miges Gehölz von geringem Umfange wird zum Nistplatz und bezüglich zum Mittelpunkt einer gewissen Anzahl von Krähen, und vonhieraus vertheilen sie sich über die benachbarten Felder.
Jn ihrem Betragen hat die Saatkrähe Manches mit ihren beschriebenen Verwandten gemein; sie ist aber weit furchtsamer und harmloser als diese. Jhr Gang ist eben so gut, ihr Flug leichter, ihre Sinne sind nicht minder scharf, und ihr Verstand ist im gleichen Grade entwickelt, als bei den übrigen Krähen; doch ist sie weit geselliger, als alle Verwandten, und nicht blos gesellig unter sich, sondern auch fremden Arten gegenüber. So vereinigt sie sich gern mit Dohlen und Staaren, überhaupt mit Vögeln, welche eben so schwach oder schwächer sind, als sie, während sie Raben- und Nebelkrähe schon meidet und den Kolkraben so fürchtet, daß sie sogar eine altgewohnte Niederung, aus welcher sie der Mensch kaum vertreiben kann, verläßt, wenn sich ein Kolkrabe hier häuslich niederläßt. Jhre Stimme ist ein tiefes heiseres "Kra" oder "Kroa"; im Fliegen aber hört man oft ein hohes "Girr" oder "Quer" und regelmäßig auch das "Jack jack" der Dohle. Es wird der Saatkrähe leicht, mancherlei Töne und Laute nachzuahmen; sie soll sogar in gewissem Grade singen lernen; dagegen läßt sie sich kaum zum Sprechen abrich ten.
Wenn man die Saatkrähe vorurtheilsfrei beobachtet, lernt man sie bald achten und lieben. Auch sie kann unangenehm werden, namentlich da, wo sie sich fest ansiedelt und allen Bemühungen des Menschen, sie zu vertreiben, den hartnäckigsten Widerstand entgegensetzt, in Lustgärten z. B., wo sie während der Nistzeit die Spaziergänge in der abscheulichsten Weise beschmuzt, oder in Gehölzen nahe menschlicher Wohnungen, wo sie durch ihr ewiges Geplärr die Gehörnerven fast betäubt; auch sie kann wohl ab und zu einmal ein kleines Häschen erwürgen oder ein junges, lahmes Rebhuhn übertölpeln; sie kann ferner den Landmann durch Auflesen von Getreidekörnern und den Gärtner durch Wegstehlen reifender Früchte ärgern: -- aber derselbe Vogel bezahlt nicht nur jeden Schaden, den er anrichtet, sondern auch jeden seiner dummen Streiche tausendfältig. Er ist der beste Ver- tilger der Maikäfer, ihrer Larven und der Nacktschnecken, auch einer der treff- lichsten Mäusejäger, welchen unser Vaterland aufzuweisen hat. Bei der Maikäferjagd geht diese Krähe, wie Naumann beobachtete, rege lrecht zu Werke. "Einige fliegen auf den Baum, an dessen Zweigen und jungen Blättern die Maikäfer in Menge sitzen, lesen da ab, was nicht durch die Erschütterung, welche sie durch ihr Niederlassen auf die Spitze der Zweige verursachen, herab- fällt; andere lesen unter dem Baume auf, was ihnen jene herunterschütteln. Jn dieser Art verfahren sie mit jedem Baum nach der Reihe und vernichten so eine unschätzbare Menge dieser schädlichen Kerfe. Die dem Getreide so nachtheiligen Brachkäfer und die kleinen Rosenkäfer haben an ihnen auch sehr schlimme Feinde." Sie lesen die Larven derselben eben so wie die Maikäferlarven und Regenwürmer entweder auf den frischgefurchten Aeckern und hinter dem Pfluge her auf oder ziehen sie mit ihrem Schnabel aus der Erde heraus. Jhr feiner Geruch scheint ihnen das Vorhandensein einer derartigen Larve unfehlbar anzuzeigen, und sie bohren dann so eifrig in dem Boden, bis sie der Beute habhaft geworden sind. Ebenso eifrig, wie der nützliche Vogel die Kerbthiere verfolgt, jagt er hinter den Mäusen her. Sie bilden zuweilen seine ausschließliche Nahrung. "Jch habe", sagt Naumann, "Jahre erlebt, in welchen eine schreckliche Menge Feldmäuse den grünen und reifenden Saaten Unter- gang drohten. Oft sah man auf den Roggen- und Weizenfeldern ganze Striche von ihnen theils abgefressen, theils umgewühlt; aber immer fanden sich eine große Menge Raubvögel und Krähen ein, welche das Land allerdings mit Hilfe der den Mäusen ungünstigen Witterung bald gänzlich von den Plagegeistern befreiten. Jch schoß in solchen Jahren weder Krähen noch Bussarde, welche nicht ihren Kropf von Mäusen vollgepfropft gehabt hätten. Oft habe ich ihrer sechs bis sieben in einem Vogel gefunden. Erwägt man diesen Nutzen, so wird man, glaube ich, besser gegen die gehaßten Krähen han- deln lernen und sie lieb gewinnen."
