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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Raubvögel. Nachtkäuze.

Der Horst steht nach Versicherung aller Spanier, welche mir Auskunft geben konnten, in
Baumhöhlungen und enthält spät im Jahre drei bis vier kleine, runde, weiße Eier. Jn den ersten
Tagen des Juli erhielten wir ein noch blindes Junges, wenige Tage später deren drei, welche von uns
mit Sorgfalt gepflegt und nach kurzer Gefangenschaft ungemein zahm wurden. Sie ließen sich von
uns nicht blos berühren, sondern auch, ohne wegzufliegen, auf dem Finger im Zimmer umhertragen,
nahmen uns vorgehaltene Speise aus der Hand und ergötzten uns durch ihr muntres, possenhaftes
Wesen aufs höchste. Das ingrimmige Fauchen vernahm ich nie, ein schwaches Schnabelknacken nur im
Anfange der Gefangenschaft. Nach und nach aber wurden die Thierchen selbständig und eins nach
dem andern entwischte, sorgsamer Beaufsichtigung ungeachtet. Von einer jung aufgezogenen Zwerg-
eule schreibt mir mein Bruder, daß sie, weil sie so zahm, der liebste Gespiele seines Kindes ist.

Gegenwärtig bin ich so glücklich, wiederum drei dieser liebenswürdigen Vögel beobachten zu
können. Wir erhielten sie durch Vermittlung des Wiener Thiergartens aus Kärnthen, ebenfalls als
noch junge Vögel. Jedermann, welcher sie sieht, hat seine wahre Freude an ihnen. Bei Tage sitzen sie
in den verschiedensten Stellungen auf passenden Stellen in ihrem Gebauer, die eine mit glatt anliegen-
dem Gefieder, die andere zu einem Federballen aufgedunsen. Diese legt das eine Federohr nach hinten,
während sie das andere erhebt, jene richtet beide auf und blinzelt dabei unendlich komisch den Beschauer
an, welcher dicht an sie herantreten kann, ohne daß sie sich rührt. Der Käfig, welchen unsere Zwerg-
ohreule während des Sommers beherbergt, ist eine Steinnische, reich an Vorsprüngen, Ecken und
Winkeln. Da hat sich nun jeder der Gefangenen ein Plätzchen ausgesucht und weiß sich so vor-
trefflich zu verstecken, daß ich selbst, obgleich ich nicht blos den Käfig, sondern auch die Gewohnheiten der
Vögel genau kenne, oft lange suchen muß, ehe ich die drei aufgefunden habe. Jhr Gefieder verschmilzt
förmlich mit dem Gestein: es ist mir wiederholt begegnet, daß ich die eine dicht vor mir hatte, ohne
sie zu sehen. Die Haltung verursacht keine Schwierigkeit. Es versteht sich ganz von selbst, daß die
leckersten Mäuschen von vornherein für die Zwergohreulen bestimmt und von diesen dankbarlichst ent-
gegen genommen werden; in Ermangelung solches Wildprets aber begnügen sie sich gern auch mit
Drosselfutter, obgleich es ihnen schwer genug fällt, das Gemisch, aus welchem das gedachte Futter
besteht, aufzuklauben. Während des Winters müssen sie selbstverständlich in einen Raum gebracht
werden, dessen Wärme der ihrem Winteraufenthalte entspricht.

Jch zweifle nicht, daß es gelingen wird, von gefangenen Zwergeulen Junge zu erzielen. Zwei
von unseren Gefangenen hatten sich in diesem Frühjahre (1865) gepaart und drei Eier gelegt. Das
Weibchen brütete eifrig, starb aber leider, ehe die Eier gezeitigt waren. Jm Thiergarten zu Köln
haben die Zwergeulen wenigstens Anstalten zum Brüten gemacht.



