Die Zwerge aller Falken bewohnen Südasien. Sie sind Raubvögel von der Größe einer Lerche, machen aber ihrer Stellung alle Ehre; denn sie wetteifern an Muth und Kühnheit mit den stärksten Edelfalken. Die Sippe der Zwergedelfalken (Hierax), welche sie bilden, kennzeichnet sich durch kurzen, kräftigen Schnabel mit scharfem Zahn im Oberkiefer und einer Ausbuchtung jederseits (weshalb oft von zwei Zähnen gesprochen wird), durch kurze Schwingen, in denen die gleich langen zweiten und dritten Federn die anderen überragen, durch sehr kurzen, gerade abgeschnittenen Schwanz, kurze, starke Fußwurzeln mit wenig verlängerten Mittelzehen, welche, wie die übrigen, starke Nägel bewehren.
Diese kleinen niedlichen Falken, welche Kaup mit den Papageien vergleicht, sind Jndien und den malayischen Ländern eigenthümlich, und in etwa einem halben Dutzend Arten daselbst verbreitet. Die bekannteste Art ist der Muti der Jndier oder Alap der Javaner (Hierax coerulescens), ein Vogel von höchstens 7 Zoll Länge, dessen Fittig 31/2 Zoll und dessen Schwanz 21/4 Zoll mißt. Scheitel, Nacken, Schwanz und die aus langen, seidenweichen Federn gebildeten Hofen sind bläulichschwarz, der Vorderkopf, die Kehle, die Brust und ein Streifen vom Schnabelwinkel bis auf die Schultern aber rost- röthlichweiß; der Bauch ist rostroth. Runde weißliche Flecken im Schwanze bilden vier zierliche Binden; die Schwingen sind ähnlich gezeichnet. Das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel und die Füße sind blauschwarz.
Der Muti verbreitet sich über ganz Südasien und ist ein allen Eingeborenen sehr bekannter Vogel. Ueber seine oder seiner Verwandten Sitten ist leider sehr wenig bekannt; selbst Jerdon weiß nichts We- sentliches zu berichten. Es wird gesagt, daß alle Zwergedelfalken muntere und im hohen Grade muthige Vögel sind, welche auf alles kleine Geflügel eifrig Jagd machen, aber selbst den Kampf mit größeren nicht scheuen. Diese Eigenschaften sind denn auch von den jagdliebenden Jndiern wohl benutzt worden. Der Name Muti bedeutet "Eine Handvoll", und diesen Namen hat sich der Falk dadurch erworben, weil er, wenn es zur Jagd geht, in der hohlen Hand getragen und wie ein Stein nach seiner Beute geworfen wird. Man läßt ihn nach Mundy's Bericht namentlich auf Wachteln und ähnliches Wild von entspre- chender Größe steigen. Unser Gewährsmann als Augenzeuge versichert, daß diese Jagdart eine ganz eigenthümliche Unterhaltung gewähre. Das wohlabgerichtete Raubvögelchen reicht mit dem Kopf auf der einen Seite und mit dem Schwanz auf der andern Seite über die Hand hervor und sein Gefieder bleibt dabei sorgfältig geglättet. Auf zwanzig bis dreißig Ellen in die Nähe des Wildes gekommen, schleudert der Falkonier ihn wie einen Ball kräftig nach dem zu jagenden Thiere hin. Das Vögelchen gewinnt augenblicklich die Flügel und stößt mit größtem Muthe, nach Art des Habichts, auf seine Beute hernieder.
Von einigen Forschern und so auch von Jerdon wird bezweifelt, daß gerade der Muti zu solcher Jagd verwendet werde; die Beschreibung Mundy's läßt jedoch kaum einen Zweifel gegen die Richtig- keit dieser Angaben aufkommen, ganz abgesehen davon, daß gleiche Berichte schon von frühern Beschrei- bern gemacht worden sind.