Man sollte meinen, daß diese nun schon vor mehr als vierzig Jahren ausgesprochene Wahrheit bei den in Frage kommenden Leuten, namentlich bei unsern größeren Gutsbesitzern doch endlich aner- kannt worden wäre: Dem ist aber leider nicht so. Noch heutigen Tages wird die Saatkrähe, dieser
Saatkrähe.
miges Gehölz von geringem Umfange wird zum Niſtplatz und bezüglich zum Mittelpunkt einer gewiſſen Anzahl von Krähen, und vonhieraus vertheilen ſie ſich über die benachbarten Felder.
Jn ihrem Betragen hat die Saatkrähe Manches mit ihren beſchriebenen Verwandten gemein; ſie iſt aber weit furchtſamer und harmloſer als dieſe. Jhr Gang iſt eben ſo gut, ihr Flug leichter, ihre Sinne ſind nicht minder ſcharf, und ihr Verſtand iſt im gleichen Grade entwickelt, als bei den übrigen Krähen; doch iſt ſie weit geſelliger, als alle Verwandten, und nicht blos geſellig unter ſich, ſondern auch fremden Arten gegenüber. So vereinigt ſie ſich gern mit Dohlen und Staaren, überhaupt mit Vögeln, welche eben ſo ſchwach oder ſchwächer ſind, als ſie, während ſie Raben- und Nebelkrähe ſchon meidet und den Kolkraben ſo fürchtet, daß ſie ſogar eine altgewohnte Niederung, aus welcher ſie der Menſch kaum vertreiben kann, verläßt, wenn ſich ein Kolkrabe hier häuslich niederläßt. Jhre Stimme iſt ein tiefes heiſeres „Kra‟ oder „Kroa‟; im Fliegen aber hört man oft ein hohes „Girr‟ oder „Quer‟ und regelmäßig auch das „Jack jack‟ der Dohle. Es wird der Saatkrähe leicht, mancherlei Töne und Laute nachzuahmen; ſie ſoll ſogar in gewiſſem Grade ſingen lernen; dagegen läßt ſie ſich kaum zum Sprechen abrich ten.
Wenn man die Saatkrähe vorurtheilsfrei beobachtet, lernt man ſie bald achten und lieben. Auch ſie kann unangenehm werden, namentlich da, wo ſie ſich feſt anſiedelt und allen Bemühungen des Menſchen, ſie zu vertreiben, den hartnäckigſten Widerſtand entgegenſetzt, in Luſtgärten z. B., wo ſie während der Niſtzeit die Spaziergänge in der abſcheulichſten Weiſe beſchmuzt, oder in Gehölzen nahe menſchlicher Wohnungen, wo ſie durch ihr ewiges Geplärr die Gehörnerven faſt betäubt; auch ſie kann wohl ab und zu einmal ein kleines Häschen erwürgen oder ein junges, lahmes Rebhuhn übertölpeln; ſie kann ferner den Landmann durch Aufleſen von Getreidekörnern und den Gärtner durch Wegſtehlen reifender Früchte ärgern: — aber derſelbe Vogel bezahlt nicht nur jeden Schaden, den er anrichtet, ſondern auch jeden ſeiner dummen Streiche tauſendfältig. Er iſt der beſte Ver- tilger der Maikäfer, ihrer Larven und der Nacktſchnecken, auch einer der treff- lichſten Mäuſejäger, welchen unſer Vaterland aufzuweiſen hat. Bei der Maikäferjagd geht dieſe Krähe, wie Naumann beobachtete, rege lrecht zu Werke. „Einige fliegen auf den Baum, an deſſen Zweigen und jungen Blättern die Maikäfer in Menge ſitzen, leſen da ab, was nicht durch die Erſchütterung, welche ſie durch ihr Niederlaſſen auf die Spitze der Zweige verurſachen, herab- fällt; andere leſen unter dem Baume auf, was ihnen jene herunterſchütteln. Jn dieſer Art verfahren ſie mit jedem Baum nach der Reihe und vernichten ſo eine unſchätzbare Menge dieſer ſchädlichen Kerfe. Die dem Getreide ſo nachtheiligen Brachkäfer und die kleinen Roſenkäfer haben an ihnen auch ſehr ſchlimme Feinde.