Nachtkäuze nennt man alle Eulen mit großem runden Kopfe ohne Federohren, aber einer
außergewöhnlich großen Ohröffnung und dementsprechenden deutlichen Schleier. Die Flügel sind
meist abgerundet; der Schwanz ist lang oder kurz; die Füße sind hoch oder niedrig, dicht oder schwach
befiedert. Das Gefieder umkleidet den Leib dick oder schließt sich enger an ihn an. Alle hierher zu
zählenden Arten sind die vollendetsten Nachtvögel. Sie verschlafen den ganzen Tag und sind zum
Theil wenigstens Angesichts der Sonne äußerst unbehilfliche Geschöpfe, welche vom Licht wirklich
geblendet zu werden scheinen. Es genügt, wenn wir uns auf die deutschen Arten beschränken; denn
die ausländischen ähneln ihnen hinsichtlich ihres Lebens fast in jeder Hinsicht.

Unser Wald- oder Baum-, Busch- und Brandkauz, die großköpfige, heulende, Katzen-
oder Brandeule (Syrnium aluco) ist die größte der in Deutschland vorkommenden Arten. Der Kopf
ist außergewöhnlich groß, die Ohröffnung aber minder ausgedehnt, als bei andern Arten der Familie; der

Die Fänger. Raubvögel. Nachtkäuze.

Der Horſt ſteht nach Verſicherung aller Spanier, welche mir Auskunft geben konnten, in
Baumhöhlungen und enthält ſpät im Jahre drei bis vier kleine, runde, weiße Eier. Jn den erſten
Tagen des Juli erhielten wir ein noch blindes Junges, wenige Tage ſpäter deren drei, welche von uns
mit Sorgfalt gepflegt und nach kurzer Gefangenſchaft ungemein zahm wurden. Sie ließen ſich von
uns nicht blos berühren, ſondern auch, ohne wegzufliegen, auf dem Finger im Zimmer umhertragen,
nahmen uns vorgehaltene Speiſe aus der Hand und ergötzten uns durch ihr muntres, poſſenhaftes
Weſen aufs höchſte. Das ingrimmige Fauchen vernahm ich nie, ein ſchwaches Schnabelknacken nur im
Anfange der Gefangenſchaft. Nach und nach aber wurden die Thierchen ſelbſtändig und eins nach
dem andern entwiſchte, ſorgſamer Beaufſichtigung ungeachtet. Von einer jung aufgezogenen Zwerg-
eule ſchreibt mir mein Bruder, daß ſie, weil ſie ſo zahm, der liebſte Geſpiele ſeines Kindes iſt.

Gegenwärtig bin ich ſo glücklich, wiederum drei dieſer liebenswürdigen Vögel beobachten zu
können. Wir erhielten ſie durch Vermittlung des Wiener Thiergartens aus Kärnthen, ebenfalls als
noch junge Vögel. Jedermann, welcher ſie ſieht, hat ſeine wahre Freude an ihnen. Bei Tage ſitzen ſie
in den verſchiedenſten Stellungen auf paſſenden Stellen in ihrem Gebauer, die eine mit glatt anliegen-
dem Gefieder, die andere zu einem Federballen aufgedunſen. Dieſe legt das eine Federohr nach hinten,
während ſie das andere erhebt, jene richtet beide auf und blinzelt dabei unendlich komiſch den Beſchauer
an, welcher dicht an ſie herantreten kann, ohne daß ſie ſich rührt. Der Käfig, welchen unſere Zwerg-
ohreule während des Sommers beherbergt, iſt eine Steinniſche, reich an Vorſprüngen, Ecken und
Winkeln. Da hat ſich nun jeder der Gefangenen ein Plätzchen ausgeſucht und weiß ſich ſo vor-
trefflich zu verſtecken, daß ich ſelbſt, obgleich ich nicht blos den Käfig, ſondern auch die Gewohnheiten der
Vögel genau kenne, oft lange ſuchen muß, ehe ich die drei aufgefunden habe. Jhr Gefieder verſchmilzt
förmlich mit dem Geſtein: es iſt mir wiederholt begegnet, daß ich die eine dicht vor mir hatte, ohne
ſie zu ſehen. Die Haltung verurſacht keine Schwierigkeit. Es verſteht ſich ganz von ſelbſt, daß die
leckerſten Mäuschen von vornherein für die Zwergohreulen beſtimmt und von dieſen dankbarlichſt ent-
gegen genommen werden; in Ermangelung ſolches Wildprets aber begnügen ſie ſich gern auch mit
Droſſelfutter, obgleich es ihnen ſchwer genug fällt, das Gemiſch, aus welchem das gedachte Futter
beſteht, aufzuklauben. Während des Winters müſſen ſie ſelbſtverſtändlich in einen Raum gebracht
werden, deſſen Wärme der ihrem Winteraufenthalte entſpricht.

