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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Seeadler.
geduldet wurden, so wie der Löwe ein Hündchen duldet. Dieselben Bussarde waren, als
ich sie in den Käfig der Seeadler brachte, nach wenigen Minuten bereits erdrosselt. Dehne
erfuhr etwas ganz Aehnliches: sein zahmer Seeadler erwürgte sofort den verwandten Flußadler,
welchen man zu ihm gesperrt hatte. Die Gefangenen des hamburger Thiergartens liegen mit den
Geiern im beständigen Streit, und wenn diese sich nicht ihrer Haut zu wehren wüßten, würden sie
wahrscheinlich auch von jener Krallen zu leiden haben.

Jm März schreitet der Seeadler zur Fortpflanzung. Es ist wahrscheinlich, daß auch er mit
seinem Weibchen in treuer Ehe auf Lebenszeit lebt, demungeachtet hat er mit jedem vorüberziehenden
Männchen schwere Kämpfe zu bestehen, und ein ungünstiger Ausgang desselben kann ihm möglicher-
weise die Gattin kosten. "Zwei männliche Seeadler", erzählt Graf Wodzicki, "welche ich längere Zeit
beobachten konnte, kämpften fortwährend mit einander. Sie stießen mit Schnabel und Krallen gegen-
einander, geriethen dabei öfters bis auf den Boden herunter und setzten hier ihren Kampf fort, nach Art
der Hähne, nur mit dem Unterschiede, daß sie keinen Anlauf nahmen. Jeder Kampf hinterließ viele
Federn, auch wohl Blut auf dem Boden. Das Weibchen, welches entweder um die Kämpfer kreiste
oder sich in deren Nähe niedergelassen hatte, liebkoste den Sieger jedesmal, so oft er zu ihm kam, und
dabei konnte man die merkwürdige Beobachtung machen, daß beide Männchen von dem Weibchen gleich
gut aufgenommen wurden, sobald sich Einer im Kampfe ausgezeichnet hatte. Da der eine männliche
Adler jünger als der andere war, konnte man die Kämpfer nicht verwechseln. Das mörderische Spiel
währte etwa zwei Wochen lang, und die Adler schienen dabei so aufgeregt zu sein, daß sie während des
Tages gar nicht nach Nahrung suchten. Nachts schliefen sie unweit des Gewässers auf zwei hohen
Eichen, ein Paar, wie es schien, der Sieger mit dem Weibchen, auf der einen, der Besiegte auf der
andern. Nach einem vollen Monat wurde in Erfahrung gebracht, daß man einen Seeadlerhorst in den
benachbarten Waldungen entdeckt hatte. Das Junge wurde einige Wochen später ausgehoben, und
die Alten kamen nun auf den Frühlingsplatz zurück. Da gesellte sich wiederum ein dritter zu ihnen,
und der Kampf sing von neuem an. Eines Tages rauften sich die Adler wieder in der Luft lange
Zeit und stürzten hierauf zur Erde. Der Eine überrumpelte den Andern, hieb denselben tüchtig mit
dem Schnabel, sprang endlich auf seinen Todfeind, ergriff mit der einen Kralle den Hals desselben und
stemmte sich mit der andern auf den Bauch. Jn dieser Stellung überraschte sie ein Heger mit einem
tüchtigen Knittel. Der besiegte Adler klammerte sich krampfhaft an den Lauf des Siegers und an
dessen einen Flügel. Beide kollerten sich einigemal auf dem Boden herum und richteten sich wieder
empor. Der Heger näherte sich indeß bis auf wenige Schritte; die Adler aber rauften sich weiter,
und so konnte der Mann den Einen dermaßen auf den Kopf schlagen, daß er zusammenstürzte. Der
Andere, obgleich ganz blutig, ließ aber den Todten dennoch nicht los, sondern richtete sich empor und
sah den Heger so starr an, daß dieser erschrak und ein paar Schritte zurücksprang. Erst nach einiger
Zeit schien der Adler seine gefährliche Lage begriffen zu haben, ließ seinen Feind los und erhob sich
langsam in die Luft. Wäre der Heger nicht so erschrocken gewesen, so hätte er unbedingt beide Adler
mit dem Stocke erschlagen können."

