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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Allgemeines. Chimango.
ist gut entwickelt, aber auch der Geruch scheint wohl ausgebildet zu sein; wenigstens sind die Nasen-
löcher, wie bei den Geiern, immer feucht. Jhr geistiges Wesen ist ein Gemisch von Harmlosigkeit
und Frechheit, von Geselligkeit und Unverträglichkeit. Verstand kann man ihnen keineswegs
absprechen, liebenswürdig aber sind sie nicht. Besonders unangenehm ist auch ihr oft wiederholter,
durchdringender Schrei, welcher unter lebhaften Bewegungen des Kopfes ausgestoßen und namentlich
dann vernommen wird, wenn der Geierfalk etwas Genießbares erspäht hat.

Der Horst wird oft auf dem Boden, ebenso häufig aber auch auf Bäumen angelegt. Die Eier
sind rundlich und fleckig, nach Art anderer Falkeneier. Jhrer zwei bis sechs bilden das Gelege.
Beide Eltern scheinen zu brüten, und beide lieben ihre Brut in hohem Grade.

Gefangene Geierfalken gelangen sehr selten zu uns. Jn Brasilien scheint sich Niemand mit
ihnen abgeben zu wollen, und nach Europa schickt man sie nicht, weil man sie für zu gemein, zu
werthlos hält. Deshalb gehören sie in unsern Thiergärten zu den seltneren Erscheinungen.



Eine der verbreitetsten Arten der Familie ist der Chimango, wie die Brasilianer ihn nennen
(Milvago Chimachina). Er ist schlank gebaut, sein Kopf mäßig groß, der Flügel lang und zugespitzt,
in ihm die vierte Schwinge die längste, der Schwanz mäßig lang, ein wenig abgerundet, der Fuß
mittelhoch und schlank, am Laufe nur wenig befiedert, mit ziemlich langen Zehen, welche mit mäßig
starken und gekrümmten Klauen bewehrt sind. Der Schnabel ist gestreckt, schwach, kurzhakig, am
Rande des Oberkiefers ohne Zahn; die Wachshaut ist ziemlich breit, vor dem runden, mit erhabenem
Rande umgebenen Nasenloche ausgebuchtet; das Gefieder deckt die Kehle nur spärlich und läßt den
Zügel und die Umgebung des Auges frei. Beim alten Vogel ist die allgemeine Färbung ein
schmuziges Weiß; die Flügel, der Rücken, der Schwanz und ein Streifen vom Auge nach dem
Hinterkopfe sind dunkelbraun, die vier vordersten Schwingen sind in ihrer Mitte an beiden Fahnen
weiß und dunkel punktirt, wodurch ein lichtes Querband entsteht; die übrigen Schwingen sind an der
Wurzel gelblichweiß, schwärzlich in die Quere gestreift, an der Spitzenhälfte schwarzbraun; die
Schwanzfedern haben breite schwarzbraune Spitzen, im Uebrigen sind sie auf weißlichem Grunde
schmal schwarzbraun gebändert. Das große Auge ist graubraun, der Schnabel an der Wurzel blaß-
bläulichweiß, an der Spitze lichter; die Wachshaut, der Zügel, das Augenlid, eine schmale Einfassung
des Auges und die Kinnhaut sind orangengelb; der Fuß ist blaßbläulich. Männchen und Weibchen
unterscheiden sich wenig in der Färbung. Das letztere ist schmuziger, und die Binden im Schwanze
sind breiter; auch haben die hintern Schwungfedern weiße Spitzenränder. Bei jungen Vögeln sind
Oberkopf und Wangen dunkelbraun, die Seiten und der Hintertheil des Halfes gelblichweiß und
dunkelbraun gefleckt, der Rücken dunkelbraun, an einigen Federn röthlich gerandet; die Deckfedern der
Flügel sind roth- und schwarzbraun in die Quere gebändert; die Kehle ist schmuzigweißlich, die Brust
schwärzlichbraun, jede Feder in der Mitte gelblich längs gestreift; der Bauch erscheint gilblich. Die
Länge beträgt beim Männchen 14 1/3 , beim Weibchen 151/2 Zoll, die Breite bei jenem 31 Zoll; der
Fittig mißt gegen 10 Zoll, der Schwanz gegen 61/4 Zoll.