Jch zweifle nicht, daß es gelingen wird, von gefangenen Zwergeulen Junge zu erzielen. Zwei
von unſeren Gefangenen hatten ſich in dieſem Frühjahre (1865) gepaart und drei Eier gelegt. Das
Weibchen brütete eifrig, ſtarb aber leider, ehe die Eier gezeitigt waren. Jm Thiergarten zu Köln
haben die Zwergeulen wenigſtens Anſtalten zum Brüten gemacht.



Nachtkäuze nennt man alle Eulen mit großem runden Kopfe ohne Federohren, aber einer
außergewöhnlich großen Ohröffnung und dementſprechenden deutlichen Schleier. Die Flügel ſind
meiſt abgerundet; der Schwanz iſt lang oder kurz; die Füße ſind hoch oder niedrig, dicht oder ſchwach
befiedert. Das Gefieder umkleidet den Leib dick oder ſchließt ſich enger an ihn an. Alle hierher zu
zählenden Arten ſind die vollendetſten Nachtvögel. Sie verſchlafen den ganzen Tag und ſind zum
Theil wenigſtens Angeſichts der Sonne äußerſt unbehilfliche Geſchöpfe, welche vom Licht wirklich
geblendet zu werden ſcheinen. Es genügt, wenn wir uns auf die deutſchen Arten beſchränken; denn
die ausländiſchen ähneln ihnen hinſichtlich ihres Lebens faſt in jeder Hinſicht.

Unſer Wald- oder Baum-, Buſch- und Brandkauz, die großköpfige, heulende, Katzen-
oder Brandeule (Syrnium aluco) iſt die größte der in Deutſchland vorkommenden Arten. Der Kopf
iſt außergewöhnlich groß, die Ohröffnung aber minder ausgedehnt, als bei andern Arten der Familie; der

