Die Raben bewohnen alle Theile und alle Breiten- oder Höhengürtel der Erde. Nach dem Gleicher hin nimmt ihre Artenzahl bedeutend zu; sie sind aber auch in den gemäßigten Ländern noch zahlreich vertreten und erst im kalten Gürtel einigermaßen beschränkt. Weitaus die meisten sind Standvögel, welche jahraus, jahrein an ein und derselben Stelle oder wenigstens in einem gewissen Gebiet verweilen, in ihm aber gern hin- und herstreichen. Einzelne Arten wandern, jedoch nicht weit, die unsrigen höchstens bis Südeuropa und Nordafrika; andere ziehen sich während des Winters von bedeutenden Höhen mehr in tiefere Gegenden zurück.
Mit Ausnahme des Gesanges, welcher den Raben fehlt, vereinigen sie so zu sagen alle Begabun- gen in sich, welche den Gliedern der Ordnung eigen sind. Sie gehen gut, fliegen leicht und anhal- tend, auch ziemlich rasch, besitzen sehr gleichmäßig entwickelte Sinne, namentlich einen ausgezeichne- ten Geruch, und stehen hinsichtlich ihres Verstandes hinter keinem ihrer Ordnungsverwandten zurück. Einzelne kommen selbst den Papageien an geistiger Befähigung fast gleich. Dank ihrer vortreff- lichen Geistesgaben führen sie ein sehr bequemes Leben; sie wissen sich Alles nutzbar zu machen, was ihr Wirkungskreis ihnen bietet. Die größeren Arten unter ihnen wetteifern selbst mit den Raub- vögeln. Kurz, es gilt für sie fast Alles, was ich über die Ordnung im allgemeinen gesagt habe. Deshalb erscheint es mir auch unnöthig, mich noch des Weiteren auszulassen; die einzelnen Arten, welche ich ausführlicher besprechen will, werden uns die theilnahmswerthen Vögel hinlänglich kennen lehren.
Daß die Gesammtheit in mehrere ziemlich abgegrenzte Gruppen zerfällt, ergibt die flüchtige Be- trachtung; ebenso gewiß aber ist, daß alle diese Horden oder Gruppen durch gewisse Mitglieder unter einander verbunden werden.
An die Paradiesvögel erinnern die Felsenraben oder Steinkrähen (Fregili). Sie sind gestreckt gebaute, langflügelige und kurzschwänzige Raben mit schwächlichem, zugespitzten und etwas gebogenen Schnabel, welcher, wie die Füße, lebhaft gefärbt ist. Das schwarze Gefieder ist glänzend, aber schimmernd.
Unser Europa beherbergt zwei Arten dieser Horde; andere hierher zu zählende Vögel, welche meist als Vertreter besonderer Sippen angesehen werden müssen, bewohnen Jndien und Neuholland.
Die Alpen- oder Steinkrähe, der Gebirgs- oder Feuerrabe, die Krähendohle, der Eremit, Klausrabe oder Thurmwiedehopf (Fregilus graculus), zeichnet sich vor Allem durch ihren lang gestreckten, dünnen und bogenförmigen Schnabel aus. Dieser ist, wie die mittelhohen, kurzzehigen Füße, prächtig korallenroth gefärbt. Das Auge ist dunkelbraun, das Gefieder gleichmäßig glänzend blauschwarz. Die Länge beträgt 15 Zoll, die Breite 31 Zoll; der Fittig mißt 101/2, der Schwanz 51/2 Zoll. Das Weibchen ist kaum kleiner, äußerlich überhaupt nicht vom Männchen zu unterscheiden. Die jungen Vögel lassen sich an ihrem glanzlosen Gefieder erkennen; auch sind bei ihnen Schnabel und Füße schwärzlich. Nach der ersten Mauser, welche bereits wenige Monate nach ihrem Ausfliegen beginnt, erhalten sie das Kleid der Alten.