‟ Sie leſen die Larven derſelben eben ſo wie die Maikäferlarven und Regenwürmer entweder auf den friſchgefurchten Aeckern und hinter dem Pfluge her auf oder ziehen ſie mit ihrem Schnabel aus der Erde heraus. Jhr feiner Geruch ſcheint ihnen das Vorhandenſein einer derartigen Larve unfehlbar anzuzeigen, und ſie bohren dann ſo eifrig in dem Boden, bis ſie der Beute habhaft geworden ſind. Ebenſo eifrig, wie der nützliche Vogel die Kerbthiere verfolgt, jagt er hinter den Mäuſen her. Sie bilden zuweilen ſeine ausſchließliche Nahrung. „Jch habe‟, ſagt Naumann, „Jahre erlebt, in welchen eine ſchreckliche Menge Feldmäuſe den grünen und reifenden Saaten Unter- gang drohten. Oft ſah man auf den Roggen- und Weizenfeldern ganze Striche von ihnen theils abgefreſſen, theils umgewühlt; aber immer fanden ſich eine große Menge Raubvögel und Krähen ein, welche das Land allerdings mit Hilfe der den Mäuſen ungünſtigen Witterung bald gänzlich von den Plagegeiſtern befreiten. Jch ſchoß in ſolchen Jahren weder Krähen noch Buſſarde, welche nicht ihren Kropf von Mäuſen vollgepfropft gehabt hätten. Oft habe ich ihrer ſechs bis ſieben in einem Vogel gefunden. Erwägt man dieſen Nutzen, ſo wird man, glaube ich, beſſer gegen die gehaßten Krähen han- deln lernen und ſie lieb gewinnen.‟
Man ſollte meinen, daß dieſe nun ſchon vor mehr als vierzig Jahren ausgeſprochene Wahrheit bei den in Frage kommenden Leuten, namentlich bei unſern größeren Gutsbeſitzern doch endlich aner- kannt worden wäre: Dem iſt aber leider nicht ſo. Noch heutigen Tages wird die Saatkrähe, dieſer
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[357/0385]
Saatkrähe.
miges Gehölz von geringem Umfange wird zum Niſtplatz und bezüglich zum Mittelpunkt einer
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Jn ihrem Betragen hat die Saatkrähe Manches mit ihren beſchriebenen Verwandten gemein; ſie
iſt aber weit furchtſamer und harmloſer als dieſe. Jhr Gang iſt eben ſo gut, ihr Flug leichter, ihre
Sinne ſind nicht minder ſcharf, und ihr Verſtand iſt im gleichen Grade entwickelt, als bei den übrigen
Krähen; doch iſt ſie weit geſelliger, als alle Verwandten, und nicht blos geſellig unter ſich, ſondern auch
fremden Arten gegenüber. So vereinigt ſie ſich gern mit Dohlen und Staaren, überhaupt mit
Vögeln, welche eben ſo ſchwach oder ſchwächer ſind, als ſie, während ſie Raben- und Nebelkrähe
ſchon meidet und den Kolkraben ſo fürchtet, daß ſie ſogar eine altgewohnte Niederung, aus welcher
ſie der Menſch kaum vertreiben kann, verläßt, wenn ſich ein Kolkrabe hier häuslich niederläßt. Jhre
Stimme iſt ein tiefes heiſeres „Kra‟ oder „Kroa‟; im Fliegen aber hört man oft ein hohes „Girr‟
oder „Quer‟ und regelmäßig auch das „Jack jack‟ der Dohle. Es wird der Saatkrähe leicht,
mancherlei Töne und Laute nachzuahmen; ſie ſoll ſogar in gewiſſem Grade ſingen lernen; dagegen läßt
ſie ſich kaum zum Sprechen abrich ten.
