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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Schlangen-, und Schopfbussard.
und Auffütterung der Jungen. Bei Gefahr trägt die besorgte Mutter ihre Jungen einem andern
Horste zu. Dies beobachteten übereinstimmend Graf Wodzicki und die Jäger des Prinzen
von Wied.

Jung aufgezogene Schlangenadler werden bald zahm und zutraulich; doch muß man sich, um
Solches zu erreichen, viel mit ihnen abgeben. Bei der Fütterung geberden sie sich, nach Homeyer,
sehr eigenthümlich. Sie stürzen sich auf die hingeworfenen Fleischstücke mit einem großen Sprunge,
legen sich mit ausgebreiteten Flügeln darauf, schreien laut und wohlklingend "bli bli", fast wie ein
Bussard und sehen sich mißtrauisch um, als glaubten sie, daß ihnen jeder andere Vogel die Nahrung
wegnehmen wolle. Jhr Futterneid zeigt sich also schon in frühester Jugend. Leider ist es gar nicht
so leicht, einen Schlangenbussard für den Käfig zu erhalten. Jch habe nur zwei von ihnen in der
Gefangenschaft beobachten können, den einen im Thiergarten von Marseille, den andern in dem unsrigen.
Der letztere war durch einen Schuß schwer am Flügel verwundet worden und unsere Mühe, ihn zu
heilen, leider vergeblich, sodaß wir uns genöthigt sahen, den Fittig ihm abzulösen. Auch dieser Vogel
wurde bald so zahm, daß er ungescheut in unserer Gegenwart fraß; er war aber selbstverständlich nicht
im Stande, uns sein eigentliches Wesen zu offenbaren. Still und ruhig saß er auf ein und derselben
Stelle und starrte Jeden, welcher sich ihm näherte, furchtlos mit den großen Augen an. Er starb bei
Eintritt der rauhen Witterung. Von andern Gefangenen hat man beobachtet, daß sie sich gern mit
den Füßen in ihr Wassergefäß stellen und hier stundenlang verweilen; der unsrige that Dies nicht.



Sehr ausgezeichnete Bussarde bewohnen Südafrika und Südasien, namentlich die malaiischen Jnseln.
Man hat sie Flecken- oder Schopfbussard (Spilornis) genannt. Die bekannten Arten sind Vögel
von ansehnlicher Größe, kräftig gebaut, mit langen und spitzen Flügeln, welche bis zur Schwanzhälfte
hinabreichen und deren vierte Schwinge die längste ist, mit ziemlich langem, abgerundeten Schwanz,
verhältnißmäßig hohen Läufen, kurzen und starken Fängen. Der Schnabel ist gerade an der Wurzel,
gegen die Spitze hin stark gekrümmt und in einen mittellangen, ziemlich spitzen Haken ausgebogen.
Die Schneide des Oberkiefers ist zahnlos, der Rand des Unterkiefers gegen die Spitzen hin aus-
geschnitten. Das reiche Gesieder verlängert sich auf dem Hinterhaupt zu einem schönen Schopfe.

Le Vaillant beschreibt einen hierher gehörigen Vogel, welchen er Bacha nannte (Spilornis
Bacha
). Dieser erreicht eine Länge von 22 bis 24 Zoll, wovon 10 Zoll auf den Schwanz kommen.
Die Färbung ist ein düsteres Graubraun, welches auf der Oberseite dunkler, als auf der untern ist.
Auf dem Flügelrande, der Unterbrust, dem Bauche und den Schenkeln ist jede einzelne Feder mit drei
bis vier runden weißen Punkten bezeichnet, welche lebhaft von dem dunkeln Grunde abstechen. Die
Flügel sind schwärzlichgraubraun, ihre Deckfedern weiß gerandet; die Steuerfedern zeigen in der Mitte
eine breite gilblichweiße Binde und sind an der Spitze grauweiß gesäumt; die Schopffedern sind weiß,
an der Spitze aber schwarz, wie die Federn der Stirn. Das Auge ist braunroth, die Wachshaut und
der Fuß sind gelb, der Schnabel ist graulichhornblau.