Unsere europäischen Alpen in ihrer ganzen Ausdehnung, die Karpathen, der Balkan, die Pyre- näen und fast alle übrigen Gebirge Spaniens, auch einige Berge Schottlands und alle Gebirge vom Ural und Kaukasus an bis zu den chinesischen Zügen, ja selbst die Hochgebirge Javas beherbergen die- sen, in jeder Hinsicht anziehenden und beachtungswerthen Vogel; auf dem Himalaya wird er durch eine sehr nah verwandte Art ersetzt. Jn den Schweizer Alpen ist er seltener, in Spanien aber, wenigstens an vielen Orten, außerordentlich zahlreich. Dort bewohnt er nur das eigentliche Hochgebirge, einen Gürtel hart unter der Schneegrenze, und versteigt sich gar häufig bis in die höchsten Alpenspitzen: in Spanien begegnet man ihm schon an Felsenwänden, welche sich bis zu höchstens sechs- oder achthun- dert Fuß über dem Meer erheben. Jn den rhätischen Gebirgen nistet er mitunter auf den Kirch- thürmen der oberen Bergdörfer, nach Art der Dohle, verläßt die Ortschaften aber im Oktober und wandert südlicheren Gegenden zu. Er erscheint nach Tschudi gelegentlich dieses Zuges in Scharen von 4- bis 600 Stück am Hospiz des Sankt Bernhardberges, ohne jedoch hier zu verweilen. Jn Spanien
Die Knacker. Rabenvögel. Raben.
Die Raben bewohnen alle Theile und alle Breiten- oder Höhengürtel der Erde. Nach dem Gleicher hin nimmt ihre Artenzahl bedeutend zu; ſie ſind aber auch in den gemäßigten Ländern noch zahlreich vertreten und erſt im kalten Gürtel einigermaßen beſchränkt. Weitaus die meiſten ſind Standvögel, welche jahraus, jahrein an ein und derſelben Stelle oder wenigſtens in einem gewiſſen Gebiet verweilen, in ihm aber gern hin- und herſtreichen. Einzelne Arten wandern, jedoch nicht weit, die unſrigen höchſtens bis Südeuropa und Nordafrika; andere ziehen ſich während des Winters von bedeutenden Höhen mehr in tiefere Gegenden zurück.
Mit Ausnahme des Geſanges, welcher den Raben fehlt, vereinigen ſie ſo zu ſagen alle Begabun- gen in ſich, welche den Gliedern der Ordnung eigen ſind. Sie gehen gut, fliegen leicht und anhal- tend, auch ziemlich raſch, beſitzen ſehr gleichmäßig entwickelte Sinne, namentlich einen ausgezeichne- ten Geruch, und ſtehen hinſichtlich ihres Verſtandes hinter keinem ihrer Ordnungsverwandten zurück. Einzelne kommen ſelbſt den Papageien an geiſtiger Befähigung faſt gleich. Dank ihrer vortreff- lichen Geiſtesgaben führen ſie ein ſehr bequemes Leben; ſie wiſſen ſich Alles nutzbar zu machen, was ihr Wirkungskreis ihnen bietet. Die größeren Arten unter ihnen wetteifern ſelbſt mit den Raub- vögeln. Kurz, es gilt für ſie faſt Alles, was ich über die Ordnung im allgemeinen geſagt habe. Deshalb erſcheint es mir auch unnöthig, mich noch des Weiteren auszulaſſen; die einzelnen Arten, welche ich ausführlicher beſprechen will, werden uns die theilnahmswerthen Vögel hinlänglich kennen lehren.
Daß die Geſammtheit in mehrere ziemlich abgegrenzte Gruppen zerfällt, ergibt die flüchtige Be- trachtung; ebenſo gewiß aber iſt, daß alle dieſe Horden oder Gruppen durch gewiſſe Mitglieder unter einander verbunden werden.
An die Paradiesvögel erinnern die Felſenraben oder Steinkrähen (Fregili). Sie ſind geſtreckt gebaute, langflügelige und kurzſchwänzige Raben mit ſchwächlichem, zugeſpitzten und etwas gebogenen Schnabel, welcher, wie die Füße, lebhaft gefärbt iſt. Das ſchwarze Gefieder iſt glänzend, aber ſchimmernd.
Unſer Europa beherbergt zwei Arten dieſer Horde; andere hierher zu zählende Vögel, welche meiſt als Vertreter beſonderer Sippen angeſehen werden müſſen, bewohnen Jndien und Neuholland.
