würgen. Beim Habicht soll er sich zuweilen zu Gaste bitten, d. h. so lange in der Nähe des fressenden Räubers warten, bis dieser seine Tafel aufgehoben hat und dann mit Dem vorlieb nehmen, was jener übrig läßt. Jm Hochsommer endlich soll er, außer den Heidelbeeren, auch Preißel- und andere Wald- beeren gern verzehren.
Der Horst steht gewöhnlich in geringer Höhe auf den unteren Aesten starker Buchen oder Eichen, seltener im Schwarzwalde, oft kaum versteckt und zuweilen dicht an belebten Fahrstraßen; der Wespen- bussard scheint sich also keine Mühe zu geben, ihn zu verbergen. Der Bau selbst ist schlecht; er besteht aus dünnen Reisern, welche leicht über einander geschichtet und zuweilen so liederlich zusammengelegt sind, daß man von unten aus die Eier durchschimmern sehen kann. Zwei bis vier Eier, welche nach Gestalt und Farbe sehr abweichen, bilden das Gelege. Die Eier sind bald rundlich, bald eiförmig; ihre Schale ist mehr oder weniger glänzend und auf gelbweißem oder braunrothen Grunde heller oder dunkler marmorirt, zuweilen gleichmäßig, zuweilen auf der einen Hälfte dunkler, als auf der andern. Ob beide Geschlechter sich im Brüten abwechseln oder ob nur das Weibchen brütet, ist zur Zeit noch nicht mit Sicherheit festgestellt. Die beiden Jungen werden anfänglich mit Raupen, Fliegen und andern Kerbthieren ernährt und zwar, indem die Eltern ihnen die im Schlunde gesammelte Speise vorspeien, während sie später ganze, mit Brut angefüllte Waben und Wespennester auftischen und schließlich auch junge Frösche, Vögel und dergl. herbeischaffen.
Der Wespenbussard wird von allen kleinen Vögeln und von den Krähen bitter gehaßt, hat aber unter den Thieren eigentlich keinen Feind, welcher ihm schädlich werden könnte. Der Mensch verfolgt ihn nicht; denn der Nutzen, welchen er bringt, überwiegt den von ihm angerichteten Schaden sehr bedeutend.
Jn der Gefangenschaft ist der Wespenbussard höchst unterhaltend, wie aus den nachstehend wieder- gegebenen Worten von Behrends hervorgehen mag. "Ein schon flugbares junges Männchen, welches ich bei dem Horste eingefangen, ward schon nach wenigen Wochen gegen ihm bekannte Per- sonen, wie auch gegen meine Hunde im hohen Grade zutraulich, ja anhänglich, stellte sich aber gegen jeden fremden Hund in Positur, sträubte die Federn und ging auf ihn los. Eine besondere Zunei- gung hatte er gegen einen kleinen Hund, dem er fast beständig zur Seite war. Lag der Hund, so setzte der Vogel sich zwischen seine Füße, spielte mit ihm oder zauste mit dem Schnabel seine Haare, was er sich denn auch gutwillig gefallen ließ. Nur beim Fressen war der Vogel zuweilen tückisch, jagte die Hunde vom Futter, die sich ihm, auch selbst ein großer Jagdhund, nicht widersetzten, und bewachte das Futter oft längere Zeit ohne selbst davon zu fressen. Er lief in und außer dem Hause umher, und fand er eine Thür verschlossen, so schrie er aus Leibeskräften solange, bis solche geöffnet wurde. Einen öffentlichen Garten in der Nähe meiner Wohnung, wo er ein beliebter Gast war und immer Etwas zugeworfen erhielt, besuchte er im Sommer täglich; im Spätsommer und Herbste lief er oft halbe Tage lang nah- rungsuchend auf den Stoppelfeldern herum. Er hörte auf den Ruf "Hans", kam aber nur, wenn er gelaunt oder hungrig war. Jn Zeiten guter Laune sprang er Frauenzimmern auf den Schoß, hob oft einen Flügel auf, um sich unter demselben krauen zu lassen, wobei er unter sichtlichem Wohlbehagen die Augen zudrückte; oder setzte sich auf deren Schultern und spielte in den Haaren herum, die er durch den Schnabel zog; dabei ließ er immer einen piependen Ton hören. That ihm Jemand Etwas zu Leide, so merkte er es lange Zeit und mied diese Person. Hatte er Hunger, so lief er der Magd, die ihn gewöhnlich fütterte, schreiend im ganzen Hause nach und zupfte dabei an deren Kleidern; wollte sie ihn abwehren, so schrie er entsetzlich und stellte sich zur Wehre. Seine liebste Nahrung war Semmel und Milch; doch fraß er auch alles Andere, wie Fleisch, Mehlspeisen, Kartoffeln, zuweilen auch einen kleinen Vogel. Ein Wespennest, welches in einem Garten an einem Busche hing, interessirte ihn nicht im Mindesten. Wespen, die ihm um den Kopf flogen, suchte er durch Kopf- schütteln abzuwehren, hielt man ihm solche vor den Schnabel, so biß er dieselben todt, fraß aber nie eine."
