Steiß und an den Unterschenkeln weiß. Die Länge beträgt nach Tschudi 32, nach Burmeister 34 Zoll, die Breite nach Azara 671/2 Zoll. Der Fittig mißt 20 Zoll, der Schwanz 9 Zoll. Das Weibchen ist größer als das Männchen, der Fleischkamm auf dem Schnabel aber kleiner.
Durch Azara, Humboldt, von Wied, d'Orbigny, Schomburgk, Tschudi und Andere sind wir über Aufenthalt und Lebensweise des Geierkönigs unterrichtet worden. Er verbreitet sich vom 32. Grad südlicher Breite an über alle Tiefländer Südamerikas bis Mejiko und Tejas und soll selbst in Florida vorgekommen sein. Jm Gebirge findet er sich nur bis zu 5000 Fuß über dem Meere. Sein eigentliches Wohngebiet sind die Urwaldungen oder die mit Bäumen bestandenen Ebenen. Auf den baumlosen Steppen und auf waldlosen Gebirgen fehlt er gänzlich. Er ist nach d'Orbigny höchstens halb so häufig, als der Kondor, zehnmal seltener als der Urubu
[Abbildung]
Der Königsgeier (Sarcorramphus Papa).
und funfzehnmal seltener als der Gallinazo. Waldränder werden von ihm dem tieferen Walde vorgezogen. Er verbringt hier die Nacht regelmäßig auf den niederen Zweigen der Bäume, meist in Gesellschaft und scheint zu gewissen Schlafplätzen allabendlich zurückzukehren. Mit Anbruch des Morgens, viel früher als der Kondor, hebt er sich entweder allein oder in Gesellschaft und schwebt längs des Waldes und in dessen Umgebung dahin, um sich zu überzeugen, ob etwa ein Jaguar ihm die Tafel gedeckt habe. Hat er glücklich ein Aas erspäht, so stürzt er sich mit sausendem Fluge aus großer Höhe hernieder, begibt sich aber nicht unmittelbar zur Mahlzeit, sondern setzt sich erst in einer kleinen Entfernung von demselben auf einen Baum oder in Ermangelung eines solchen auf den Boden, zieht Hals und Kopf tief zwischen die Flügel ein und wirft nur dann und wann einen Blick auf das leckere Mahl, gleichsam, als wolle er seine Freßlust durch diese Enthaltsamkeit zur höchst- möglichen Gier steigern. Oft gibt er dieser erst nach einer viertel oder halben Stunde freien Lauf.
Brehm, Thierleben. III. 36
Königsgeier.
Steiß und an den Unterſchenkeln weiß. Die Länge beträgt nach Tſchudi 32, nach Burmeiſter 34 Zoll, die Breite nach Azara 67½ Zoll. Der Fittig mißt 20 Zoll, der Schwanz 9 Zoll. Das Weibchen iſt größer als das Männchen, der Fleiſchkamm auf dem Schnabel aber kleiner.
Durch Azara, Humboldt, von Wied, d’Orbigny, Schomburgk, Tſchudi und Andere ſind wir über Aufenthalt und Lebensweiſe des Geierkönigs unterrichtet worden. Er verbreitet ſich vom 32. Grad ſüdlicher Breite an über alle Tiefländer Südamerikas bis Mejiko und Tejas und ſoll ſelbſt in Florida vorgekommen ſein. Jm Gebirge findet er ſich nur bis zu 5000 Fuß über dem Meere. Sein eigentliches Wohngebiet ſind die Urwaldungen oder die mit Bäumen beſtandenen Ebenen. Auf den baumloſen Steppen und auf waldloſen Gebirgen fehlt er gänzlich. Er iſt nach d’Orbigny höchſtens halb ſo häufig, als der Kondor, zehnmal ſeltener als der Urubu
[Abbildung]
Der Königsgeier (Sarcorramphus Papa).
