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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Falken.
gewöhnt und zeigen sich sehr geschickt, das Gemengsel aufzuklauben. Sonderbar genug sieht es
freilich aus, einen Falken in dem Gemisch von klar gehacktem Fleisch, geriebenem Brod, Möhren und
Ameiseneiern herumstöbern zu sehen.



Um auch einen amerikanischen Vertreter der Familie hier mit aufzuführen, will ich den allbe-
kannten Sperlingsfalken (Rhynchodon sparverius) wenigstens kurz erwähnen. Der über die
ganze Westhälfte der Erde verbreitete, überall vorkommende und fast überall häufige Falk ist, wie sein
lateinischer Name anzeigt, von dem Röthelfalken getrennt worden; ich vermag aber in der That nicht zu
sagen, worin die Unterschiede zwischen beiden bestehen. Nach meinem Dafürhalten ist er ein echter
Röthelfalk. Ueber die Färbung ist schwer etwas Allgemeingiltiges zu sagen; denn der Sperlingsfalk
ändert so außerordentlich, daß man, wie Tschudi behauptet, kaum zwei Stück findet, welche sich voll-
ständig gleichen. Es mag daher genügen, wenn ich sage, daß im allgemeinen der Rücken auf zimmtbrau-
nem Grundeschwarz gebändert, die Unterseite auf blaßgelbem Grunde schwarz quer gefleckt, der Scheitel
aber blaugrau ist, welche Farbe sich beim Männchen auch über das Flügeldeckgefieder erstreckt. Der
Schwanz ist oben braunroth, unten blaßgelb, schwarz gebändert. Die Schwingen sind auf der äußern
Fahne schwarz, die beiden ersten weiß gesäumt, die übrigen an der Wurzel weiß gefleckt, auf der Jnnen-
fahne an der Spitze schwarz, sonst aber mit keilförmigen, in einander greifenden, schwarzen und weißen
Flecken gezeichnet. Das Auge, die Wachshaut und die Füße sind gelb, der Schnabel ist schwarzblau
an der Spitze, weißlichblau in der Mitte und gelb an der Wurzel. Nach den Messungen des Prinzen
von Wied
beträgt die Länge 9 Zoll 10 Linien, die Breite 20 Zoll 5 Linien, die Fittiglänge 6 Zoll
9 Linien, die Schwanzlänge 4 Zoll 4 Linien. Das Weibchen ist um einen Zoll länger und um fast
2 Zoll breiter. Mehrere Naturforscher glauben, daß der in Südamerika lebende Falk von dem in
Nordamerika vorkommenden artlich verschieden sei; die vielfachen Abänderungen aber, welche beobachtet
worden sind, sprechen gegen diese Ansicht.

Ueber das Leben des Sperlingsfalken brauche ich nach dem bereits Mitgetheilten wenig zu
sagen. Man gewinnt ein ziemlich richtiges Bild desselben, wenn man sich unseren Vogel als einen
besonders kühnen Röthelfalken vorstellt, welcher neben Kerbthieren auch kleine Säugethiere und
Vögel mit großem Eifer jagt und stärkeren Raubvögeln noch beschwerlicher wird, als der Thurm-
falk. Daß er die großen geflügelten Räuber sehr lebhaft angreift, wird von allen Beobachtern über-
einstimmend behauptet; auffallend aber erscheint mir folgende Angabe Tschudi's: "Mit bewun-
derungswürdigem Muthe greift der Sperlingsfalk sogar Raubvögel an, die vier- bis fünfmal größer
sind als er selbst. Ein solcher Zweikampf ist merkwürdig. Der Sperlingsfalk stürzt sich auf seinen
Gegner, welcher sich sogleich zur Wehr setzt und ihn mit dem Schnabel verfolgt. Der kleine Falk
dreht sich mit Blitzesschnelle ab, steigt in die Höhe und greift seinen Feind im Rücken an, der eben so
rasch sich zur Wehr setzt. So kreisen sie oft Viertelstunden lang an einander, indem sie sich ruckweise
heftig stoßen. Fast immer bleibt der Sperlingsfalk Sieger und zerfleischt seinen mächtigen Gegner."
Jch lasse dahin gestellt, wie das Zerfleischen verstanden werden muß; der buchstäbliche Sinn des
Wortes dürfte schwerlich anzuwenden sein.