Es scheint, als ob der Bacha seit Le Vaillant am Vorgebirge der guten Hoffnung nicht wieder
erlegt worden sei, und F. Heine glaubt sich deshalb berechtigt, Le Vaillant's Lebensbeschreibung
des Vogels für erfunden zu halten. Wer, wie ich, die Genauigkeit der Le Vaillant'schen Beschrei-
bungen durch eigene Beobachtungen erprobt hat, wird minder voreilig sein. Bis jetzt ist nach meiner
Ansicht durchaus kein Grund vorhanden, Le Vaillant hinsichtlich dieses Vogels an den Pranger
zu stellen.

Der Bacha bewohnt das Jnnere Südafrikas und Java, Ostindien, Nepal und China, falls der
asiatische Vogel wirklich mit dem afrikanischen als gleichartig betrachtet werden darf. Nach Le Vail-
lant
hält er sich in den dürrsten und unfruchtbarsten Gebirgsgegenden des Jnnern auf und jagt hier

Schlangen-, und Schopfbuſſard.
und Auffütterung der Jungen. Bei Gefahr trägt die beſorgte Mutter ihre Jungen einem andern
Horſte zu. Dies beobachteten übereinſtimmend Graf Wodzicki und die Jäger des Prinzen
von Wied.

Jung aufgezogene Schlangenadler werden bald zahm und zutraulich; doch muß man ſich, um
Solches zu erreichen, viel mit ihnen abgeben. Bei der Fütterung geberden ſie ſich, nach Homeyer,
ſehr eigenthümlich. Sie ſtürzen ſich auf die hingeworfenen Fleiſchſtücke mit einem großen Sprunge,
legen ſich mit ausgebreiteten Flügeln darauf, ſchreien laut und wohlklingend „bli bli‟, faſt wie ein
Buſſard und ſehen ſich mißtrauiſch um, als glaubten ſie, daß ihnen jeder andere Vogel die Nahrung
wegnehmen wolle. Jhr Futterneid zeigt ſich alſo ſchon in früheſter Jugend. Leider iſt es gar nicht
ſo leicht, einen Schlangenbuſſard für den Käfig zu erhalten. Jch habe nur zwei von ihnen in der
Gefangenſchaft beobachten können, den einen im Thiergarten von Marſeille, den andern in dem unſrigen.
Der letztere war durch einen Schuß ſchwer am Flügel verwundet worden und unſere Mühe, ihn zu
heilen, leider vergeblich, ſodaß wir uns genöthigt ſahen, den Fittig ihm abzulöſen. Auch dieſer Vogel
wurde bald ſo zahm, daß er ungeſcheut in unſerer Gegenwart fraß; er war aber ſelbſtverſtändlich nicht
im Stande, uns ſein eigentliches Weſen zu offenbaren. Still und ruhig ſaß er auf ein und derſelben
Stelle und ſtarrte Jeden, welcher ſich ihm näherte, furchtlos mit den großen Augen an. Er ſtarb bei
Eintritt der rauhen Witterung. Von andern Gefangenen hat man beobachtet, daß ſie ſich gern mit
den Füßen in ihr Waſſergefäß ſtellen und hier ſtundenlang verweilen; der unſrige that Dies nicht.



Sehr ausgezeichnete Buſſarde bewohnen Südafrika und Südaſien, namentlich die malaiiſchen Jnſeln.
Man hat ſie Flecken- oder Schopfbuſſard (Spilornis) genannt. Die bekannten Arten ſind Vögel
von anſehnlicher Größe, kräftig gebaut, mit langen und ſpitzen Flügeln, welche bis zur Schwanzhälfte
hinabreichen und deren vierte Schwinge die längſte iſt, mit ziemlich langem, abgerundeten Schwanz,
verhältnißmäßig hohen Läufen, kurzen und ſtarken Fängen. Der Schnabel iſt gerade an der Wurzel,
gegen die Spitze hin ſtark gekrümmt und in einen mittellangen, ziemlich ſpitzen Haken ausgebogen.
Die Schneide des Oberkiefers iſt zahnlos, der Rand des Unterkiefers gegen die Spitzen hin aus-
geſchnitten. Das reiche Geſieder verlängert ſich auf dem Hinterhaupt zu einem ſchönen Schopfe.

