und greift dann plötzlich mit einem Fange vorwärts. Besonders auffallend war es mir, zu erfahren, daß er alle andern seiner Art mit schelen Augen betrachtet und futterneidisch über sie herfällt, wenn sie glücklicher waren. Es darf nur einer eine Schlange oder Eidechse fangen wollen, da gibt es gewiß erst eine tüchtige Beißerei. Sowie sich einer herabsenkt, um eine Beute aufzunehmen, eilt ein zweiter auf ihn los, packt ihn mit Wuth an und nun beginnt eine Balgerei, welche so heftig wird, daß beide Gegner sich zuweilen in einander verkrallen, gegenseitig am Fliegen hindern und zum Boden herabfallen. Hier angekommen, rennt jeder ein paar Schritte dahin und erhebt sich nun langsam wieder, wahrscheinlich eifrig nach der inzwischen entschlüpften Beute spähend. Zur Mittagszeit besucht er die Sandbänke am Strome, um zu trinken, hüpft hier rabenartig umher, fliegt auch wohl von einer Stelle zur andern und entfernt sich dann langsam. Bei der größten Hitze bäumt er auch Mittags auf und sitzt dann stundenlang, anscheinend regungslos, hoch aufgerichtet wie ein Mann. Zur Nachtherberge wählt er gern einzeln stehende Bäume, welche eine weite Umschau gestatten, aber auch hier läßt er den Menschen ohne Bedenken an sich herankommen.
Der Schlangenbussard verdient seinen Namen; denn seine Jagd gilt vorzugsweise diesen Lurchen. Aber er begnügt sich nicht mit ihnen, sondern nimmt auch Eidechsen und Frösche auf, stellt den Fischen eifrig nach und jagt, nach Jerdon, selbst auf Ratten, schwache Vögel, Krebse, große Kerbthiere und Tausendfüßler. Jerdon sah ihn sogar auf einen verwundeten Hasen stoßen und zuweilen eine angeschossene Ente aufnehmen. Doch bilden Lurche unter allen Umständen sein Lieblingswild. Er geht beim Angriffe so verständig zu Werke, daß ihm selbst die gefährlichste Schlange wenig oder Nichts anhaben kann. Seine Kunst im Jagen scheint ihm angeboren zu sein. "Mein jung aufgezogener Schlangenadler", so schreibt Mechlenburg an Lenz, "stürzt sich blitzschnell auf jede Schlange, sie mag so groß und wüthend sein, als sie will, packt sie dicht hinter dem Kopf mit dem einen Fuße und gewöhnlich mit dem andern Fuße weiter hinten, unter lautem Geschrei und Flügelschlägen; mit dem Schnabel beißt er dicht hinter dem Kopfe die Sehnen und Bänder durch, und das Thier liegt wider- standslos in seinen Fängen. Nach einigen Minuten beginnt er das Verschlingen, indem er die sich noch stark windende Schlange, den Kopf voran, verschluckt und bei jedem Schluck ihr das Rückgrath zerbeißt. Er hat in Einem Vormittage binnen wenigen Stunden drei große Schlangen verzehrt, worunter eine fast vier Fuß lange und sehr dicke. Nie zerreißt er eine Schlange, um sie stückweis zu verschlingen. Die Schuppen speit er späterhin in Ballen aus. Schlangen zieht er jedem andern Nahrungsmittel vor. Zu gleicher Zeit habe ich ihm lebende Schlangen, Ratten, Vögel und Frösche gebracht, doch fuhr er, die ihm näher besindlichen Thiere nicht berücksichtigend, auf die entfernteren Schlangen los." Elliot erwähnt, daß man einen gesehen habe, welcher von einer Schlange eng umringelt worden war, deren Kopf aber doch so fest hielt, daß alle Anstrengungen des Giftlurches vergeblich waren. Uebrigens ist die Geschicklichkeit des Schlangenbussards und sein dichtes Gefieder sein einziger Schutz gegen das Gift der Schlangen; denn er ist keineswegs giftfest, wie man früher glaubte. Auf den Wunsch von Lenz ließ Mechlenburg seinen Schlangenbussard von einer Kreuz- otter beißen und zwar in den Kropf. Der Vogel verlor von Stund an seine Munterkeit und endete am dritten Tage.