Durch Wilson und Audubon erfahren wir, daß der Sperlingsfalk vorzugsweise in Baum-
höhlungen und zwar hauptsächlich in Spechtlöchern horstet. Tschudi fand den Horst auf Felsen und
in alten Gemäuern. Die fünf bis sieben (nach Tschudi zwei bis drei) Eier ähneln denen des Thurm-
falken. Jm Winter verläßt der Sperlingsfalk die nördlichen Länder und wandert den heißen Gegenden
Brasiliens zu, wahrscheinlich von beiden Theilen des Erdtheils her. Einzelne bleiben auch bei der
strengsten Witterung da, wo sie sich während des Sommers aufhielten.



Die Fänger. Raubvögel. Falken.
gewöhnt und zeigen ſich ſehr geſchickt, das Gemengſel aufzuklauben. Sonderbar genug ſieht es
freilich aus, einen Falken in dem Gemiſch von klar gehacktem Fleiſch, geriebenem Brod, Möhren und
Ameiſeneiern herumſtöbern zu ſehen.



Um auch einen amerikaniſchen Vertreter der Familie hier mit aufzuführen, will ich den allbe-
kannten Sperlingsfalken (Rhynchodon sparverius) wenigſtens kurz erwähnen. Der über die
ganze Weſthälfte der Erde verbreitete, überall vorkommende und faſt überall häufige Falk iſt, wie ſein
lateiniſcher Name anzeigt, von dem Röthelfalken getrennt worden; ich vermag aber in der That nicht zu
ſagen, worin die Unterſchiede zwiſchen beiden beſtehen. Nach meinem Dafürhalten iſt er ein echter
Röthelfalk. Ueber die Färbung iſt ſchwer etwas Allgemeingiltiges zu ſagen; denn der Sperlingsfalk
ändert ſo außerordentlich, daß man, wie Tſchudi behauptet, kaum zwei Stück findet, welche ſich voll-
ſtändig gleichen. Es mag daher genügen, wenn ich ſage, daß im allgemeinen der Rücken auf zimmtbrau-
nem Grundeſchwarz gebändert, die Unterſeite auf blaßgelbem Grunde ſchwarz quer gefleckt, der Scheitel
aber blaugrau iſt, welche Farbe ſich beim Männchen auch über das Flügeldeckgefieder erſtreckt. Der
Schwanz iſt oben braunroth, unten blaßgelb, ſchwarz gebändert. Die Schwingen ſind auf der äußern
Fahne ſchwarz, die beiden erſten weiß geſäumt, die übrigen an der Wurzel weiß gefleckt, auf der Jnnen-
fahne an der Spitze ſchwarz, ſonſt aber mit keilförmigen, in einander greifenden, ſchwarzen und weißen
Flecken gezeichnet. Das Auge, die Wachshaut und die Füße ſind gelb, der Schnabel iſt ſchwarzblau
an der Spitze, weißlichblau in der Mitte und gelb an der Wurzel. Nach den Meſſungen des Prinzen
von Wied
beträgt die Länge 9 Zoll 10 Linien, die Breite 20 Zoll 5 Linien, die Fittiglänge 6 Zoll
9 Linien, die Schwanzlänge 4 Zoll 4 Linien. Das Weibchen iſt um einen Zoll länger und um faſt
2 Zoll breiter. Mehrere Naturforſcher glauben, daß der in Südamerika lebende Falk von dem in
Nordamerika vorkommenden artlich verſchieden ſei; die vielfachen Abänderungen aber, welche beobachtet
worden ſind, ſprechen gegen dieſe Anſicht.