Als die nächsten Verwandten der Edelfalken dürfen wir die Habichte ansehen. Sie gehören zu den raubfähigsten Gliedern der Ordnung, ja, sie übertreffen in gewisser Hinsicht die Edelfalken noch: es fehlt ihnen jedoch der Adel, welcher jene auszeichnet.
Die Familienkennzeichen der Habichte (Accipitres) liegen in dem gedrungenen Leibe mit etwas langem Halse und ziemlich kleinem Kopfe, in den kurzen abgerundeten Schwingen, dem sehr langen Schwanze und den hohen Läufen mit großen oder kleinen Fängen -- denn die Länge der Zehen schwankt erheblich. Der Schnabel ist minder gewölbt und seitlich mehr zusammengedrückt als bei den Edel- falken, der Zahn gewöhnlich minder deutlicher und weiter nach hinten stehend; doch kommen auch hier Abweichungen vor. Der nackte Kreis ums Auge fehlt. Das Gefieder ist dicht und ziemlich weich, auf der Oberseite in der Regel dunkelblaugrau, auf der unteren lichter, oft dunkler gebändert. Jm
Sperlingsfalk. Muti.
Die Zwerge aller Falken bewohnen Südaſien. Sie ſind Raubvögel von der Größe einer Lerche, machen aber ihrer Stellung alle Ehre; denn ſie wetteifern an Muth und Kühnheit mit den ſtärkſten Edelfalken. Die Sippe der Zwergedelfalken (Hierax), welche ſie bilden, kennzeichnet ſich durch kurzen, kräftigen Schnabel mit ſcharfem Zahn im Oberkiefer und einer Ausbuchtung jederſeits (weshalb oft von zwei Zähnen geſprochen wird), durch kurze Schwingen, in denen die gleich langen zweiten und dritten Federn die anderen überragen, durch ſehr kurzen, gerade abgeſchnittenen Schwanz, kurze, ſtarke Fußwurzeln mit wenig verlängerten Mittelzehen, welche, wie die übrigen, ſtarke Nägel bewehren.
Dieſe kleinen niedlichen Falken, welche Kaup mit den Papageien vergleicht, ſind Jndien und den malayiſchen Ländern eigenthümlich, und in etwa einem halben Dutzend Arten daſelbſt verbreitet. Die bekannteſte Art iſt der Muti der Jndier oder Alap der Javaner (Hierax coerulescens), ein Vogel von höchſtens 7 Zoll Länge, deſſen Fittig 3½ Zoll und deſſen Schwanz 2¼ Zoll mißt. Scheitel, Nacken, Schwanz und die aus langen, ſeidenweichen Federn gebildeten Hofen ſind bläulichſchwarz, der Vorderkopf, die Kehle, die Bruſt und ein Streifen vom Schnabelwinkel bis auf die Schultern aber roſt- röthlichweiß; der Bauch iſt roſtroth. Runde weißliche Flecken im Schwanze bilden vier zierliche Binden; die Schwingen ſind ähnlich gezeichnet. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel und die Füße ſind blauſchwarz.
Der Muti verbreitet ſich über ganz Südaſien und iſt ein allen Eingeborenen ſehr bekannter Vogel. Ueber ſeine oder ſeiner Verwandten Sitten iſt leider ſehr wenig bekannt; ſelbſt Jerdon weiß nichts We- ſentliches zu berichten. Es wird geſagt, daß alle Zwergedelfalken muntere und im hohen Grade muthige Vögel ſind, welche auf alles kleine Geflügel eifrig Jagd machen, aber ſelbſt den Kampf mit größeren nicht ſcheuen. Dieſe Eigenſchaften ſind denn auch von den jagdliebenden Jndiern wohl benutzt worden. Der Name Muti bedeutet „Eine Handvoll‟, und dieſen Namen hat ſich der Falk dadurch erworben, weil er, wenn es zur Jagd geht, in der hohlen Hand getragen und wie ein Stein nach ſeiner Beute geworfen wird. Man läßt ihn nach Mundy’s Bericht namentlich auf Wachteln und ähnliches Wild von entſpre- chender Größe ſteigen. Unſer Gewährsmann als Augenzeuge verſichert, daß dieſe Jagdart eine ganz eigenthümliche Unterhaltung gewähre. Das wohlabgerichtete Raubvögelchen reicht mit dem Kopf auf der einen Seite und mit dem Schwanz auf der andern Seite über die Hand hervor und ſein Gefieder bleibt dabei ſorgfältig geglättet. Auf zwanzig bis dreißig Ellen in die Nähe des Wildes gekommen, ſchleudert der Falkonier ihn wie einen Ball kräftig nach dem zu jagenden Thiere hin. Das Vögelchen gewinnt augenblicklich die Flügel und ſtößt mit größtem Muthe, nach Art des Habichts, auf ſeine Beute hernieder.