Die Alpen- oder Steinkrähe, der Gebirgs- oder Feuerrabe, die Krähendohle, der Eremit, Klausrabe oder Thurmwiedehopf (Fregilus graculus), zeichnet ſich vor Allem durch ihren lang geſtreckten, dünnen und bogenförmigen Schnabel aus. Dieſer iſt, wie die mittelhohen, kurzzehigen Füße, prächtig korallenroth gefärbt. Das Auge iſt dunkelbraun, das Gefieder gleichmäßig glänzend blauſchwarz. Die Länge beträgt 15 Zoll, die Breite 31 Zoll; der Fittig mißt 10½, der Schwanz 5½ Zoll. Das Weibchen iſt kaum kleiner, äußerlich überhaupt nicht vom Männchen zu unterſcheiden. Die jungen Vögel laſſen ſich an ihrem glanzloſen Gefieder erkennen; auch ſind bei ihnen Schnabel und Füße ſchwärzlich. Nach der erſten Mauſer, welche bereits wenige Monate nach ihrem Ausfliegen beginnt, erhalten ſie das Kleid der Alten.
Unſere europäiſchen Alpen in ihrer ganzen Ausdehnung, die Karpathen, der Balkan, die Pyre- näen und faſt alle übrigen Gebirge Spaniens, auch einige Berge Schottlands und alle Gebirge vom Ural und Kaukaſus an bis zu den chineſiſchen Zügen, ja ſelbſt die Hochgebirge Javas beherbergen die- ſen, in jeder Hinſicht anziehenden und beachtungswerthen Vogel; auf dem Himalaya wird er durch eine ſehr nah verwandte Art erſetzt. Jn den Schweizer Alpen iſt er ſeltener, in Spanien aber, wenigſtens an vielen Orten, außerordentlich zahlreich. Dort bewohnt er nur das eigentliche Hochgebirge, einen Gürtel hart unter der Schneegrenze, und verſteigt ſich gar häufig bis in die höchſten Alpenſpitzen: in Spanien begegnet man ihm ſchon an Felſenwänden, welche ſich bis zu höchſtens ſechs- oder achthun- dert Fuß über dem Meer erheben. Jn den rhätiſchen Gebirgen niſtet er mitunter auf den Kirch- thürmen der oberen Bergdörfer, nach Art der Dohle, verläßt die Ortſchaften aber im Oktober und wandert ſüdlicheren Gegenden zu. Er erſcheint nach Tſchudi gelegentlich dieſes Zuges in Scharen von 4- bis 600 Stück am Hoſpiz des Sankt Bernhardberges, ohne jedoch hier zu verweilen. Jn Spanien
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Die Knacker. Rabenvögel. Raben.
Die Raben bewohnen alle Theile und alle Breiten- oder Höhengürtel der Erde. Nach dem
Gleicher hin nimmt ihre Artenzahl bedeutend zu; ſie ſind aber auch in den gemäßigten Ländern noch
zahlreich vertreten und erſt im kalten Gürtel einigermaßen beſchränkt. Weitaus die meiſten ſind
Standvögel, welche jahraus, jahrein an ein und derſelben Stelle oder wenigſtens in einem gewiſſen
Gebiet verweilen, in ihm aber gern hin- und herſtreichen. Einzelne Arten wandern, jedoch nicht weit,
die unſrigen höchſtens bis Südeuropa und Nordafrika; andere ziehen ſich während des Winters von
bedeutenden Höhen mehr in tiefere Gegenden zurück.
Mit Ausnahme des Geſanges, welcher den Raben fehlt, vereinigen ſie ſo zu ſagen alle Begabun-
gen in ſich, welche den Gliedern der Ordnung eigen ſind. Sie gehen gut, fliegen leicht und anhal-
tend, auch ziemlich raſch, beſitzen ſehr gleichmäßig entwickelte Sinne, namentlich einen ausgezeichne-
ten Geruch, und ſtehen hinſichtlich ihres Verſtandes hinter keinem ihrer Ordnungsverwandten zurück.