"Es ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß der dritte Adler den Frühling einsam verlebt und
gleich dem Korsikaner seine Rache genährt hatte, welche er nunmehr auch bei der ersten Gelegenheit so
grausam sehen ließ."

Der Horst ist ein gewaltiger Bau von fünf bis sieben Fuß Durchmesser und ein und einhalb
bis drei und mehr Fuß Höhe; denn auch er wird von einem Paare wiederholt benutzt und durch jähr-
liche Aufbesserung im Verlaufe der Zeit bedeutend erhöht. Armsdicke Knüppel bilden den Unterbau,
dünnere Aeste das übrige. Die sehr flache Nestmulde ist mit zarten Zweigen bedeckt und mit einigen
Flaumenfedern des Weibchens ausgekleidet. Das Gelege enthält zwei bis drei, nach Schilling
zuweilen sogar vier Eier von verhältnißmäßig geringer Größe, welche länglicher als andere Adlereier
und etwa 3 Zoll lang sind. Die Schale ist dick, rauh und großkörnig, die Färbung verschieden; es
gibt kalkweiße Eier ohne alle Flecke und solche, welche auf ähnlichem Grunde mehr oder weniger mit

Seeadler.
geduldet wurden, ſo wie der Löwe ein Hündchen duldet. Dieſelben Buſſarde waren, als
ich ſie in den Käfig der Seeadler brachte, nach wenigen Minuten bereits erdroſſelt. Dehne
erfuhr etwas ganz Aehnliches: ſein zahmer Seeadler erwürgte ſofort den verwandten Flußadler,
welchen man zu ihm geſperrt hatte. Die Gefangenen des hamburger Thiergartens liegen mit den
Geiern im beſtändigen Streit, und wenn dieſe ſich nicht ihrer Haut zu wehren wüßten, würden ſie
wahrſcheinlich auch von jener Krallen zu leiden haben.

Jm März ſchreitet der Seeadler zur Fortpflanzung. Es iſt wahrſcheinlich, daß auch er mit
ſeinem Weibchen in treuer Ehe auf Lebenszeit lebt, demungeachtet hat er mit jedem vorüberziehenden
Männchen ſchwere Kämpfe zu beſtehen, und ein ungünſtiger Ausgang deſſelben kann ihm möglicher-
weiſe die Gattin koſten. „Zwei männliche Seeadler‟, erzählt Graf Wodzicki, „welche ich längere Zeit
beobachten konnte, kämpften fortwährend mit einander. Sie ſtießen mit Schnabel und Krallen gegen-
einander, geriethen dabei öfters bis auf den Boden herunter und ſetzten hier ihren Kampf fort, nach Art
der Hähne, nur mit dem Unterſchiede, daß ſie keinen Anlauf nahmen. Jeder Kampf hinterließ viele
Federn, auch wohl Blut auf dem Boden. Das Weibchen, welches entweder um die Kämpfer kreiſte
oder ſich in deren Nähe niedergelaſſen hatte, liebkoſte den Sieger jedesmal, ſo oft er zu ihm kam, und
dabei konnte man die merkwürdige Beobachtung machen, daß beide Männchen von dem Weibchen gleich
gut aufgenommen wurden, ſobald ſich Einer im Kampfe ausgezeichnet hatte. Da der eine männliche
Adler jünger als der andere war, konnte man die Kämpfer nicht verwechſeln. Das mörderiſche Spiel
währte etwa zwei Wochen lang, und die Adler ſchienen dabei ſo aufgeregt zu ſein, daß ſie während des
Tages gar nicht nach Nahrung ſuchten. Nachts ſchliefen ſie unweit des Gewäſſers auf zwei hohen
Eichen, ein Paar, wie es ſchien, der Sieger mit dem Weibchen, auf der einen, der Beſiegte auf der
andern. Nach einem vollen Monat wurde in Erfahrung gebracht, daß man einen Seeadlerhorſt in den
benachbarten Waldungen entdeckt hatte. Das Junge wurde einige Wochen ſpäter ausgehoben, und
die Alten kamen nun auf den Frühlingsplatz zurück. Da geſellte ſich wiederum ein dritter zu ihnen,
und der Kampf ſing von neuem an. Eines Tages rauften ſich die Adler wieder in der Luft lange
Zeit und ſtürzten hierauf zur Erde. Der Eine überrumpelte den Andern, hieb denſelben tüchtig mit
dem Schnabel, ſprang endlich auf ſeinen Todfeind, ergriff mit der einen Kralle den Hals deſſelben und
ſtemmte ſich mit der andern auf den Bauch. Jn dieſer Stellung überraſchte ſie ein Heger mit einem
tüchtigen Knittel. Der beſiegte Adler klammerte ſich krampfhaft an den Lauf des Siegers und an
deſſen einen Flügel. Beide kollerten ſich einigemal auf dem Boden herum und richteten ſich wieder
empor. Der Heger näherte ſich indeß bis auf wenige Schritte; die Adler aber rauften ſich weiter,
und ſo konnte der Mann den Einen dermaßen auf den Kopf ſchlagen, daß er zuſammenſtürzte. Der
Andere, obgleich ganz blutig, ließ aber den Todten dennoch nicht los, ſondern richtete ſich empor und
ſah den Heger ſo ſtarr an, daß dieſer erſchrak und ein paar Schritte zurückſprang. Erſt nach einiger
Zeit ſchien der Adler ſeine gefährliche Lage begriffen zu haben, ließ ſeinen Feind los und erhob ſich
langſam in die Luft. Wäre der Heger nicht ſo erſchrocken geweſen, ſo hätte er unbedingt beide Adler
mit dem Stocke erſchlagen können.‟