Von einigen Forſchern und ſo auch von Jerdon wird bezweifelt, daß gerade der Muti zu ſolcher Jagd verwendet werde; die Beſchreibung Mundy’s läßt jedoch kaum einen Zweifel gegen die Richtig- keit dieſer Angaben aufkommen, ganz abgeſehen davon, daß gleiche Berichte ſchon von frühern Beſchrei- bern gemacht worden ſind.
Als die nächſten Verwandten der Edelfalken dürfen wir die Habichte anſehen. Sie gehören zu den raubfähigſten Gliedern der Ordnung, ja, ſie übertreffen in gewiſſer Hinſicht die Edelfalken noch: es fehlt ihnen jedoch der Adel, welcher jene auszeichnet.
Die Familienkennzeichen der Habichte (Accipitres) liegen in dem gedrungenen Leibe mit etwas langem Halſe und ziemlich kleinem Kopfe, in den kurzen abgerundeten Schwingen, dem ſehr langen Schwanze und den hohen Läufen mit großen oder kleinen Fängen — denn die Länge der Zehen ſchwankt erheblich. Der Schnabel iſt minder gewölbt und ſeitlich mehr zuſammengedrückt als bei den Edel- falken, der Zahn gewöhnlich minder deutlicher und weiter nach hinten ſtehend; doch kommen auch hier Abweichungen vor. Der nackte Kreis ums Auge fehlt. Das Gefieder iſt dicht und ziemlich weich, auf der Oberſeite in der Regel dunkelblaugrau, auf der unteren lichter, oft dunkler gebändert. Jm
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[431/0461]
Sperlingsfalk. Muti.
Die Zwerge aller Falken bewohnen Südaſien. Sie ſind Raubvögel von der Größe einer Lerche,
machen aber ihrer Stellung alle Ehre; denn ſie wetteifern an Muth und Kühnheit mit den ſtärkſten
Edelfalken. Die Sippe der Zwergedelfalken (Hierax), welche ſie bilden, kennzeichnet ſich durch
kurzen, kräftigen Schnabel mit ſcharfem Zahn im Oberkiefer und einer Ausbuchtung jederſeits (weshalb
oft von zwei Zähnen geſprochen wird), durch kurze Schwingen, in denen die gleich langen zweiten und
dritten Federn die anderen überragen, durch ſehr kurzen, gerade abgeſchnittenen Schwanz, kurze, ſtarke
Fußwurzeln mit wenig verlängerten Mittelzehen, welche, wie die übrigen, ſtarke Nägel bewehren.
Dieſe kleinen niedlichen Falken, welche Kaup mit den Papageien vergleicht, ſind Jndien und
den malayiſchen Ländern eigenthümlich, und in etwa einem halben Dutzend Arten daſelbſt verbreitet.