Le Vaillant beſchreibt einen hierher gehörigen Vogel, welchen er Bacha nannte (Spilornis
Bacha
). Dieſer erreicht eine Länge von 22 bis 24 Zoll, wovon 10 Zoll auf den Schwanz kommen.
Die Färbung iſt ein düſteres Graubraun, welches auf der Oberſeite dunkler, als auf der untern iſt.
Auf dem Flügelrande, der Unterbruſt, dem Bauche und den Schenkeln iſt jede einzelne Feder mit drei
bis vier runden weißen Punkten bezeichnet, welche lebhaft von dem dunkeln Grunde abſtechen. Die
Flügel ſind ſchwärzlichgraubraun, ihre Deckfedern weiß gerandet; die Steuerfedern zeigen in der Mitte
eine breite gilblichweiße Binde und ſind an der Spitze grauweiß geſäumt; die Schopffedern ſind weiß,
an der Spitze aber ſchwarz, wie die Federn der Stirn. Das Auge iſt braunroth, die Wachshaut und
der Fuß ſind gelb, der Schnabel iſt graulichhornblau.

Es ſcheint, als ob der Bacha ſeit Le Vaillant am Vorgebirge der guten Hoffnung nicht wieder
erlegt worden ſei, und F. Heine glaubt ſich deshalb berechtigt, Le Vaillant’s Lebensbeſchreibung
des Vogels für erfunden zu halten. Wer, wie ich, die Genauigkeit der Le Vaillant’ſchen Beſchrei-
bungen durch eigene Beobachtungen erprobt hat, wird minder voreilig ſein. Bis jetzt iſt nach meiner
Anſicht durchaus kein Grund vorhanden, Le Vaillant hinſichtlich dieſes Vogels an den Pranger
zu ſtellen.

Der Bacha bewohnt das Jnnere Südafrikas und Java, Oſtindien, Nepal und China, falls der
aſiatiſche Vogel wirklich mit dem afrikaniſchen als gleichartig betrachtet werden darf. Nach Le Vail-
lant
hält er ſich in den dürrſten und unfruchtbarſten Gebirgsgegenden des Jnnern auf und jagt hier