Wenn man die Saatkrähe vorurtheilsfrei beobachtet, lernt man ſie bald achten und lieben. Auch
ſie kann unangenehm werden, namentlich da, wo ſie ſich feſt anſiedelt und allen Bemühungen des
Menſchen, ſie zu vertreiben, den hartnäckigſten Widerſtand entgegenſetzt, in Luſtgärten z. B., wo ſie
während der Niſtzeit die Spaziergänge in der abſcheulichſten Weiſe beſchmuzt, oder in Gehölzen nahe
menſchlicher Wohnungen, wo ſie durch ihr ewiges Geplärr die Gehörnerven faſt betäubt; auch ſie
kann wohl ab und zu einmal ein kleines Häschen erwürgen oder ein junges, lahmes Rebhuhn
übertölpeln; ſie kann ferner den Landmann durch Aufleſen von Getreidekörnern und den Gärtner
durch Wegſtehlen reifender Früchte ärgern: — aber derſelbe Vogel bezahlt nicht nur jeden Schaden,
den er anrichtet, ſondern auch jeden ſeiner dummen Streiche tauſendfältig. Er iſt der beſte Ver-
tilger der Maikäfer, ihrer Larven und der Nacktſchnecken, auch einer der treff-
lichſten Mäuſejäger, welchen unſer Vaterland aufzuweiſen hat. Bei der Maikäferjagd
geht dieſe Krähe, wie Naumann beobachtete, rege lrecht zu Werke. „Einige fliegen auf den Baum,
an deſſen Zweigen und jungen Blättern die Maikäfer in Menge ſitzen, leſen da ab, was nicht
durch die Erſchütterung, welche ſie durch ihr Niederlaſſen auf die Spitze der Zweige verurſachen, herab-
fällt; andere leſen unter dem Baume auf, was ihnen jene herunterſchütteln. Jn dieſer Art verfahren
ſie mit jedem Baum nach der Reihe und vernichten ſo eine unſchätzbare Menge dieſer ſchädlichen Kerfe.
Die dem Getreide ſo nachtheiligen Brachkäfer und die kleinen Roſenkäfer haben an ihnen auch ſehr
ſchlimme Feinde.‟ Sie leſen die Larven derſelben eben ſo wie die Maikäferlarven und Regenwürmer
entweder auf den friſchgefurchten Aeckern und hinter dem Pfluge her auf oder ziehen ſie mit ihrem
Schnabel aus der Erde heraus. Jhr feiner Geruch ſcheint ihnen das Vorhandenſein einer derartigen
Larve unfehlbar anzuzeigen, und ſie bohren dann ſo eifrig in dem Boden, bis ſie der Beute habhaft
geworden ſind. Ebenſo eifrig, wie der nützliche Vogel die Kerbthiere verfolgt, jagt er hinter den
Mäuſen her. Sie bilden zuweilen ſeine ausſchließliche Nahrung. „Jch habe‟, ſagt Naumann,
„Jahre erlebt, in welchen eine ſchreckliche Menge Feldmäuſe den grünen und reifenden Saaten Unter-
gang drohten. Oft ſah man auf den Roggen- und Weizenfeldern ganze Striche von ihnen theils
abgefreſſen, theils umgewühlt; aber immer fanden ſich eine große Menge Raubvögel und Krähen ein,
welche das Land allerdings mit Hilfe der den Mäuſen ungünſtigen Witterung bald gänzlich von den
Plagegeiſtern befreiten. Jch ſchoß in ſolchen Jahren weder Krähen noch Buſſarde, welche nicht ihren
Kropf von Mäuſen vollgepfropft gehabt hätten. Oft habe ich ihrer ſechs bis ſieben in einem Vogel
gefunden. Erwägt man dieſen Nutzen, ſo wird man, glaube ich, beſſer gegen die gehaßten Krähen han-
deln lernen und ſie lieb gewinnen.‟
Man ſollte meinen, daß dieſe nun ſchon vor mehr als vierzig Jahren ausgeſprochene Wahrheit
bei den in Frage kommenden Leuten, namentlich bei unſern größeren Gutsbeſitzern doch endlich aner-
kannt worden wäre: Dem iſt aber leider nicht ſo. Noch heutigen Tages wird die Saatkrähe, dieſer
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/385>, abgerufen am 24.11.2024.
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