Der Horst, welcher ausnahmsweise auf Felsen steht, wird Anfangs Juni erbaut oder bezüglich wieder bezogen; denn das Paar kehrt, auch wenn ihm die Eier genommen werden, viele Jahre lang regelmäßig zu demselben Horste zurück. Er ist kaum größer, als der Horst unseres Bussards, besteht aus dürren, nicht eben starken Zweigen, und die flache Nestmulde ist mit eben solchen ausgelegt. Wie bei andern Raubvögeln kleiden die Alten die Nestmulde wohl auch mit grünem Laub aus und befestigen außerdem grüne Zweige als Schattendach. Man hat regelmäßig nur ein einziges Ei gefunden und zwar in den ersten Tagen des Mais, bald nach Ankunft der Vögel am Horste. Jerdon und andere Forscher sprechen übrigens auch von zwei Eiern in ein und demselben Horste. Das Ei ist länglichrund, verhältnißmäßig sehr groß, dünn und rauhschalig und bläulichweiß von Farbe. Beide Gatten brüten nach Mechlenburg achtundzwanzig Tage lang, beide theilen sich auch in Erziehung
Die Fänger. Raubvögel. Buſſarde.
und greift dann plötzlich mit einem Fange vorwärts. Beſonders auffallend war es mir, zu erfahren, daß er alle andern ſeiner Art mit ſchelen Augen betrachtet und futterneidiſch über ſie herfällt, wenn ſie glücklicher waren. Es darf nur einer eine Schlange oder Eidechſe fangen wollen, da gibt es gewiß erſt eine tüchtige Beißerei. Sowie ſich einer herabſenkt, um eine Beute aufzunehmen, eilt ein zweiter auf ihn los, packt ihn mit Wuth an und nun beginnt eine Balgerei, welche ſo heftig wird, daß beide Gegner ſich zuweilen in einander verkrallen, gegenſeitig am Fliegen hindern und zum Boden herabfallen. Hier angekommen, rennt jeder ein paar Schritte dahin und erhebt ſich nun langſam wieder, wahrſcheinlich eifrig nach der inzwiſchen entſchlüpften Beute ſpähend. Zur Mittagszeit beſucht er die Sandbänke am Strome, um zu trinken, hüpft hier rabenartig umher, fliegt auch wohl von einer Stelle zur andern und entfernt ſich dann langſam. Bei der größten Hitze bäumt er auch Mittags auf und ſitzt dann ſtundenlang, anſcheinend regungslos, hoch aufgerichtet wie ein Mann. Zur Nachtherberge wählt er gern einzeln ſtehende Bäume, welche eine weite Umſchau geſtatten, aber auch hier läßt er den Menſchen ohne Bedenken an ſich herankommen.
Der Schlangenbuſſard verdient ſeinen Namen; denn ſeine Jagd gilt vorzugsweiſe dieſen Lurchen. Aber er begnügt ſich nicht mit ihnen, ſondern nimmt auch Eidechſen und Fröſche auf, ſtellt den Fiſchen eifrig nach und jagt, nach Jerdon, ſelbſt auf Ratten, ſchwache Vögel, Krebſe, große Kerbthiere und Tauſendfüßler. Jerdon ſah ihn ſogar auf einen verwundeten Haſen ſtoßen und zuweilen eine angeſchoſſene Ente aufnehmen. Doch bilden Lurche unter allen Umſtänden ſein Lieblingswild. Er geht beim Angriffe ſo verſtändig zu Werke, daß ihm ſelbſt die gefährlichſte Schlange wenig oder Nichts anhaben kann. Seine Kunſt im Jagen ſcheint ihm angeboren zu ſein. „Mein jung aufgezogener Schlangenadler‟, ſo ſchreibt Mechlenburg an Lenz, „ſtürzt ſich blitzſchnell auf jede Schlange, ſie mag ſo groß und wüthend ſein, als ſie will, packt ſie dicht hinter dem Kopf mit dem einen Fuße und gewöhnlich mit dem andern Fuße weiter hinten, unter lautem Geſchrei und Flügelſchlägen; mit dem Schnabel beißt er dicht hinter dem Kopfe die Sehnen und Bänder durch, und das Thier liegt wider- ſtandslos in ſeinen Fängen. Nach einigen Minuten beginnt er das Verſchlingen, indem er die ſich noch ſtark windende Schlange, den Kopf voran, verſchluckt und bei jedem Schluck ihr das Rückgrath zerbeißt. Er hat in Einem Vormittage binnen wenigen Stunden drei große Schlangen verzehrt, worunter eine faſt vier Fuß lange und ſehr dicke. Nie zerreißt er eine Schlange, um ſie ſtückweis zu verſchlingen. Die Schuppen ſpeit er ſpäterhin in Ballen aus. Schlangen zieht er jedem andern Nahrungsmittel vor. Zu gleicher Zeit habe ich ihm lebende Schlangen, Ratten, Vögel und Fröſche gebracht, doch fuhr er, die ihm näher beſindlichen Thiere nicht berückſichtigend, auf die entfernteren Schlangen los.