Der Chimango verbreitet sich über einen großen Theil Südamerikas. Jn Brasilien ist er
überall häufig; in Guiana lebt er vorzugsweise in der Steppe, namentlich in ausgetrockneten
Sümpfen; in Chile ist er gemein, auf Chiloe ein unsäglich häufiger Vogel, an der Küste von
Patagonien und auf dem Feuerlande immer noch eine regelmäßige Erscheinung. Am liebsten hält
er sich in offenen, ebenen Gegenden auf. Die Triften, auf denen Vieh weidet, sind sein Lieblings-
aufenthalt; weil ihm aber Niemand nachstellt, kommt er auch den menschlichen Wohnungen sehr nahe.
Auf Chiloe sieht man ihn nach Boeck auf allen Dächern der Häuser scharenweise sitzen oder zu

Allgemeines. Chimango.
iſt gut entwickelt, aber auch der Geruch ſcheint wohl ausgebildet zu ſein; wenigſtens ſind die Naſen-
löcher, wie bei den Geiern, immer feucht. Jhr geiſtiges Weſen iſt ein Gemiſch von Harmloſigkeit
und Frechheit, von Geſelligkeit und Unverträglichkeit. Verſtand kann man ihnen keineswegs
abſprechen, liebenswürdig aber ſind ſie nicht. Beſonders unangenehm iſt auch ihr oft wiederholter,
durchdringender Schrei, welcher unter lebhaften Bewegungen des Kopfes ausgeſtoßen und namentlich
dann vernommen wird, wenn der Geierfalk etwas Genießbares erſpäht hat.

Der Horſt wird oft auf dem Boden, ebenſo häufig aber auch auf Bäumen angelegt. Die Eier
ſind rundlich und fleckig, nach Art anderer Falkeneier. Jhrer zwei bis ſechs bilden das Gelege.
Beide Eltern ſcheinen zu brüten, und beide lieben ihre Brut in hohem Grade.

Gefangene Geierfalken gelangen ſehr ſelten zu uns. Jn Braſilien ſcheint ſich Niemand mit
ihnen abgeben zu wollen, und nach Europa ſchickt man ſie nicht, weil man ſie für zu gemein, zu
werthlos hält. Deshalb gehören ſie in unſern Thiergärten zu den ſeltneren Erſcheinungen.