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[616/0652] Die Fänger. Raubvögel. Nachtkäuze. Der Horſt ſteht nach Verſicherung aller Spanier, welche mir Auskunft geben konnten, in Baumhöhlungen und enthält ſpät im Jahre drei bis vier kleine, runde, weiße Eier. Jn den erſten Tagen des Juli erhielten wir ein noch blindes Junges, wenige Tage ſpäter deren drei, welche von uns mit Sorgfalt gepflegt und nach kurzer Gefangenſchaft ungemein zahm wurden. Sie ließen ſich von uns nicht blos berühren, ſondern auch, ohne wegzufliegen, auf dem Finger im Zimmer umhertragen, nahmen uns vorgehaltene Speiſe aus der Hand und ergötzten uns durch ihr muntres, poſſenhaftes Weſen aufs höchſte. Das ingrimmige Fauchen vernahm ich nie, ein ſchwaches Schnabelknacken nur im Anfange der Gefangenſchaft. Nach und nach aber wurden die Thierchen ſelbſtändig und eins nach dem andern entwiſchte, ſorgſamer Beaufſichtigung ungeachtet. Von einer jung aufgezogenen Zwerg- eule ſchreibt mir mein Bruder, daß ſie, weil ſie ſo zahm, der liebſte Geſpiele ſeines Kindes iſt. Gegenwärtig bin ich ſo glücklich, wiederum drei dieſer liebenswürdigen Vögel beobachten zu können. Wir erhielten ſie durch Vermittlung des Wiener Thiergartens aus Kärnthen, ebenfalls als noch junge Vögel. Jedermann, welcher ſie ſieht, hat ſeine wahre Freude an ihnen. Bei Tage ſitzen ſie in den verſchiedenſten Stellungen auf paſſenden Stellen in ihrem Gebauer, die eine mit glatt anliegen- dem Gefieder, die andere zu einem Federballen aufgedunſen. Dieſe legt das eine Federohr nach hinten, während ſie das andere erhebt, jene richtet beide auf und blinzelt dabei unendlich komiſch den Beſchauer an, welcher dicht an ſie herantreten kann, ohne daß ſie ſich rührt. Der Käfig, welchen unſere Zwerg- ohreule während des Sommers beherbergt, iſt eine Steinniſche, reich an Vorſprüngen, Ecken und Winkeln. Da hat ſich nun jeder der Gefangenen ein Plätzchen ausgeſucht und weiß ſich ſo vor- trefflich zu verſtecken, daß ich ſelbſt, obgleich ich nicht blos den Käfig, ſondern auch die Gewohnheiten der Vögel genau kenne, oft lange ſuchen muß, ehe ich die drei aufgefunden habe. Jhr Gefieder verſchmilzt förmlich mit dem Geſtein: es iſt mir wiederholt begegnet, daß ich die eine dicht vor mir hatte, ohne ſie zu ſehen. Die Haltung verurſacht keine Schwierigkeit. Es verſteht ſich ganz von ſelbſt, daß die leckerſten Mäuschen von vornherein für die Zwergohreulen beſtimmt und von dieſen dankbarlichſt ent- gegen genommen werden; in Ermangelung ſolches Wildprets aber begnügen ſie ſich gern auch mit Droſſelfutter, obgleich es ihnen ſchwer genug fällt, das Gemiſch, aus welchem das gedachte Futter beſteht, aufzuklauben. Während des Winters müſſen ſie ſelbſtverſtändlich in einen Raum gebracht werden, deſſen Wärme der ihrem Winteraufenthalte entſpricht. Jch zweifle nicht, daß es gelingen wird, von gefangenen Zwergeulen Junge zu erzielen. Zwei von unſeren Gefangenen hatten ſich in dieſem Frühjahre (1865) gepaart und drei Eier gelegt. Das Weibchen brütete eifrig, ſtarb aber leider, ehe die Eier gezeitigt waren. Jm Thiergarten zu Köln haben die Zwergeulen wenigſtens Anſtalten zum Brüten gemacht. Nachtkäuze nennt man alle Eulen mit großem runden Kopfe ohne Federohren, aber einer außergewöhnlich großen Ohröffnung und dementſprechenden deutlichen Schleier. Die Flügel ſind meiſt abgerundet; der Schwanz iſt lang oder kurz; die Füße ſind hoch oder niedrig, dicht oder ſchwach befiedert. Das Gefieder umkleidet den Leib dick oder ſchließt ſich enger an ihn an. Alle hierher zu zählenden Arten ſind die vollendetſten Nachtvögel. Sie verſchlafen den ganzen Tag und ſind zum Theil wenigſtens Angeſichts der Sonne äußerſt unbehilfliche Geſchöpfe, welche vom Licht wirklich geblendet zu werden ſcheinen. Es genügt, wenn wir uns auf die deutſchen Arten beſchränken; denn die ausländiſchen ähneln ihnen hinſichtlich ihres Lebens faſt in jeder Hinſicht. Unſer Wald- oder Baum-, Buſch- und Brandkauz, die großköpfige, heulende, Katzen- oder Brandeule (Syrnium aluco) iſt die größte der in Deutſchland vorkommenden Arten. Der Kopf iſt außergewöhnlich groß, die Ohröffnung aber minder ausgedehnt, als bei andern Arten der Familie; der

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/652>, abgerufen am 22.11.2024.