„Es iſt wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß der dritte Adler den Frühling einſam verlebt und
gleich dem Korſikaner ſeine Rache genährt hatte, welche er nunmehr auch bei der erſten Gelegenheit ſo
grauſam ſehen ließ.‟

Der Horſt iſt ein gewaltiger Bau von fünf bis ſieben Fuß Durchmeſſer und ein und einhalb
bis drei und mehr Fuß Höhe; denn auch er wird von einem Paare wiederholt benutzt und durch jähr-
liche Aufbeſſerung im Verlaufe der Zeit bedeutend erhöht. Armsdicke Knüppel bilden den Unterbau,
dünnere Aeſte das übrige. Die ſehr flache Neſtmulde iſt mit zarten Zweigen bedeckt und mit einigen
Flaumenfedern des Weibchens ausgekleidet. Das Gelege enthält zwei bis drei, nach Schilling
zuweilen ſogar vier Eier von verhältnißmäßig geringer Größe, welche länglicher als andere Adlereier
und etwa 3 Zoll lang ſind. Die Schale iſt dick, rauh und großkörnig, die Färbung verſchieden; es
gibt kalkweiße Eier ohne alle Flecke und ſolche, welche auf ähnlichem Grunde mehr oder weniger mit

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[477/0509] Seeadler. geduldet wurden, ſo wie der Löwe ein Hündchen duldet. Dieſelben Buſſarde waren, als ich ſie in den Käfig der Seeadler brachte, nach wenigen Minuten bereits erdroſſelt. Dehne erfuhr etwas ganz Aehnliches: ſein zahmer Seeadler erwürgte ſofort den verwandten Flußadler, welchen man zu ihm geſperrt hatte. Die Gefangenen des hamburger Thiergartens liegen mit den Geiern im beſtändigen Streit, und wenn dieſe ſich nicht ihrer Haut zu wehren wüßten, würden ſie wahrſcheinlich auch von jener Krallen zu leiden haben. Jm März ſchreitet der Seeadler zur Fortpflanzung. Es iſt wahrſcheinlich, daß auch er mit ſeinem Weibchen in treuer Ehe auf Lebenszeit lebt, demungeachtet hat er mit jedem vorüberziehenden Männchen ſchwere Kämpfe zu beſtehen, und ein ungünſtiger Ausgang deſſelben kann ihm möglicher- weiſe die Gattin koſten. „Zwei männliche Seeadler‟, erzählt Graf Wodzicki, „welche ich längere Zeit beobachten konnte, kämpften fortwährend mit einander. Sie ſtießen mit Schnabel und Krallen gegen- einander, geriethen dabei öfters bis auf den Boden herunter und ſetzten hier ihren Kampf fort, nach Art der Hähne, nur mit dem Unterſchiede, daß ſie keinen Anlauf nahmen. Jeder Kampf hinterließ viele Federn, auch wohl Blut auf dem Boden. Das Weibchen, welches entweder um die Kämpfer kreiſte oder ſich in deren Nähe niedergelaſſen hatte, liebkoſte den Sieger jedesmal, ſo oft er zu ihm kam, und dabei konnte man die merkwürdige Beobachtung machen, daß beide Männchen von dem Weibchen gleich gut aufgenommen wurden, ſobald ſich Einer im Kampfe ausgezeichnet hatte. Da der eine männliche Adler jünger als der andere war, konnte man die Kämpfer nicht verwechſeln. Das mörderiſche Spiel währte etwa zwei Wochen lang, und die Adler ſchienen dabei ſo