Eine der verbreitetſten Arten der Familie iſt der Chimango, wie die Braſilianer ihn nennen
(Milvago Chimachina). Er iſt ſchlank gebaut, ſein Kopf mäßig groß, der Flügel lang und zugeſpitzt,
in ihm die vierte Schwinge die längſte, der Schwanz mäßig lang, ein wenig abgerundet, der Fuß
mittelhoch und ſchlank, am Laufe nur wenig befiedert, mit ziemlich langen Zehen, welche mit mäßig
ſtarken und gekrümmten Klauen bewehrt ſind. Der Schnabel iſt geſtreckt, ſchwach, kurzhakig, am
Rande des Oberkiefers ohne Zahn; die Wachshaut iſt ziemlich breit, vor dem runden, mit erhabenem
Rande umgebenen Naſenloche ausgebuchtet; das Gefieder deckt die Kehle nur ſpärlich und läßt den
Zügel und die Umgebung des Auges frei. Beim alten Vogel iſt die allgemeine Färbung ein
ſchmuziges Weiß; die Flügel, der Rücken, der Schwanz und ein Streifen vom Auge nach dem
Hinterkopfe ſind dunkelbraun, die vier vorderſten Schwingen ſind in ihrer Mitte an beiden Fahnen
weiß und dunkel punktirt, wodurch ein lichtes Querband entſteht; die übrigen Schwingen ſind an der
Wurzel gelblichweiß, ſchwärzlich in die Quere geſtreift, an der Spitzenhälfte ſchwarzbraun; die
Schwanzfedern haben breite ſchwarzbraune Spitzen, im Uebrigen ſind ſie auf weißlichem Grunde
ſchmal ſchwarzbraun gebändert. Das große Auge iſt graubraun, der Schnabel an der Wurzel blaß-
bläulichweiß, an der Spitze lichter; die Wachshaut, der Zügel, das Augenlid, eine ſchmale Einfaſſung
des Auges und die Kinnhaut ſind orangengelb; der Fuß iſt blaßbläulich. Männchen und Weibchen
unterſcheiden ſich wenig in der Färbung. Das letztere iſt ſchmuziger, und die Binden im Schwanze
ſind breiter; auch haben die hintern Schwungfedern weiße Spitzenränder. Bei jungen Vögeln ſind
Oberkopf und Wangen dunkelbraun, die Seiten und der Hintertheil des Halfes gelblichweiß und
dunkelbraun gefleckt, der Rücken dunkelbraun, an einigen Federn röthlich gerandet; die Deckfedern der
Flügel ſind roth- und ſchwarzbraun in die Quere gebändert; die Kehle iſt ſchmuzigweißlich, die Bruſt
ſchwärzlichbraun, jede Feder in der Mitte gelblich längs geſtreift; der Bauch erſcheint gilblich. Die
Länge beträgt beim Männchen 14⅓, beim Weibchen 15½ Zoll, die Breite bei jenem 31 Zoll; der
Fittig mißt gegen 10 Zoll, der Schwanz gegen 6¼ Zoll.

Der Chimango verbreitet ſich über einen großen Theil Südamerikas. Jn Braſilien iſt er
überall häufig; in Guiana lebt er vorzugsweiſe in der Steppe, namentlich in ausgetrockneten
Sümpfen; in Chile iſt er gemein, auf Chiloe ein unſäglich häufiger Vogel, an der Küſte von
Patagonien und auf dem Feuerlande immer noch eine regelmäßige Erſcheinung. Am liebſten hält
er ſich in offenen, ebenen Gegenden auf. Die Triften, auf denen Vieh weidet, ſind ſein Lieblings-
aufenthalt; weil ihm aber Niemand nachſtellt, kommt er auch den menſchlichen Wohnungen ſehr nahe.
Auf Chiloe ſieht man ihn nach Boeck auf allen Dächern der Häuſer ſcharenweiſe ſitzen oder zu