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[507/0539] Schlangen-, und Schopfbuſſard. und Auffütterung der Jungen. Bei Gefahr trägt die beſorgte Mutter ihre Jungen einem andern Horſte zu. Dies beobachteten übereinſtimmend Graf Wodzicki und die Jäger des Prinzen von Wied. Jung aufgezogene Schlangenadler werden bald zahm und zutraulich; doch muß man ſich, um Solches zu erreichen, viel mit ihnen abgeben. Bei der Fütterung geberden ſie ſich, nach Homeyer, ſehr eigenthümlich. Sie ſtürzen ſich auf die hingeworfenen Fleiſchſtücke mit einem großen Sprunge, legen ſich mit ausgebreiteten Flügeln darauf, ſchreien laut und wohlklingend „bli bli‟, faſt wie ein Buſſard und ſehen ſich mißtrauiſch um, als glaubten ſie, daß ihnen jeder andere Vogel die Nahrung wegnehmen wolle. Jhr Futterneid zeigt ſich alſo ſchon in früheſter Jugend. Leider iſt es gar nicht ſo leicht, einen Schlangenbuſſard für den Käfig zu erhalten. Jch habe nur zwei von ihnen in der Gefangenſchaft beobachten können, den einen im Thiergarten von Marſeille, den andern in dem unſrigen. Der letztere war durch einen Schuß ſchwer am Flügel verwundet worden und unſere Mühe, ihn zu heilen, leider vergeblich, ſodaß wir uns genöthigt ſahen, den Fittig ihm abzulöſen. Auch dieſer Vogel wurde bald ſo zahm, daß er ungeſcheut in unſerer Gegenwart fraß; er war aber ſelbſtverſtändlich nicht im Stande, uns ſein eigentliches Weſen zu offenbaren. Still und ruhig ſaß er auf ein und derſelben Stelle und ſtarrte Jeden, welcher ſich ihm näherte, furchtlos mit den großen Augen an. Er ſtarb bei Eintritt der rauhen Witterung. Von andern Gefangenen hat man beobachtet, daß ſie ſich gern mit den Füßen in ihr Waſſergefäß ſtellen und hier ſtundenlang verweilen; der unſrige that Dies nicht. Sehr ausgezeichnete Buſſarde bewohnen Südafrika und Südaſien, namentlich die malaiiſchen Jnſeln. Man hat ſie Flecken- oder Schopfbuſſard (Spilornis) genannt. Die bekannten Arten ſind Vögel von anſehnlicher Größe, kräftig gebaut, mit langen und ſpitzen Flügeln, welche bis zur Schwanzhälfte hinabreichen und deren vierte Schwinge die längſte iſt, mit ziemlich langem, abgerundeten Schwanz, verhältnißmäßig hohen Läufen, kurzen und ſtarken Fängen. Der Schnabel iſt gerade an der Wurzel, gegen die Spitze hin ſtark gekrümmt und in einen mittellangen, ziemlich ſpitzen Haken ausgebogen. Die Schneide des Oberkiefers iſt zahnlos, der Rand des Unterkiefers gegen die Spitzen hin aus- geſchnitten. Das reiche Geſieder verlängert ſich auf dem Hinterhaupt zu einem ſchönen Schopfe. Le Vaillant beſchreibt einen hierher gehörigen Vogel, welchen er Bacha nannte (Spilornis Bacha). Dieſer erreicht eine Länge von 22 bis 24 Zoll, wovon 10 Zoll auf den Schwanz kommen. Die Färbung iſt ein düſteres Graubraun, welches auf der Oberſeite dunkler, als auf der untern iſt. Auf dem Flügelrande, der Unterbruſt, dem Bauche und den Schenkeln iſt jede einzelne Feder mit drei bis vier runden weißen Punkten bezeichnet, welche lebhaft von dem dunkeln Grunde abſtechen. Die Flügel ſind ſchwärzlichgraubraun, ihre Deckfedern weiß gerandet; die Steuerfedern zeigen in der Mitte eine breite gilblichweiße Binde und ſind an der Spitze grauweiß geſäumt; die Schopffedern ſind weiß, an der Spitze aber ſchwarz, wie die Federn der Stirn. Das Auge iſt braunroth, die Wachshaut und der Fuß ſind gelb, der Schnabel iſt graulichhornblau. Es ſcheint, als ob der Bacha ſeit Le Vaillant am Vorgebirge der guten Hoffnung nicht wieder erlegt worden ſei, und F. Heine glaubt ſich deshalb berechtigt, Le Vaillant’s Lebensbeſchreibung des Vogels für erfunden zu halten. Wer, wie ich, die Genauigkeit der Le Vaillant’ſchen Beſchrei- bungen durch eigene Beobachtungen erprobt hat, wird minder voreilig ſein. Bis jetzt iſt nach meiner Anſicht durchaus kein Grund vorhanden, Le Vaillant hinſichtlich dieſes Vogels an den Pranger zu ſtellen. Der Bacha bewohnt das Jnnere Südafrikas und Java, Oſtindien, Nepal und China, falls der aſiatiſche Vogel wirklich mit dem afrikaniſchen als gleichartig betrachtet werden darf. Nach Le Vail- lant hält er ſich in den dürrſten und unfruchtbarſten Gebirgsgegenden des Jnnern auf und jagt hier

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/539>, abgerufen am 22.11.2024.