Einzelne kommen ſelbſt den Papageien an geiſtiger Befähigung faſt gleich. Dank ihrer vortreff-
lichen Geiſtesgaben führen ſie ein ſehr bequemes Leben; ſie wiſſen ſich Alles nutzbar zu machen, was
ihr Wirkungskreis ihnen bietet. Die größeren Arten unter ihnen wetteifern ſelbſt mit den Raub-
vögeln. Kurz, es gilt für ſie faſt Alles, was ich über die Ordnung im allgemeinen geſagt habe. Deshalb
erſcheint es mir auch unnöthig, mich noch des Weiteren auszulaſſen; die einzelnen Arten, welche ich
ausführlicher beſprechen will, werden uns die theilnahmswerthen Vögel hinlänglich kennen lehren.
Daß die Geſammtheit in mehrere ziemlich abgegrenzte Gruppen zerfällt, ergibt die flüchtige Be-
trachtung; ebenſo gewiß aber iſt, daß alle dieſe Horden oder Gruppen durch gewiſſe Mitglieder unter
einander verbunden werden.
An die Paradiesvögel erinnern die Felſenraben oder Steinkrähen (Fregili). Sie ſind
geſtreckt gebaute, langflügelige und kurzſchwänzige Raben mit ſchwächlichem, zugeſpitzten und etwas
gebogenen Schnabel, welcher, wie die Füße, lebhaft gefärbt iſt. Das ſchwarze Gefieder iſt glänzend,
aber ſchimmernd.
Unſer Europa beherbergt zwei Arten dieſer Horde; andere hierher zu zählende Vögel, welche
meiſt als Vertreter beſonderer Sippen angeſehen werden müſſen, bewohnen Jndien und Neuholland.
Die Alpen- oder Steinkrähe, der Gebirgs- oder Feuerrabe, die Krähendohle, der
Eremit, Klausrabe oder Thurmwiedehopf (Fregilus graculus), zeichnet ſich vor Allem durch
ihren lang geſtreckten, dünnen und bogenförmigen Schnabel aus. Dieſer iſt, wie die mittelhohen,
kurzzehigen Füße, prächtig korallenroth gefärbt. Das Auge iſt dunkelbraun, das Gefieder gleichmäßig
glänzend blauſchwarz. Die Länge beträgt 15 Zoll, die Breite 31 Zoll; der Fittig mißt 10½, der
Schwanz 5½ Zoll. Das Weibchen iſt kaum kleiner, äußerlich überhaupt nicht vom Männchen zu
unterſcheiden. Die jungen Vögel laſſen ſich an ihrem glanzloſen Gefieder erkennen; auch ſind bei
ihnen Schnabel und Füße ſchwärzlich. Nach der erſten Mauſer, welche bereits wenige Monate nach
ihrem Ausfliegen beginnt, erhalten ſie das Kleid der Alten.
Unſere europäiſchen Alpen in ihrer ganzen Ausdehnung, die Karpathen, der Balkan, die Pyre-
näen und faſt alle übrigen Gebirge Spaniens, auch einige Berge Schottlands und alle Gebirge vom
Ural und Kaukaſus an bis zu den chineſiſchen Zügen, ja ſelbſt die Hochgebirge Javas beherbergen die-
ſen, in jeder Hinſicht anziehenden und beachtungswerthen Vogel; auf dem Himalaya wird er durch eine
ſehr nah verwandte Art erſetzt. Jn den Schweizer Alpen iſt er ſeltener, in Spanien aber, wenigſtens
an vielen Orten, außerordentlich zahlreich. Dort bewohnt er nur das eigentliche Hochgebirge, einen
Gürtel hart unter der Schneegrenze, und verſteigt ſich gar häufig bis in die höchſten Alpenſpitzen: in
Spanien begegnet man ihm ſchon an Felſenwänden, welche ſich bis zu höchſtens ſechs- oder achthun-
dert Fuß über dem Meer erheben. Jn den rhätiſchen Gebirgen niſtet er mitunter auf den Kirch-
thürmen der oberen Bergdörfer, nach Art der Dohle, verläßt die Ortſchaften aber im Oktober und
wandert ſüdlicheren Gegenden zu. Er erſcheint nach Tſchudi gelegentlich dieſes Zuges in Scharen von
4- bis 600 Stück am Hoſpiz des Sankt Bernhardberges, ohne jedoch hier zu verweilen. Jn Spanien
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/360>, abgerufen am 23.11.2024.
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