"Doch will ich diese Beobachtung durchaus nicht als Beweis für meine Behauptung, daß der Wespenfalk keine flugbare Wespe fresse, anführen, da bekanntlich die meisten in der Gefangenschaft
Die Fänger. Raubvögel. Buſſarde.
würgen. Beim Habicht ſoll er ſich zuweilen zu Gaſte bitten, d. h. ſo lange in der Nähe des freſſenden Räubers warten, bis dieſer ſeine Tafel aufgehoben hat und dann mit Dem vorlieb nehmen, was jener übrig läßt. Jm Hochſommer endlich ſoll er, außer den Heidelbeeren, auch Preißel- und andere Wald- beeren gern verzehren.
Der Horſt ſteht gewöhnlich in geringer Höhe auf den unteren Aeſten ſtarker Buchen oder Eichen, ſeltener im Schwarzwalde, oft kaum verſteckt und zuweilen dicht an belebten Fahrſtraßen; der Weſpen- buſſard ſcheint ſich alſo keine Mühe zu geben, ihn zu verbergen. Der Bau ſelbſt iſt ſchlecht; er beſteht aus dünnen Reiſern, welche leicht über einander geſchichtet und zuweilen ſo liederlich zuſammengelegt ſind, daß man von unten aus die Eier durchſchimmern ſehen kann. Zwei bis vier Eier, welche nach Geſtalt und Farbe ſehr abweichen, bilden das Gelege. Die Eier ſind bald rundlich, bald eiförmig; ihre Schale iſt mehr oder weniger glänzend und auf gelbweißem oder braunrothen Grunde heller oder dunkler marmorirt, zuweilen gleichmäßig, zuweilen auf der einen Hälfte dunkler, als auf der andern. Ob beide Geſchlechter ſich im Brüten abwechſeln oder ob nur das Weibchen brütet, iſt zur Zeit noch nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt. Die beiden Jungen werden anfänglich mit Raupen, Fliegen und andern Kerbthieren ernährt und zwar, indem die Eltern ihnen die im Schlunde geſammelte Speiſe vorſpeien, während ſie ſpäter ganze, mit Brut angefüllte Waben und Weſpenneſter auftiſchen und ſchließlich auch junge Fröſche, Vögel und dergl. herbeiſchaffen.
Der Weſpenbuſſard wird von allen kleinen Vögeln und von den Krähen bitter gehaßt, hat aber unter den Thieren eigentlich keinen Feind, welcher ihm ſchädlich werden könnte. Der Menſch verfolgt ihn nicht; denn der Nutzen, welchen er bringt, überwiegt den von ihm angerichteten Schaden ſehr bedeutend.