Ueber das Leben des Sperlingsfalken brauche ich nach dem bereits Mitgetheilten wenig zu
ſagen. Man gewinnt ein ziemlich richtiges Bild deſſelben, wenn man ſich unſeren Vogel als einen
beſonders kühnen Röthelfalken vorſtellt, welcher neben Kerbthieren auch kleine Säugethiere und
Vögel mit großem Eifer jagt und ſtärkeren Raubvögeln noch beſchwerlicher wird, als der Thurm-
falk. Daß er die großen geflügelten Räuber ſehr lebhaft angreift, wird von allen Beobachtern über-
einſtimmend behauptet; auffallend aber erſcheint mir folgende Angabe Tſchudi’s: „Mit bewun-
derungswürdigem Muthe greift der Sperlingsfalk ſogar Raubvögel an, die vier- bis fünfmal größer
ſind als er ſelbſt. Ein ſolcher Zweikampf iſt merkwürdig. Der Sperlingsfalk ſtürzt ſich auf ſeinen
Gegner, welcher ſich ſogleich zur Wehr ſetzt und ihn mit dem Schnabel verfolgt. Der kleine Falk
dreht ſich mit Blitzesſchnelle ab, ſteigt in die Höhe und greift ſeinen Feind im Rücken an, der eben ſo
raſch ſich zur Wehr ſetzt. So kreiſen ſie oft Viertelſtunden lang an einander, indem ſie ſich ruckweiſe
heftig ſtoßen. Faſt immer bleibt der Sperlingsfalk Sieger und zerfleiſcht ſeinen mächtigen Gegner.‟
Jch laſſe dahin geſtellt, wie das Zerfleiſchen verſtanden werden muß; der buchſtäbliche Sinn des
Wortes dürfte ſchwerlich anzuwenden ſein.

Durch Wilſon und Audubon erfahren wir, daß der Sperlingsfalk vorzugsweiſe in Baum-
höhlungen und zwar hauptſächlich in Spechtlöchern horſtet. Tſchudi fand den Horſt auf Felſen und
in alten Gemäuern. Die fünf bis ſieben (nach Tſchudi zwei bis drei) Eier ähneln denen des Thurm-
falken. Jm Winter verläßt der Sperlingsfalk die nördlichen Länder und wandert den heißen Gegenden
Braſiliens zu, wahrſcheinlich von beiden Theilen des Erdtheils her. Einzelne bleiben auch bei der
ſtrengſten Witterung da, wo ſie ſich während des Sommers aufhielten.