und funfzehnmal ſeltener als der Gallinazo. Waldränder werden von ihm dem tieferen Walde vorgezogen. Er verbringt hier die Nacht regelmäßig auf den niederen Zweigen der Bäume, meiſt in Geſellſchaft und ſcheint zu gewiſſen Schlafplätzen allabendlich zurückzukehren. Mit Anbruch des Morgens, viel früher als der Kondor, hebt er ſich entweder allein oder in Geſellſchaft und ſchwebt längs des Waldes und in deſſen Umgebung dahin, um ſich zu überzeugen, ob etwa ein Jaguar ihm die Tafel gedeckt habe. Hat er glücklich ein Aas erſpäht, ſo ſtürzt er ſich mit ſauſendem Fluge aus großer Höhe hernieder, begibt ſich aber nicht unmittelbar zur Mahlzeit, ſondern ſetzt ſich erſt in einer kleinen Entfernung von demſelben auf einen Baum oder in Ermangelung eines ſolchen auf den Boden, zieht Hals und Kopf tief zwiſchen die Flügel ein und wirft nur dann und wann einen Blick auf das leckere Mahl, gleichſam, als wolle er ſeine Freßluſt durch dieſe Enthaltſamkeit zur höchſt- möglichen Gier ſteigern. Oft gibt er dieſer erſt nach einer viertel oder halben Stunde freien Lauf.
Brehm, Thierleben. III. 36
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Königsgeier.
Steiß und an den Unterſchenkeln weiß. Die Länge beträgt nach Tſchudi 32, nach Burmeiſter 34
Zoll, die Breite nach Azara 67½ Zoll. Der Fittig mißt 20 Zoll, der Schwanz 9 Zoll. Das
Weibchen iſt größer als das Männchen, der Fleiſchkamm auf dem Schnabel aber kleiner.
Durch Azara, Humboldt, von Wied, d’Orbigny, Schomburgk, Tſchudi und
Andere ſind wir über Aufenthalt und Lebensweiſe des Geierkönigs unterrichtet worden. Er
verbreitet ſich vom 32. Grad ſüdlicher Breite an über alle Tiefländer Südamerikas bis Mejiko und
Tejas und ſoll ſelbſt in Florida vorgekommen ſein. Jm Gebirge findet er ſich nur bis zu 5000 Fuß
über dem Meere. Sein eigentliches Wohngebiet ſind die Urwaldungen oder die mit Bäumen
beſtandenen Ebenen. Auf den baumloſen Steppen und auf waldloſen Gebirgen fehlt er gänzlich.
Er iſt nach d’Orbigny höchſtens halb ſo häufig, als der Kondor, zehnmal ſeltener als der Urubu
[Abbildung Der Königsgeier (Sarcorramphus Papa).]
und funfzehnmal ſeltener als der Gallinazo. Waldränder werden von ihm dem tieferen Walde
vorgezogen. Er verbringt hier die Nacht regelmäßig auf den niederen Zweigen der Bäume, meiſt in
Geſellſchaft und ſcheint zu gewiſſen Schlafplätzen allabendlich zurückzukehren. Mit Anbruch des
Morgens, viel früher als der Kondor, hebt er ſich entweder allein oder in Geſellſchaft und ſchwebt
längs des Waldes und in deſſen Umgebung dahin, um ſich zu überzeugen, ob etwa ein Jaguar ihm
die Tafel gedeckt habe. Hat er glücklich ein Aas erſpäht, ſo ſtürzt er ſich mit ſauſendem Fluge aus
großer Höhe hernieder, begibt ſich aber nicht unmittelbar zur Mahlzeit, ſondern ſetzt ſich erſt in einer
kleinen Entfernung von demſelben auf einen Baum oder in Ermangelung eines ſolchen auf den
Boden, zieht Hals und Kopf tief zwiſchen die Flügel ein und wirft nur dann und wann einen Blick
auf das leckere Mahl, gleichſam, als wolle er ſeine Freßluſt durch dieſe Enthaltſamkeit zur höchſt-
möglichen Gier ſteigern. Oft gibt er dieſer erſt nach einer viertel oder halben Stunde freien Lauf.
Brehm, Thierleben. III. 36
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/593>, abgerufen am 22.11.2024.
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