‟ Elliot erwähnt, daß man einen geſehen habe, welcher von einer Schlange eng umringelt worden war, deren Kopf aber doch ſo feſt hielt, daß alle Anſtrengungen des Giftlurches vergeblich waren. Uebrigens iſt die Geſchicklichkeit des Schlangenbuſſards und ſein dichtes Gefieder ſein einziger Schutz gegen das Gift der Schlangen; denn er iſt keineswegs giftfeſt, wie man früher glaubte. Auf den Wunſch von Lenz ließ Mechlenburg ſeinen Schlangenbuſſard von einer Kreuz- otter beißen und zwar in den Kropf. Der Vogel verlor von Stund an ſeine Munterkeit und endete am dritten Tage.
Der Horſt, welcher ausnahmsweiſe auf Felſen ſteht, wird Anfangs Juni erbaut oder bezüglich wieder bezogen; denn das Paar kehrt, auch wenn ihm die Eier genommen werden, viele Jahre lang regelmäßig zu demſelben Horſte zurück. Er iſt kaum größer, als der Horſt unſeres Buſſards, beſteht aus dürren, nicht eben ſtarken Zweigen, und die flache Neſtmulde iſt mit eben ſolchen ausgelegt. Wie bei andern Raubvögeln kleiden die Alten die Neſtmulde wohl auch mit grünem Laub aus und befeſtigen außerdem grüne Zweige als Schattendach. Man hat regelmäßig nur ein einziges Ei gefunden und zwar in den erſten Tagen des Mais, bald nach Ankunft der Vögel am Horſte. Jerdon und andere Forſcher ſprechen übrigens auch von zwei Eiern in ein und demſelben Horſte. Das Ei iſt länglichrund, verhältnißmäßig ſehr groß, dünn und rauhſchalig und bläulichweiß von Farbe. Beide Gatten brüten nach Mechlenburg achtundzwanzig Tage lang, beide theilen ſich auch in Erziehung
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[506/0538]
Die Fänger. Raubvögel. Buſſarde.
und greift dann plötzlich mit einem Fange vorwärts. Beſonders auffallend war es mir, zu erfahren,
daß er alle andern ſeiner Art mit ſchelen Augen betrachtet und futterneidiſch über ſie herfällt, wenn ſie
glücklicher waren. Es darf nur einer eine Schlange oder Eidechſe fangen wollen, da gibt es gewiß erſt
eine tüchtige Beißerei. Sowie ſich einer herabſenkt, um eine Beute aufzunehmen, eilt ein zweiter auf ihn
los, packt ihn mit Wuth an und nun beginnt eine Balgerei, welche ſo heftig wird, daß beide Gegner
ſich zuweilen in einander verkrallen, gegenſeitig am Fliegen hindern und zum Boden herabfallen. Hier
angekommen, rennt jeder ein paar Schritte dahin und erhebt ſich nun langſam wieder, wahrſcheinlich
eifrig nach der inzwiſchen entſchlüpften Beute ſpähend. Zur Mittagszeit beſucht er die Sandbänke
am Strome, um zu trinken, hüpft hier rabenartig umher, fliegt auch wohl von einer Stelle zur andern
und entfernt ſich dann langſam. Bei der größten Hitze bäumt er auch Mittags auf und ſitzt dann
ſtundenlang, anſcheinend regungslos, hoch aufgerichtet wie ein Mann. Zur Nachtherberge wählt er
gern einzeln ſtehende Bäume, welche eine weite Umſchau geſtatten, aber auch hier läßt er den Menſchen
ohne Bedenken an ſich herankommen.
Der Schlangenbuſſard verdient ſeinen Namen; denn ſeine Jagd gilt vorzugsweiſe dieſen Lurchen.