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[430/0460] Die Fänger. Raubvögel. Falken. gewöhnt und zeigen ſich ſehr geſchickt, das Gemengſel aufzuklauben. Sonderbar genug ſieht es freilich aus, einen Falken in dem Gemiſch von klar gehacktem Fleiſch, geriebenem Brod, Möhren und Ameiſeneiern herumſtöbern zu ſehen. Um auch einen amerikaniſchen Vertreter der Familie hier mit aufzuführen, will ich den allbe- kannten Sperlingsfalken (Rhynchodon sparverius) wenigſtens kurz erwähnen. Der über die ganze Weſthälfte der Erde verbreitete, überall vorkommende und faſt überall häufige Falk iſt, wie ſein lateiniſcher Name anzeigt, von dem Röthelfalken getrennt worden; ich vermag aber in der That nicht zu ſagen, worin die Unterſchiede zwiſchen beiden beſtehen. Nach meinem Dafürhalten iſt er ein echter Röthelfalk. Ueber die Färbung iſt ſchwer etwas Allgemeingiltiges zu ſagen; denn der Sperlingsfalk ändert ſo außerordentlich, daß man, wie Tſchudi behauptet, kaum zwei Stück findet, welche ſich voll- ſtändig gleichen. Es mag daher genügen, wenn ich ſage, daß im allgemeinen der Rücken auf zimmtbrau- nem Grundeſchwarz gebändert, die Unterſeite auf blaßgelbem Grunde ſchwarz quer gefleckt, der Scheitel aber blaugrau iſt, welche Farbe ſich beim Männchen auch über das Flügeldeckgefieder erſtreckt. Der Schwanz iſt oben braunroth, unten blaßgelb, ſchwarz gebändert. Die Schwingen ſind auf der äußern Fahne ſchwarz, die beiden erſten weiß geſäumt, die übrigen an der Wurzel weiß gefleckt, auf der Jnnen- fahne an der Spitze ſchwarz, ſonſt aber mit keilförmigen, in einander greifenden, ſchwarzen und weißen Flecken gezeichnet. Das Auge, die Wachshaut und die Füße ſind gelb, der Schnabel iſt ſchwarzblau an der Spitze, weißlichblau in der Mitte und gelb an der Wurzel. Nach den Meſſungen des Prinzen von Wied beträgt die Länge 9 Zoll 10 Linien, die Breite 20 Zoll 5 Linien, die Fittiglänge 6 Zoll 9 Linien, die Schwanzlänge 4 Zoll 4 Linien. Das Weibchen iſt um einen Zoll länger und um faſt 2 Zoll breiter. Mehrere Naturforſcher glauben, daß der in Südamerika lebende Falk von dem in Nordamerika vorkommenden artlich verſchieden ſei; die vielfachen Abänderungen aber, welche beobachtet worden ſind, ſprechen gegen dieſe Anſicht. Ueber das Leben des Sperlingsfalken brauche ich nach dem bereits Mitgetheilten wenig zu ſagen. Man gewinnt ein ziemlich richtiges Bild deſſelben, wenn man ſich unſeren Vogel als einen beſonders kühnen Röthelfalken vorſtellt, welcher neben Kerbthieren auch kleine Säugethiere und Vögel mit großem Eifer jagt und ſtärkeren Raubvögeln noch beſchwerlicher wird, als der Thurm- falk. Daß er die großen geflügelten Räuber ſehr lebhaft angreift, wird von allen Beobachtern über- einſtimmend behauptet; auffallend aber erſcheint mir folgende Angabe Tſchudi’s: „Mit bewun- derungswürdigem Muthe greift der Sperlingsfalk ſogar Raubvögel an, die vier- bis fünfmal größer ſind als er ſelbſt. Ein ſolcher Zweikampf iſt merkwürdig. Der Sperlingsfalk ſtürzt ſich auf ſeinen Gegner, welcher ſich ſogleich zur Wehr ſetzt und ihn mit dem Schnabel verfolgt. Der kleine Falk dreht ſich mit Blitzesſchnelle ab, ſteigt in die Höhe und greift ſeinen Feind im Rücken an, der eben ſo raſch ſich zur Wehr ſetzt. So kreiſen ſie oft Viertelſtunden lang an einander, indem ſie ſich ruckweiſe heftig ſtoßen. Faſt immer bleibt der Sperlingsfalk Sieger und zerfleiſcht ſeinen mächtigen Gegner.‟ Jch laſſe dahin geſtellt, wie das Zerfleiſchen verſtanden werden muß; der buchſtäbliche Sinn des Wortes dürfte ſchwerlich anzuwenden ſein. Durch Wilſon und Audubon erfahren wir, daß der Sperlingsfalk vorzugsweiſe in Baum- höhlungen und zwar hauptſächlich in Spechtlöchern horſtet. Tſchudi fand den Horſt auf Felſen und in alten Gemäuern. Die fünf bis ſieben (nach Tſchudi zwei bis drei) Eier ähneln denen des Thurm- falken. Jm Winter verläßt der Sperlingsfalk die nördlichen Länder und wandert den heißen Gegenden Braſiliens zu, wahrſcheinlich von beiden Theilen des Erdtheils her. Einzelne bleiben auch bei der ſtrengſten Witterung da, wo ſie ſich während des Sommers aufhielten.

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/460>, abgerufen am 22.11.2024.