Die bekannteſte Art iſt der Muti der Jndier oder Alap der Javaner (Hierax coerulescens), ein
Vogel von höchſtens 7 Zoll Länge, deſſen Fittig 3½ Zoll und deſſen Schwanz 2¼ Zoll mißt. Scheitel,
Nacken, Schwanz und die aus langen, ſeidenweichen Federn gebildeten Hofen ſind bläulichſchwarz, der
Vorderkopf, die Kehle, die Bruſt und ein Streifen vom Schnabelwinkel bis auf die Schultern aber roſt-
röthlichweiß; der Bauch iſt roſtroth. Runde weißliche Flecken im Schwanze bilden vier zierliche
Binden; die Schwingen ſind ähnlich gezeichnet. Das Auge iſt dunkelbraun, der Schnabel und die
Füße ſind blauſchwarz.
Der Muti verbreitet ſich über ganz Südaſien und iſt ein allen Eingeborenen ſehr bekannter Vogel.
Ueber ſeine oder ſeiner Verwandten Sitten iſt leider ſehr wenig bekannt; ſelbſt Jerdon weiß nichts We-
ſentliches zu berichten. Es wird geſagt, daß alle Zwergedelfalken muntere und im hohen Grade muthige
Vögel ſind, welche auf alles kleine Geflügel eifrig Jagd machen, aber ſelbſt den Kampf mit größeren
nicht ſcheuen. Dieſe Eigenſchaften ſind denn auch von den jagdliebenden Jndiern wohl benutzt worden.
Der Name Muti bedeutet „Eine Handvoll‟, und dieſen Namen hat ſich der Falk dadurch erworben, weil
er, wenn es zur Jagd geht, in der hohlen Hand getragen und wie ein Stein nach ſeiner Beute geworfen
wird. Man läßt ihn nach Mundy’s Bericht namentlich auf Wachteln und ähnliches Wild von entſpre-
chender Größe ſteigen. Unſer Gewährsmann als Augenzeuge verſichert, daß dieſe Jagdart eine ganz
eigenthümliche Unterhaltung gewähre. Das wohlabgerichtete Raubvögelchen reicht mit dem Kopf auf
der einen Seite und mit dem Schwanz auf der andern Seite über die Hand hervor und ſein Gefieder
bleibt dabei ſorgfältig geglättet. Auf zwanzig bis dreißig Ellen in die Nähe des Wildes gekommen,
ſchleudert der Falkonier ihn wie einen Ball kräftig nach dem zu jagenden Thiere hin. Das
Vögelchen gewinnt augenblicklich die Flügel und ſtößt mit größtem Muthe, nach Art des Habichts, auf
ſeine Beute hernieder.
Von einigen Forſchern und ſo auch von Jerdon wird bezweifelt, daß gerade der Muti zu ſolcher
Jagd verwendet werde; die Beſchreibung Mundy’s läßt jedoch kaum einen Zweifel gegen die Richtig-
keit dieſer Angaben aufkommen, ganz abgeſehen davon, daß gleiche Berichte ſchon von frühern Beſchrei-
bern gemacht worden ſind.
Als die nächſten Verwandten der Edelfalken dürfen wir die Habichte anſehen. Sie gehören
zu den raubfähigſten Gliedern der Ordnung, ja, ſie übertreffen in gewiſſer Hinſicht die Edelfalken
noch: es fehlt ihnen jedoch der Adel, welcher jene auszeichnet.
Die Familienkennzeichen der Habichte (Accipitres) liegen in dem gedrungenen Leibe mit etwas
langem Halſe und ziemlich kleinem Kopfe, in den kurzen abgerundeten Schwingen, dem ſehr langen
Schwanze und den hohen Läufen mit großen oder kleinen Fängen — denn die Länge der Zehen ſchwankt
erheblich. Der Schnabel iſt minder gewölbt und ſeitlich mehr zuſammengedrückt als bei den Edel-
falken, der Zahn gewöhnlich minder deutlicher und weiter nach hinten ſtehend; doch kommen auch hier
Abweichungen vor. Der nackte Kreis ums Auge fehlt. Das Gefieder iſt dicht und ziemlich weich,
auf der Oberſeite in der Regel dunkelblaugrau, auf der unteren lichter, oft dunkler gebändert. Jm
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/461>, abgerufen am 22.11.2024.
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