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[523/0555] Allgemeines. Chimango. iſt gut entwickelt, aber auch der Geruch ſcheint wohl ausgebildet zu ſein; wenigſtens ſind die Naſen- löcher, wie bei den Geiern, immer feucht. Jhr geiſtiges Weſen iſt ein Gemiſch von Harmloſigkeit und Frechheit, von Geſelligkeit und Unverträglichkeit. Verſtand kann man ihnen keineswegs abſprechen, liebenswürdig aber ſind ſie nicht. Beſonders unangenehm iſt auch ihr oft wiederholter, durchdringender Schrei, welcher unter lebhaften Bewegungen des Kopfes ausgeſtoßen und namentlich dann vernommen wird, wenn der Geierfalk etwas Genießbares erſpäht hat. Der Horſt wird oft auf dem Boden, ebenſo häufig aber auch auf Bäumen angelegt. Die Eier ſind rundlich und fleckig, nach Art anderer Falkeneier. Jhrer zwei bis ſechs bilden das Gelege. Beide Eltern ſcheinen zu brüten, und beide lieben ihre Brut in hohem Grade. Gefangene Geierfalken gelangen ſehr ſelten zu uns. Jn Braſilien ſcheint ſich Niemand mit ihnen abgeben zu wollen, und nach Europa ſchickt man ſie nicht, weil man ſie für zu gemein, zu werthlos hält. Deshalb gehören ſie in unſern Thiergärten zu den ſeltneren Erſcheinungen. Eine der verbreitetſten Arten der Familie iſt der Chimango, wie die Braſilianer ihn nennen (Milvago Chimachina). Er iſt ſchlank gebaut, ſein Kopf mäßig groß, der Flügel lang und zugeſpitzt, in ihm die vierte Schwinge die längſte, der Schwanz mäßig lang, ein wenig abgerundet, der Fuß mittelhoch und ſchlank, am Laufe nur wenig befiedert, mit ziemlich langen Zehen, welche mit mäßig ſtarken und gekrümmten Klauen bewehrt ſind. Der Schnabel iſt geſtreckt, ſchwach, kurzhakig, am Rande des Oberkiefers ohne Zahn; die Wachshaut iſt ziemlich breit, vor dem runden, mit erhabenem Rande umgebenen Naſenloche ausgebuchtet; das Gefieder deckt die Kehle nur ſpärlich und läßt den Zügel und die Umgebung des Auges frei. Beim alten Vogel iſt die allgemeine Färbung ein ſchmuziges Weiß; die Flügel, der Rücken, der Schwanz und ein Streifen vom Auge nach dem Hinterkopfe ſind dunkelbraun, die vier vorderſten Schwingen ſind in ihrer Mitte an beiden Fahnen weiß und dunkel punktirt, wodurch ein lichtes Querband entſteht; die übrigen Schwingen ſind an der Wurzel gelblichweiß, ſchwärzlich in die Quere geſtreift, an der Spitzenhälfte ſchwarzbraun; die Schwanzfedern haben breite ſchwarzbraune Spitzen, im Uebrigen ſind ſie auf weißlichem Grunde ſchmal ſchwarzbraun gebändert. Das große Auge iſt graubraun, der Schnabel an der Wurzel blaß- bläulichweiß, an der Spitze lichter; die Wachshaut, der Zügel, das Augenlid, eine ſchmale Einfaſſung des Auges und die Kinnhaut ſind orangengelb; der Fuß iſt blaßbläulich. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich wenig in der Färbung. Das letztere iſt ſchmuziger, und die Binden im Schwanze ſind breiter; auch haben die hintern Schwungfedern weiße Spitzenränder. Bei jungen Vögeln ſind Oberkopf und Wangen dunkelbraun, die Seiten und der Hintertheil des Halfes gelblichweiß und dunkelbraun gefleckt, der Rücken dunkelbraun, an einigen Federn röthlich gerandet; die Deckfedern der Flügel ſind roth- und ſchwarzbraun in die Quere gebändert; die Kehle iſt ſchmuzigweißlich, die Bruſt ſchwärzlichbraun, jede Feder in der Mitte gelblich längs geſtreift; der Bauch erſcheint gilblich. Die Länge beträgt beim Männchen 14⅓, beim Weibchen 15½ Zoll, die Breite bei jenem 31 Zoll; der Fittig mißt gegen 10 Zoll, der Schwanz gegen 6¼ Zoll. Der Chimango verbreitet ſich über einen großen Theil Südamerikas. Jn Braſilien iſt er überall häufig; in Guiana lebt er vorzugsweiſe in der Steppe, namentlich in ausgetrockneten Sümpfen; in Chile iſt er gemein, auf Chiloe ein unſäglich häufiger Vogel, an der Küſte von Patagonien und auf dem Feuerlande immer noch eine regelmäßige Erſcheinung. Am liebſten hält er ſich in offenen, ebenen Gegenden auf. Die Triften, auf denen Vieh weidet, ſind ſein Lieblings- aufenthalt; weil ihm aber Niemand nachſtellt, kommt er auch den menſchlichen Wohnungen ſehr nahe. Auf Chiloe ſieht man ihn nach Boeck auf allen Dächern der Häuſer ſcharenweiſe ſitzen oder zu

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/555>, abgerufen am 22.11.2024.