anhaltend beſchäftigt waren, Lauben zu bauen. Beide Geſchlechter beſorgen die Aufrichtung der Lauben; aber das Männchen iſt der haupt- ſächlichſte Baumeiſter. Es treibt zuweilen ſein Weibchen überall im Vogelhauſe herum, dann geht es zur Laube, hackt auf eine bunte Feder oder ein großes Blatt, gibt einen ſonderbaren Ton von ſich,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/339>, abgerufen am 22.11.2024.