aufgeregt zu ſein, daß ſie während des Tages gar nicht nach Nahrung ſuchten. Nachts ſchliefen ſie unweit des Gewäſſers auf zwei hohen Eichen, ein Paar, wie es ſchien, der Sieger mit dem Weibchen, auf der einen, der Beſiegte auf der andern. Nach einem vollen Monat wurde in Erfahrung gebracht, daß man einen Seeadlerhorſt in den benachbarten Waldungen entdeckt hatte. Das Junge wurde einige Wochen ſpäter ausgehoben, und die Alten kamen nun auf den Frühlingsplatz zurück. Da geſellte ſich wiederum ein dritter zu ihnen, und der Kampf ſing von neuem an. Eines Tages rauften ſich die Adler wieder in der Luft lange Zeit und ſtürzten hierauf zur Erde. Der Eine überrumpelte den Andern, hieb denſelben tüchtig mit dem Schnabel, ſprang endlich auf ſeinen Todfeind, ergriff mit der einen Kralle den Hals deſſelben und ſtemmte ſich mit der andern auf den Bauch. Jn dieſer Stellung überraſchte ſie ein Heger mit einem tüchtigen Knittel. Der beſiegte Adler klammerte ſich krampfhaft an den Lauf des Siegers und an deſſen einen Flügel. Beide kollerten ſich einigemal auf dem Boden herum und richteten ſich wieder empor. Der Heger näherte ſich indeß bis auf wenige Schritte; die Adler aber rauften ſich weiter, und ſo konnte der Mann den Einen dermaßen auf den Kopf ſchlagen, daß er zuſammenſtürzte. Der Andere, obgleich ganz blutig, ließ aber den Todten dennoch nicht los, ſondern richtete ſich empor und ſah den Heger ſo ſtarr an, daß dieſer erſchrak und ein paar Schritte zurückſprang. Erſt nach einiger Zeit ſchien der Adler ſeine gefährliche Lage begriffen zu haben, ließ ſeinen Feind los und erhob ſich langſam in die Luft. Wäre der Heger nicht ſo erſchrocken geweſen, ſo hätte er unbedingt beide Adler mit dem Stocke erſchlagen können.‟ „Es iſt wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß der dritte Adler den Frühling einſam verlebt und gleich dem Korſikaner ſeine Rache genährt hatte, welche er nunmehr auch bei der erſten Gelegenheit ſo grauſam ſehen ließ.‟ Der Horſt iſt ein gewaltiger Bau von fünf bis ſieben Fuß Durchmeſſer und ein und einhalb bis drei und mehr Fuß Höhe; denn auch er wird von einem Paare wiederholt benutzt und durch jähr- liche Aufbeſſerung im Verlaufe der Zeit bedeutend erhöht. Armsdicke Knüppel bilden den Unterbau, dünnere Aeſte das übrige. Die ſehr flache Neſtmulde iſt mit zarten Zweigen bedeckt und mit einigen Flaumenfedern des Weibchens ausgekleidet. Das Gelege enthält zwei bis drei, nach Schilling zuweilen ſogar vier Eier von verhältnißmäßig geringer Größe, welche länglicher als andere Adlereier und etwa 3 Zoll lang ſind. Die Schale iſt dick, rauh und großkörnig, die Färbung verſchieden; es gibt kalkweiße Eier ohne alle Flecke und ſolche, welche auf ähnlichem Grunde mehr oder weniger mit

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/509>, abgerufen am 29.06.2024.