Jn der Gefangenſchaft iſt der Weſpenbuſſard höchſt unterhaltend, wie aus den nachſtehend wieder- gegebenen Worten von Behrends hervorgehen mag. „Ein ſchon flugbares junges Männchen, welches ich bei dem Horſte eingefangen, ward ſchon nach wenigen Wochen gegen ihm bekannte Per- ſonen, wie auch gegen meine Hunde im hohen Grade zutraulich, ja anhänglich, ſtellte ſich aber gegen jeden fremden Hund in Poſitur, ſträubte die Federn und ging auf ihn los. Eine beſondere Zunei- gung hatte er gegen einen kleinen Hund, dem er faſt beſtändig zur Seite war. Lag der Hund, ſo ſetzte der Vogel ſich zwiſchen ſeine Füße, ſpielte mit ihm oder zauſte mit dem Schnabel ſeine Haare, was er ſich denn auch gutwillig gefallen ließ. Nur beim Freſſen war der Vogel zuweilen tückiſch, jagte die Hunde vom Futter, die ſich ihm, auch ſelbſt ein großer Jagdhund, nicht widerſetzten, und bewachte das Futter oft längere Zeit ohne ſelbſt davon zu freſſen. Er lief in und außer dem Hauſe umher, und fand er eine Thür verſchloſſen, ſo ſchrie er aus Leibeskräften ſolange, bis ſolche geöffnet wurde. Einen öffentlichen Garten in der Nähe meiner Wohnung, wo er ein beliebter Gaſt war und immer Etwas zugeworfen erhielt, beſuchte er im Sommer täglich; im Spätſommer und Herbſte lief er oft halbe Tage lang nah- rungſuchend auf den Stoppelfeldern herum. Er hörte auf den Ruf „Hans‟, kam aber nur, wenn er gelaunt oder hungrig war. Jn Zeiten guter Laune ſprang er Frauenzimmern auf den Schoß, hob oft einen Flügel auf, um ſich unter demſelben krauen zu laſſen, wobei er unter ſichtlichem Wohlbehagen die Augen zudrückte; oder ſetzte ſich auf deren Schultern und ſpielte in den Haaren herum, die er durch den Schnabel zog; dabei ließ er immer einen piependen Ton hören. That ihm Jemand Etwas zu Leide, ſo merkte er es lange Zeit und mied dieſe Perſon. Hatte er Hunger, ſo lief er der Magd, die ihn gewöhnlich fütterte, ſchreiend im ganzen Hauſe nach und zupfte dabei an deren Kleidern; wollte ſie ihn abwehren, ſo ſchrie er entſetzlich und ſtellte ſich zur Wehre. Seine liebſte Nahrung war Semmel und Milch; doch fraß er auch alles Andere, wie Fleiſch, Mehlſpeiſen, Kartoffeln, zuweilen auch einen kleinen Vogel. Ein Weſpenneſt, welches in einem Garten an einem Buſche hing, intereſſirte ihn nicht im Mindeſten. Weſpen, die ihm um den Kopf flogen, ſuchte er durch Kopf- ſchütteln abzuwehren, hielt man ihm ſolche vor den Schnabel, ſo biß er dieſelben todt, fraß aber nie eine.‟
„Doch will ich dieſe Beobachtung durchaus nicht als Beweis für meine Behauptung, daß der Weſpenfalk keine flugbare Weſpe freſſe, anführen, da bekanntlich die meiſten in der Gefangenſchaft
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[510/0542]
Die Fänger. Raubvögel. Buſſarde.
würgen. Beim Habicht ſoll er ſich zuweilen zu Gaſte bitten, d. h. ſo lange in der Nähe des freſſenden
Räubers warten, bis dieſer ſeine Tafel aufgehoben hat und dann mit Dem vorlieb nehmen, was jener
übrig läßt. Jm Hochſommer endlich ſoll er, außer den Heidelbeeren, auch Preißel- und andere Wald-
beeren gern verzehren.
Der Horſt ſteht gewöhnlich in geringer Höhe auf den unteren Aeſten ſtarker Buchen oder Eichen,
ſeltener im Schwarzwalde, oft kaum verſteckt und zuweilen dicht an belebten Fahrſtraßen; der Weſpen-
buſſard ſcheint ſich alſo keine Mühe zu geben, ihn zu verbergen. Der Bau ſelbſt iſt ſchlecht; er beſteht
aus dünnen Reiſern, welche leicht über einander geſchichtet und zuweilen ſo liederlich zuſammengelegt
ſind, daß man von unten aus die Eier durchſchimmern ſehen kann. Zwei bis vier Eier, welche nach
Geſtalt und Farbe ſehr abweichen, bilden das Gelege. Die Eier ſind bald rundlich, bald eiförmig;
ihre Schale iſt mehr oder weniger glänzend und auf gelbweißem oder braunrothen Grunde heller oder
dunkler marmorirt, zuweilen gleichmäßig, zuweilen auf der einen Hälfte dunkler, als auf der andern.