Aber er begnügt ſich nicht mit ihnen, ſondern nimmt auch Eidechſen und Fröſche auf, ſtellt den Fiſchen
eifrig nach und jagt, nach Jerdon, ſelbſt auf Ratten, ſchwache Vögel, Krebſe, große Kerbthiere und
Tauſendfüßler. Jerdon ſah ihn ſogar auf einen verwundeten Haſen ſtoßen und zuweilen eine
angeſchoſſene Ente aufnehmen. Doch bilden Lurche unter allen Umſtänden ſein Lieblingswild. Er
geht beim Angriffe ſo verſtändig zu Werke, daß ihm ſelbſt die gefährlichſte Schlange wenig oder Nichts
anhaben kann. Seine Kunſt im Jagen ſcheint ihm angeboren zu ſein. „Mein jung aufgezogener
Schlangenadler‟, ſo ſchreibt Mechlenburg an Lenz, „ſtürzt ſich blitzſchnell auf jede Schlange, ſie
mag ſo groß und wüthend ſein, als ſie will, packt ſie dicht hinter dem Kopf mit dem einen Fuße und
gewöhnlich mit dem andern Fuße weiter hinten, unter lautem Geſchrei und Flügelſchlägen; mit dem
Schnabel beißt er dicht hinter dem Kopfe die Sehnen und Bänder durch, und das Thier liegt wider-
ſtandslos in ſeinen Fängen. Nach einigen Minuten beginnt er das Verſchlingen, indem er die ſich
noch ſtark windende Schlange, den Kopf voran, verſchluckt und bei jedem Schluck ihr das Rückgrath
zerbeißt. Er hat in Einem Vormittage binnen wenigen Stunden drei große Schlangen verzehrt,
worunter eine faſt vier Fuß lange und ſehr dicke. Nie zerreißt er eine Schlange, um ſie ſtückweis zu
verſchlingen. Die Schuppen ſpeit er ſpäterhin in Ballen aus. Schlangen zieht er jedem andern
Nahrungsmittel vor. Zu gleicher Zeit habe ich ihm lebende Schlangen, Ratten, Vögel und Fröſche
gebracht, doch fuhr er, die ihm näher beſindlichen Thiere nicht berückſichtigend, auf die entfernteren
Schlangen los.‟ Elliot erwähnt, daß man einen geſehen habe, welcher von einer Schlange eng
umringelt worden war, deren Kopf aber doch ſo feſt hielt, daß alle Anſtrengungen des Giftlurches
vergeblich waren. Uebrigens iſt die Geſchicklichkeit des Schlangenbuſſards und ſein dichtes Gefieder
ſein einziger Schutz gegen das Gift der Schlangen; denn er iſt keineswegs giftfeſt, wie man früher
glaubte. Auf den Wunſch von Lenz ließ Mechlenburg ſeinen Schlangenbuſſard von einer Kreuz-
otter beißen und zwar in den Kropf. Der Vogel verlor von Stund an ſeine Munterkeit und endete
am dritten Tage.
Der Horſt, welcher ausnahmsweiſe auf Felſen ſteht, wird Anfangs Juni erbaut oder bezüglich
wieder bezogen; denn das Paar kehrt, auch wenn ihm die Eier genommen werden, viele Jahre lang
regelmäßig zu demſelben Horſte zurück. Er iſt kaum größer, als der Horſt unſeres Buſſards, beſteht
aus dürren, nicht eben ſtarken Zweigen, und die flache Neſtmulde iſt mit eben ſolchen ausgelegt. Wie
bei andern Raubvögeln kleiden die Alten die Neſtmulde wohl auch mit grünem Laub aus und
befeſtigen außerdem grüne Zweige als Schattendach. Man hat regelmäßig nur ein einziges Ei
gefunden und zwar in den erſten Tagen des Mais, bald nach Ankunft der Vögel am Horſte. Jerdon
und andere Forſcher ſprechen übrigens auch von zwei Eiern in ein und demſelben Horſte. Das Ei iſt
länglichrund, verhältnißmäßig ſehr groß, dünn und rauhſchalig und bläulichweiß von Farbe. Beide
Gatten brüten nach Mechlenburg achtundzwanzig Tage lang, beide theilen ſich auch in Erziehung
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/538>, abgerufen am 22.11.2024.
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