Ob beide Geſchlechter ſich im Brüten abwechſeln oder ob nur das Weibchen brütet, iſt zur Zeit noch
nicht mit Sicherheit feſtgeſtellt. Die beiden Jungen werden anfänglich mit Raupen, Fliegen und
andern Kerbthieren ernährt und zwar, indem die Eltern ihnen die im Schlunde geſammelte Speiſe
vorſpeien, während ſie ſpäter ganze, mit Brut angefüllte Waben und Weſpenneſter auftiſchen und
ſchließlich auch junge Fröſche, Vögel und dergl. herbeiſchaffen.
Der Weſpenbuſſard wird von allen kleinen Vögeln und von den Krähen bitter gehaßt, hat aber
unter den Thieren eigentlich keinen Feind, welcher ihm ſchädlich werden könnte. Der Menſch verfolgt ihn
nicht; denn der Nutzen, welchen er bringt, überwiegt den von ihm angerichteten Schaden ſehr bedeutend.
Jn der Gefangenſchaft iſt der Weſpenbuſſard höchſt unterhaltend, wie aus den nachſtehend wieder-
gegebenen Worten von Behrends hervorgehen mag. „Ein ſchon flugbares junges Männchen,
welches ich bei dem Horſte eingefangen, ward ſchon nach wenigen Wochen gegen ihm bekannte Per-
ſonen, wie auch gegen meine Hunde im hohen Grade zutraulich, ja anhänglich, ſtellte ſich aber gegen
jeden fremden Hund in Poſitur, ſträubte die Federn und ging auf ihn los. Eine beſondere Zunei-
gung hatte er gegen einen kleinen Hund, dem er faſt beſtändig zur Seite war. Lag der Hund, ſo ſetzte
der Vogel ſich zwiſchen ſeine Füße, ſpielte mit ihm oder zauſte mit dem Schnabel ſeine Haare, was er ſich
denn auch gutwillig gefallen ließ. Nur beim Freſſen war der Vogel zuweilen tückiſch, jagte die Hunde
vom Futter, die ſich ihm, auch ſelbſt ein großer Jagdhund, nicht widerſetzten, und bewachte das Futter oft
längere Zeit ohne ſelbſt davon zu freſſen. Er lief in und außer dem Hauſe umher, und fand er eine
Thür verſchloſſen, ſo ſchrie er aus Leibeskräften ſolange, bis ſolche geöffnet wurde. Einen öffentlichen
Garten in der Nähe meiner Wohnung, wo er ein beliebter Gaſt war und immer Etwas zugeworfen
erhielt, beſuchte er im Sommer täglich; im Spätſommer und Herbſte lief er oft halbe Tage lang nah-
rungſuchend auf den Stoppelfeldern herum. Er hörte auf den Ruf „Hans‟, kam aber nur, wenn er
gelaunt oder hungrig war. Jn Zeiten guter Laune ſprang er Frauenzimmern auf den Schoß, hob
oft einen Flügel auf, um ſich unter demſelben krauen zu laſſen, wobei er unter ſichtlichem Wohlbehagen
die Augen zudrückte; oder ſetzte ſich auf deren Schultern und ſpielte in den Haaren herum, die er
durch den Schnabel zog; dabei ließ er immer einen piependen Ton hören. That ihm Jemand Etwas
zu Leide, ſo merkte er es lange Zeit und mied dieſe Perſon. Hatte er Hunger, ſo lief er der Magd,
die ihn gewöhnlich fütterte, ſchreiend im ganzen Hauſe nach und zupfte dabei an deren Kleidern; wollte
ſie ihn abwehren, ſo ſchrie er entſetzlich und ſtellte ſich zur Wehre. Seine liebſte Nahrung war
Semmel und Milch; doch fraß er auch alles Andere, wie Fleiſch, Mehlſpeiſen, Kartoffeln, zuweilen
auch einen kleinen Vogel. Ein Weſpenneſt, welches in einem Garten an einem Buſche hing,
intereſſirte ihn nicht im Mindeſten. Weſpen, die ihm um den Kopf flogen, ſuchte er durch Kopf-
ſchütteln abzuwehren, hielt man ihm ſolche vor den Schnabel, ſo biß er dieſelben todt, fraß
aber nie eine.‟
„Doch will ich dieſe Beobachtung durchaus nicht als Beweis für meine Behauptung, daß der
Weſpenfalk keine flugbare Weſpe freſſe, anführen, da bekanntlich die meiſten in der Gefangenſchaft
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/542>, abgerufen am 22.11.2024.
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